Die Dame, die im Meer spazierte

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Kafkarules

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Die Dame, die im Meer spazierte

Wir hatten versucht, die Schiefäugigen in den Rumpf ihres Schiffes zurückzutreiben. Aber sie drückten ihre Lippen auf das Holz der Laternenpfähle, die unweit der Anhöhe standen, rollten querfeldein die Uferstraße entlang und sprangen quiekend in die Höhe, wenn sie am Horizont ein Schiff sahen. Als ihr Schiff von einem Kran ins Trockendock gehievt werden sollte, hatten sie plötzlich die Bordwand durchbrochen und waren kakerlakengleich auf die Erde gepurzelt. Amtsdiener waren mit Netzen angerückt, um die unerwünschten Besucher davonzuschleifen und in ein provisorisch zusammengezimmertes Schiff zu verfrachten. Doch die Eindringlinge hatten aus dem Holz der Bordwand Messer geschnitzt, mit denen sie die Netze ebenso schnell durchtrennten, wie sie über sie geworfen wurden. Fesselballons wurden mit Klebmänteln bewaffnet, die jeden auch bei der geringsten Berührung unentrinnbar gefangennahmen. Die Ballons schossen sie mit spitzen Spuckkugeln über dem Meer ab, viele tapfere Männer verloren ihr Leben.

Auf der Uferstraße war kein Durchkommen mehr und manche Fracht konnte nur mit großer Verzögerung befördert werden, weil die Schiefäugigen wohl an die hundert Mal hintereinander auf die Frachtkisten hüpfen konnten, um dann aus zehn Meter Höhe mit einem Salto auf die Erde zu springen.
Die Dame, die im Meer spazierte, war gegen Mittag wie jeden Tag unterhalb des Prisenhauses an den großen Felsen vorbeigetrieben, bis ihr gelber Strohhut an der Flußmündung in der Nähe der fünfzehn Werkstätten landeinwärts verschwand. Alle Schiffe hatten die Maschinen zu stoppen, so lautete die Vorschrift, die Menschen sollten sich versammeln, das Personal mußte die linke Hand an die Mütze führen, jeder Kapitän war verpflichtet, einen Jutegürtel voll goldener Trompeten westwärts in einem der großen Strudel zu versenken.
Die Schiefäugigen hatten Erdklumpen aufgetrieben, die sie zu kleinen Bällen formten und zielsicher auf unser aller Herrin schleuderten. Manche mußten auf die Planken des Piers erbrechen, das Ausgespieene wurde schnell zusammengeschrappt und in einige Klumpen eingearbeitet. Beim Werfen führten sie die Zehen zum Mund und brachten auf den vorstehenden Rändern ihrer Hornnägel einen durchdringenden, ohrenbetäubenden Pfeifton zustande.

Keinem fiel es leicht, mittags nicht mehr über die Uferstraße promenieren zu können. Die ganze Stadt war in Aufruhr. Ärzte verschrieben so viele Heilschläfe wie zu keiner Zeit unserer Geschichte.
Mittags drängten sich Hunderte jetzt unterhalb der Anhöhe, wo nicht das Geringste zu sehen war, man allerdings in der Nähe blieb. Viele stiegen auf ihre Balkonbrüstung, um von dort in Richtung Meer zu signalisieren, Menschentrauben krallten sich an Fassaden fest. Auf den Dächern tanzten und sangen die Menschen, wenn die schwimmende Zither am Horizont auftauchte. Längst war uns klar, daß die Aussichtsplätze nicht ausreichten. Die Stadt war eine einzige Fehlplanung.
Was hätten wir denn tun sollen? Wofür überhaupt noch unsere Fracht verschicken? Zwar waren viele der Meinung, daß wir immer noch unser Herkommen nachahmten, aber in Wirklichkeit waren die Verbindungen zum Reich der Portale längst abgebrochen und wir hatten keine Kenntnis davon, ob es noch anderen Städten gelungen war, an die Oberfläche zu gelangen. Unsere einzige Verbindung zur Außenwelt war die Düne auf einer kleinen Insel im offenen Meer, fünfzehn Stunden Bootsfahrt entfernt.
Einige schlugen vor, uns erneut den Herren anzudienen. Ihr Schloß, so lautete die Überlieferung, ist ein rot lärmender Leuchtturm mitten im Meer, das rettende Ufer ist inwendig. Das Haus ist Teil eines unendlichen Wasserhügels, ein Hohlraum geht ins Feuer des Erdinneren.
Wir erschraken, als wir erkennen mußten, daß die Dame, die im Meer spazierte, nicht nur täglich mit einer immer größer werdenden Anzahl schwarzer Flecken wiederkehrte, sondern ihr Gesicht abschuppte. Wie oft hatte sie uns zugewunken, wie oft hatten uns süße Gesänge aus der schwimmenden Zither betört. Schließlich blieb uns keine andere Wahl, als das Alarmzeichen zu geben. Fünfzehn Schläge der Turmuhr verrieten den Ablauf allen bisherigen Geschehens. Die Menschen rannten schreiend durch die Straßen, einige stürzten sich spontan in die großen Schlammtunnel, die seitwärts aus der Stadt herausführen und wurden nie wieder gesehen. Andere beschmierten sich mit Lehm oder stachen sich Löcher ins Gesicht, um eine andere Person darzustellen. Ein Großteil der Bevölkerung siedelte in die großen Moore im Norden der Stadt um.
Wer sein Haus nicht verließ, konnte beobachteten, wie die Schiefäugigen über die Elektrozäune der Hafenanlage kletterten. Gegenseitig schoben sie sich sitzend über die Hauptstraßen. Nach kurzer Zeit bestiegen sie unsere Alleebäume, um von dort den in ihren Wohnzimmern zitternden Personen zuzuwinken. Einige turnten solange von Ast zu Ast, bis sie ein Fenstersims entdeckten, auf dem sie landen konnten. Die Menschen, die sich mit großen Messern in sämtlichen Ecken der Zimmer bewaffnet hatten, fest im Blick, verdrehten sie augenzwinkernd ihre Köpfe, zogen sich selbst an den Haaren und gingen das enge Fenstersims im Handstand ab.
Als sich die Menschen nur noch schildkrötenkriechend durch die Straßen bewegten, splitterten die Scheiben des Turmhauses. Frachtarbeiter liefen durch die Straßen, ihr Geschrei konnten wir erst nicht verstehen, doch dann plazierten wir Posten auf allen wichtigen Dächern der Stadt. Die Silhouette am Mittag des folgenden Tages verdoppelte unsere Anstrengungen, Feldstecher wurden verteilt. Als das erste Notgeheul von den Dächern gellend durch die Straßen trieb und flüsternd an den kalten Begrenzungshäusern des Hafengeländes zerplatzte, flimmerte am Nordende der Stadt am Waldgebiet vor den großen Mooren eine Scherenschnittmenge, die schnell näherkam. Die Menschenherde trieb sich selbst vor sich selbst her, keuchte Moorstaub aus, erreichte schnell die Straßenfluchten im Stadtzentrum, durchbrach die Elektrozäune und überflutete die Uferstraße, die die Schiefäugigen zu unser aller Überraschung freigegeben hatten. In diesem Moment driftete die schwimmende Zither schneller als sonst an unserem Hafen und an unseren Blicken vorbei. Über Lackresten und Farbspritzern türmte sich eine Leere, daß wir sie fast körperlich spüren konnten.

Mittags treibt jetzt seit dieser Zeit nur noch der verrostete Rumpf der schwimmenden Zither trudelnd an unserem Hafen vorbei. Wenn sich der Wind hinter der aufgeschlagenen Kabinentür verweht und die Wellenlocken über das halb vom Meer überflutete Deck schlagen, ist es, als wenn das schaurige Hohllied von einst für einen Moment zu uns zurückkehrt und wir uns selbst im zerkratzten Glas der Außenbordwand als die Schiefäugigen sehen, zu denen wir geworden sind.
 
B

bluefin

Gast
leider, lieber @kafkarules, ist's diesmal nur eine ratatuoille diverser verschnitte geworden, die zu entschlüsslen man alsbald die lust verliert. ein bisschen boat people, ein bisschen schwarze spinne, ein bisschen waterworld, fluch der karibik, beowulf und apokalypse now, alles ordentlich durchgerührt und doch reichlich verklumpt. sei mir nicht bös, aber ein bisschen rauschig klingt's auch.

ein kurzgeschichte ist's nicht geworden. ich würz nach sci-fi oder horror verschieben lassen. da gehörz meiner ansicht nach hin.

liebe grüße aus münchen

bluefin
 

Retep

Mitglied
Guten Morgen Kafkarules,

habe mehrere Male versucht die Geschichte zu lesen.Es ist mir nicht gelungen, einen Durchblick zu erhalten. Es sieht mir nach einer etwas wirren Sammlung aus.
Der Ansatz könnte interessant werden, wenn er sauberer durchgeführt würde.

Gruß

Retep
 

Kafkarules

Mitglied
Feedback zur Geschichte

Hallo,
ja, die Geschichte hier reinzustellen, war ein Wagnis, denn es handelt sich um eine surreale Geschichte mit eigenen Symbolen und eigener Realität, die zu entschlüsseln sicherlich vielen schwer fällt. Es ist ja auch nicht einfach, sich auf diesen Text einzulassen. Der Vorwurf, der dann kommen muss (und den man vermutlich auch surrealistischen Malern oder Regisseuren wie Luis Bunuel machen könnte), ist, dass es sich um eine wirre Sammlung handelt oder alles ungeordnet ist. Dann hätte ich ja nur ein paar Versatzstücke einfach aneinandergereiht und zusammengekleistert. Nein, das habe ich nicht! So arbeite ich auch nicht! Der Text ist ja eine Geschichte, da eine Handlung stattfindet, in deren Verlauf sich im Ort, in dem die Geschichte spielt, etwas verändert. Und etwas gedacht habe ich mir dabei natürlich auch.
Gruß
Kafkarules
 
B

bluefin

Gast
lieber @kafkarules,

dass du dir nichts gedacht haben solltest, als du diese (gängigen) fantasmagorien zu papier brachtest, behauptet niemand. bis der leser zu der stelle kommt, wo er darüber nachdenken müsste, was eine schwimmende zither sein soll und warum die nur eine tür hat, hat er den bleissitft längst weggesteckt und die lust an dem bilderrätsel verloren.

tipp: nie den roten faden einer "geschichte" so weit in den schlamm treten, dass ihn der leser ganz aus den augen verliert - das erzeugt unmut, nicht lesegenuss.

ich rate dir nochmals: steck's dorthin , wos's hingehört: in "sci-fi" oder "horror".

liebe grüße aus münchen

bluefin
 

Kafkarules

Mitglied
Surreale Welten

Hallo bluefin,
kein Problem, wenn Du mit der Geschichte nichts anfangen kannst, vielleicht ist sie an einigen Stellen wirklich zu verrätselt.
Ja, was ist eine schwimmende Zither?
Ich hatte da an Boote o.ä. gedacht, die im Rahmen bestimmter Rituale eingesetzt werden (z.B. bei Marienverehrungen in Italien) und für die Leute dann auch einen entsprechenden Stellenwert haben. Dadurch entsteht dann die im Text beschriebene Abhängigkeit.
Gruß
kafkarules

p.S.: Scifi oder horror? Nein, die Geschichte gehört vielleicht eher zum Genre 'phantastische Literatur'
 
B

bluefin

Gast
vielleicht, lieber @kafkarules,

solltest du dir die präambel zu den "kurzgeschichten" zu gemüte führen - dort würden sie ein bisschen charakterisiert.

dein text ist bildbeschreibung ohne stringenz. nichts gegen collagen - eine kurzgeschichte ist diese hier nicht, sondern "fantasy".

und drum gehörz in eine andere schublade.

liebe grüße aus münchen

bluefin
 



 
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