Die Blutbuche

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Hagen

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Es ist lange her; - ich hatte gerade die Lizenz für Privatpiloten gemacht, und weil ich gerade mal dabei war, auch gleich die Ausbildung nach JAR-FCL, das heißt fünf Flugstunden auf Flugzeugen bei Nacht, davon drei mit Fluglehrer, mindestens einer Stunde Überlandflug-Navigation, außerdem fünf Alleinstarts und -landungen bis zum vollständigen Stillstand.
Das war alles ganz toll, und wir wollten ein bisschen feiern, die Dame, die erst kürzlich beigetreten war, nur zum ‘Schnuppern‘ sozusagen, und die Jungs von Aero-Club. Aber dann meinte die Dame, dass sie vorher noch eine Runde mit mir fliegen wollte, als krönender Abschluss.
Klar, dass ich wollte, besonders gerne mit der ‘Kastanienhaarigen‘, eine hübsche Frau. Verena hieß sie.
Die Kastanienhaarige ging noch mal eben schnell aufs Klo und ich rollte gemeinsam mit Georg die Skyhawk vor die Halle, während die anderen Jungs grinsten, was das Zeug hielt.
Georg war eigentlich immer da, mein ‘Väterlicher Freund‘ sozusagen. Er war Rentner, besaß eine Piper Super Cup, die er liebevoll pflegte, konnte fliegen wie der Teufel und gab mir die Tipps, ohne die ich die Lizenz nie bekommen hätte. Er kannte jede Schraube, jede Niete an der Skyhawk, der Super Cup und etlichen anderen Flugzeugen, organisierte und managte alles; - kurz, ohne ihn wäre der Flugbetrieb unseres kleinen Clubs zusammengebrochen.
„Na denn man tau“, sagte er als die Skyhawk auf dem Vorfeld stand, „ich gehe dann mal wieder rein, du machst das schon.“
„Okay, dank dir Georg. Und lasst mir noch ein Bier übrig.“
Ich checkte die Maschine kurz durch, hatte den Cowling gerade runter und war dabei, an der tiefsten Stelle des Tanks etwas Treibstoff abzulassen, als ich hinter mir Schritte vernahm.
„Was machen sie denn da?“ fragte eine weibliche Stimme, die Stimme der kastanienhaarigen Frau, „Benzin ablassen?“
„Nein, Benzin ablassen tue ich nicht, denn dann könnten wir ja nicht miteinander fliegen,“ antwortete ich, „wissen sie, wenn die Maschine ein Weilchen gestanden hat, kann es schon mal passieren, dass sich Kondenswasser in den Tanks niederschlägt. Sie können sich sicherlich vorstellen, dass der Motor es nicht so gerne mag, wenn er etwas anderes als AV-Gas 100 LL angeboten bekommt.“
„Ja, das leuchtet ein! Können wir dann?“
„Natürlich, von mir aus gerne. Ich fliege sie wohin sie wollen, noch dazu in so einer schönen Vollmondnacht. – Äh, haben sie mal ein Tüchlein? Meine Finger riechen etwas nach Sprit, mich stört es nicht, aber sie vielleicht.“
Sie gab mir ein Taschentuch, ich schloss die Haube über dem Motor und putzte mir die Finger ab.
„Bitte einzusteigen, und vergessen sie bitte nicht, sich anzuschnallen.“
„Was passiert eigentlich“, fragte sie während wir einstiegen und uns anschnallten, „wenn der Motor aussetzt?“
„Warum sollte er aussetzen?“
„Das kann doch immer mal passieren.“
„Also hören sie, die Maschine wird laufend gewartet, ich habe sie mir auch eben noch mal angesehen. Sie haben mich ja dabei erwischt. Wenn wirklich mal was passieren sollte - was äußerst unwahrscheinlich ist - landen wir eben irgendwo auf einem Acker. Was soll’s?“
„Machen sie dann eine Bauchlandung? Wie aufregend!“
Ich lachte.
„Damit kann ich leider nicht dienen. Diese unsere Skyhawk ist nicht im Besitz eines einziehbaren Fahrwerkes. – So, jetzt fliegen wir aber wirklich. – Haben sie sich angeschnallt?“
Verena nickte mit hintergründigem Lächeln.
Ich startete den Motor, wartete einen Moment bis die Drücke standen, die Mindesttemperaturen erreicht waren und zeigte Georg, der mit einer Bierflasche in der Hand an dem Hallentor lehnte, den erhobenen Daumen.
Georg antwortete mit der gleichen Geste und ich ließ die Maschine quer über den Platz anrollen und Geschwindigkeit aufnehmen.
„Na dann, ab geht die Lucy“, sagte ich bei etwa 60 Knoten Geschwindigkeit, nahm die Maschine vom Boden und drehte noch eine Platzrunde in geringer Höhe, damit Georg auch mitbekam, dass ich die Skyhawk nicht in die Bäume am Ende der Piste gehängt hatte.
„So“, ich fuhr die Klappen ein, „da wären wir also in der frischen Luft. Wo soll’s denn jetzt hingehen?“
„Immer geradeaus, ein wenig links vielleicht.“
Ich hängte die Backbordfläche ein wenig und ließ die Maschine steigen, „gut so?“
„Ja, und jetzt immer geradeaus! – Ich habe hier mal gelebt, in dieser Gegend“, sagte Verena nachdenklich, „zur Zeit Ludwigs des vierzehnten. Die Schweden schickten sich gerade an, mit der Stadt Bremen eine noch offene Rechnung zu begleichen…“
„Ah ja? So alt sehen sie aber gar nicht aus.“
„Es war eins meiner vorigen Leben! – Ich habe auch noch eine alte Rechnung zu begleichen – aus dem Leben damals…“
„Sollte das nicht längst verjährt sein, nach über 300 Jahren?“
„Betrug, Mord und Totschlag verjährt – aber niemals eine Vergewaltigung!“
„Und jetzt soll ich sie zu dem Kerl fliegen, der sie vor elfunddreissig Leben mal vergewaltigt hat? Also, ich bitte sie!“
„Es ist nicht nötig, dass sie mich dahinfliegen! – Sie waren das und ich habe sie endlich gefunden – endlich, nach sieben Leben!“
„WAS? Ich soll sie sieben Leben zuvor schon mal vergewaltigt haben?“
„Genau! - Man hat dreimal die Möglichkeit Rache zu nehmen; - dreimal! Einmal hat’s leider nicht geklappt, aber diesmal klappt’s bestimmt! Wenn nicht, habe ich noch eine Chance! – Fliegen sie doch mal etwas mehr nach links, wir müssen genau über die einsame Blutbuche dort fliegen. Wissen sie, was eine Blutbuche ist?“
„Na, eine rote Buche halt.“
„Mehr als das! Die Blutbuche ist der einzige Baum, der den Blutfluch aufnehmen kann!“
„Ah ja. - Das weiß ja jeder! - Sind sie sicher, dass sie nicht irgendwelche bewusstseinserweiternde Drogen oder so, zu sich genommen haben?“
„Bestimmt nicht! – Sie waren immer Söldner, Krieger, oder… Flieger, wie jetzt auch. – Kommen sie nicht vom Kurs ab, wir müssen genau über die Blutbuche dort fliegen!“
Verena deutete nach vorne, ihre Wangen waren gerötet und ihr Blick hektisch flackernd:
„Da vorne, das ist meine Blutbuche! Bei Vollmond ist der Blutfluch wirksam – und wir haben Vollmond! Da wo der Hügel ist, da war unsere Kate – damals – der Wald war allerdings noch etwas dichter, und so schöne Straßen gab’s auch nicht…“
‚Mein Gott‘, dachte ich ‚da habe ich mir ja eine Irre eingefangen! Hoffentlich versucht die nicht mich nach Kuba zu entführen!‘
„Okay, Lady, machen wir“, sagte ich und korrigierte die Flugbahn noch eine Winzigkeit.
Auf dem freien Feld vor uns stand wirklich ein einzelner Baum, eingehüllt von hellem Mondlicht; - und es ging etwas Unheimliches von ihm aus, eine seltsam-böse Faszination…
Eine schwache, kaum sichtbare, rötlich-orange, ätherisch leuchtende Säule aus in sich waberndem Licht erhob sich aus der Krone der Blutbuche und verlor sich in der Unendlichkeit des nachtschwarzen Himmels.
Ich schluckte trocken, räusperte mich und fragte:
„Was hat das denn mit dem Blutfluch so auf sich?“

„Jegliche Flüssigkeit über oder unter der Baumkrone werde zu Blut!

So sprach ich den Fluch damals aus, vor sieben Leben; - er steht heute noch!“
Ich umflog die Lichtsäule in weitem Bogen.
„Ah ja. – Welche Blutgruppe hat das Blut denn dann?“ fragte ich, aber das dazugehörigen, männlich-coole Grinsen verunglückte mir.
„Das werden sie schon sehen, wenn sie durchgeflogen sind! - Los, fliegen sie durch das Rote!“
„Auf Befehle reagier ich nicht!“
Verena lächelte hintergründig:
„Genau wie damals! Sieben Leben das gleiche Verhaltensmuster! Lautstark verkünden, dass sie nicht auf Befehl handeln, aber im Endeffekt tun sie es doch! – Ein wenig dichter ran können sie schon, slippen sie doch rein, so geht das!“
Mit genau definierten Bewegungen gab Verena Seitenruder rechts und Querruder links, unser Flugzeug glitt in die Schräglage, und eine Atemzug lang leckten rötliche Feuerzungen über die Frontverglasung, der Motor blieb mit einem Ruck stehen.
Ich dachte zuerst an eine Vergaservereisung, während ich die Maschine wieder ausrichtete, aber eine Vereisung kündigt sich immer vorher an. Es war, als habe man dem Motor ruckartig den Sprit abgedreht.
Verena trug ihr hintergründiges Lächeln wie eine dämonische Maske, während ich wieder und wieder versuchte, den Motor zu starten.
Verena konnte mit Sicherheit mehr, als sie zugegeben hatte, bevor wir gestartet waren. Das, was sie eben geflogen hatte, war zwar eine einfache, aber immerhin eine Kunstflugfigur, ein Slip, eine gewollte Seitengleitflugbewegung, in die ich mich am Anfang meiner Fliegerlaufbahn mühsam hinein geschaukelt hatte.
„Mit Blut arbeitet kein Motor“, sagte Verena mit dumpfer Stimme, „geben sie es auf! - Können wir auf der Wiese neben der Blutbuche notlanden? - Genau wie in ihrem letzten Leben! Da sind sie auch dort gelandet.“
„Wie bitte?“
„Ach wussten sie das nicht?“
„Nein, verflucht! – Ich habe jetzt auch keine Zeit, mich an vergangene Leben zu erinnern! Ich muss jetzt sehen, wie ich sie heile runter kriege!“
Ich senkte die Nase der Skyhawk ein wenig und nahm Geschwindigkeit auf.
„Sie schaffen das schon“, murmelte die Frau neben mir, „genau wie im vorigen Leben! – Der Propeller steht – es ist Nacht – Vollmondnacht, und sie müssen notlanden – notlanden neben der Blutbuche…“
Der Fahrwind rauschte um das Cockpit, und für einen winzigen Moment war es mir, als liefe dünnes Blut über die Frontscheibe, und diese Scheibe vor mir schien kleiner zu werden…
„Notlanden…“ drang eine Stimme zu mir durch, „…notlanden…“ eine Stimme, wie von Blut gedämpft.
Ich blickte auf die Blutbuche vor mir – durch eine kleine Blendschutzpanzerscheibe, und zwischen mir und dieser Scheibe war das Rohr eines Reflexvisiers. Ich hatte Angst, bei der mir bevorstehenden Bauchlandung mit dem Kopf draufzuschlagen.
Der Motor vor mir war plötzlich rund, ein BMW 801 D-2 Doppelsternmotor – ich saß in einer FW 190, einem Nachtjäger der Luftwaffe, vor wenigen Augenblicken noch hatte ich versucht, einen englischen Lancaster-Bomber ganz an der Seite der Formation anzugehen, als mir plötzlich der Motor stehen geblieben war. Die Phalanx der Bomber flog weiter, dem Vollmond entgegen…
Meine Kameraden folgten ihnen, ich meldete mich über Funk ab, aber plötzlich war eine seltsame Ruhe im Kopfhörer, und auch die Ruder gingen ungewöhnlich schwer, als hätte man ihnen die Schmierstoffe entzogen.
Ich drängte die ‘190‘ in eine leichte Kurve, freies Feld war unter mir, nur ein einzelner Baum drauf, aber aus diesem erhob sich eine seltsame Säule aus schwach rötlich fluoreszierendem Licht. Ein faszinierendes Licht, das wie eine gigantische Flamme in die Unendlichkeit reichte…
Als sich meine ‘190‘ zu schütteln begann und damit ein Flachtrudeln ankündigte, riss ich meinen Blick von der roten Säule los, fing die Maschine ab und leitete drillmäßig die Bauchlandung ein. Meine Rechte führte ruhig den Steuerknüppel, die linke gab Klappen, ich glitt über den Boden, kam zuerst mit dem Heck auf, noch einmal frei, und dann dröhnte der Bauch der ‘190‘ auf die Grasnarbe. Ich wurde in den Gurten nach vorne gerissen, die Maschine drehte sich noch etwas und kam zur Ruhe.
Ich nahm die Maske des Atemgerätes vom Gesicht und sah den Vollmond an.
Normalerweise hätte ich jetzt aus dem Flugzeug springen und mich in Sicherheit bringen müssen. Auslaufendes Benzin, aus einer durch die Notlandung undicht gewordenen Leitungen, könnte sich an einem heißen Motorteil entzünden.
Aber ich blieb sitzen und schaute den Mond an – und die seltsame, ätherisch leuchtende rote Säule, die sich aus dem Baum neben mir erhob und sich langsam, emporlodernd bewegte, als tanze sie eine Hommage an die Ewigkeit…
Ich legte den Kopf an die Panzerplatte hinter mir und wartete, wartete dass etwas passieren würde, irgendwas.
Die rote Säule auf dem Baum schien mich festzuhalten, das Dröhnen der britischen Flugmotoren verebbte hinter dem Horizont und die Stille brauste in meinen Ohren, nur unterbrochen von dem leisen Knacken des erkaltenden Motors vor mir.
Die ätherisch leuchtende rote Säule auf der Blutbuche begann langsam in sich zusammenzusinken und war schließlich nicht mehr zu sehen.
„Was, zum Teufel, mache ich hier eigentlich?“ dachte ich, die Frage, die sich jeder Soldat irgendwann einmal stellt, meistens, wenn er nach einer Stresssituation alleine zur Ruhe kommt; - die Situation, die von den hohen Tieren zu verhindern versucht wird, mit Kameradschaftsabenden und gemeinsamem Exerzieren.
Ich wäre gerne in den nahen Wald gegangen, Pilze pflücken und Rehe streicheln; - zu lange war nur Hartes um mich gewesen… der Krieg… das Flugzeug… die Menschen…
Ein metallisches Geräusch, ein Knirschen beendete den Frieden des Augenblickes, zwei Hände, zwei zarte Frauenhände, die eigentlich nichts an einem Kriegsflugzeug der Nacht zu suchen hatten, sondern geschaffen schienen, Musik zu machen, Harfe zu spielen, drehten den Außenöffner der Kanzel, das gläserne Halbrund glitt nach hinten – und ich blickte in die Mündung einer Pistole.
Hinter der Pistole war das Gesicht einer Frau mit zusammengebissenen Zähnen und rötlichen Haaren eingerahmt.
„Endlich habe ich dich!“ sagte die Frau, „endlich, nach sechs vergeblichen Leben…“
Korn, Kimme und das rechte Auge der Frau bildeten eine Linie – ich war wie gelähmt.
Noch vor kurzem, bevor ich zu den Nachtjägern kommandiert wurde, war ich in das wilde Abwehrfeuer der amerikanischen fliegenden Festungen geflogen. Später bei den Nachtjägern hatten sich die Bahnen meiner Leuchtspurgeschosse mit denen der Heckschützen in den riesigen britischen Lancasters gekreuzt. – Jetzt hatte ich mehr Angst, denn das Gesicht der Frau war hassverzerrt.
Ich saß wie erstarrt, während sich der Zeigefinger am Abzug langsam krümmte, aber plötzlich wurde der Arm mit der Pistole nach oben geschlagen, der Schuss ging ins Leere und das Gesicht eines jungen Soldaten tauchte neben der Frau auf.
„Mensch, das ist ein Deutscher, ein Kamerad!“
Der Soldat schrie es förmlich heraus, riss die Pistole an sich und warf die Frau zu Boden.
„Na, das ist ja nochmal gutgegangen!“
Der Soldat knallte die Hacken zusammen, „Obergefreiter Kornisch auf Heimaturlaub, Herr Leutnant.“
„Danke. Rühren sie!“
Ich schnallte mich los und stieg aus dem Flugzeug, ich hatte gelernt, dass ein deutscher Offizier stets Haltung zu bewahren hat. Der Obergefreite hielt mir ein Päckchen Zigaretten entgegen. Ich nahm mir eine.
„Danke, Herr Kornisch.“
„Pech gehabt, Herr Leutnant?“
„Das kann man wohl sagen! Wo kann ich denn mal meinen Haufen anrufen?“
„Dort drüben ist unser Gasthof, Herr Leutnant. Da können sie telefonieren.“
„Gut, Herr Kornisch. Bleiben sie bei der Kiste hier und nehmen sie die Frau fest! Unglaublich, dass man einen Briten nicht von einem Deutschen unterscheiden kann! Sorgen sie dafür, dass sich solch ein Fall nicht wiederholt!“

Ich fand von dem kühlen Luftzug, der entstand, als die beiden Türen der Skyhawk aufgerissen wurden, in mein jetziges Leben zurück, blieb aber trotzdem wie erstarrt sitzen.
Wieder blickte ich in die Mündung einer Pistole.
Das Gesicht Verenas hinter dieser Pistole sah aus, wie das der Frau, die mich erschießen wollte, als ich noch eine Focke-Wulf 190 geflogen hatte; - aber diesmal ließ Verena, die kastanienhaarige, die Pistole schnell in ihrer Handtasche verschwinden.
„Na, Pech gehabt was?“ sagte eine Männerstimme neben mir.
„Das kann man wohl sagen“, antwortete ich, „könnte ich wohl hier irgendwo meinen Flugplatz anrufen?“
Aus irgendeinem Grund ging der Funk auch nicht. Ich war ruckartig wieder da, als hätte ich die Disziplin aus dem vorigen Leben herübergerettet.
Die Skyhawk stand sauber gelandet neben der Blutbuche und die ätherisch leuchtende rote Säule auf der Blutbuche, die wir vom Flugzeug aus wahrgenommen hatten, begann langsam in sich zusammenzusinken und war schließlich nicht mehr zu sehen, nur der Vollmond stand rund und silberhell in der Schwärze des Himmels.
Zwei Männer hatte die Türen des Flugzeugs geöffnet, sie sahen aus wie Vater und Sohn, der jüngere mochte einige Jahre älter sein als ich, aber seine Gesichtszüge glichen denen des Obergefreiten Kornisch, der mir im vorigen Leben aus der ‘190‘ geholfen hatte; - nur fehlten die Erschöpfungsspuren, die der Krieg in das Gesicht eines jeden kämpfenden Menschen gräbt.
Der Andere war die um Jahrzehnte ältere Ausgabe, da waren die Erschöpfungsspuren, noch nach mehr als vierzig Jahre nach dem Krieg waren sie zu sehen, und dieser Mann starrte die Frau auf dem Sitz neben mir seltsam an.
„Dort drüben ist unser Gasthof“, sagte der Ältere, „von dort aus können sie telefonieren, „aber ich habe diesen neumodische Kram mit, ein Funktelefon. Vielleicht geht das ja auch.“
„Probieren kann man es ja mal.“
Er reichte mir ein Telefon, war natürlich ein Mordsklopper, aber es ging, ich bekam Verbindung zum Flugplatz und den Jungs fielen haufenweise Steine vom Herzen. Nachdem ich das Missgeschick kurz erzählt hatte, meinten sie, dass sie in etwa zwei Stunden da sein könnten, und Georg wollte die Skyhawk schon wieder in die Luft bringen, das wäre ja gelacht, er kannte die Gegend!
„Ehe ich’s vergesse“, sagte ich noch, „bring bitte genügend Sprit und Schmierstoffe mit, ich hege da so einen Verdacht…“
Mir fiel auch ein Stein vom Herzen und ich gab dem Mann das Funktelefon zurück.
„Danke schön. Die Jungs vom Aero-Club werden in etwa zwei Stunden hier sein, dann wird man weiter sehen. Danke fürs Telefon.“
„Och bitte gerne geschehen. – Wollen sie solange einen Kaffee trinken, unser Gasthof ist nicht weit?“
„Wir bleiben solange bei dem Flugzeug, aber herzlichen Dank dafür.“
Ich griff mir die Handtasche und stieg schnell aus.
„Darf ich dir aus dem Flugzeug helfen, mein Liebling?“
Ich wartete keine Antwort ab, ging um das Flugzeug, steckte unauffällig die Pistole ein und streckte Verena betont honigsüß lächelnd die Hand entgegen.
„Mistkerl!“ zischte sie leise, stieg aus und stellte sich leicht gebückt unter die Tragfläche, legte eine Hand an die Strebe und hob mir die andere entgegen:
„Kann ich bitte meine Tasche wiederhaben?“
„Aber sicher, mein Schatz. Ich muss wohl noch etwas tüdelig sein. – Die Tasche ist jetzt übrigens etwas leichter…“
Ich gab ihr die Handtasche zurück, während der ältere Mann losplauderte:
„Hier ist schon mal ein Flugzeug gelandet, damals im Krieg, eine Focke-Wulf 190, sie hat an genau der gleichen Stelle eine Bauchlandung gemacht, an der ihre Maschine jetzt steht. Ich hatte gerade Heimaturlaub und habe sie selbst gesehen. Es war genauso eine Nacht wie jetzt, auch Vollmond. Es war ganz hell, man konnte die Flugzeuge der Engländer mit dem bloßen Auge sehen, sie flogen genau über unseren Gasthof. Aber dahinten, über die Wiese, da kamen die Nachtjäger! ‘Wilde Sau‘ hieß das damals. Da sind die sogar mit der ‘190‘ geflogen, obwohl die kein Radar und nix für die Nacht hatte, aber egal, die Maschine ganz außen scherte plötzlich aus und kam in Spiralen runter. Der Motor schien irgendwie kaputt zu sein, jedenfalls landete sie auf dem Bauch an der gleichen Stelle, an dem ihr Flugzeug jetzt steht. Der Pilot wäre fast aus Versehen erschossen worden – von einer Frau! Sie hielt den Piloten wohl für einen Engländer. Naja, ich habe der Frau die Pistole abnehmen können… eine seltsame Frau… wir sind alle nicht so recht klug geworden aus ihr! - Sie ging häufig zu der Buche dort, als wartete sie auf irgendwas… Wenn ich es mir so recht überlege, waren es immer die Vollmondnächte, wenn sie dort hinging…“
„Was wurde aus der Frau?“ unterbrach ich den Redefluss des Mannes.
„Ach Gott, ich weiß es nicht. Der Flieger befahl mir, sie festzunehmen, ich musste sie dem Gauleiter übergeben, ich war ja nur ein einfacher Soldat… damals…“
In meinem Magen breitete sich ein dumpfer Druck aus.
„Sie kam im KZ um!“ sagte Verena, ich konnte ihre Backenzähne knirschen hören.
„Woher wollen sie das wissen?“ fragte der Mann, doch Verena antwortete nicht.
„Wissen sie, was mit der Maschine war?“ lenkte der Mann ab, „da war Blut dran! Es quoll unter der Motorverkleidung heraus. Wissen sie, die ‘190‘ ölte immer etwas, da sobbelte immer etwas Schmiermittel hinter dem Motor heraus, das gab so Schlieren am Rumpf, aber an der Maschine war kein Öl, nichts, nur Blut. – Ich dachte zuerst, der hat einen am Fallschirm erwischt, aber dann hätte ja vorne auf dem Motor und am Propeller auch Blut sein müssen, oder?“
„Vielleicht hängt das mit der Blutbuche zusammen…“, sagte Verena langsam.
Und dann standen wir da, ich sah zur Uhr, der Mann kratzte sich am Kopf und sagte nichts mehr.
Leergelaufen.
„Tja“, er sah auch zur Uhr, „schon spät. – Wenn sie noch einen Kaffee oder Espresso wollen…? – Wir dachten nur „guckste doch mal nach“, als wir ihr Flugzeug rein zufällig gesehen haben…“
„Danke, wir brauchen nichts. Unsere Freunde werden bald kommen, und dann wird man weiter sehen. – Haben sie vielen Dank.“
„Tja, dann…“
Wir verabschiedeten uns. Da die Maschine weder brannte noch explodierte, war sie relativ uninteressant und die Männer gingen langsam zurück, zu ihrem Gasthof.
„Und?“ fragte Verena als die Männer außer Sichtweite waren, „werden sie mich jetzt wieder vergewaltigen?“
„Ach Quatsch, ich mache doch sowas nicht! Ich kann mir auch nicht vorstellen dass ich das vor sieben Leben schon mal getan habe. – Ich tue sowas nicht. Ich doch nicht!“
„Das werden sie sehen!“ sagte Verena, ihre Stimme schien aus weiter Ferne zu mir zu dringen, sie machte irgendwas, und plötzlich waren noch zwei Männer bei mir, genauso zerlumpt und hungrig wie ich.
Wir hatten uns vor Kurzem aus irgendeinem Kampf abgesetzt, es war sowieso alles verloren, und der Sold war auch lange nicht mehr bezahlt worden. Ich hatte Hunger, genau wie die beiden anderen Männer bei mir. Wir rochen Rauch, ein Herdfeuer. Irgendwo musste ein Bauernhof oder zumindest eine Kate sein.
Ich umfasste den Griff meines Degens, diese Waffe war mir lieber als die unzuverlässige Pistole, während wir weiter durch den Wald schlichen.
Der Vollmond stand zwar zwischen den Bäumen, rund und silberhell, aber Wolken tobten vor ihm durch den Himmel, als wüssten sie, dass wir vorhatten, einen Bauernhof zu plündern.
Ich machte mir keine Gedanken über die Bauern, seine Familie und das Gesinde, die Bauern waren dazu da, für die Söldner, die Soldaten, die Adeligen und die Fürsten zu sorgen; - ich hatte sie nie anders kennengelernt, die Grundeinstellung, mit der ich aufwuchs und Söldner wurde.
Der Krieg muss den Krieg ernähren, der Bauer wird sich ein neues Haus bauen, dafür ist er da.
Der Mann neben mir hob den Arm und deutete schräg nach vorne. Der Wald lichtete sich, ein Feld lag vor uns, weit hinten eine Kate, ein winziges Häuschen, dass man gebückt betreten muss und in der die Menschen halb sitzend schlafen.
Neben der Kate stand ein Bäumchen, rötlich-silbern leuchten die Blätter im Licht des Mondes.
Auf dem Feld bewegte sich etwas, ein Mann, sicher der Bauer. Er bückte sich, stocherte mit einem Stock im Boden herum und zog plötzlich etwas heraus, etwas Zappelndes an dem Stock. Ein Hamster, groß wie ein Hase. Der Bauer legte das Tier auf den Boden und schlug mit einem Knüppel drauf.
Der Bauer tat das Gleiche, was ich mit meinen Feinden auch zu tun pflegte; - und ich war auch ein Feind - von irgendjemandem, der persönlich nichts gegen mich hatte…
Ich sah niemals alte Söldner, nur alte oder verkrüppelte Soldaten, die mit einer Kastenleier ihr Leben fristeten.
Zum ersten Mal kamen mir diese Gedanken, doch ich dachte nicht weiter.
Die beiden Kerle bei mir zogen ihre Degen und gingen los, die Gelegenheit war günstig, der Bauer war damit beschäftigt, den Hamsterbau aufzugraben. Er wollte das Getreide, noch hatte er uns nicht bemerkt. Und wenn schon, etwas zu essen, selbstgebrannter Schnaps, irgendwas, wir waren ausgehungert in jeder Beziehung und stärker als er.
Ich sah eine Bewegung bei dem Bäumchen neben der Kate, eine junge Frau saß dort, ihre roten Haare blinkten im Mondlicht. Ich hatte noch nie solche Haare gesehen, so kastanienfarbig; - es war überhaupt lange her, dass ich eine Frau gesehen hatte, noch dazu so eine junge.
Ich ging zu der jungen Frau. Sie hatte seltsame Sachen um sich verstreut, Dinge, die ich nicht kannte und die mich auch nicht interessierten.
Die Augen der schönen, jungen Frau blickten mich angstvoll an, mit einer schnellen Bewegung riss ich ihr die Bluse auf. Ich war ein Mann, ein Söldner, der nicht im Frauen warb, der nur Frauen kannte, die in Schänken lebten, die nicht umworben wurden, die da waren, um von den Söldnern genommen zu werden, wenn sie besoffen waren; - aber noch nicht zu besoffen…
Ich fand nichts dabei, empfand nichts Unrechtes, und das Wimmern der Frau prallte von mir ab wie das Blut des anderen Söldners, den ich kürzlich mit meinem Degen durchbohrte. Ich wollte es nicht wahrhaben, wollte nicht an die Schmerzen denken, die ich anderen zufügte, weil ich sonst kein Söldner mehr sein konnte… Der Mensch wird zum Vieh wenn kein Richter da ist.
Die Frau bat mich, sie am Leben zu lassen; - warum sollte ich sie töten? Ich wollte jetzt was essen, Schnaps trinken bis zur Besinnungslosigkeit.
Ich stand auf und begann auf die Kate zuzugehen, hoffentlich hatte der Bauer Schnaps, sonst Gnade ihm Gott!
Nach wenigen Schritten drehte ich mich nochmal um, weil ich die Frau murmeln hörte:

„Jegliche Flüssigkeit über oder unter der Baumkrone werde zu Blut!“

Sie kniete auf dem Boden und hatte ihre Arme dem Baum zugereckt.
„Eine Närrin“, dachte ich und ging weiter auf die Kate zu. Es waren nur wenige Schritte, aber ich drehte mich nochmal um.
Etwas Unheimliches berührte meinen Rücken und ich sah, wie eine rötliche Säule aus seltsam flimmerndem Licht langsam aus den roten Blättern des Bäumchens in die Höhe wuchs…
Es war Vollmond und bei Vollmond ist immer alles etwas anders. Hexen tun ihr Werk bei Vollmond; - und Hexen haben rote Haare. Jetzt traute ich mich nicht mehr, zu dem Bäumchen zurück zu kehren, denn die Frau daneben hatte rote Haare…
Ich wollte in die Kate gehen, Schnaps trinken, viel Schnaps.
Die Tür war niedrig, ich bückte mich, stieß aber mit dem Kopf an, eine Stimme wie von weit her:
„Pass doch auf, die Tragflächenstrebe! – Weißt du jetzt Bescheid, du Lumpenhund?“
Mühsam schüttelte ich den Kopf, aber nicht weil ich nicht Bescheid wusste, sondern um meinen Kopf klar zu kriegen.
„So“, sagte Verena, „und jetzt werde ich es vollenden!“
Natürlich hatte sie mir die Pistole inzwischen wieder aus der Tasche genommen, aber als sie prüfte, ob sie auch entsichert war, tasteten sich Scheinwerfer von der Straße herauf in unsere Richtung.
„Die Jungs vom Aero-Club! Sie kommen etwas früh! – Na, macht nix, ich habe ja noch eine Chance! - Ich werde den perfekten Mord begehen! Darauf kannst du dich verlassen, du Mistkerl!“
Sie steckte die Pistole wieder in ihre Handtasche.
Und sie war hinreißend charmant zu den Jungs vom Aero-Club, die natürlich grinsten und sich gegenseitig anstießen.
Ich erholte mich langsam wieder.
„So“, sagte ich schließlich und legte meine rechte Hand an den Ablass des rechten Tragflächentanks, „wenn ihr jetzt aufhört zu grinsen, zeige ich euch was. Wer dann noch grinst, kriegt von mir eins in die Fresse!“
Langsam drehte ich den Ablass auf.
Dickes, schwarzes Blut quoll leise glucksend aus dem Tank…
 

Hagen

Mitglied
Hallo KaGeb,

nun ja, man tut, was man kann.
Was ich allerdings vermisse, sind deine Verbesserungsvorschläge...;)

Liebe Grüße
Yours Hagen

____________
nichts endet wie geplant!
 
Hallo Hagen, meiner Meinung nach muss der Text noch stark überarbeitet werden.
Die schlampig gesetzte Interpunktion verleidet einem die Geschichte spätestens nach einem Drittel. Kurz aufeinanderfolgende Wortwiederholungen und falsche Groß- und Kleinschreibung tun ihr Übriges.
Der zugrunde liegende Plot ist in Ordnung. Wer derartige Märchen mag, wird auch dieses mögen.
Sag, Hagen, was sollen die (…) Auslassungspunkte? Du setzt sie viel zu oft ein und dann an Positionen, wo sie nichts zu suchen haben.

Grundlegend aber finde ich, dass die Story eine Idee hat, die, wie eingangs erwähnt, nach starker Überarbeitung zu einer netten kleinen Geschichte werden könnte.

Viel Glück
Ss.

Tipp: Nach wörtlicher Rede kommt ein Komma! (Himmelherrgottnochmal)
 

Hagen

Mitglied
Hallo Spätschreiber!

Märchen? Wieso Märchen?
Komisch, über falsche Interpuntion und diesen ganzen anderen unwichtigen Kram regen sich sonst nur Frauen auf.
Ich hoffe, Du hast dass, worum es geht, trotzdem erkannt. :D
Märchen; - ich komme garnicht drüber hinweg!
In Märchen kommen Prizessinen vor, aber doch keine Flugzeuge und dann schon garnicht so minutiös beschrieben. (Hergottnochmal):box:

In diesem Sinne
Yours Hagen

________
nichts endet wie geplant
 

Hagen

Mitglied
Hallo Spaetschreiber!

Ich habe mal ein wenig recherchiert, und dabei ist mir aufgefallen, dass Du Deine 'Werke' samt und sonders gelöscht hast!
Du kannst nur noch rummosern, und bringst selber nix!
Himmelherrgottnochmal
Es war jedenfalls schade um die Zeit, die ich dafür aufgewendet habe!

In diesem Sinne
Yours Hagen
 
I

Inky

Gast
Komm mal her, Hagen.

Einige Menschen bezahlen eine Menge Geld für "Rückführungen" und Du entwickelst eine - meinem Leseeindruck nach - spannende und tiefgründige Erzählung.
Alles wird gut...
...oder im späteren Leben vielleicht gerächt.
 

Hagen

Mitglied
Ich komm ja schon!
Hallo Inky,
das alles gut wird; - also, da glaube ich nicht so recht dran!
Al Murphy sagt:
Wenn alles zu gut geht, wird irgend etwas schiefgehen.
Folgerungen:
1. Wenn etwas nicht mehr schlimmer werden kann, so wird es noch schlimmer.
2. Immer, wenn man glaubt, es geht besser, so hat man etwas übersehen.

Dabei fällt mir die längst vergessene Geschichte '...immer ganz hinten' ein. (Sie liegt unter Fantasy & Märchen, Seite 4)
da kannste mal sehen, was es mit der Rückführung so auf sich hat!

Ansonsten noch viele liebe Grüße
und wir hören voneinander,

Yours Hagen

________
nichts endet wie geplant!
 
C

carlos wolf

Gast
Die Wanderung zwischen Realität und zwei gedanklichen Welten gefällt mir.
Tolle Geschichte
 

Hagen

Mitglied
Hallo Carlos,

Danke für Dein Lob!
Deine Worte sind Balsam auf meine gequälte Möchtegerndichterseele.

Viele Grüße
yours Hagen

___________
nichts endet wie geplant!
 

Val Sidal

Mitglied
Wikipedia: Die Rotbuche
kann bis zu 300 Jahre alt werden; in Einzelfällen sind auch ältere Exemplare gefunden worden.
Der Text ist noch nicht reif für eine detaillierte Auseinandersetzung. Einige Beispiele:

Du beginnst mit:
Es ist lange her; -
dann setzt du fort mit:
„Sollte das nicht längst verjährt sein, nach über 300 Jahren?“
um schließlich mit:
Na, macht nix, ich habe ja noch eine Chance! - Ich werde den perfekten Mord begehen!
den Schluss zu machen. Ist der Protagonist nun davon gekommen, oder kommt die Dame wieder? Solche "offenen Enden", die mir den Eindruck vermitteln, dass der Autor noch keine Absicht entwickelt hat, sind unbefriedigend.

Wenn Figuren durch Jahrhunderte bewegt werden, sollten sie für den Leser erkennbar an Tiefenschärfe gewinnen. Die Figuren entwickeln sich in der Geschichte nicht.

ihre Stimme schien aus weiter Ferne zu mir zu dringen, sie machte [blue]irgendwas[/blue], und plötzlich waren noch zwei Männer bei mir, genauso zerlumpt und hungrig wie ich.
und
Sie hatte [blue]seltsame Sachen[/blue] um sich verstreut, Dinge, die ich nicht kannte und die mich auch nicht interessierten.
Hier hat der Autor seine Geduld und Liebe für's Detail verloren (oder scheute nur den Aufwand).

Der Plot entführt auf eine dem Ratio nur bedingt zugängliche Ebene, die, wenn sie eine starke emotionale Landschaft präsentiert, Konflikte wie Schuld/Gewissen, Leid/Rache usw. erlebbar macht, gerne betreten wird. Die geringe und oberflächige Gefühlsausstattung des Textes frustriert. Um es konstruktiv auszudrücken: der Text kann noch viel besser werden.
 

Hagen

Mitglied
Hallo Val!

Danke, dass Du Dich so ausgiebig mit meinem Text beschäftigt hast.
Einen höheren Anspruch als einige kurzweilige Momente, die der geneigte Leser aufbringen muss, habe ich eigentlich nicht; - trotzdem müssen die Details stimmen. (Was natürlich etwas Geduld bei der Recherche und Liebe fürs Detail mit sich bringt).
Danke, dass Du das zu schätzen weißt, da bist Du so ziemlich der einzige auf der Leselupe.

Andererseits eröffnen sich hier auch Perspektiven, die mir im Schreibfluss entgehen, bzw. stören würden, wenn ich sie noch ausgiebiger behandeln würde, trotz meiner ‘Detailverliebtheit‘. Ich scheue also nicht den Aufwand, wenn ich schon mal dabei bin.
Bei einer etwas längeren Story steigt der Aufwand an Recherche, wenn sie nicht irgendwo zusammenbrechen soll, immens an. Bei der Rotbuche, ich habe mit Absicht ‘Blutbuche‘ gewählt, reicht es nicht, mal eben bei der Heiligen Schrift, die da heißt Wikipedia, nachzugucken. Andere Quellen berichten von einem Alter von bis zu 500 Jahren. Ich hab‘s allerdings nicht nachgeprüft. Das ist wichtig, weil die Schweden zu diesem Zeitpunkt in der Nähe von Bremen, wo die Geschichte spielt, waren.
Es ist nun natürlich schwer, sich in eine ‘Söldnerseele‘ zu versetzen, zumal die Story in der ersten Person geschrieben ist. Und dann noch eine Vergewaltigung?
Ich hoffe, dass ich dieses Detail in Deinen Augen einigermaßen gut gelöst habe.

Über die Sache mit der ‘Tiefenschärfe‘ habe ich in der Tat lange nachgedacht.
Sehr gut beobachtet, denn ein Mann sollte ‘reifen‘. Ich habe mich allerdings dazu entschlossen, den Protagonisten nicht allzu sehr reifen zu lassen, denn dann würde die Story zusammenbrechen, was irgendwie schade wäre.
Meinst Du nicht auch?
Zitat: „Bestimmt nicht! – Sie waren immer Söldner, Krieger, oder… Flieger, wie jetzt auch.“
Ich möchte nochmal auf etwas eingehen. Du schriebst:

Der Plot entführt auf eine dem Ratio nur bedingt zugängliche Ebene, die, wenn sie eine starke emotionale Landschaft präsentiert, Konflikte wie Schuld/Gewissen, Leid/Rache usw. erlebbar macht, gerne betreten wird. Die geringe und oberflächige Gefühlsausstattung des Textes frustriert. Um es konstruktiv auszudrücken: der Text kann noch viel besser werden.

Stimmt, Du hast recht. Man könnte einen ganzen Roman daraus machen.
Andererseits bedeutet dass, das der Text länger werden muss; - und lange Texte liest sowieso kein Mensch. (Die Fliegerjacke).
Sorry, aber es ist leider so, und allzu lange bei einem Thema zu verharren, also das schaffe ich nicht, meine Phantasie quillt über.
Wobei wir bei dem ‘offenen Ende‘ sind:

Ist der Protagonist nun davon gekommen, oder kommt die Dame wieder? Solche "offenen Enden", die mir den Eindruck vermitteln, dass der Autor noch keine Absicht entwickelt hat, sind unbefriedigend.

Geht mir genauso. Meine Absicht jedoch war, irgendwann mal eine Fortsetzung zu schreiben, denn die Damen kündigt es ja an. Vielleicht kommt ja noch was, ich arbeite dran und es wird wieder so lang, dass es kein Mensch lesen wird.
Ein Teufelskreis!

In diesem Sinne und liebe Grüße
Yours Hagen

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nichts endet wie geplant!
 

Val Sidal

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Hagen

Bei der Rotbuche, ich habe mit Absicht ‘Blutbuche‘ gewählt, (...) Das ist wichtig, weil die Schweden zu diesem Zeitpunkt in der Nähe von Bremen, wo die Geschichte spielt, waren.
Es gefällt mir, wie du den Baum und die mit iihm verbundene Lichtererscheinung als Grenze, als Marke zwischen vermeintliche Zeit-Realitäten, gesetzt hast. Als "Blutbuche" entzieht er sich der botanischen Lebensspannenbetrachtung: Er kann 0 Jahre leben, wenn es sich herausstellt, dass es sich in der Geschichte nur um eine Halluzination oder Rausch handelt - am Anfang weiß Leser noch nicht - es ist also spannend.

Es ist nun natürlich schwer, sich in eine ‘Söldnerseele‘ zu versetzen, zumal die Story in der ersten Person geschrieben ist. Und dann noch eine Vergewaltigung?
Ich hoffe, dass ich dieses Detail in Deinen Augen einigermaßen gut gelöst habe.
Es ist generell mit Risiken verbunden, sich in eine Figur zu versetzen. Aber ich finde gar nicht, dass du dabei abgestürzt bist.


Über die Sache mit der ‘Tiefenschärfe‘ habe ich in der Tat lange nachgedacht.
Sehr gut beobachtet, denn ein Mann sollte ‘reifen‘. Ich habe mich allerdings dazu entschlossen, den Protagonisten nicht allzu sehr reifen zu lassen, denn dann würde die Story zusammenbrechen, was irgendwie schade wäre.
Meinst Du nicht auch?
Zitat: „Bestimmt nicht! – Sie waren immer Söldner, Krieger, oder… Flieger, wie jetzt auch.“
Ich rege noch einmal nachdringlich an, dich an der Figur des Protagonisten zu reiben. Seine 3 Dimensionen Söldner(Vergewaltiger)-Krieger(Mörder)-Flieger(Opfer) verlangen nach mehr Nähe. Z.B.: Unser Söldner-Verständnis von heute ist negativ besetzt. Aber in der Söldner-Zeit deiner Figur war Söldnerwerden für junge Männer eine Möglichkeit Karriere zu machen; Mütter und Väter waren stolz auf ihren Jungen, wenn sie es geschafft hatten. Und dann war natürlich Gesindel unter den Söldnern. Zu welchem Typus gehört die Figur? Spannendes schwingt im Subtext mit: Gewalt als Mittel zu Geld(Sold) und Macht zu kommen, sich zu entfalten. Damals legitim - heute etwa nicht? Dem gegenüber steht die Frau: Unfrei, unangepasst(Hexe), traumatisiert(vergewaltigt). Ihre Statik in der Verletzt/Opfer/Rächer-Fixierung stört nicht - im Gegenteil. Würde sich Mann in verschiedenen Zeit Facetten seines Charakters enthüllen, würde die Eindimensionalität der Frau wunderbaren Kontrast bieten, uns ein feines Leseerlebnis bescheren.

Man könnte einen ganzen Roman daraus machen.
Andererseits bedeutet dass, das der Text länger werden muss; - und lange Texte liest sowieso kein Mensch. (Die Fliegerjacke).
Sorry, aber es ist leider so, und allzu lange bei einem Thema zu verharren, also das schaffe ich nicht, meine Phantasie quillt über.
Deiner Schlussfolgerung, dass der Text länger werden muss, stimme ich nicht zu. Im Gegenteil, der Text kann in jedem Fall mit Gehalts- und Qualitätsgewinn gekürzt werden.

Meine Absicht jedoch war, irgendwann mal eine Fortsetzung zu schreiben, denn die Dame kündigt es ja an. Vielleicht kommt ja noch was, ich arbeite dran und es wird wieder so lang, dass es kein Mensch lesen wird.
Ein Teufelskreis!
Ich würde eine Fortsetzung gerne lesen. Nur wenn der Teufel im Detail stecken bleibt, wird es zum Teufelskreis. Der Autor muss ihn halt zur Hölle jagen.
 



 
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