Die Couch

2,80 Stern(e) 4 Bewertungen

Plejadus

Mitglied
Die Couch des Luis Manuel Ferreira

.



An einem wunderschönen Dienstagnachmittag geschah folgendes:
Ein kleiner, grüner Specht verliebte sich in den Anfang einer putzigen, bescheidenen Geschichte, und das kam so:
Es trug sich zu, dass eine alte Dame den Ort

*******

besuchte.
Kein Ding, dachten die Leute, die dort bereits seit aberdutzenden von Generationen hausten und schmausten, noch - da packten sie das Kein Ding auch schon flugs zurück in ihre blechernen Schatullen, welche sie wiederum in zierliche Ziegenledersäckchen stopften, die sie stets, so sie ihr Heim verließen, mit sich auf dem Rücken trugen, wie es hierorts dem Brauche entsprach - warum?
Deshalb nämlich, da jene alte Dame rittlings auf einer Rakete einherschnellte gleich einer zukunftsweisenden Überschall-Hexe.
Über dem Ortskern angelangt, bremste sie das sonderbare Geschoss abrupt und landete sanft in der Nachbarschaft eines drittklassigen Reiterstandbildes, von jenem man hier zu tuscheln pflegte:
"Immerhin, er ist zu Ross."
"Wer sind Sie? Was wollen Sie!", riefen die sich jetzt so neugierig wie vorsichtig der alten Dame nähernden Bürger von

*******

vereint.
"Das tut nichts zur Sache!", schallte es seitens der Raketenberittenen zurück, durchaus barsch im Tone übrigens.
"Ich muss tanken! Wo kann ich hier tanken?" , setzte sie in nahezu gleicher Tonlage hinzu, nur trockener, zu sagen trockenbarsch.
"Tanken?", rief da ein Mutiger: "Na, im Gasthof!"
Gelächter erhellte da die Gesichter der Umstehenden [und erbrachte den noch nicht einmal ausstehenden Beweis dafür, dass wenig und gar dumpfes Licht vieles zu erleuchten vermag], nicht jedoch jenes der Alten, die einen düsteren, scharfkantigen Blick in Richtung des Vorlauten entsandte.
"Ich brauche keine blöden Scherze! Ich brauche Wolkenmilchpulver für mein Gefährt! - Also?"
Schweigen am Platze.
Natürlich hatte es eine Tankstelle am Ort, die Wolkenmilchpulver feilbot - bis vor siebenunddreißig Jahren jedenfalls, als man Produktion und Verkauf über Nacht einstellte, ja verbot, da der kausale Zusammenhang zwischen Wolkenmilchdehydrationsindustrie und Dürreepidemien genauso wenig mehr zu leugnen war, wie die daraus hervorgehende Abnahme der Weltbevölkerung um 67%.
"Sie wissen doch wohl", erhob sich zögerlich eine Stimme, "dass Wolkenmilchpulver schon lange nicht mehr ..."
"Schweig! Es gibt immer irgendwo noch etwas!", fuhr ihm die Alte stracks und zackenbarsch übers Mundwerk.
Nun ereignete sich, dass Luis Manuel Ferreira den Platz betrat, ein spanischer Dichter mit maurischen Wurzeln, schmächtig und von geringem Wuchs, den - wie er vorzog, niemandem zu verschweigen - das Schicksal, die Liebe und der Zufall zu gleichen Hälften einst in diesen Ort geworfen hatten.
Der Sprache der Einheimischen war er insofern mächtig, als dass er sie leidlich verstand, freilich ohne sie auch nur einen Deut zu sprechen, ja sprechen zu wollen, denn seine, Luis Manuel Ferreiras, Zunge trüge das Herz seiner Heimat, und dies gelte es vor fremden Sprachflüssen zu verschonen.
Da Luis Manuel Ferreira aber die alte Dame und ihr Begehr durchaus vernommen hatte, trat er hervor und sprach zu ihr aus tiefstem Dichterherzen:
"!Yo tengo!
Tengo un poco de leche en polvo del nubes para ti y tu caballo de fuego infernal. En que nos llevará a las estrellas, lo que saludar - todos y siempre y nada!"
"Hä? Was sagst Du? - - - Was hat er gesagt?"
Da schlug sie abermals, die Stunde des Vorlauten, der also sprach:
"Ich will es Ihnen übersetzen! Herr Ferreira sagt, er möchte Sie auf eine Flasche trockenen Weissweins zu sich einladen - einen Polvo de Leche um genau zu sein. Wenn Sie einen roten bevorzugen, er hätte auch noch einen Caballo de Fuego Infernal anzubieten. Übrigens wohnt er gleich hier in Nummer 7, erster Stock."
Des Nachdenkens war ein kürzeres, und so ließ die alte Dame verlauten: "Nun, warum eigentlich nicht?", begab sich zu dem Poeten, der in einer allgemeinen Verwirrung derart um sich fuchtelte, als gelte es, aufdringliche bunte Schmetterlinge zu verscheuchen, nahm ihn kurzer Hand an dieselbe und verschwand im ersten Stock der No. 7.
Zwei Zeiten setzten zum von ihnen selbst kaum wahrnehmbaren Verstreichen ein, zum diesen jene, die es bedurfte, einen halbkreisförmigen Klumpen Schaulustiger vor dem Hause Nummer 7 sich zusammenfinden zu sehen; zum jenen diese, welche daingehuscht war, noch ehe die ersten schwer strukturierungsbedürftigen Geräusche aus den halboffenen Fenstern des ersten Stockes hörbar wurden, welche sich wie folgt zu sortieren wussten:

- spanisch
- Kreischen
- Zersplittern von vermutlich Glas
- Rück- und Schieb-Geräusche schweren Mobiliars
- Stöhnen
- Geschrei
- Wimmern
- Gelächter

Man erzählte sich später davon, dass es sich hier wohl um ein für Luis Manuel Ferreira sehr denkwürdiges, ja schmerzliches und ihn nachhaltig beeinflussendes Ereignis gehandelt haben musste. Jedenfalls fand man jenen schwach bekleidet und zitternd, die Hände auf den Rücken gebunden vor. Ihm zwischen die Zähne gestopft war offenbar das Ziegensäckchen samt Schatulle, so lag er da - rücklings auf seiner kastanienbraunen Ledercouch.
Die alte Dame indes, die, wie sich spekulieren ließ, einen verborgenen Vorrat an Wolkenmilchpulver in Luis Manuel Ferreiras Behausung aufgespürt zu haben schien, war zu diesem Punkte der Zeit lange auf und davon - 'Wolkentrocknen zum Jupiter', wie man sich zuraunte.
Nun, da alles wieder in Stille ruhte am Platze des Ortes mit dem Namen

*******

und seine Bürger längst in ihre warmen Bettchen gekrochen waren, unter welchen sich hier und da Kästchen und Tütchen, Fläschchen und Beutelchen mit Wolkenmilchpulver verbergen mochten, nun sah man oder besser sah niemand einen kleinen, grünen Specht am ins letzte Licht des Abends gereckten Speer des Reiters hängen, staunte oder staunte nicht wie dieser sich in die Luft schwang und seine kleinen, grünen Flügel ihn den ganzen Weg zurück bis an den Anfang trugen, wie er endlich an der leichten Schräge des As zur Landung ansetzte und sich eben verliebte.
 

Wipfel

Mitglied
Hi Plejadus, nach dem Lesen der ersten Sätze deiner Geschichte wollte ich abbrechen. Hab die Zeit nicht, alles hier zu lesen. Deshalb beschränke ich mich auf die guten.
Es gibt Texte, da weiß ich nach dem ersten Satz - lohnt nicht. Manchmal entsteht ein Gefühl: da ist möglicherweise etwas verborgen, was ich beim Anlesen nicht entdecke. Dann lese ich weiter. Selten, dass das Gefühl hält. Auch bei deinem Text nicht.

An anderer Stelle wird in diesem Forum gerade bis zum Erbrechen gestritten, was denn die Aufgabe eines Schriftstellers sei. Dabei geht es zuförderst um narzistische Selbstdarstellung und wenig um das Thema.

Eine Aufgabe wäre mal Qualität zu produzieren. Ich mag Geschichten, die so erzählt sind, dass ich darin ein Geländer finde, welches mich durch die Handlung führt. Dann lasse ich mich gern auf die absurdesten Wendungen ein und lasse in mir neue Bilder entstehen. Das Wirrwar in deiner bietet kein Geländer. Der Erzählton wechselt, springt vom Märchen zu irgendetwas anderem und wieder irgendwo hin. Deine Botschaft ertrinkt im Geplapper.

Worin ich dir Mut machen möchte: Dein Experimentieren mit dem Text zeugt von einer ungestümen Kreativität. Die musst du dir bewusst machen. Handwerkszeug auspacken und dann los. Schreiben kannst du, ohne Frage. Erhebe dein Schreiben zur Kunst und schaffe Werke, die begeistern.
 

Tula

Mitglied
Hallo Plejadus

Eine wunderbare Geschichte und die modernen Schildbürger hast du trefflich beschrieben.

Nur eins verstehe ich nicht: wieso hat der spanische Dichter einen portugiesischen Namen?

Grüße vom Tejo
Tula
 

Plejadus

Mitglied
@Tula, mensch hast Recht, da geht die Logik am Stock, aber das vergeht, wenn die Wirkung meines Lieblings-Port sich in der Zeit verdünnt....
Obr.
Plej.
 



 
Oben Unten