Die Camper

fah

Mitglied
Die Camper


Kevin und Jenny gingen um das schäbige Campingmobil herum und versuchten, durch die Fenster zu sehen.
„Man kann nichts erkennen“, sagte Kevin und nahm die Hände nicht aus den Taschen seines Army-Anoraks. Die Zigarette hing ihm schief zwischen den Lippen.
„Is’ doch egal“, krächzte Jenny heiser, “Hauptsache wir kriegen das Geld, wenn wir drüben sind.“ Ihr helles Haar hing in Stränen über den dunklen Wollschal auf die Schulter.
„Ich kann immer noch nicht glauben, dass wir jeder 1000 € dafür kriegen, den Camper über den Kanal zu bringen“, sagte Kevin.
„Und dabei aussehen wie ein Paar, das Urlaub in England machen will“, lachte Jenny. “Urlaub, ich weiß gar nich, was das ist.“
„Na, ja, Freizeit, Strand, Feiern, Saufen, Tanzen, Vögeln und so.“ Kevin grinste.
„Machen wir doch jetzt auch schon, jeden Tag.“ Jenny gab Kevin einen Knuff in die Seite. „Oder?“
„Ja“, sagte Kevin gedehnt, „schon. Aber die Kohle fehlt meistens.“ Er ging weiter um das Campingmobil herum.
„Kevin, das Rückreiseticket für die Fähre ist erst für in einer Woche. Wird wirklich so eine Art Urlaub - mit Kohle.“
„Man sieht nichts, die Gardinen sind zu dicht.“
„Hör auf, reinzusehen. Du weißt, was der Mann gesagt hat. Reinschaun ist nich. Die Türen sind abgeschlossen, wir kriegen die zweiten 500€ jeder erst, wenn wir drüben sind und nich reingesehen haben.“
„Ich würd’s aber gern wissen. Was lohnt sich denn überhaupt, nach England zu schmuggeln?“
„Weiß nich.“ Jenny fröstelte. „„Ist noch kalt hier in Belgien. Im Mai.“
„Komm, lass uns einsteigen. Wir fahren in die Schlange zur Fähre und warten.“
Kevin ging zur Fahrerseite, setzte sich hinters Steuer und sagte: „Weit müssen wir ja nicht auf der linken Seite fahren. Der Treffpunkt in Dover ist gleich hinter der Anlegestelle auf einem Parkplatz. Is‘ im Navi schon drin, hat der Typ gesagt.“
Jenny rekelte sich auf dem Beifahrersitz. „Hat der Camper ‘ne Standheizung?“
„Keine Ahnung.“
Er studierte das Armaturenbrett. „Ich finde nichts, was so aussieht.“
„Is’ auch egal.“ Jenny griff hinter den Sitz in eine Plastiktüte, die prall gefüllt war. Sie schaute rein.
„Is’ ja ‘n Ding“, staunte sie. “Whiskey, Bier und Cola. Die Typen haben an alles gedacht.“
„Nennt man Service“, lachte Kevin.
„Gut, dass Du nachher nich weit fahren musst“, sagte Jenny, als sie Kevin eine Bierdose ‘rüberschob.
„Würd‘ gern wissen, wie die checken wollen, ob wir hinten ‘reingesehen haben“, sinnierte Kevin und nahm den ersten Schluck.
Später auf der Fähre mussten sie das Auto im Parkdeck lassen und nach oben gehen. Kevin setzte sich mit Jenny auf einen Bank am Fenster. Gelangweilt besah er sich die Mitfahrer.
„Lauter Urlauber wie Du und ich“, sagte er zu Jenny.
„Viel zu laute Kinder“, steuerte Jenny bei.
„Willst ‘n Kaffee?“, fragte Kevin.
„Nö, lieber noch ‘n Bier“, antwortete Jenny.
„Hast recht. Ich hol‘ uns eins“.
Kevin reihte sich in die Schlange an der Theke und kam nach ein paar Minuten mit zwei Dosen Bier zurück.
„Irgendein englisches Zeug. Sauteuer der Alk hier. 4 Euro 50, die Dose“, schimpfte er.
„Die hab’n ja den Arsch offen“, pflichtete Jenny ihm bei.
„Gut, dass wir im Moment reich sind.“
„Prost, darauf“, sagte Jenny und stieß mit seiner Dose an.
„Wie lange fährt die Fähre?“
„4 Stunden, glaub‘ ich.“
„Eine Dose Bier pro halbe Stunde, das macht ... acht mal vier fünfzig pro Mann. Das wird teuer, Kevin.“
„Du meinst ... ?“ Er schaut sie prüfend an.
Sie nickte und sagte: „Ja, mein‘ ich.“
„Ich geh‘ mal gucken“, sagte Kevin und erhob sich von der Bank.
Er ging die zwei Teppen ‚‘runter zum Parkdeck, wo auch ihr Camper stand. Die Tür zu den Autos war nicht verschlossen.
Supersicher, dachte er sich.
Er hatte Jenny sofort verstanden. Warum so viel Geld ausgeben, wenn sie genügend Stoff im Auto hatten. Er schaute vorsichtig um die Ecke. Niemand zu sehen. Der Boden schwankte leicht. Sie waren eben auf einem Schiff. Das Licht war schwach. Man erkannte die Autos kaum.
An ihrem Camper angekommen, machte er die Fahrertür auf und griff nach der Plastiktüte. Doch er hielt inne.
Das können die doch gar nicht checken, ob ich da ’reingeguckt habe, sagte er sich halblaut. Seine Neugier siegte über die Vorsicht. Er legte die Tüte zurück und griff ins Handschuhfach, wo die Schlüssel lagen. Die waren für den unwahrscheinlichen Fall, dass ein Zöllner in den Wagen sehen wollte, hatte der Mann gesagt. Aber das würde so gut wie nie passieren. Die sind froh, wenn die Urlauber zügig von der Anlegestelle im Dover Ferry Port wegkommen.
Er nahm die Schlüssel und ging um den Wagen herum. Aufschließen ging ganz leicht. Er machte die Tür auf und blickte auf einen Haufen Koffer, Taschen und Decken. Er war enttäuscht.
Neugierig schob er einen Koffer zur Seite, dann einen weiteren aus der zweiten Reihe und prallte zurück. Er starrte auf einen nackten Fuß. Ganz vorsichtig berührte er ihn. Fühlte sich kühl an. Ein Toter, schoss es ihm durch den Kopf. Angst stieg in ihm auf, er begann zu zittern. Eine Leiche, wir transportieren eine Leiche.
Als sein Zittern etwas nachließ, schob er die Koffer hastig wieder an ihren Platz. Schloss die Tür zu. Vergaß die Tasche mit dem Alkohol und stürzte nach oben zu Jenny.
Er warf sich neben ihr auf die Bank.
„Was is’ denn, Du bist ja ganz bleich? Wo is’ das Bier?“
„Jenny, das läuft scheiße hier.“
„Was?“
„Ich, ich hab‘ in den Wagen geguckt.“
„Und?“
„Da liegt einer drin?“
„Was?“
„Da liegt einer drin, der is‘ tot.“ Kevin flüsterte.
„Tot?“.
„Nicht so laut, Jenny.“
„Was machen wir jetzt?“
„Weiß nicht, ich denke nach.“
Er nahm den Kopf zwischen die Hände. Nach einer Weile sagte er: „Wir lassen den Wagen einfach stehen, und tun so, als ob wir nix mit ihm zu tun haben.“
„Hmm“, brummte Jenny. „Aber dann kriegen wir keine 500€ mehr und sitzen fest in England.
„Hasse recht“.
Kevin schwieg wieder eine Weile.
„Ich weiß“, sagte er und richtete sich wieder auf, „wir tun so, als ob nichts gewesen wäre, lassen die umladen, nehmen das Geld und fahren.“
„Weiß nich‘“, sagte Jenny und versank in Schweigen.
„Das Geld is’ wichtig, Jenny.“
„Verdammt noch ‘mal, Du has recht. Kevin.“
„Außerdem, die Tür is‘ wieder abgeschlossen, die Koffer habe ich wieder an hingestellt wie sie waren. Man kann nichts sehen. Die merken nix.“
„Wir nehmen die Kohle und dann nichts wie weg.“ Jenny lachte kurz auf. „Alk haben wir jetzt immer noch nich, oder? Die Tasche hasse unten gelassen. Gehste noch ‘mal, Kevin?“
„Ne, scheiss auf die paar Euro. Ich hol‘ uns was von der Theke.“
Drei Stunden und einige Biere später fuhren sie vorsichtig von der Rampe der Fähre auf englischen Boden. Kevin fielen die vielen Schilder auf „Drive on the left“. War schon wichtig, daran erinnert zu werden. Das Navi zeigte 1600 m an bis zum eingespeicherten Ziel Jubilee Way/Upper Road. Er musste sich konzentrieren, wirklich auf der linken Seite zu bleiben. Beim Abbiegen vor allen Dingen. Jenny sagte die ganze Zeit nichts.
Als sie den abgelegenen Parkplatz erreicht hatten, war er froh. Schnell das Geld und dann nichts wie weg, schoss ihm durch den Kopf. Zum Nachdenken blieb ihm keine Zeit. Der schwarze BMW, der schon eine Weile hinter ihnen hergefahren war, bog auf den Platz ein. Sie waren die einzigen Autos.
Der Wagen hielt quer vor dem Camper. Ein Mann stieg aus. Der Fahrer bleib sitzen. Er trug einen hellen Mantel, einen dunklen Hut, einen Schal und dunkle Handschuhe.
Kevin stieg aus.
„Na, alles gut gegangen?“, fragte der Mann in scharfem Ton und kam auf ihn zu.
„Ja, alles bestens“, sagte Kevin so ruhig wie möglich.
„Und, habt Ihr reingeguckt, Ihr beiden Süßen?“
„Nein, natürlich nicht. Durften wir ja nicht...“, Kevin versuchte zu grinsen.
Jenny war ausgestiegen, kam um den Wagen ‚rum und fragte frech: “Krieg’n wir jetzt unser Geld?“
Der Fahrer hatte den Wagen ebenfalls verlassen, trat hinter Jenny und sagte:
„Ihr kriegt, was Euch zusteht, ganz sicher“.
Kevin hörte ein Plopp, drehte sich erschreckt zu ihr um. Er sah wie Jenny mit großen, stumm schreienden Augen zusammensank. Blut spritzte aus ihrem Kopf. Das letzte, was seine Augen aufnahmen war der Fahrer, wie er auf ihn zielte.
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo fah, herzlich Willkommen in der Leselupe!

Schön, dass Du den Weg zu uns gefunden hast. Wir sind gespannt auf Deine weiteren Werke und freuen uns auf einen konstruktiven Austausch mit Dir.

Um Dir den Einstieg zu erleichtern, haben wir im 'Forum Lupanum' (unsere Plauderecke) einen Beitrag eingestellt, der sich in besonderem Maße an neue Mitglieder richtet. http://www.leselupe.de/lw/titel-Leitfaden-fuer-neue-Mitglieder-119339.htm

Ganz besonders wollen wir Dir auch die Seite mit den häufig gestellten Fragen ans Herz legen. http://www.leselupe.de/lw/service.php?action=faq

Fazit Deiner Geschichte: Neugierde ist stärker, oder?!


Viele Grüße von DocSchneider

Redakteur in diesem Forum
 

fah

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Die Camper


Kevin und Jenny gingen um das schäbige Campingmobil herum und versuchten, durch die Fenster zu sehen.
„Man kann nichts erkennen“, sagte Kevin und nahm die Hände nicht aus den Taschen seines Army-Anoraks. Die Zigarette hing ihm schief zwischen den Lippen.
„Is’ doch egal“, krächzte Jenny heiser, “Hauptsache wir kriegen das Geld, wenn wir drüben sind.“ Ihr helles Haar hing in Strähnen über den dunklen Wollschal auf die Schulter.
„Ich kann immer noch nicht glauben, dass wir jeder 1000 € dafür kriegen, den Camper über den Kanal zu bringen“, sagte Kevin.
„Und dabei aussehen wie ein Paar, das Urlaub in England machen will“, lachte Jenny. “Urlaub, ich weiß gar nich, was das ist.“
„Na, ja, Freizeit, Strand, Feiern, Saufen, Tanzen, Vögeln und so.“ Kevin grinste.
„Machen wir doch jetzt auch schon, jeden Tag.“ Jenny gab Kevin einen Knuff in die Seite. „Oder?“
„Ja“, sagte Kevin gedehnt, „schon. Aber die Kohle fehlt meistens.“ Er ging weiter um das Campingmobil herum.
„Kevin, das Rückreiseticket für die Fähre ist erst für in einer Woche. Wird wirklich so eine Art Urlaub - mit Kohle.“
„Man sieht nichts, die Gardinen sind zu dicht.“
„Hör auf, reinzusehen. Du weißt, was der Mann gesagt hat. Reinschaun ist nich. Die Türen sind abgeschlossen, wir kriegen die zweiten 500€ jeder erst, wenn wir drüben sind und nich reingesehen haben.“
„Ich würd’s aber gern wissen. Was lohnt sich denn überhaupt, nach England zu schmuggeln?“
„Weiß nich.“ Jenny fröstelte. „„Ist noch kalt hier in Belgien. Im Mai.“
„Komm, lass uns einsteigen. Wir fahren in die Schlange zur Fähre und warten.“
Kevin ging zur Fahrerseite, setzte sich hinters Steuer und sagte: „Weit müssen wir ja nicht auf der linken Seite fahren. Der Treffpunkt in Dover ist gleich hinter der Anlegestelle auf einem Parkplatz. Is‘ im Navi schon drin, hat der Typ gesagt.“
Jenny rekelte sich auf dem Beifahrersitz. „Hat der Camper ‘ne Standheizung?“
„Keine Ahnung.“
Er studierte das Armaturenbrett. „Ich finde nichts, was so aussieht.“
„Is’ auch egal.“ Jenny griff hinter den Sitz in eine Plastiktüte, die prall gefüllt war. Sie schaute rein.
„Is’ ja ‘n Ding“, staunte sie. “Whiskey, Bier und Cola. Die Typen haben an alles gedacht.“
„Nennt man Service“, lachte Kevin.
„Gut, dass Du nachher nich weit fahren musst“, sagte Jenny, als sie Kevin eine Bierdose ‘rüberschob.
„Würd‘ gern wissen, wie die checken wollen, ob wir hinten ‘reingesehen haben“, sinnierte Kevin und nahm den ersten Schluck.
Später auf der Fähre mussten sie das Auto im Parkdeck lassen und nach oben gehen. Kevin setzte sich mit Jenny auf einen Bank am Fenster. Gelangweilt besah er sich die Mitfahrer.
„Lauter Urlauber wie Du und ich“, sagte er zu Jenny.
„Viel zu laute Kinder“, steuerte Jenny bei.
„Willst ‘n Kaffee?“, fragte Kevin.
„Nö, lieber noch ‘n Bier“, antwortete Jenny.
„Hast recht. Ich hol‘ uns eins“.
Kevin reihte sich in die Schlange an der Theke und kam nach ein paar Minuten mit zwei Dosen Bier zurück.
„Irgendein englisches Zeug. Sauteuer der Alk hier. 4 Euro 50, die Dose“, schimpfte er.
„Die hab’n ja den Arsch offen“, pflichtete Jenny ihm bei.
„Gut, dass wir im Moment reich sind.“
„Prost, darauf“, sagte Jenny und stieß mit seiner Dose an.
„Wie lange fährt die Fähre?“
„4 Stunden, glaub‘ ich.“
„Eine Dose Bier pro halbe Stunde, das macht ... acht mal vier fünfzig pro Mann. Das wird teuer, Kevin.“
„Du meinst ... ?“ Er schaut sie prüfend an.
Sie nickte und sagte: „Ja, mein‘ ich.“
„Ich geh‘ mal gucken“, sagte Kevin und erhob sich von der Bank.
Er ging die zwei Teppen ‚‘runter zum Parkdeck, wo auch ihr Camper stand. Die Tür zu den Autos war nicht verschlossen.
Supersicher, dachte er sich.
Er hatte Jenny sofort verstanden. Warum so viel Geld ausgeben, wenn sie genügend Stoff im Auto hatten. Er schaute vorsichtig um die Ecke. Niemand zu sehen. Der Boden schwankte leicht. Sie waren eben auf einem Schiff. Das Licht war schwach. Man erkannte die Autos kaum.
An ihrem Camper angekommen, machte er die Fahrertür auf und griff nach der Plastiktüte. Doch er hielt inne.
Das können die doch gar nicht checken, ob ich da ’reingeguckt habe, sagte er sich halblaut. Seine Neugier siegte über die Vorsicht. Er legte die Tüte zurück und griff ins Handschuhfach, wo die Schlüssel lagen. Die waren für den unwahrscheinlichen Fall, dass ein Zöllner in den Wagen sehen wollte, hatte der Mann gesagt. Aber das würde so gut wie nie passieren. Die sind froh, wenn die Urlauber zügig von der Anlegestelle im Dover Ferry Port wegkommen.
Er nahm die Schlüssel und ging um den Wagen herum. Aufschließen ging ganz leicht. Er machte die Tür auf und blickte auf einen Haufen Koffer, Taschen und Decken. Er war enttäuscht.
Neugierig schob er einen Koffer zur Seite, dann einen weiteren aus der zweiten Reihe und prallte zurück. Er starrte auf einen nackten Fuß. Ganz vorsichtig berührte er ihn. Fühlte sich kühl an. Ein Toter, schoss es ihm durch den Kopf. Angst stieg in ihm auf, er begann zu zittern. Eine Leiche, wir transportieren eine Leiche.
Als sein Zittern etwas nachließ, schob er die Koffer hastig wieder an ihren Platz. Schloss die Tür zu. Vergaß die Tasche mit dem Alkohol und stürzte nach oben zu Jenny.
Er warf sich neben ihr auf die Bank.
„Was is’ denn, Du bist ja ganz bleich? Wo is’ das Bier?“
„Jenny, das läuft scheiße hier.“
„Was?“
„Ich, ich hab‘ in den Wagen geguckt.“
„Und?“
„Da liegt einer drin?“
„Was?“
„Da liegt einer drin, der is‘ tot.“ Kevin flüsterte.
„Tot?“.
„Nicht so laut, Jenny.“
„Was machen wir jetzt?“
„Weiß nicht, ich denke nach.“
Er nahm den Kopf zwischen die Hände. Nach einer Weile sagte er: „Wir lassen den Wagen einfach stehen, und tun so, als ob wir nix mit ihm zu tun haben.“
„Hmm“, brummte Jenny. „Aber dann kriegen wir keine 500€ mehr und sitzen fest in England.
„Hasse recht“.
Kevin schwieg wieder eine Weile.
„Ich weiß“, sagte er und richtete sich wieder auf, „wir tun so, als ob nichts gewesen wäre, lassen die umladen, nehmen das Geld und fahren.“
„Weiß nich‘“, sagte Jenny und versank in Schweigen.
„Das Geld is’ wichtig, Jenny.“
„Verdammt noch ‘mal, Du has recht. Kevin.“
„Außerdem, die Tür is‘ wieder abgeschlossen, die Koffer habe ich wieder an hingestellt wie sie waren. Man kann nichts sehen. Die merken nix.“
„Wir nehmen die Kohle und dann nichts wie weg.“ Jenny lachte kurz auf. „Alk haben wir jetzt immer noch nich, oder? Die Tasche hasse unten gelassen. Gehste noch ‘mal, Kevin?“
„Ne, scheiss auf die paar Euro. Ich hol‘ uns was von der Theke.“
Drei Stunden und einige Biere später fuhren sie vorsichtig von der Rampe der Fähre auf englischen Boden. Kevin fielen die vielen Schilder auf „Drive on the left“. War schon wichtig, daran erinnert zu werden. Das Navi zeigte 1600 m an bis zum eingespeicherten Ziel Jubilee Way/Upper Road. Er musste sich konzentrieren, wirklich auf der linken Seite zu bleiben. Beim Abbiegen vor allen Dingen. Jenny sagte die ganze Zeit nichts.
Als sie den abgelegenen Parkplatz erreicht hatten, war er froh. Schnell das Geld und dann nichts wie weg, schoss ihm durch den Kopf. Zum Nachdenken blieb ihm keine Zeit. Der schwarze BMW, der schon eine Weile hinter ihnen hergefahren war, bog auf den Platz ein. Sie waren die einzigen Autos.
Der Wagen hielt quer vor dem Camper. Ein Mann stieg aus. Der Fahrer bleib sitzen. Er trug einen hellen Mantel, einen dunklen Hut, einen Schal und dunkle Handschuhe.
Kevin stieg aus.
„Na, alles gut gegangen?“, fragte der Mann in scharfem Ton und kam auf ihn zu.
„Ja, alles bestens“, sagte Kevin so ruhig wie möglich.
„Und, habt Ihr reingeguckt, Ihr beiden Süßen?“
„Nein, natürlich nicht. Durften wir ja nicht...“, Kevin versuchte zu grinsen.
Jenny war ausgestiegen, kam um den Wagen ‚rum und fragte frech: “Krieg’n wir jetzt unser Geld?“
Der Fahrer hatte den Wagen ebenfalls verlassen, trat hinter Jenny und sagte:
„Ihr kriegt, was Euch zusteht, ganz sicher“.
Kevin hörte ein Plopp, drehte sich erschreckt zu ihr um. Er sah wie Jenny mit großen, stumm schreienden Augen zusammensank. Blut spritzte aus ihrem Kopf. Das letzte, was seine Augen aufnahmen war der Fahrer, wie er auf ihn zielte.
 

fah

Mitglied
Hallo, DocSchneider,

holla, das ging aber schnell. Ich bedanke mich für die kurzfristige Bearbeitung, vor allem, weil mir trotz intensiven Eigenlektorats natürlich in den ersten Sätzen ein Rechtschreibfehler durchgegangen war.
Ja, das Fazit ist gut erkannt.
Ich muss aber gestehen. Die Kurze Geschichte ist eine Szene aus einem Roman, an dem ich gerade arbeite. Sie ist ein Versuchsballon für dieses Forum.
Ich werde aber gleich meine erste wirkliche Kurzgeschichte einstellen, da bin ich auf die Resonanz noch gespannter.

Mit freundlichem Gruß
fah
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Fah,

freut mich, wenn ich das Fazit herausgelesen habe.

Du schreibst:

Ich muss aber gestehen. Die Kurze Geschichte ist eine Szene aus einem Roman, an dem ich gerade arbeite. Sie ist ein Versuchsballon für dieses Forum.
Ich werde aber gleich meine erste wirkliche Kurzgeschichte einstellen, da bin ich auf die Resonanz noch gespannter.

Deine Geschichte hier ist durchaus eine "wirkliche". Es ist unnötig, Quellen zu nennen. Der Autor schweigt und schreibt. :)

LG Doc
 

Vagant

Mitglied
hallo fah,
ein sehr dialoglastiger text. liest sich fast wie eine szene aus einem drehbuch. mir ging es so, dass ich mich zusammen mit kevin und jenny sofort in der szene wiedergefunden habe. ein symphatisches pärchen, das irgendwie immer auf der letzten rille zu laufen scheint und das zeug zum serienhelden hätte – leider haben sie hier wohl den falschen job angenommen.

das ende war für mich dann nicht mal überraschend. irgendwie fehlte mir da aber ein bisschen der spannungsbogen und die tötung der beiden ließ mich ein wenig fragend zurück (motivation, hintergrund usw.) das geht mir allerdings bei einem teil meiner eigenen geschichten ähnlich ;-)

die dialoge halte ich für sehr authentisch. trotzdem ein paar kleine meckereien.

an einer stelle - zitat "du weißt, was der mann gesagt hat. reinschauen ist nicht. wir kriegen die zweiten 500 erst, wenn wir drüben sind...." zitatende – hier versuchst du, zu viel information in den dialog zu legen. meiner meinung nach sind das sachen die in den erzählbericht gehören.

an anderen stellen ist mir zu viel: sagte er zu jenny – steuerte jenny bei – fragte kevin – antwortete jenny – pflichtete jenny ihm bei – usw.
also ich bin da kein freund von. mich stört so etwas dann doch sehr beim lesen. du hast ohnehin nur 2 sprechende, deshalb kann, sofern hier nicht wichtige informationen geliefert werden, gut und gern auf diese kleinen erzählereinwürfe verzichten werden. das strafft, meiner meinung nach, die dialoge.

1600 m – meter bitte ausschreiben

so, alles nur meine persönliche meinung. ansonsten habe ich es gern gelesen.

vagant.
 



 
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