Die Biene

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Amarinya

Mitglied
Die Biene

Abends prasselten schwere Regentropfen an die Scheiben, es war plötzlich kühl geworden: der Herbst war da.
In mein Zimmer hatte sich eine Biene verirrt.
Niedlich sah sie aus, mit ihrem pelzigen kleinen Körper und den großen schwarzen Fühlern.
Sie flog um meine Schreibtischlampe herum, immer wieder, vielleicht im Glauben, es wäre die Sonne, an der sie sich orientieren könnte.
Dann musste sich sich ausruhen, sie landete und fing sogleich an, sorgfältig ihre Fühler zu putzen.

Ich schaltete die Lampe aus, die Biene sollte sich nicht an der heißen Glühbirne verbrennen.
Im Nachbarzimmer machte ich Licht, um sie dorthin zu locken.
Es klappte, kurz darauf brummte sie nebenan eifrig um's Deckenlicht.
Vielleicht auf der Suche nach der Sonne. Nach dem heimatlichen Bienenstock. Immer weiter um die Lampe. Immer wieder.

Kleine Biene ... da kämpfst Du um Dein Leben, um Dein winziges Glück, Du gibst nicht auf.
Doch morgen wirst Du tot und verkrümmt auf dem Fensterbrett liegen.
Trotzdem.
Alles vergeblich.

So dachte ich, bedauernd, fast ein wenig traurig.

Am nächsten Morgen: strahlende Helligkeit, ganz unerwartet.
Es würde doch noch einmal einen schönen, fast warmen Spätsommertag geben.

Die Biene war nicht mehr da.

Ein kleiner Punkt, so schien mir, strebte zielgerichtet zum Horizont.
 

Sergey

Mitglied
Auch kleine Ziele werden von großen Erfolgen begleitet

Hallo !

Ich finde die "kleine Biene" recht gut. Das Ende kommt auch recht unerwartet und hellt das Ganze deutlich auf, während man so allmählich an einen pessimistisch denkenden Verfasser zu glauben beginnt. An einigen Stellen fand ich, vertiefst Du Dich zu sehr ins Datail, was das Gesamtbild abflachen läßt und den Leser von dem scheinbar vorhandenen tieferen Sinn der Geschichte ablenkt. Ansonsten eine gelungene Geschichte, die auch auf der metaphorischen Ebene eines zu bieten hat.

Mach weiter so.......

Gruß

Sergey

P.S. Die Kunst der Kurzprosa ist die Kunst des Weglassens und des Verschweigens........lass Dir das mal durch den Kopf gehen
 

Andrea

Mitglied
6 von 10 Punkten

Wirklich eine nette Geschichte. Ich finde allerdings, sie käme im Präsens besser, da sie ja hauptsächlich aus Gedanken und Beschreibungen besteht (und du dir so auch das immer etwas unschöne Plusquamperfekt im zweiten Satz sparen könntest).
Ansonsten würde ich vielleicht den dritten Absatz etwas umschreiben, damit er direkter klingt, etwa so:

Du kämpfst da um Dein Leben, kleine Biene, um Dein winziges Glück, und du gibst nicht auf.
Und doch wirst Du morgen tot und verkrümmt auf dem Fensterbrett liegen.
Trotzdem.

Alles vergeblich, denke ich bedauernd, fast schon melancholisch.

(Bedauernd und ein bißchen traurig sind sich doch sehr ähnlich.)
 

Amarinya

Mitglied
Hallo Sergey und Andrea,

Eure konstruktive Kritik finde ich ausgesprochen gut; vielen Dank dafür.

Die Präsens-Idee scheint mir eine interessante Alternative zu sein, da werd ich noch mal drüber nachdenken!

Herzliche Grüße!
 



 
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