Die Eltern, der Tod und das Vergessen

Die Eltern, der Tod und das Vergessen

Sie hatten ihre Eltern besucht. 80 Kilometer Autobahn und dann würden sie zuhause sein.
Sie steuerte das Auto, während ihr Mann hinten im Auto saß. Er wollte während der Fahrt lesen und das ging hinten sehr viel besser. Ihr war das ganz recht. So konnte sie fahren ohne kritisiert zu werden und ihren Gedanken nachhängen.

Ihre Eltern waren inzwischen über siebzig. Es war ein Besuch wie viele andere zuvor gewesen. Viele Sonntage schon hatten sie immer wieder den Nachmittag bei ihnen verbracht. Mohnkuchen und Streuselkuchen gegessen. Kaffee getrunken. Zeit miteinander verbracht. Wolfgang hatte sich im Gespräch zurück gehalten. Lieber nicht so viel gesagt. So konnte er ein Anecken vermeiden.

Heike hatte von ihren Schwierigkeiten in der Schule erzählt. Von Kindern, die auch in der siebenten Klasse noch einfach von ihrem Platz aufstanden und herumrannten. Dass es überhaupt heute viele unruhige Kinder gab, die sich kaum konzentrieren konnten. Die Eltern hatten zugehört und mit dem Kopf geschüttelt. „Bei uns früher hat es so etwas nicht gegeben“, kommentierte die Mutter.

Heike und Wolfgang waren noch nicht weit gefahren. Dennoch fuhr Heike die nächste Autobahnraststätte an. Sie drehte sich nach hinten und sagte zu Wolfgang: Immer wenn ich Kaffee getrunken habe, muss ich recht bald zur Toilette. Ich geh mal eben. Bin gleich wieder da.“ „Ja, klar,“ war die Antwort. So schnell kam sie dann aber doch nicht wieder. Nach ein einer Weile dachte er sich: ´Ich kann ja eben etwas Schokolade kaufen` und ging kurz in den Laden bei der Tankstelle. Dann kam Heike zurück, setzte sich wieder ans Steuer und setzte die Fahrt fort.

Die Eltern hatten wenig zu erzählen. Sie unternahmen ja auch kaum etwas. „Die beste Zeit ist vorbei“, hatte der Vater gemeint. „Was soll jetzt noch kommen? Wir werden bald sterben“, sagte er mit Dramatik in der Stimme. Er hatte wohl recht. Sie waren inzwischen so alt, dass man mit dem Tod rechnen musste. Aber Heike sagte: „Aber das wisst ihr doch nicht. Vielleicht habt ihr noch ein paar schöne Jahre. Und die solltet ihr euch nicht vermiesen, indem ihr daran denkt, dass sie zuende gehen.“ Sie hatte ihre Eltern beeindruckt. Aber sich selbst hatte sie nicht überzeugt.

„Ich glaube, ich wäre auch traurig, wenn ich mit dem Tod rechnen müsste,“ sagte sie. Von hinten kam keine Antwort. ´Na ja, er hat mich wahrscheinlich gar nicht gehört`, dachte sie. Er liest ja auch. Sie schaltete das Radio an. „Musik stört dich doch nicht, oder?“ Wieder keine Antwort. Da konnte sie wohl davon ausgehen, dass ihn die Musik nicht störte. Die war auch nicht allzu aufdringlich, so eine leichte, melodische Fahrmusik, nicht zu schnell und nicht zu langsam, gerade so, dass sie ein gutes Fahren unterstützte.

Plötzlich klingelte ihr Handy. Das war natürlich unten in der Handtasche auf dem Beifahrersitz. Nach einigem Fummeln hatte sie es herausgefischt und nahm ab. „Hier spricht die Polizei. Sie haben an der Autobahnraststätte etwas vergessen. Ist ihnen denn gar nichts aufgefallen?“ „Ich habe etwas vergessen? Nein, mir ist nichts aufgefallen. Habe ich mein Portemonnaie etwa in der Toilette liegen gelassen?“ „Nein, ihr Portemonnaie ist es nicht, was Sie vergessen haben. Es ist ihr Mann. Er steht neben mir. Können Sie die nächste Abfahrt nehmen und dann wieder zurück kommen?“ „Ja, natürlich, ich hatte mich schon gewundert, dass er überhaupt nicht antwortete.“

Gut, dass der Polizist nicht sehen konnte, dass sie keine Fernsprechanlage hatte.
 
Rückmeldung

Hilfe, warum gibt keine / keiner einen Kommentar ab?

Ist die Geschichte uninteressant?

Ist sie so schlecht, dass ihr lieber kein Wort verliert und euch jeder Bewertung enthaltet?
 

Haremsdame

Mitglied
Hallo Christine,

hast Du keine Geduld? Warum der aufgeregte Aufschrei, dass noch niemand etwas zu Deiner Geschichte gesagt hat? Lass doch den anderen Schreibern Zeit für eine Reaktion...

Ich habe Deine Geschichte gerade erst gelesen. Ja, ja, manchmal werden Leute an der Autobahnraststätte vergessen. Steht ja oft genug in der Zeitung.

Du hast Dir überlegt, wie so etwas zustande kommen kann. Mich hast Du grinsend zurück gelassen.

Irgendetwas fehlt mir an Deiner Geschichte noch. Sie ist nicht schlecht, aber irgendwie langweilig. Allerdings wüsste ich auch nicht, wie Du sie interessanter gestalten könntest.

Vielleicht musst Du Dir einen anderen Grund für die Fahrt ausdenken. Denn von den alten Eltern auf den vergessenen Mann zu kommen ist etwas banal - wenn auch durchaus nachvollziehbar.

Mit den besten Grüßen
die Haremsdame
 
Die Eltern, der Tod und das Vergessen

Sie hatten ihre Eltern besucht. 80 Kilometer Autobahn und dann würden sie zuhause sein.
Sie steuerte das Auto, während ihr Mann hinten im Auto saß. Er wollte während der Fahrt lesen und das ging hinten sehr viel besser. Ihr war das ganz recht. So konnte sie fahren ohne kritisiert zu werden und ihren Gedanken nachhängen.

Ihre Eltern waren inzwischen über siebzig. Es war ein Besuch wie viele andere zuvor gewesen. Viele Sonntage schon hatten sie immer wieder den Nachmittag bei ihnen verbracht. Mohnkuchen und Streuselkuchen gegessen. Kaffee getrunken. Zeit miteinander verbracht. Wolfgang hatte sich im Gespräch zurück gehalten. Lieber nicht so viel gesagt. So konnte er ein Anecken vermeiden.

Heike hatte von ihren Schwierigkeiten in der Schule erzählt. Von Kindern, die auch in der siebenten Klasse noch einfach von ihrem Platz aufstanden und herumrannten. Dass es überhaupt heute viele unruhige Kinder gab, die sich kaum konzentrieren konnten. Die Eltern hatten zugehört und mit dem Kopf geschüttelt. „Bei uns früher hat es so etwas nicht gegeben“, kommentierte die Mutter.

Heike und Wolfgang waren noch nicht weit gefahren. Dennoch fuhr Heike die nächste Autobahnraststätte an. Sie drehte sich nach hinten und sagte zu Wolfgang: Immer wenn ich Kaffee getrunken habe, muss ich recht bald zur Toilette. Ich geh mal eben. Bin gleich wieder da.“ „Ja, klar,“ war die Antwort. So schnell kam sie dann aber doch nicht wieder. Nach ein einer Weile dachte er sich: ´Ich kann ja eben etwas Schokolade kaufen` und ging kurz in den Laden bei der Tankstelle. Dann kam Heike zurück, setzte sich wieder ans Steuer und setzte die Fahrt fort.

Die Eltern hatten wenig zu erzählen. Sie unternahmen ja auch kaum etwas. „Die beste Zeit ist vorbei“, hatte der Vater gemeint. „Was soll jetzt noch kommen? Wir werden bald sterben“, sagte er mit Dramatik in der Stimme. Er hatte wohl recht. Sie waren inzwischen so alt, dass man mit dem Tod rechnen musste. Aber Heike sagte: „Aber das wisst ihr doch nicht. Vielleicht habt ihr noch ein paar schöne Jahre. Und die solltet ihr euch nicht vermiesen, indem ihr daran denkt, dass sie zuende gehen.“ Sie hatte ihre Eltern beeindruckt. Aber sich selbst hatte sie nicht überzeugt.

„Ich glaube, ich wäre auch traurig, wenn ich mit dem Tod rechnen müsste,“ sagte sie. Von hinten kam keine Antwort. ´Na ja, er hat mich wahrscheinlich gar nicht gehört`, dachte sie. Er liest ja auch. Sie schaltete das Radio an. „Musik stört dich doch nicht, oder?“ Wieder keine Antwort. Da konnte sie wohl davon ausgehen, dass ihn die Musik nicht störte. Die war auch nicht allzu aufdringlich, so eine leichte, melodische Fahrmusik, nicht zu schnell und nicht zu langsam, gerade so, dass sie ein gutes Fahren unterstützte.

Plötzlich klingelte ihr Handy. Das war natürlich unten in der Handtasche auf dem Beifahrersitz. Nach einigem Fummeln hatte sie es herausgefischt und nahm ab. „Hier spricht die Polizei. Sie haben an der Autobahnraststätte etwas vergessen. Ist ihnen denn gar nichts aufgefallen?“ „Ich habe etwas vergessen? Nein, mir ist nichts aufgefallen. Habe ich mein Portemonnaie etwa in der Toilette liegen gelassen?“ „Nein, ihr Portemonnaie ist es nicht, was Sie vergessen haben. Es ist ihr Mann. Er steht neben mir. Können Sie die nächste Abfahrt nehmen und dann wieder zurück kommen?“ „Ja, natürlich, ich hatte mich schon gewundert, dass er überhaupt nicht antwortete.“

Gut, dass der Polizist nicht sehen konnte, dass sie keine Freisprechanlage hatte.
 



 
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