Die Autopilotin

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Lord Nelson

Mitglied
Die Autopilotin??

Ich lehnte mich bequem zurück, sog die Luft ein und genoss den herben Duft ganz neuen Leders. Natürlich war das nicht mein erster Benz, doch dieses Luxusmodell war etwas ganz Besonderes. Als gut verdienender Vielfahrer hatte ich mich unbesehen für die volle Premiumausstattung ohne jeden Abstrich entschieden. Ich drückte auf den Startknopf. Der Wagen erwachte zum Leben. Das verhaltene und doch kraftvolle Bollern des 612-PS-Motors erfreute mein Herz. Im Licht der Scheinwerfer wirbelten gleißend hell erste Schneeflöckchen. Ein überbreites Display summte leise aus einem verborgenen Schlitz oberhalb der Mittelkonsole. Das Programm war bereits aktiv und wartete auf Anweisungen. Meine Naviziele hatte ich zuvor schon eingespielt und die Bedienung auf Spracheingabe umgestellt. “Kronmeier”, befahl ich also. Ich freute mich auf die lange Fahrt zu diesem Kunden. ??

“Bitte schnallen Sie sich an.” Diese Stimme, fast gehaucht und doch warm und melodisch, zog mich sofort in ihren Bann. Gebannt lauschte ich ihrem Klang nach. “Bitte”, wiederholte sie mit Nachdruck “Schnallen Sie sich an”. Die Starre fiel von mir ab. “Aber mit Vergnügen doch”, entgegnete ich galant und folgte ihrer Anweisung.

??Auf der Autobahn übermannte mich die Ungeduld. Obwohl mir die Geschwindigkeitsbegrenzung wohlbekannt war, senkte ich den Fuß aufs Gaspedal. Der Wagen ging ab wie eine Rakete. Die Beschleunigung drückte mich fest ins Leder. Die kraftvolle Musik des auf hohen Touren drehenden Motors berauschte mich geradezu. “Bitte drosseln Sie die Geschwindigkeit auf 80 km/h”, befahl die Stimme da, diesmal durchdringend und sehr, sehr bestimmt. Unwillkürlich linste ich aufs Display. Ich stutzte. Die Anzeige der Straßenkarte war einem Augenpaar gewichen, welches mich streng fixierte. “Ja doch”, murmelte ich irritiert, richtete meinen Blick wieder auf die Autobahn und ging vom Gas. Schnell schaute ich noch einmal aufs Display. Die Augen waren noch da. Nun, da ich mich gefügt hatte, war der strenge Ausdruck von ihnen gewichen. Ich konnte den Blick kaum lösen. Sie waren grün. Überaus anziehend, von faszinierender Lebendigkeit und unergründlicher Tiefe. Als haben sie meinen prüfenden Blick gespürt, verschwanden die Augen. Stattdessen wurde wieder die Strassenkarte angezeigt. ??

Bald hatte ich freie Fahrt, endlich! Begierig drückte ich das Gaspedal bis zum Anschlag durch. Das konnte ich völlig unbesorgt tun, denn dieser Wagen war absolut sicher. Selbst wenn ich bei voller Fahrt gegen eine Betonwand knallen sollte würde ich - so der Verkäufer - kaum einen Kratzer davontragen. Das Navi unterbrach diese angenehmen Gedanken. “Ein Stau befindet sich fünf Kilometer voraus. Bitte fahren Sie bei der nächsten Ausfahrt ab”, warnte mich die wohlmodulierte Stimme. “Ein Stau”, dachte ich. Das wunderte mich gar nicht, angesichts der unvorhergesehenen Schneefälle. Ich war begeistert. Endlich mal ein System, das einen Stau rechtzeitig voraussagte, noch ehe man von zähem Verkehr behindert wurde und gar nicht mehr ausweichen konnte. ??

Die Schneeschicht war zwar nur dünn, aber stellenweise heimtückisch glatt. Die immer enger werdende Kurve der Ausfahrt brachte mich ein klein wenig in Bedrängnis, was vielleicht auch mit an meiner Geschwindigkeit liegen mochte. Schlingernd bog ich in die Landstraße ein. “Haben Sie getrunken?”, fragte da unvermittelt die Navifee. “Wie jetzt, getrunken?” Sie konnte doch wohl nicht die lächerlichen paar Bierchen meinen. “Ach so. Äh. Ja... schon.” Ich hatte mich durch die unerwartete Frage überrumpeln lassen, und das ärgerte mich. “Was gehts dich an, Bitch”, blaffte ich sie an. ??Sie antwortete ungerührt und gar nicht unfreundlich: “Okay, wir können uns ruhig duzen. Mein Name ist Lena.” “Angenehm, David”, murmelte ich automatisch. Lena ließ nicht locker. “Was hast du getrunken, David?” Ich antwortete nicht. In mir kochte unbeherrschter Zorn hoch. Ich musste klare Verhältnisse schaffen. “Sieh genau her, Lena”, sagte ich also mit gefährlicher Ruhe. Ich löste den Sicherheitsgurt, beugte mich vor und öffnete das Handschuhfach. Ohne den Blick von der Straße zu nehmen holte ich meinen Designer-Flachmann heraus, der mich auf jeder Fahrt begleitete. Eine Hand am Lenkrad, schraubte ich das Deckelchen ab und nahm einen tiefen Zug aus der Flasche. “Aaaaaaaah”, sagte ich entspannt, “auch einen?” Was konnte sie schon dagegen machen. Sie schwieg. Ich lachte erleichtert auf. Ich muss gestehen, für den Bruchteil einer Sekunde hatte ich befürchtet, in meinem eigenen Auto von einer Kamera beobachtet zu werden. So ein Blödsinn. Natürlich gab es keine Kamera. Die gute Lena hatte ja nicht einmal bemerkt, dass ich mich aus Bequemlichkeit nicht wieder angeschnallt hatte. ??

Wieder ertönte ihre Stimme, weich und aufrichtig bedauernd. “Es tut mir leid, David. Die Analysen von Kameraaufzeichnungen und Raumluft ergaben, dass du hochprozentigen Alkohol getrunken hast. Während der Fahrt! Ich kann leider nicht umhin, dir die Kontrolle über das Fahrzeug zu entziehen.” “Kann leider nicht umhin”, wiederholte ich belustigt. Wer sprach denn heute noch so? Während ich noch den Sinn ihrer Worte zu begreifen versuchte, merkte ich schon die Veränderung. Pedale und Lenkrad bewegten sich auf einmal wie von Geisterhand gesteuert. “Wie?”, sagte ich verwirrt, “was?” “Tja”, sagte Lena. Selbst unter Aufbietung all meiner Kräfte vermochte ich den Wagen keinen Millimeter von der vorprogrammierten Route abzubringen. “Erstaunlich”, sagte ich verdutzt. Vor lauter Staunen kam ich überhaupt nicht dazu, mich zu ärgern. Ich hatte wirklich nicht die leiseste Ahnung gehabt, dass der volle Umfang des Premiumpakets auch eine Fahrautomatik beinhaltete. War das nicht eigentlich super? Mein Schädel summte. “Nimm es nicht schwer”, tröstete mich Lena, “Bei Beginn der nächsten Fahrt hast du die Gelegenheit, deine Fahrtüchtigkeit durch eine Atemluftanalyse nachzuweisen.” “Nein, ist schon gut Lena”, brummte ich matt und lehnte mich gänzlich überwältigt zurück.

??Entspannt beobachtete ich, wie Heerscharen dicker Schneeflocken gegen die Scheibe sausten, wo sie von den gleichmütig hin und her wedelnden Scheibenwischern lautlos beiseite gewischt wurden. Die weiter vorne vom Scheinwerferlicht erfassten Flocken bildeten lange weiße Tunnel, deren Gestrudel einen hypnotisch einzusaugen versuchte. Wir waren schnell. Schnelles Fahren im Schneegestöber erforderte meiner Erfahrung nach äußerste Konzentration, und so genoss ich es direkt, mich bei dieser Witterung chauffieren zu lassen. “Du fährst gut”, zollte ich Lena wohlwollend Respekt. “Für eine Frau”, dachte ich, aber das sagte ich nicht. Plötzlich war ich ganz schön müde. Das alles war zu viel für mich. Ich sollte nicht andauernd trinken, sinnierte ich und beäugte den Flachmann. Ich nahm ihn vom Beifahrersitz und leerte ihn mit einigen kräftigen Zügen. Unbehagen erfasste mich. Ob das etwa gar stimmte, mit dieser angeblichen Atemluftanalyse? Ich spürte Hitze in meinem Kopf aufsteigen, teils dem edlen Birnengeist geschuldet, hauptsächlich aber aus Ärger über diese unerträgliche Vorstellung. Lena musste sich das selbst ausgedacht haben, aus Schikane, weil ich nicht gleich pariert hatte. Ja, das traute ich ihr durchaus zu. Und sie würde es sich nicht nehmen lassen, diesen Test auch knallhart durchzuziehen.??

Vielleicht ließe sie ja mit sich reden. Ich musste es irgendwie schaffen, ein Vertrauensverhältnis zu ihr aufzubauen. Vertrauen schaffen, das war quasi meine Kernkompetenz. Schließlich lebte ich nicht schlecht davon, dass die Kunden fast blindlings meinen Empfehlungen für Geldanlagen folgten, deren Vermittlung gerade bei den riskanteren Produkten mit fetten Provisionen honoriert wurde. Doch wie um alles in der Welt verwickelte man eine Computerstimme in eine vertrauliche Unterhaltung?

??Ich räusperte mich nervös. “Zeig dich noch einmal, Lena”, wünschte ich, und wieder erschien dieses faszinierende Augenpaar. “Wie geht es dir?”, fragte ich. “Danke, gut”, hauchte sie und fuhr dann mit einem bezaubernd schüchternen Augenaufschlag fort “Wollen wir uns nicht ein wenig unterhalten?” Das lief ja super! “Mhmm,” sagte ich “was möchtest du von mir wissen?” Ich war echt neugierig. Obwohl ich auf alles und nichts gefasst war, überraschten mich ihre Fragen. Wahrheitsgemäß gab ich zur Antwort, dass ich ungebunden und kinderlos sei. Hätte ich diese Fragen bejaht, wer weiß, ob dann nicht alles ganz anders gekommen wäre... ??

Lena begann zu erzählen. Die Illusion war perfekt. Es fühlte sich täuschend echt an, wie ein unverbindlich-intimes Bargespräch mit einer ganz normalen Frau. Fasziniert lauschte ich dem samtigen Klang von Lenas Stimme, dem Wechsel von tieftrauriger Sehnsucht und leiser Melancholie in ihrem Ausdruck. Ich war schon so müde, dass ich ihren Worten nicht mehr folgen konnte. Irgendwann schreckte ich aus einem oberflächlichen Schlaf hoch. Der Wagen war langsamer geworden. Ein intensives Gefühl verdichtete sich noch. “Ich glaube, wir sind gleich da”, fasste ich es halblaut murmelnd in Worte, während mein Blick das dichte Schneegestöber zu durchdringen versuchte. Der Wagen näherte sich einem selbst im Schneetreiben noch deutlich erkennbaren “Vorfahrt achten”-Schild und fuhr im Schrittempo auf die Vorfahrtstraße zu.

??Ich erkannte die Kreuzung auf Anhieb. Seit dem Vorfall damals hatte ich es strikt vermieden, je wieder in die Nähe zu kommen. “Siehst du das Kreuz?”, fragte Lena. Ich nickte langsam. Ich sah es, ebenso wie die frischen Rosen, die im kalten Scheinwerferlicht blutrot unter einer dünnen Schneehaube herausleuchteten. “Hier ist es passiert”, sagte sie, und die tiefe Traurigkeit in ihrer Stimme griff mir ans Herz. Es dauerte ein wenig, bis sie weitersprach. “Er war mit dem Roller unterwegs. Er hatte Vorfahrt. Dann kam dieser betrunkene Idiot viel zu schnell um die Kurve...” Sie stockte. Ihre Augen waren gerötet. “Verstehst du?” Ich nickte noch einmal. Ich verstand. Ich schwieg. Was hätte ich auch sagen sollen. Es tat mir unendlich leid, aber das machte es nicht ungeschehen.

??Der Motor heulte böse auf. Etwas beschäftigte mich. “Warte noch”, sagte ich. “Was?”, fragte sie. “Es gab gar keinen Stau, stimmts?” “Stimmt”, sagte sie. In ihrer Stimme klang eine neue, schneidende Kälte mit. Das Display begann zu flackern und erlosch in einer eisigen Endgültigkeit, die mein Blut gefrieren ließ. Der Wagen gab ein furchterregendes Brüllen von sich und beschleunigte mit der geballten Kraft seiner 612 PS. Das letzte, was ich sah, war seltsamerweise nicht der graue Beton des Brückenpfeilers, der von ferne immer schneller auf mich zuraste. Nein, es war eine kleine, rot blinkende Schrift am unteren Rand der Armaturen, von der ich den Blick nicht mehr lösen konnte. “Ich sollte mich besser anschnallen”, überlegte ein nüchterner kleiner Rest von mir wie gelähmt vor Panik, während der winzige Schriftzug “Airbag ausser Betrieb” bis zum Aufprall unbarmherzig weiterblinkte.
 

Languedoc

Mitglied
Hallo Lord Nelson,

Ja, ja, meine Lieben, don't drink and drive, ein Rausch kann Dämonen entfesseln. Es empfiehlt sich, nüchtern und bei klarem Verstand zu bleiben, sonst übernehmen wahlweise Maschinen oder die Instinkte das Kommando, und das nicht zum Wohle des ICH. Also, eine vielschichtige Story mit Diskussionspotential, worauf ich hier aber nicht näher eingehe.

Ich möchte mir das Handwerkliche in diesem Text ansehen und einen ersten Überarbeitungsdurchgang versuchen. Für meinen Geschmack sind die Adverbien und die Adjektive nicht immer zum Gewinn. Manche Sätze scheinen mir zu bemüht. Orthografie und S-Schreibung sind auch nicht ganz sattelfest. Und formal wäre nach jedem Sprecherwechsel ein Absatz angebracht.

Ich versuch's mal:

Die Autopilotin 

Ich lehnte mich bequem zurück, sog die Luft ein und genoss den herben Duft [red]ganz[/red] neuen Leders. Natürlich war das nicht mein erster Benz, doch dieses Luxusmodell war etwas [red]ganz[/red] [blue]Wortwiederholung[/blue] Besonderes. Als gut verdienender Vielfahrer hatte ich mich unbesehen für die [red][strike]volle[/strike][/red] Premiumausstattung [red]ohne jeden Abstrich[/red] [blue]("voll", "Premium", "ohne jeden Abstrich" ist dick aufgetragen)[/blue] entschieden. [blue](Absatz)[/blue]

Ich drückte auf den Startknopf. Der Wagen erwachte zum Leben. Das verhaltene und doch kraftvolle Bollern des 612-PS-Motors erfreute mein Herz. Im [blue]gleißenden[/blue] Licht der Scheinwerfer wirbelten [strike]gleißend hell[/strike] erste Schneeflöckchen. Ein überbreites Display summte leise aus einem verborgenen Schlitz oberhalb der Mittelkonsole [blue](Ein Display summte aus einem verborgenen Schlitz? Wie geht das denn?)[/blue]. Das [blue]Navi-[/blue]Programm war bereits aktiv und wartete auf Anweisungen. Meine [blue]Fahr[/blue]ziele hatte ich zuvor schon eingespielt und die Bedienung auf Spracheingabe umgestellt. “Kronmeier”, befahl ich [strike]also[/strike] [blue](befahl ich lässig?)[/blue]. Ich freute mich auf die lange Fahrt zu diesem Kunden [blue](Verstehen neuerdings Navis die Namen von Kunden? Ich dachte, man muss eine Adresse eingeben)[/blue].

“Bitte schnallen Sie sich an.” Diese Stimme, fast gehaucht und doch warm und melodisch, zog mich sofort in ihren [red]Bann. Gebannt[/red] [blue](zweimal "Bann" ist einmal zuviel)[/blue] lauschte ich ihrem Klang nach. “Bitte”, wiederholte sie mit Nachdruck[blue],[/blue] “schnallen Sie sich an[blue]![/blue]”[strike].[/strike] [blue](Absatz wegen Sprecherwechsel)[/blue]

Die Starre fiel von mir ab [blue]("Starre" ist hier wohl zu dick aufgetragen, der Protagonist hatte sich oben lediglich bequem zurückgelehnt).[/blue] “Aber mit Vergnügen doch”, entgegnete ich galant und folgte ihrer Anweisung.

Auf der Autobahn übermannte mich die Ungeduld. Obwohl mir die Geschwindigkeitsbegrenzung [strike]wohl[/strike]bekannt [blue]("bekannt" genügt)[/blue] war, senkte ich den Fuß aufs Gaspedal. Der Wagen ging ab wie eine Rakete. Die Beschleunigung drückte mich [red]fest[/red] ins Leder [blue](ein anderes Adverb als "fest wäre vielleicht knackiger. Oder es weglassen).[/blue] Die kraftvolle Musik des auf hohen Touren drehenden Motors [blue](ob ein hochtourig drehender Motor eine "kraftvolle Musik" von sich gibt? Na ja ..)[/blue] berauschte mich geradezu. [blue](Absatz)[/blue]

“Bitte drosseln Sie die Geschwindigkeit auf 80 km/h”, befahl [blue]("befahl" hatten wir oben schon)[/blue] die Stimme [strike]da[/strike], diesmal durchdringend und sehr, sehr bestimmt. [strike]Unwillkürlich[/strike] linste ich aufs Display. [blue](Ich linste auf das Display und)[/blue] stutzte. Die Anzeige der Straßenkarte war einem Augenpaar gewichen, welches mich streng fixierte. [blue](Absatz)[/blue]

“Ja doch”, murmelte ich [red]irritiert[/red] [blue](dieses "irritiert" steht verloren in dem Satz. Die Irritation des Autofahrers müsste im Text anders rüberkommen),[/blue] richtete meinen Blick wieder auf die Autobahn und ging vom Gas. Schnell schaute ich noch einmal aufs Display. Die Augen waren noch da. Nun, da ich mich gefügt hatte, war der strenge Ausdruck [red]von[/red] [blue]aus[/blue] ihnen gewichen. Ich konnte [strike]den[/strike] meinen Blick kaum lösen. Sie waren grün[strike].[/strike][blue], ü[/blue]beraus anziehend, von faszinierender Lebendigkeit und unergründlicher Tiefe [blue](na ja, ein bisschen viel auf einmal. "Lebendig und tief" würden reichen)[/blue]. Als [red]haben[/red] [blue]hätten[/blue] sie meinen prüfenden Blick gespürt, verschwanden die Augen [blue](unschöner Satz)[/blue]. Stattdessen wurde wieder die Stra[strike]ss[/strike][blue]ß[/blue]enkarte angezeigt.

Bald hatte ich freie Fahrt, endlich! [red]Begierig[/red] drückte ich das Gaspedal bis zum Anschlag durch [blue](wenn ich bis zum Anschlag durchdrücke, muss es dann auch noch "begierig" sein?)[/blue]. Das konnte ich [strike]völlig[/strike] unbesorgt tun, denn dieser Wagen war absolut sicher. [blue]( Vielleicht so: Bald hatte ich freie Fahrt und endlich durfte ich das Gaspedal bis zum Anschlag durchdrücken, was ich unbesorgt tun konnte, denn dieser Wagen war absolut sicher)[/blue]. Selbst wenn ich bei voller Fahrt gegen eine Betonwand knallen sollte würde ich - so der Verkäufer - kaum einen Kratzer davontragen. [blue](Absatz)[/blue]

Das Navi unterbrach diese angenehmen Gedanken. [blue](Hier wäre ein Passiv-Satz vielleicht besser: "Meine Gedanken wurden vom Navi unterbrochen" - obwohl schön ist das auch nicht. Vielleicht den Satz überhaupt streichen.) [/blue] “Ein Stau befindet sich fünf Kilometer voraus. Bitte fahren Sie bei der nächsten Ausfahrt ab”, warnte [blue](ein schlichtes "sagte" wäre zu überlegen)[/blue] mich die wohlmodulierte Stimme. [blue](Absatz)[/blue]

[strike]“Ein Stau”, dachte ich. Das wunderte mich gar nicht, angesichts der unvorhergesehenen Schneefälle.[/strike] Ich war begeistert. Endlich mal ein System, das einen Stau rechtzeitig voraussagte, noch ehe man von zähem Verkehr behindert wurde und gar nicht mehr ausweichen konnte.

Die Schneeschicht war zwar nur dünn, [red]aber[/red] stellenweise heimtückisch glatt [blue](eine dünne Schneeschichte ist immer heimtückisch glatt, würde ich sagen).[/blue] Die immer enger werdende Kurve der Ausfahrt brachte mich ein klein wenig in Bedrängnis, was vielleicht auch mit an meiner Geschwindigkeit liegen mochte. Schlingernd bog ich in die Landstraße ein. “Haben Sie getrunken?”, fragte [red]da unvermittelt[/red] [blue](unvermittelt würde ich streichen)[/blue] die Navifee.

“Wie jetzt, getrunken?” Sie konnte doch wohl nicht die lächerlichen paar Bierchen meinen. “Ach so. Äh. Ja... schon.” Ich hatte mich durch die [red]unerwartete[/red] [blue](vorhin "unvermittelt", hier "unerwartet", also eines ist jedenfalls zuviel)[/blue] Frage überrumpeln lassen[strike],[/strike] und das ärgerte mich. “Was gehts dich an, Bitch”, blaffte ich sie an. [blue](Absatz)[/blue]

Sie antwortete ungerührt und gar nicht unfreundlich: “Okay, wir können uns ruhig duzen. Mein Name ist Lena.” [blue](Absatz)[/blue]

“Angenehm, David”, murmelte ich automatisch [blue]("automatisch murmeln" ist nix gute Formulierung). (Absatz)
[/blue]
Lena ließ nicht locker. “Was hast du getrunken, David?”[blue](Absatz)[/blue]

Ich antwortete nicht. In mir kochte unbeherrschter Zorn hoch [blue](Zorn IST unbeherrscht)[/blue]. Ich musste klare Verhältnisse schaffen. “Sieh genau her, Lena”, sagte ich also mit [red]gefährlicher[/red] Ruhe (wie "gefährlich" diese Ruhe ist, sollte sich am nachfolgenden Geschehen zeigen). Ich löste den Sicherheitsgurt, beugte mich vor und öffnete das Handschuhfach. Ohne den Blick von der Straße zu [red]nehmen[blue] (wenden)[/blue] [/red][blue],[/blue] holte ich meinen Designer-Flachmann heraus, der mich auf jeder Fahrt begleitete. Eine Hand am Lenkrad, schraubte ich das Deckelchen ab und nahm einen tiefen Zug aus der Flasche. [blue](nicht gut formuliert)[/blue] “Aaaaaaaah”, sagte ich [strike]entspannt[/strike] [blue](das "Aaaah" signalisiert bereits die Entspanntheit")[/blue], “auch einen?” [blue](Absatz)[/blue]

Was konnte [strike]sie[/strike] [blue](meine Navifee)[/blue] schon dagegen machen. Sie schwieg. Ich lachte erleichtert auf. Ich muss gestehen, für den Bruchteil einer Sekunde hatte ich befürchtet, in meinem eigenen Auto von einer Kamera beobachtet zu werden. So ein Blödsinn. Natürlich gab es keine Kamera. Die gute Lena hatte ja nicht einmal bemerkt, dass ich mich aus Bequemlichkeit nicht wieder angeschnallt hatte.

Wieder ertönte ihre Stimme, weich und aufrichtig bedauernd. “Es tut mir leid, David. Die Analysen von Kameraaufzeichnungen und Raumluft ergaben, dass du hochprozentigen Alkohol getrunken hast. Während der Fahrt! Ich kann leider nicht umhin, dir die Kontrolle über das Fahrzeug zu entziehen.”[blue](Absatz)[/blue]

“Kann leider nicht umhin”, wiederholte ich belustigt. Wer sprach denn heute [red]noch[/red] so? Während ich [red]noch[/red] den Sinn ihrer Worte zu begreifen versuchte, merkte ich schon [red]die Veränderung[/red] [blue]("die Veränderung" ist der Umschwung in dieser Geschichte, und diesen Punkt als "die Veränderung" zu benennen, ist nicht gut getroffen.)[/blue]. Pedale und Lenkrad bewegten sich auf einmal wie von Geisterhand gesteuert. “Wie?”, [strike]sagte[/strike] [blue]fragte[/blue] ich verwirrt[strike],[/strike][blue].[/blue] “[blue]W[/blue]as?” [blue](Absatz)[/blue]

“Tja”, sagte Lena. Selbst unter Aufbietung all meiner Kräfte vermochte ich den Wagen keinen Millimeter von der vorprogrammierten Route abzubringen. “Erstaunlich”, sagte ich [strike]verdutzt[/strike] [blue]und vor[/blue] lauter Staunen kam ich überhaupt nicht dazu, mich zu ärgern. Ich hatte wirklich nicht die leiseste Ahnung gehabt, dass der volle Umfang des Premiumpakets auch eine Fahrautomatik beinhaltete. War das nicht eigentlich super? [strike]Mein Schädel summte.[/strike] [blue](Absatz)
[/blue]
“Nimm es nicht schwer”, tröstete mich Lena[strike],[/strike][blue].[/blue] “Bei Beginn der nächsten Fahrt hast du die Gelegenheit, deine Fahrtüchtigkeit durch eine Atemluftanalyse nachzuweisen.” [blue](Absatz)[/blue]

“Nein, ist schon gut Lena”, brummte ich matt und lehnte mich gänzlich überwältigt zurück. [blue]("matt" "brummen" und "gänzlich überwältigt" sich zurücklehnen ist viel, viel, viel in einem Satz von neun Wörten, zumal der Protagonist gleich anschließend "entspannt" ist.)
[/blue]

Entspannt beobachtete ich, wie Heerscharen dicker Schneeflocken gegen die Scheibe sausten [blue](prallten?)[/blue], wo sie von den gleichmütig hin und her wedelnden Scheibenwischern lautlos beiseite gewischt wurden. Die weiter vorne vom Scheinwerferlicht erfassten Flocken bildeten lange weiße Tunnel, deren Gestrudel einen hypnotisch einzusaugen versuchte [blue](das Gestrudel von Tunneln saugt einen ein? - )[/blue].


... Sorry, und mich saugen die Alltagspflichten ein, ich muss jetzt Schluss machen und komme leider nicht durch den ganzen Text. Meine Anmerkungen sind als Anregung gedacht und selbstverständlich subjektiv, aber sollte Lord Nelson das eine oder andere davon verwerten können, würde mich das freuen.

Dranbleiben!

Freundliche Grüße

Languedoc
 

Lord Nelson

Mitglied
Hallo Languedoc,

vielen herzlichen Dank für deine freundliche Beschäftigung mit meinem Text. Deine Verbesserungsvorschläge empfinde ich als überwiegend ziemlich treffend. Hätte ich auch mal selber drauf kommen können. Bei fremden Kurzgeschichten fallen mir genau diese Dinge auf - aber wenn es um den eigenen Text geht, ist der Autor offenbar wie vernagelt.

In den nächsten Tagen werde ich die Geschichte etwas "verschlanken" :)

Eine Frage hätte ich noch zum Absatz: bei Word erzeugt man selbigen durch Drücken der Enter-Taste, dadurch wird der Folgetext umgebrochen und um einen gewissen einstellbaren Abstand eingerückt. Hier im Foreneditor funktioniert das leider nicht. Gibt es da eine Möglichkeit?
 

Languedoc

Mitglied
Betriebsblindheit:
aber wenn es um den eigenen Text geht, ist der Autor offenbar wie vernagelt.
... und hat ein Brett vorm Kopf, so geht es mir auch, und mein Mittel dagegen ist: das Werk beiseitelegen, was ganz anderes tun, und dann (nach ein paar Wochen) den Text zur Brust nehmen, als wär's das unverlangt eingereichte Manuskript eines unbekannten Autors: mit gezücktem roten Tintenstift, Brille auf der Nase und gnadenlosem Grimm im Bauch - vermaledeite Maloche!

Der zeitliche Abstand klärt meinen Blick, ich entdecke dann die Holpersteine sofort, na ja, nicht alle, aber doch so, dass ich das Gefühl habe, ich kann echt was verbessern. Mein Traum wäre allerdings, ein Lektor würde mal meine Elaborate professionell zerpflücken - einen solchen Dienst kann ich mir aber leider nicht leisten ;) und so muss ich halt den Wörteracker selber pflügen bis die Synapsen schwitzen.

Absätze im Text:
Vermutlich sind sie beim Kopieren des Textes aus WORD in den Leselupe-Editor verloren gegangen. Du kannst - eh klar - im Leselupe-Editor mit der ENTER-Taste einen Absatz einfügen. Dazu musst du Deinen hineinkopiertenText nochmal durchscrollen, die Absätze "entern" und in der Vorschau prüfen, ob alles passt wie gewollt. Es gibt sicher elegantere Lösungen, aber da bin ich überfragt.

Viel Spaß beim Schreiben in allen seinen Phasen zwischen heißem Rausch und kalter Dusche.

Languedoc
 
Hallo Lord Nelson,

vorweg - ich finde deine Geschichte sehr gelungen. Flüssig zu lesen, gute Wortwahl. Ich will deshalb eher einige strategische Dinge anmerken.

Zum einen ist der Umfang (für meinen Geschmack) eine Idee zu lang - ich würde den Part, der den Prota als Bankangestellten "enttarnt", zum Beispiel eher weglassen - dann fühlen sich mehr Menschen angesprochen und man erspart sich das Thema "Hass auf Geldhaie" ;)

Zum Ende hin zieht sich die Geschichte und man weiß, dass dem Fahrer der Tod bevorsteht. Das ist gut und baut Spannung auf. Wenn du hier aber die Geschichte abänderst und der Hauptperson nur seinen "Mord" aufzeigst, ohne ihm eine schnelle Erlösung von seinem Leiden zu geben, hat die Geschichte weit mehr psychische Einschlagskraft - am Ende muss er dann nämlich damit leben, als sich in die rettende Leere zu stürzen. Und der Leser muss mit einem unvorhergesehenen Ende der Geschichte leben, das dann ein (gewollt) beklemmendes Gefühl hervorruft.

Vielleicht hilft dir ja die ein oder andere Anmerkung weiter (falls sie nicht schon genannt wurde)!
Grüße
Tobid
 

Lord Nelson

Mitglied
Hallo Weltenwandler,

vielen Dank für dein Lob und die interessante Kritik. Gerade die “strategischen Dinge”, beobachtet durch einen unvoreingenommener Leser, sind immer ein wertvolles Feedback.

Über die Frage nach dem Beruf des Protagonisten habe ich inzwischen gründlich nachgedacht. Von mir aus käme als Überleitung zu dem kleinen Dialog ebensogut der Beruf des Altenpflegers in Frage. Angesichts des dicken Autos (und auch der dünnen Skrupel) erscheint mir ein Finanzberater jedoch stimmiger. Sollten weitere Leser an diesem Punkt Anstoß nehmen, so würde ich womöglich darauf verzichten. Ist ja nur ein Randdetail.

Was die Frage der Länge anbelangt, stimme ich dir zu. Was immer für eine Story entbehrlich ist, darf gerne rausfliegen. In diesem Sinne habe ich die Geschichte bereits von ursprünglich zehn auf jetzt gut drei Seiten zusammengedampft, bin aber für weitere Entschlackungen durchaus offen. Den tödlichen Aufprall würde ich allerdings nur höchst ungern opfern. Klar, die gute Fee könnte den Finger heben und einen von schwerer Reue gequälten Prota ermahnen, hinfort nicht mehr betrunken Auto zu fahren. Aber dieses Ende befriedigt mich nicht! :)
Gut, vielleicht muss man das Ende nicht mehr ausformulieren, so dass noch eine gewisse Resthoffnung übrig bleibt. Möglicherweise würde es ausreichen, wenn der Motor einmal böse brüllt.
Oder der Wagen schießt haarscharf an dem Brückenpfeiler vorbei. Oh ja, dieses Überraschungsmoment könnte durchaus sehr reizvoll sein *lach*
Mal schaun.

Ein weiteres Detail steht für mich zur Disposition, doch bin ich mir dessen noch nicht ganz sicher. Die Spielerei mit dem Warnlicht im Schlusssatz, und damit auch das Gegenstück, nämlich der weiter oben stehende Hinweis auf die hohe Sicherheit des Wagens, wären eventuell noch verzichtbar. Den Gedanken muss ich aber erst noch sacken lassen.

Viele Grüße
Lord Nelson
 

Lord Nelson

Mitglied
Die Autopilotin??

Ich lehnte mich bequem zurück, sog die Luft ein und genoss den herben Duft des neuen Leders. Natürlich war das nicht mein erster Benz, doch dieses Luxusmodell war etwas ganz Besonderes. Als gut verdienender Vielfahrer hatte ich mich unbesehen für die volle Premiumausstattung entschieden und war schon gespannt, was dieses Geschoss elektronisch so draufhatte.
Ich drückte auf den Startknopf. Der Wagen erwachte zum Leben. Das verhaltene und doch kraftvolle Bollern des 612-PS-Motors ließ mein Herz höher schlagen. Im gleißenden Licht der Scheinwerfer wirbelten erste Schneeflöckchen. Ein überbreites Display summte leise aus einem unauffälligen Schlitz oberhalb der Mittelkonsole. Das Naviprogramm war bereits aktiv und wartete auf Anweisungen. Meine Fahrziele hatte ich zuvor schon eingespielt, die Namen dazu erfasst und die Bedienung auf Spracheingabe umgestellt. “Kronmeier”, befahl ich lässig. Ich freute mich auf die lange Fahrt zu diesem Kunden. ?“Bitte schnallen Sie sich an.” Diese Stimme, fast gehaucht und doch warm und melodisch, zog mich sofort in ihren Bann. Fasziniert lauschte ich ihrem Klang nach. “Bitte”, wiederholte sie mit Nachdruck, “Schnallen Sie sich an!”
“Aber mit Vergnügen doch”, entgegnete ich galant und folgte ihrer Anweisung. ?Auf der Autobahn übermannte mich die Ungeduld. Obwohl mir die Geschwindigkeitsbegrenzung bekannt war, senkte ich den Fuß aufs Gaspedal. Der Wagen ging ab wie eine Rakete. Die Beschleunigung presste mich ins Leder. Die kraftvolle Musik des auf hohen Touren drehenden Motors berauschte mich geradezu.
“Bitte drosseln Sie die Geschwindigkeit auf 80 km/h”, forderte die Stimme da, durchdringend jetzt und sehr, sehr bestimmt. Ich linste auf das Display und stutzte. Die Anzeige der Straßenkarte war einem Augenpaar gewichen, welches mich streng fixierte.
“Ja doch”, murmelte ich, richtete meinen Blick wieder auf die Autobahn und ging vom Gas. Schnell schaute ich noch einmal aufs Display. Die Augen waren noch da. Nun, da ich mich gefügt hatte, war der strenge Ausdruck aus ihnen gewichen. Ich konnte meinen Blick kaum lösen. Sie waren grün, von verwirrender Lebendigkeit und unergründlicher Tiefe. Als hätten sie meinen prüfenden Blick gespürt wurden die Augen immer durchscheinender, so dass bald wieder die Straßenkarte zu sehen war. ?Bald hatte ich freie Fahrt und durfte endlich das Gaspedal bis zum Anschlag durchdrücken - was ich unbesorgt tun konnte, denn dieser Wagen war absolut sicher. Selbst wenn ich bei voller Fahrt gegen eine Betonwand knallen sollte würde ich - so der Verkäufer - kaum einen Kratzer davontragen.
Wieder ertönte die wohlmodulierte Stimme. “Ein Stau befindet sich fünf Kilometer voraus. Bitte fahren Sie bei der nächsten Ausfahrt ab”.
Ich war begeistert. Endlich mal ein System, das einen Stau rechtzeitig voraussagte, noch ehe man von zähem Verkehr behindert wurde und gar nicht mehr ausweichen konnte.
?Die dünne Schneeschicht war stellenweise heimtückisch glatt. Die immer enger werdende Kurve der Ausfahrt brachte mich ein klein wenig in Bedrängnis, was vielleicht auch mit an meiner Geschwindigkeit liegen mochte. Schlingernd bog ich in die Landstraße ein. “Haben Sie getrunken?”, fragte die Navifee.
“Wie jetzt, getrunken?” Sie konnte doch wohl nicht die lächerlichen paar Bierchen meinen. “Ach so. Äh. Ja... schon.” Ich hatte mich durch die unerwartete Frage überrumpeln lassen, und das ärgerte mich. “Was gehts dich an, Bitch”, blaffte ich sie an.
Sie antwortete ungerührt und gar nicht unfreundlich: “Okay, wir können uns ruhig duzen. Mein Name ist Lena.”
“Angenehm, David”, murmelte ich wider Willen.
Lena ließ nicht locker. “Was hast du getrunken, David?”
In mir kochte Zorn hoch. Ich musste klare Verhältnisse schaffen. “Sieh genau her, Lena”, sagte ich also mit gefährlicher Ruhe. Ich löste den Sicherheitsgurt, beugte mich vor und öffnete das Handschuhfach. Ohne den Blick von der Straße zu wenden holte ich meinen Designer-Flachmann heraus, der mich auf jeder Fahrt begleitete. Routiniert schraubte ich das Deckelchen mit einer Hand ab und nahm einen tiefen Zug aus der Flasche. “Aaaaaaaah”, sagte ich, “auch einen?”
Was konnte Lena schon dagegen machen. Sie schwieg. Ich lachte erleichtert auf. Ich muss gestehen, für den Bruchteil einer Sekunde hatte ich befürchtet, in meinem eigenen Auto von einer Kamera beobachtet zu werden. So ein Blödsinn. Natürlich gab es keine Kamera. Die gute Lena hatte ja nicht einmal bemerkt, dass ich mich aus Bequemlichkeit nicht wieder angeschnallt hatte. ?Doch da ertönte ihre Stimme, weich und scheinbar aufrichtig bedauernd. “Es tut mir leid, David. Die Analysen von Kameraaufzeichnungen und Raumluft ergaben, dass du hochprozentigen Alkohol getrunken hast. Während der Fahrt! Ich kann leider nicht umhin, dir die Kontrolle über das Fahrzeug zu entziehen.”
“Kann leider nicht umhin”, wiederholte ich belustigt. Wer sprach denn heute noch so? Während ich den Sinn ihrer Worte zu begreifen versuchte merkte ich, dass etwas nicht stimmte. Pedale und Lenkrad bewegten sich auf einmal wie von Geisterhand gesteuert. “Wie?”, sagte ich verwirrt, “Was?”
“Tja”, sagte Lena. Selbst unter Aufbietung all meiner Kräfte vermochte ich den Wagen keinen Millimeter von der vorprogrammierten Route abzubringen.
“Erstaunlich”, sagte ich. Ich war so überrascht, dass ich überhaupt nicht dazu kam, mich zu ärgern. Ich hatte wirklich nicht die leiseste Ahnung gehabt, dass der volle Umfang des Premiumpakets auch eine Fahrautomatik beinhaltete. War das nicht eigentlich super?
“Nimm es nicht schwer”, tröstete mich Lena. “Bei Beginn der nächsten Fahrt hast du die Gelegenheit, deine Fahrtüchtigkeit durch eine Atemluftanalyse nachzuweisen.”
“Nein, ist schon gut Lena”, brummte ich matt und lehnte mich zurück. ?
Unbeteiligt sah ich zu, wie Heerscharen dicker Schneeflocken gegen die Scheibe trieben, wo sie von den träge hin und her wedelnden Scheibenwischern lautlos beiseite gewischt wurden. Die weiter vorne vom Licht der Scheinwerfer erfassten Flocken bildeten zwei wirbelnde Strudel, die auf mich eine geradezu hypnotische Wirkung ausübten. Wir waren schnell. Schnelles Fahren im Schneegestöber erforderte meiner Erfahrung nach äußerste Konzentration, und so genoss ich es direkt, mich bei dieser Witterung chauffieren zu lassen.
“Du fährst gut”, zollte ich Lena wohlwollend Respekt. “Für eine Frau”, dachte ich, aber das sagte ich nicht. Plötzlich war ich ganz schön müde. Das alles war zu viel für mich. Ich sollte nicht andauernd trinken, sinnierte ich und beäugte den Flachmann. Ich nahm ihn vom Beifahrersitz und leerte ihn mit einigen kräftigen Zügen. Unbehagen erfasste mich. Ob das etwa gar stimmte, mit dieser angeblichen Atemluftanalyse? Ich spürte Hitze in meinem Kopf aufsteigen, teils dem edlen Birnengeist geschuldet, hauptsächlich aber aus Ärger über diese unerträgliche Vorstellung. Lena musste sich das selbst ausgedacht haben, aus Schikane, weil ich nicht gleich pariert hatte. Ja, das traute ich ihr durchaus zu. Und sie würde es sich nicht nehmen lassen, diesen Test auch knallhart durchzuziehen.?
Vielleicht ließe sie ja mit sich reden. Ich musste es irgendwie schaffen, ein Vertrauensverhältnis zu ihr aufzubauen. Vertrauen schaffen, das war quasi meine Kernkompetenz. Schließlich lebte ich nicht schlecht davon, dass die Kunden fast blindlings meinen Empfehlungen für Geldanlagen folgten, deren Vermittlung gerade bei den riskanteren Produkten mit fetten Provisionen honoriert wurde. Doch wie um alles in der Welt verwickelte man eine Computerstimme in eine vertrauliche Unterhaltung?? Ich räusperte mich nervös. “Wie geht es dir, Lena?”, fragte ich, und wieder zeigte sich dieses faszinierende Augenpaar.
“Danke, gut”, hauchte sie und fuhr dann mit einem bezaubernd schüchternen Augenaufschlag fort “Wollen wir uns nicht ein wenig unterhalten?” Das lief ja super!
“Mhmm,” sagte ich “was möchtest du von mir wissen?” Ich war echt neugierig. Obwohl ich auf alles und nichts gefasst war, überraschten mich ihre Fragen. Wahrheitsgemäß gab ich zur Antwort, dass ich ungebunden und kinderlos sei. Hätte ich diese Fragen bejaht, wer weiß, ob dann nicht alles ganz anders gekommen wäre... ?
Lena begann zu erzählen. Die Illusion war perfekt. Es fühlte sich täuschend echt an, wie ein unverbindlich-intimes Bargespräch mit einer ganz normalen Frau. Fasziniert lauschte ich dem samtigen Klang von Lenas Stimme, dem Wechsel von tieftrauriger Sehnsucht und leiser Melancholie in ihrem Ausdruck. Ich war so erschöpft, dass ich gar nicht merkte, wie ich schon nach wenigen Sätzen in einen oberflächlichen Schlaf fiel.
Irgendwann schreckte ich hoch. Der Wagen war langsamer geworden. Ein intensives Gefühl verdichtete sich noch. “Ich glaube, wir sind gleich da”, fasste ich es halblaut murmelnd in Worte, während mein Blick das dichte Schneegestöber zu durchdringen versuchte. Der Wagen näherte sich einem selbst im Schneetreiben noch deutlich erkennbaren “Vorfahrt achten”-Schild und fuhr im Schrittempo auf die Vorfahrtstraße zu. ?
Ich erkannte die Kreuzung auf Anhieb. Seit dem Vorfall damals hatte ich es strikt vermieden, je wieder in die Nähe zu kommen. “Siehst du das Kreuz?”, fragte Lena. Ich nickte langsam. Ich sah es, ebenso wie die frischen Rosen, die im kalten Scheinwerferlicht blutrot unter einer dünnen Schneehaube herausleuchteten. “Hier ist es passiert”, sagte sie, und die tiefe Traurigkeit in ihrer Stimme griff mir ans Herz. Es dauerte ein wenig, bis sie weitersprach. “Er war mit dem Roller unterwegs. Er hatte Vorfahrt. Dann kam dieser betrunkene Idiot viel zu schnell um die Kurve...” Sie stockte. Ihre Augen waren gerötet. “Verstehst du?” Ich nickte noch einmal. Ich verstand. Ich schwieg. Was hätte ich auch sagen sollen. Es tat mir unendlich leid, aber das machte es nicht ungeschehen. ?
Der Motor heulte böse auf. Etwas beschäftigte mich. “Warte noch”, sagte ich.
“Was?”, fragte sie.
“Es gab gar keinen Stau, stimmts?”
“Stimmt”, sagte sie. In ihrer Stimme klang eine neue, schneidende Kälte mit. Das Display begann zu flackern und erlosch in einer eisigen Endgültigkeit, die mein Blut gefrieren ließ. Der Wagen gab ein furchterregendes Brüllen von sich und beschleunigte mit der geballten Kraft seiner 612 PS. Das letzte, was ich sah, war seltsamerweise nicht der graue Beton des Brückenpfeilers, der von ferne immer schneller auf mich zuraste. Nein, es war eine kleine, rot blinkende Schrift am unteren Rand der Armaturen, von der ich den Blick nicht mehr lösen konnte.
“Ich sollte mich besser anschnallen”, überlegte ein nüchterner kleiner Rest von mir wie gelähmt vor Panik, während der winzige Schriftzug “Airbag ausser Betrieb” bis zum Aufprall unbarmherzig weiterblinkte.
 

Lord Nelson

Mitglied
Hallo Languedoc,

Viel Spaß beim Schreiben in allen seinen Phasen zwischen heißem Rausch und kalter Dusche.
Danke, schöner kann man es nicht beschreiben.

Deine Anregungen habe ich mit Vergnügen aufgegriffen. Auch wenn das Feature in herkömmlichen Autos nicht implementiert sein mag: dieses Navi muss Namen verstehen, sonst kann man ja nicht so lässig starten. :)

Hab auch fleißig die Absätze reinge"entert", dafür fielen alle Leerzeilen raus. Hoffe das passt jetzt so.

Viele Grüße
Lord Nelson
 
Hallo Lord Nelson,

als du schriebst, ein Ende ohne den Tod des Protagonisten wäre nicht "befriedigend", musste ich auch lachen. Gerade dieses "nicht zufrieden sein" und die Verweigerung eines "guten Gefühls" macht das Ganze für mich so belastend - und deswegen gelungen. Vergleichbar wäre es, wenn zum Beispiel in der Kurzgeschichte "Im Keller II" die Protagonistin einfach ihren Widersacher umbringen würde (Beitrag im Prosaforum).

Ich verstehe aber natürlich, dass diese Stelle zeitgleich eine Schlüsselstelle darstellt. Deswegen gebe ich mich hiermit mit dem Thema zufrieden :D Die Ausformulierung des Todes finde ich aber eigentlich recht gelungen - auch die Schrift, die der Betrunkene anders wahrnimmt als es in der Realität der Fall ist. Aber das durchzieht ja auch deine Geschichte - die "realen" Features des Autos versus den Interpretationen des Protas.

Viele Grüße und nicht viel Kopfzerbrechen wünscht
Tobid
 

Languedoc

Mitglied
Hallo Lord Nelson,

Sieht gut aus!


Ein paar Erbsen fallen mir noch auf zum "Klauben":


Ein überbreites Display summte leise aus einem unauffälligen Schlitz oberhalb der Mittelkonsole. [blue](Sorry, aber darüber stolpere ich einfach. Wie wär's mit: "Leise summte es aus einem unauffälligen Schlitz ..." ?)
[/blue]
Die kraftvolle Musik des auf hohen Touren drehenden Motors berauschte mich geradezu. (des [blue]sich[/blue] auf hohen Touren drehenden Motors - bin mir nicht sicher. Der Satz ist nicht gerade elegant.)

Selbst wenn ich bei voller Fahrt gegen eine Betonwand knallen sollte[blue], (Komma)[/blue] würde ich - so der Verkäufer - kaum einen Kratzer davontragen.

Wieder ertönte die wohlmodulierte Stimme. “Ein Stau befindet sich fünf Kilometer voraus. Bitte fahren Sie bei der nächsten Ausfahrt ab[red]”.[/red] [blue]." ( . vor ")
[/blue]
Die immer enger werdende Kurve der Ausfahrt brachte mich ein klein wenig in Bedrängnis, was vielleicht auch [strike]mit[/strike] [blue](mit würde ich weglassen)[/blue] an meiner Geschwindigkeit liegen mochte.

Ohne den Blick von der Straße zu wenden[blue], (Komma)[/blue] holte ich meinen Designer-Flachmann heraus, der mich auf jeder Fahrt begleitete.

Während ich den Sinn ihrer Worte zu begreifen versuchte[blue], (Komma)[/blue] merkte ich, dass etwas nicht stimmte.

Pedale und Lenkrad bewegten sich auf einmal wie von Geisterhand gesteuert. “Wie?”, sagte [blue](fragte - eventuell besser)[/blue] ich verwirrt[strike],[/strike][blue]. (Punkt)[/blue] “Was?” [blue](und statt verwirrt vielleicht: verdattert.)[/blue]

“Danke, gut”, hauchte sie und fuhr dann mit einem bezaubernd schüchternen Augenaufschlag fort[blue]: (Doppelpunkt)[/blue] “Wollen wir uns nicht ein wenig unterhalten?”

“Mhmm[red],”[/red] [blue]",[/blue] sagte ich[blue], (Beistrich[/blue]) “was möchtest du von mir wissen?” Ich war echt neugierig. Obwohl ich auf alles und nichts gefasst war, überraschten mich ihre [blue](Vorschlag: reichlich privaten)[/blue] Fragen.

Hätte ich diese Fragen bejaht, wer weiß, ob dann nicht alles ganz anders gekommen [red]wäre...[/red] (zwischen wäre und den drei Punkten gehört ein Leerzeichen.)

Ich war so erschöpft, dass ich gar nicht merkte, wie ich schon nach wenigen Sätzen in einen oberflächlichen Schlaf fiel [blue](Vorschlag: in einen flachen Schlaf wegnickte.)[/blue].

“Ich glaube, wir sind gleich da”, fasste ich es halblaut [strike]murmelnd[/strike] in Worte, während mein Blick das dichte Schneegestöber zu durchdringen versuchte.

Der Wagen näherte sich einem selbst im Schneetreiben noch deutlich erkennbaren “Vorfahrt achten”-Schild und fuhr im Schritt[blue]t[/blue]empo [blue](drei t)[/blue] auf die Vorfahrtstraße zu.

“Er war mit dem Roller unterwegs. Er hatte Vorfahrt. Dann kam dieser betrunkene Idiot viel zu schnell um die [red]Kurve...[/red]” [blue](Leerzeichen zwischen Kurve und den drei Punkten)[/blue]

“Es gab gar keinen Stau, stimmt[blue]'[/blue]s?” [blue](Apostroph)[/blue]

“Stimmt”, sagte sie. In ihrer Stimme klang eine neue, [blue]eine[/blue] schneidende Kälte mit.

“Ich sollte mich besser anschnallen”, überlegte ein nüchterner kleiner Rest von mir wie gelähmt vor Panik, während der winzige Schriftzug “Airbag au[red][strike]ss[/strike][/red]er [blue]außer[/blue] Betrieb” bis zum Aufprall unbarmherzig weiterblinkte. [blue](kleiner Logikholperer: wie gelähmt vor Panik bezieht sich auf den nüchternen kleinen Rest, der überlegt - aber wie kann man noch etwas überlegen, wenn man vor Panik gelähmt ist?)
[/blue]


Es grüßt

Languedoc
 

Silbenstaub

Mitglied
Hallo Lord Nelson,
nun komme ich doch schon heute dazu, mir deine Geschichte anzusehen; vorweg, sie gefällt mir, und sie ist natürlich im Zusammenhang des vor wenigen Tagen vom Bundesgerichtshof aufgehobenen Mordurteils gegen zwei Berliner Raser wegen der ungeklärten Frage des Vorsatzes sehr interessant.
Sie liest sich sehr flüssig. Den Humor, der hier und da durch blinzelt, mag ich. Ich finde, dass die Schnee-Passagen genau an den richtigen Stellen platziert sind.
Im Mittelteil habe ich etwas geschwächelt, das kann zum einen daran liegen, dass ich nicht wirklich autoaffin bin, oder eine weitere Straffung würde infrage kommen. Zum Ende hat die Geschichte mich gepackt, da finde ich sie sehr kraftvoll. Ich würde sowohl den tödlichen Aufprall als auch den außer Betrieb geratenen Airbag drin lassen.
Zur Frage des Berufs, mir kam der Roman von Tom Wolfe: „Fegefeuer der Eitelkeiten“ in den Sinn, die Geschichte ist zwar anders gestrickt, aber auch da ein Finanzmensch, der durch einen Unfall in den Strudel von Ereignissen gerät, die ihn zerstören. Was hältst du von einem Beruf, der an sich hohes Ansehen genießt, z.B. ein Arzt? Nur mal so eine Idee.
Du hattest schon ein super Lektorat, vielleicht ist jetzt was doppelt gemoppelt, ich weiß im Moment nicht, was du schon verändert hast. Ein paar Kommafehler sind mir nur noch aufgefallen.

Als hätten sie meinen prüfenden Blick gespürt, wurden die Augen immer durchscheinender, so dass bald wieder die Straßenkarte zu sehen war.

Selbst wenn ich bei voller Fahrt gegen eine Betonwand knallen sollte, würde ich - so der Verkäufer - kaum einen Kratzer davontragen.

Ohne den Blick von der Straße zu wenden, holte ich meinen Designer-Flachmann heraus, der mich auf jeder Fahrt begleitete.

Doch da ertönte ihre Stimme, weich und scheinbar aufrichtig bedauernd: “Es tut mir leid, David.

Während ich den Sinn ihrer Worte zu begreifen versuchte, merkte ich, dass etwas nicht stimmte.

“Mhmm”, sagte ich, “was möchtest du von mir wissen?”

„Airbag außer Betrieb”

Schönes Wochenende
Silbenstaub
 

Lord Nelson

Mitglied
Hallo Silbenstaub,

vielen Dank für deinen Eindruck und die Anmerkungen.

Ich finde, Rückmeldungen kann man nie genug erhalten. Ein gewisses Spektrum verschiedener Meinungen hilft auf jeden Fall weiter - auch wenn der Autor letzten Endes natürlich seine eigene Entscheidung trifft.

Die Fehler bastle ich demnächst raus, Fragen zur sonstigen Umgestaltung werde ich aber erst noch eine gewisse Zeit auf mich wirken lassen.

Viele Grüße
Lord Nelson
 

Lord Nelson

Mitglied
Hi Weltenwandler,

Gerade dieses "nicht zufrieden sein" und die Verweigerung eines "guten Gefühls" macht das Ganze für mich so belastend - und deswegen gelungen.
Da mag sogar etwas dran sein, aber dennoch ... vielleicht bin ich einfach noch nicht so weit. Ich genieße es sehr, als Autor ein wenig Schicksal spielen zu dürfen. Es kann durchaus sein, dass ich mir die Story nach längerem “Abhängen” noch einmal vornehme ...

Die Parallele zum Ende von “Im Keller II” sehe ich übrigens gerade umgekehrt. Brächte die Protagonistin den Onkel Karl um, dann entspräche das ja genau meiner so nahe liegender (und befriedigender) Endlösung *find*

Viele Grüße
Lord Nelson
 

Lord Nelson

Mitglied
Hallo Languedoc,

auch diese Anmerkungen von dir finden meine volle Zustimmung.

So soll also künftig das Display “leise summend aus dem ... Schlitz fahren”, “reichlich privat” gefällt mir sehr, und auch den Widerspruch im Schlusssatz kann ich gut nachvollziehen.

Der Ausdruck “den Motor hoch drehen” oder auch, aktiv formuliert, “der Motor dreht hoch(tourig)” ist mir von Werkstättenbesuchen geläufig. Dessen ungeachtet habe ich aber beschlossen, dieses nebensächliche Detail überhaupt wegzulassen.

Ein bisserl geklammert hatte ich schließlich noch am
‘“Wie?”, sagte ich verwirrt, “Was?”’ (dir entgeht aber auch nichts :) )
Nachdem ich vorhin zu dem Ausdruck
‘“Hä?” sagte er’
längst nicht so viele Treffer in Google fand wie zum Gegenstück
‘“Hä?” fragte er’,
werde ich auch diesen Vorschlag von dir jetzt gerne aufnehmen.

Mit der Überarbeitung lasse ich mir noch ein paar Tage Zeit.

Vielen Dank noch einmal für das mühsame "Erbsenpicken" bzw. die daraus resultierenden hilfreichen Hinweise

Viele Grüße
Lord Nelson
 

Lord Nelson

Mitglied
Die Autopilotin

??Ich lehnte mich bequem zurück, sog die Luft ein und genoss den herben Duft des neuen Leders. Natürlich war das nicht mein erster Benz, doch dieses Luxusmodell war etwas ganz Besonderes. Als gut verdienender Vielfahrer hatte ich mich unbesehen für die volle Premiumausstattung entschieden und war schon gespannt, was dieses Geschoss elektronisch so draufhatte.
?Ich drückte auf den Startknopf. Der Wagen erwachte zum Leben. Das verhaltene und doch kraftvolle Bollern des 612-PS-Motors ließ mein Herz höher schlagen. Im gleißenden Licht der Scheinwerfer wirbelten erste Schneeflöckchen. Ein überbreites Display fuhr leise summend aus einem unauffälligen Schlitz oberhalb der Mittelkonsole. Das Naviprogramm war bereits aktiv und wartete auf Anweisungen. Meine Fahrziele hatte ich zuvor schon eingespielt, die Namen dazu erfasst und die Bedienung auf Spracheingabe umgestellt. “Kronmeier”, befahl ich lässig. Ich freute mich auf die lange Fahrt zu diesem Kunden. “Bitte schnallen Sie sich an.” Diese Stimme, fast gehaucht und doch warm und melodisch, zog mich sofort in ihren Bann. Fasziniert lauschte ich ihrem Klang nach. “Bitte”, wiederholte sie mit Nachdruck, “Schnallen Sie sich an!” ?
“Aber mit Vergnügen doch”, entgegnete ich galant und folgte ihrer Anweisung. Auf der Autobahn übermannte mich die Ungeduld. Obwohl mir die Geschwindigkeitsbegrenzung bekannt war, senkte ich den Fuß aufs Gaspedal. Der Wagen ging ab wie eine Rakete. Die Beschleunigung presste mich ins Leder. Die kraftvolle Musik des Motors berauschte mich geradezu.?
“Bitte drosseln Sie die Geschwindigkeit auf 80 km/h”, forderte die Stimme da, durchdringend jetzt und sehr, sehr bestimmt. Ich linste auf das Display und stutzte. Die Anzeige der Straßenkarte war einem Augenpaar gewichen, welches mich streng fixierte.
?“Ja doch”, murmelte ich, richtete meinen Blick wieder auf die Autobahn und ging vom Gas. Schnell schaute ich noch einmal aufs Display. Die Augen waren noch da. Nun, da ich mich gefügt hatte, war der strenge Ausdruck aus ihnen gewichen. Ich konnte meinen Blick kaum lösen. Sie waren grün, von verwirrender Lebendigkeit und unergründlicher Tiefe. Als hätten sie meinen prüfenden Blick gespürt, wurden die Augen immer durchscheinender, so dass bald wieder die Straßenkarte zu sehen war. Bald hatte ich freie Fahrt und durfte endlich das Gaspedal bis zum Anschlag durchdrücken - was ich unbesorgt tun konnte, denn dieser Wagen war absolut sicher. Selbst wenn ich bei voller Fahrt gegen eine Betonwand knallen sollte, würde ich - so der Verkäufer - kaum einen Kratzer davontragen. ?
Wieder ertönte die wohlmodulierte Stimme. “Ein Stau befindet sich fünf Kilometer voraus. Bitte fahren Sie bei der nächsten Ausfahrt ab.
”?Ich war begeistert. Endlich mal ein System, das einen Stau rechtzeitig voraussagte, noch ehe man von zähem Verkehr behindert wurde und gar nicht mehr ausweichen konnte. ?
Die dünne Schneeschicht war stellenweise heimtückisch glatt. Die immer enger werdende Kurve der Ausfahrt brachte mich ein klein wenig in Bedrängnis, was vielleicht auch an meiner Geschwindigkeit liegen mochte. Schlingernd bog ich in die Landstraße ein. “Haben Sie getrunken?”, fragte die Navifee. ?
“Wie jetzt, getrunken?” Sie konnte doch wohl nicht die lächerlichen paar Bierchen meinen. “Ach so. Äh. Ja... schon.” Ich hatte mich durch die unerwartete Frage überrumpeln lassen, und das ärgerte mich. “Was gehts dich an, Bitch”, blaffte ich sie an. ?
Sie antwortete ungerührt und gar nicht unfreundlich: “Okay, wir können uns ruhig duzen. Mein Name ist Lena.”
?“Angenehm, David”, murmelte ich wider Willen.
?Lena ließ nicht locker. “Was hast du getrunken, David?”
?In mir kochte Zorn hoch. Ich musste klare Verhältnisse schaffen. “Sieh genau her, Lena”, sagte ich also mit gefährlicher Ruhe. Ich löste den Sicherheitsgurt, beugte mich vor und öffnete das Handschuhfach. Ohne den Blick von der Straße zu wenden, holte ich meinen Designer-Flachmann heraus, der mich auf jeder Fahrt begleitete. Routiniert schraubte ich das Deckelchen mit einer Hand ab und nahm einen tiefen Zug aus der Flasche. “Aaaaaaaah”, sagte ich, “auch einen?” ?
Was konnte Lena schon dagegen machen. Sie schwieg. Ich lachte erleichtert auf. Ich muss gestehen, für den Bruchteil einer Sekunde hatte ich befürchtet, in meinem eigenen Auto von einer Kamera beobachtet zu werden. So ein Blödsinn. Natürlich gab es keine Kamera. Die gute Lena hatte ja nicht einmal bemerkt, dass ich mich aus Bequemlichkeit nicht wieder angeschnallt hatte. Doch da ertönte ihre Stimme, weich und scheinbar aufrichtig bedauernd: “Es tut mir leid, David. Die Analysen von Kameraaufzeichnungen und Raumluft ergaben, dass du hochprozentigen Alkohol getrunken hast. Während der Fahrt! Ich kann leider nicht umhin, dir die Kontrolle über das Fahrzeug zu entziehen.” ?
“Kann leider nicht umhin”, wiederholte ich belustigt. Wer sprach denn heute noch so? Während ich den Sinn ihrer Worte zu begreifen versuchte, merkte ich, dass etwas nicht stimmte. Pedale und Lenkrad bewegten sich auf einmal wie von Geisterhand gesteuert. “Wie?”, fragte ich verdutzt, “Was?”
?“Tja”, sagte Lena. Selbst unter Aufbietung all meiner Kräfte vermochte ich den Wagen keinen Millimeter von der vorprogrammierten Route abzubringen.
“Erstaunlich”, sagte ich. Ich war so überrascht, dass ich überhaupt nicht dazu kam, mich zu ärgern. Ich hatte wirklich nicht die leiseste Ahnung gehabt, dass der volle Umfang des Premiumpakets auch eine Fahrautomatik beinhaltete. War das nicht eigentlich super? ?
“Nimm es nicht schwer”, tröstete mich Lena. “Bei Beginn der nächsten Fahrt hast du die Gelegenheit, deine Fahrtüchtigkeit durch eine Atemluftanalyse nachzuweisen.”
?“Nein, ist schon gut Lena”, brummte ich matt und lehnte mich zurück. ?
Unbeteiligt sah ich zu, wie Heerscharen dicker Schneeflocken gegen die Scheibe trieben, wo sie von den träge hin und her wedelnden Scheibenwischern lautlos beiseite gewischt wurden. Die weiter vorne vom Licht der Scheinwerfer erfassten Flocken bildeten zwei wirbelnde Strudel, die auf mich eine geradezu hypnotische Wirkung ausübten. Wir waren schnell. Schnelles Fahren im Schneegestöber erforderte meiner Erfahrung nach äußerste Konzentration, und so genoss ich es direkt, mich bei dieser Witterung chauffieren zu lassen. ?
“Du fährst gut”, zollte ich Lena wohlwollend Respekt. “Für eine Frau”, dachte ich, aber das sagte ich nicht. Plötzlich war ich ganz schön müde. Das alles war zu viel für mich. Ich sollte nicht andauernd trinken, sinnierte ich und beäugte den Flachmann. Ich nahm ihn vom Beifahrersitz und leerte ihn mit einigen kräftigen Zügen. (*) Unbehagen erfasste mich. Ob das etwa gar stimmte, mit dieser angeblichen Atemluftanalyse? Ich spürte Hitze in meinem Kopf aufsteigen, teils dem edlen Birnengeist geschuldet, hauptsächlich aber aus Ärger über diese unerträgliche Vorstellung. Lena musste sich das selbst ausgedacht haben, aus Schikane, weil ich nicht gleich pariert hatte. Ja, das traute ich ihr durchaus zu. Und sie würde es sich nicht nehmen lassen, diesen Test auch knallhart durchzuziehen.?
Vielleicht ließe sie ja mit sich reden. Ich musste es irgendwie schaffen, ein Vertrauensverhältnis zu ihr aufzubauen. Doch wie um alles in der Welt verwickelte man eine Computerstimme in eine vertrauliche Unterhaltung? Ich räusperte mich nervös. “Wie geht es dir, Lena?”, fragte ich, und wieder zeigte sich dieses faszinierende Augenpaar. ?
“Danke, gut”, hauchte sie und fuhr dann mit einem bezaubernd schüchternen Augenaufschlag fort: “Wollen wir uns nicht ein wenig unterhalten?” Das lief ja super! ?
“Mhmm”, sagte ich, “was möchtest du von mir wissen?” Ich war echt neugierig. Obwohl ich auf alles und nichts gefasst war, überraschten mich ihre reichlich privaten Fragen. Wahrheitsgemäß gab ich zur Antwort, dass ich ungebunden und kinderlos sei. Hätte ich diese Fragen bejaht, wer weiß, ob dann nicht alles ganz anders gekommen wäre ... ?
Lena begann zu erzählen. Die Illusion war perfekt. Es fühlte sich täuschend echt an, wie ein unverbindlich-intimes Bargespräch mit einer ganz normalen Frau. Fasziniert lauschte ich dem samtigen Klang von Lenas Stimme, dem Wechsel von tieftrauriger Sehnsucht und leiser Melancholie in ihrem Ausdruck. (**) Ich war so erschöpft, dass ich ich schon nach wenigen Sätzen wegnickte.
Irgendwann schreckte ich hoch. Der Wagen war langsamer geworden. Ein intensives Gefühl verdichtete sich noch. “Ich glaube, wir sind gleich da”, fasste ich es halblaut in Worte, während mein Blick das dichte Schneegestöber zu durchdringen versuchte. Der Wagen näherte sich einem selbst im Schneetreiben noch deutlich erkennbaren “Vorfahrt achten”-Schild und fuhr im Schritttempo auf die Vorfahrtstraße zu. ?
Ich erkannte die Kreuzung auf Anhieb. Seit dem Vorfall damals hatte ich es strikt vermieden, je wieder in die Nähe zu kommen. “Siehst du das Kreuz?”, fragte Lena. Ich nickte langsam. Ich sah es, ebenso wie die frischen Rosen, die im kalten Scheinwerferlicht blutrot unter einer dünnen Schneehaube herausleuchteten. “Hier ist es passiert”, sagte sie, und die tiefe Traurigkeit in ihrer Stimme griff mir ans Herz. Es dauerte ein wenig, bis sie weitersprach. “Er war mit dem Roller unterwegs. Er hatte Vorfahrt. Dann kam dieser betrunkene Idiot viel zu schnell um die Kurve ...” Sie stockte. Ihre Augen waren gerötet. “Verstehst du?” Ich nickte noch einmal. Ich verstand. Ich schwieg. Was hätte ich auch sagen sollen. Es tat mir unendlich leid, aber das machte es nicht ungeschehen. ?
Der Motor heulte böse auf. Etwas beschäftigte mich. “Warte noch”, sagte ich. ?
“Was?”, fragte sie.
?“Es gab gar keinen Stau, stimmt’s?” ?
“Stimmt”, sagte sie. In ihrer Stimme klang eine neue, schneidende Kälte mit. Das Display begann zu flackern und erlosch in einer eisigen Endgültigkeit, die mein Blut gefrieren ließ. Der Wagen gab ein furchterregendes Brüllen von sich und beschleunigte mit der geballten Kraft seiner 612 PS. Das letzte, was ich sah, war seltsamerweise nicht der graue Beton des Brückenpfeilers, der von ferne immer schneller auf mich zuraste. Nein, es war eine kleine, rot blinkende Schrift am unteren Rand der Armaturen, von der ich den Blick nicht mehr lösen konnte.
?“Ich sollte mich besser anschnallen”, überlegte ein nüchterner kleiner Rest von mir in heller Panik, während der winzige Schriftzug “Airbag außer Betrieb” bis zum Aufprall unbarmherzig weiterblinkte.

Epilog:

Der Airbag funktionierte überraschenderweise doch. Die Versicherungsexperten konnten keine Fehlfunktion der Anzeige oder gar der Steuerung feststellen - was aber ohne Belang war, denn wegen meines Blutalkoholspiegels kam die Vollkaskoversicherung ohnehin nicht für den Totalschaden auf.
Ich bin ruhiger geworden. Nach der Amputation war ich noch lange krank geschrieben und arbeite jetzt im Innendienst, so dass ich mittlerweile ganz gut ohne Auto zurechtkomme.

(*), (**) siehe meinen Kommentar vom 10.3.
 

Lord Nelson

Mitglied
Die Autopilotin

??Ich lehnte mich bequem zurück, sog die Luft ein und genoss den herben Duft des neuen Leders. Natürlich war das nicht mein erster Benz, doch dieses Luxusmodell war etwas ganz Besonderes. Als gut verdienender Vielfahrer hatte ich mich unbesehen für die volle Premiumausstattung entschieden und war schon gespannt, was dieses Geschoss elektronisch so draufhatte.
?Ich drückte auf den Startknopf. Der Wagen erwachte zum Leben. Das verhaltene und doch kraftvolle Bollern des 612-PS-Motors ließ mein Herz höher schlagen. Im gleißenden Licht der Scheinwerfer wirbelten erste Schneeflöckchen. Ein überbreites Display fuhr leise summend aus einem unauffälligen Schlitz oberhalb der Mittelkonsole. Das Naviprogramm war bereits aktiv und wartete auf Anweisungen. Meine Fahrziele hatte ich zuvor schon eingespielt, die Namen dazu erfasst und die Bedienung auf Spracheingabe umgestellt. “Kronmeier”, befahl ich lässig. Ich freute mich auf die lange Fahrt zu diesem Kunden.
“Bitte schnallen Sie sich an.” Diese Stimme, fast gehaucht und doch warm und melodisch, zog mich sofort in ihren Bann. Fasziniert lauschte ich ihrem Klang nach. “Bitte”, wiederholte sie mit Nachdruck, “Schnallen Sie sich an!” ?
“Aber mit Vergnügen doch”, entgegnete ich galant und folgte ihrer Anweisung. Auf der Autobahn übermannte mich die Ungeduld. Obwohl mir die Geschwindigkeitsbegrenzung bekannt war, senkte ich den Fuß aufs Gaspedal. Der Wagen ging ab wie eine Rakete. Die Beschleunigung presste mich ins Leder. Die kraftvolle Musik des Motors berauschte mich geradezu.?
“Bitte drosseln Sie die Geschwindigkeit auf 80 km/h”, forderte die Stimme da, durchdringend jetzt und sehr, sehr bestimmt. Ich linste auf das Display und stutzte. Die Anzeige der Straßenkarte war einem Augenpaar gewichen, welches mich streng fixierte.
?“Ja doch”, murmelte ich, richtete meinen Blick wieder auf die Autobahn und ging vom Gas. Schnell schaute ich noch einmal aufs Display. Die Augen waren noch da. Nun, da ich mich gefügt hatte, war der strenge Ausdruck aus ihnen gewichen. Ich konnte meinen Blick kaum lösen. Sie waren grün, von verwirrender Lebendigkeit und unergründlicher Tiefe. Als hätten sie meinen prüfenden Blick gespürt, wurden die Augen immer durchscheinender, so dass bald wieder die Straßenkarte zu sehen war. Bald hatte ich freie Fahrt und durfte endlich das Gaspedal bis zum Anschlag durchdrücken - was ich unbesorgt tun konnte, denn dieser Wagen war absolut sicher. Selbst wenn ich bei voller Fahrt gegen eine Betonwand knallen sollte, würde ich - so der Verkäufer - kaum einen Kratzer davontragen. ?
Wieder ertönte die wohlmodulierte Stimme. “Ein Stau befindet sich fünf Kilometer voraus. Bitte fahren Sie bei der nächsten Ausfahrt ab.”
?Ich war begeistert. Endlich mal ein System, das einen Stau rechtzeitig voraussagte, noch ehe man von zähem Verkehr behindert wurde und gar nicht mehr ausweichen konnte. ?
Die dünne Schneeschicht war stellenweise heimtückisch glatt. Die immer enger werdende Kurve der Ausfahrt brachte mich ein klein wenig in Bedrängnis, was vielleicht auch an meiner Geschwindigkeit liegen mochte. Schlingernd bog ich in die Landstraße ein. “Haben Sie getrunken?”, fragte die Navifee. ?
“Wie jetzt, getrunken?” Sie konnte doch wohl nicht die lächerlichen paar Bierchen meinen. “Ach so. Äh. Ja... schon.” Ich hatte mich durch die unerwartete Frage überrumpeln lassen, und das ärgerte mich. “Was gehts dich an, Bitch”, blaffte ich sie an. ?
Sie antwortete ungerührt und gar nicht unfreundlich: “Okay, wir können uns ruhig duzen. Mein Name ist Lena.”
?“Angenehm, David”, murmelte ich wider Willen.
?Lena ließ nicht locker. “Was hast du getrunken, David?”
?In mir kochte Zorn hoch. Ich musste klare Verhältnisse schaffen. “Sieh genau her, Lena”, sagte ich also mit gefährlicher Ruhe. Ich löste den Sicherheitsgurt, beugte mich vor und öffnete das Handschuhfach. Ohne den Blick von der Straße zu wenden, holte ich meinen Designer-Flachmann heraus, der mich auf jeder Fahrt begleitete. Routiniert schraubte ich das Deckelchen mit einer Hand ab und nahm einen tiefen Zug aus der Flasche. “Aaaaaaaah”, sagte ich, “auch einen?” ?
Was konnte Lena schon dagegen machen. Sie schwieg. Ich lachte erleichtert auf. Ich muss gestehen, für den Bruchteil einer Sekunde hatte ich befürchtet, in meinem eigenen Auto von einer Kamera beobachtet zu werden. So ein Blödsinn. Natürlich gab es keine Kamera. Die gute Lena hatte ja nicht einmal bemerkt, dass ich mich aus Bequemlichkeit nicht wieder angeschnallt hatte. Doch da ertönte ihre Stimme, weich und scheinbar aufrichtig bedauernd: “Es tut mir leid, David. Die Analysen von Kameraaufzeichnungen und Raumluft ergaben, dass du hochprozentigen Alkohol getrunken hast. Während der Fahrt! Ich kann leider nicht umhin, dir die Kontrolle über das Fahrzeug zu entziehen.” ?
“Kann leider nicht umhin”, wiederholte ich belustigt. Wer sprach denn heute noch so? Während ich den Sinn ihrer Worte zu begreifen versuchte, merkte ich, dass etwas nicht stimmte. Pedale und Lenkrad bewegten sich auf einmal wie von Geisterhand gesteuert. “Wie?”, fragte ich verdutzt, “Was?”
?“Tja”, sagte Lena. Selbst unter Aufbietung all meiner Kräfte vermochte ich den Wagen keinen Millimeter von der vorprogrammierten Route abzubringen.
“Erstaunlich”, sagte ich. Ich war so überrascht, dass ich überhaupt nicht dazu kam, mich zu ärgern. Ich hatte wirklich nicht die leiseste Ahnung gehabt, dass der volle Umfang des Premiumpakets auch eine Fahrautomatik beinhaltete. War das nicht eigentlich super? ?
“Nimm es nicht schwer”, tröstete mich Lena. “Bei Beginn der nächsten Fahrt hast du die Gelegenheit, deine Fahrtüchtigkeit durch eine Atemluftanalyse nachzuweisen.”
?“Nein, ist schon gut Lena”, brummte ich matt und lehnte mich zurück. ?
Unbeteiligt sah ich zu, wie Heerscharen dicker Schneeflocken gegen die Scheibe trieben, wo sie von den träge hin und her wedelnden Scheibenwischern lautlos beiseite gewischt wurden. Die weiter vorne vom Licht der Scheinwerfer erfassten Flocken bildeten zwei wirbelnde Strudel, die auf mich eine geradezu hypnotische Wirkung ausübten. Wir waren schnell. Schnelles Fahren im Schneegestöber erforderte meiner Erfahrung nach äußerste Konzentration, und so genoss ich es direkt, mich bei dieser Witterung chauffieren zu lassen. ?
“Du fährst gut”, zollte ich Lena wohlwollend Respekt. “Für eine Frau”, dachte ich, aber das sagte ich nicht. Plötzlich war ich ganz schön müde. Das alles war zu viel für mich. Ich sollte nicht andauernd trinken, sinnierte ich und beäugte den Flachmann. Ich nahm ihn vom Beifahrersitz und leerte ihn mit einigen kräftigen Zügen. (*) Unbehagen erfasste mich. Ob das etwa gar stimmte, mit dieser angeblichen Atemluftanalyse? Ich spürte Hitze in meinem Kopf aufsteigen, teils dem edlen Birnengeist geschuldet, hauptsächlich aber aus Ärger über diese unerträgliche Vorstellung. Lena musste sich das selbst ausgedacht haben, aus Schikane, weil ich nicht gleich pariert hatte. Ja, das traute ich ihr durchaus zu. Und sie würde es sich nicht nehmen lassen, diesen Test auch knallhart durchzuziehen.?
Vielleicht ließe sie ja mit sich reden. Ich musste es irgendwie schaffen, ein Vertrauensverhältnis zu ihr aufzubauen. Doch wie um alles in der Welt verwickelte man eine Computerstimme in eine vertrauliche Unterhaltung? Ich räusperte mich nervös. “Wie geht es dir, Lena?”, fragte ich, und wieder zeigte sich dieses faszinierende Augenpaar. ?
“Danke, gut”, hauchte sie und fuhr dann mit einem bezaubernd schüchternen Augenaufschlag fort: “Wollen wir uns nicht ein wenig unterhalten?” Das lief ja super! ?
“Mhmm”, sagte ich, “was möchtest du von mir wissen?” Ich war echt neugierig. Obwohl ich auf alles und nichts gefasst war, überraschten mich ihre reichlich privaten Fragen. Wahrheitsgemäß gab ich zur Antwort, dass ich ungebunden und kinderlos sei. Hätte ich diese Fragen bejaht, wer weiß, ob dann nicht alles ganz anders gekommen wäre ... ?
Lena begann zu erzählen. Die Illusion war perfekt. Es fühlte sich täuschend echt an, wie ein unverbindlich-intimes Bargespräch mit einer ganz normalen Frau. Fasziniert lauschte ich dem samtigen Klang von Lenas Stimme, dem Wechsel von tieftrauriger Sehnsucht und leiser Melancholie in ihrem Ausdruck. (**) Ich war so erschöpft, dass ich ich schon nach wenigen Sätzen wegnickte.
Irgendwann schreckte ich hoch. Der Wagen war langsamer geworden. Ein intensives Gefühl verdichtete sich noch. “Ich glaube, wir sind gleich da”, fasste ich es halblaut in Worte, während mein Blick das dichte Schneegestöber zu durchdringen versuchte. Der Wagen näherte sich einem selbst im Schneetreiben noch deutlich erkennbaren “Vorfahrt achten”-Schild und fuhr im Schritttempo auf die Vorfahrtstraße zu. ?
Ich erkannte die Kreuzung auf Anhieb. Seit dem Vorfall damals hatte ich es strikt vermieden, je wieder in die Nähe zu kommen. “Siehst du das Kreuz?”, fragte Lena. Ich nickte langsam. Ich sah es, ebenso wie die frischen Rosen, die im kalten Scheinwerferlicht blutrot unter einer dünnen Schneehaube herausleuchteten. “Hier ist es passiert”, sagte sie, und die tiefe Traurigkeit in ihrer Stimme griff mir ans Herz. Es dauerte ein wenig, bis sie weitersprach. “Er war mit dem Roller unterwegs. Er hatte Vorfahrt. Dann kam dieser betrunkene Idiot viel zu schnell um die Kurve ...” Sie stockte. Ihre Augen waren gerötet. “Verstehst du?” Ich nickte noch einmal. Ich verstand. Ich schwieg. Was hätte ich auch sagen sollen. Es tat mir unendlich leid, aber das machte es nicht ungeschehen. ?
Der Motor heulte böse auf. Etwas beschäftigte mich. “Warte noch”, sagte ich. ?
“Was?”, fragte sie.
?“Es gab gar keinen Stau, stimmt’s?” ?
“Stimmt”, sagte sie. In ihrer Stimme klang eine neue, schneidende Kälte mit. Das Display begann zu flackern und erlosch in einer eisigen Endgültigkeit, die mein Blut gefrieren ließ. Der Wagen gab ein furchterregendes Brüllen von sich und beschleunigte mit der geballten Kraft seiner 612 PS. Das letzte, was ich sah, war seltsamerweise nicht der graue Beton des Brückenpfeilers, der von ferne immer schneller auf mich zuraste. Nein, es war eine kleine, rot blinkende Schrift am unteren Rand der Armaturen, von der ich den Blick nicht mehr lösen konnte.
?“Ich sollte mich besser anschnallen”, überlegte ein nüchterner kleiner Rest von mir in heller Panik, während der winzige Schriftzug “Airbag außer Betrieb” bis zum Aufprall unbarmherzig weiterblinkte.

Epilog:

Der Airbag funktionierte überraschenderweise doch. Die Versicherungsexperten konnten keine Fehlfunktion der Anzeige oder gar der Steuerung feststellen - was aber ohne Belang war, denn wegen meines Blutalkoholspiegels kam die Vollkaskoversicherung ohnehin nicht für den Totalschaden auf.
Ich bin ruhiger geworden. Nach der Amputation war ich noch lange krank geschrieben und arbeite jetzt im Innendienst, so dass ich mittlerweile ganz gut ohne Auto zurechtkomme.

(*), (**) siehe meinen Kommentar vom 10.3.
 

Lord Nelson

Mitglied
Sodele, auch die letzten Anmerkungen sind eingearbeitet. Die Frage nach dem Beruf hat sich - da für die Handlung unerheblich - durch Weglassung erledigt. Den "krachenden" Schluss habe ich versuchsweise durch einen Epilog abgemildert, ein Kompromiss, der mich noch nicht voll überzeugt.

Sollte es bei dem Epilog bleiben, so kann die Konversation mit Lena (die Passage zwischen (*) und (**)) wegfallen, da diese nur für die “Endlösung” von Belang war.
 

Silbenstaub

Mitglied
Hallo Lord Nelson,
ich habe beide Versionen auf mich wirken lassen, mir gefällt die erste Variante besser. Ich finde, sie hat mehr Kraft. Aber so oder so, gute Geschichte.
Viele Grüße
Silbenstaub
 

Lord Nelson

Mitglied
Hallo Silbenstaub,

danke, dass du dich noch einmal mit meinem Text beschäftigt hast. Deine Rückmeldung bestätigt meine eigenen Bedenken bezüglich der neuen Variante.

Einen Versuch war's allemal wert - no risk, no fun! :)

Liebe Grüße
Lord Nelson
 



 
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