Die Entstehungsgeschichte einer deutschen Gerichtsshow

3,50 Stern(e) 4 Bewertungen

Mortimer

Mitglied
Vor etwa 14 Tagen erreichte mich das 3. Schreiben der Arbeitsagentur für Arbeit. Die wollten mir doch tatsächlich 30% meiner Knatze streichen, wenn ich wiederholt die Dreistigkeit besäße, das vorliegende „verlockende“ Arbeitsangebot abzulehnen ( weg vom hierarchisch geprägten Amtsdeutsch hin zum freundschaftlichen Dauerwerbesendungsdialekt). Bevor ich mich jedoch dem letzten Absatz widmen würde und damit in Erfahrung brächte, welchem Frondienst ich mich dieses Mal zu unterwerfen hätte, beschloss ich, erst Mal einen halben Liter Pils wegzuschlürfen. Als ich vor 3 Monaten den ersten dieser „Einberufungsbescheide“ erhielt, hatte ich auf eine Kopfdusche verzichtet. Knochennüchtern habe ich dann zur Kenntnis nehmen müssen, dass mich diese bekifften Hafen- sänger vom Arbeitsamt doch tatsächlich zum Spargelstechen schicken wollten. Die deutsche Antwort auf das russische Gulag. Dagegen musste einem der Dienst auf einer römischen Kriegsgaleere wie Zeitungsaustragen vorkommen. Vor lauter Wut hatte ich die gesamten Spargelvorräte meiner Freundin – es war gerade Spargelzeit und sie liebte Spargelcremesuppe - aus dem Küchenfenster gefeuert. Zum Glück hat unser Hausmeister ne ziemlich dicke Schädeldecke. Ich - Deutschlands erfolgreichster Jurastudiumabbrecher – sollte mich in die Niederungen der Ackerkrabbler begeben. Dann lieber Schulranzennäher für Dieter Bohlens Mallorca- Mätressen!
Von dieser Unverschämtheit völlig aus der Bahn geworfen, besann ich mich auf die Tugend, die mir schon im Studium oft aus der Patsche geholfen hatte: Das Problem erst Mal aussitzen.
Doch bereits nach einem Monat rebellischer Ignoranz dieser Aufforderung zur sozialrechtlichen Form der öffentlichen Steinigung, flatterte mir der nächste Drohbrief in die Hütte. Diesmal schlug mir die ehrenwerte Gesellschaft vor, ich solle mich als Kartenabreißer im Pornokino verdingen. Ok, ich musste zugeben, dass dieses Angebot in wesentlich höherem Maße meinen Interessen, Fähigkeiten und Erfahrungen entsprach. Problematisch war hierbei jedoch der Umstand, dass ich beim Eigentümer des Sexkinos noch über 500 € Schulden hatte. Ich hatte seinerzeit in einem seiner Etablissements meinen Geburtstag gefeiert und mein Vater war spießigerweise nicht bereit, mir meinen - nach dem harten Umtrunk erforderlichen - körperlichen Ausgleich zu bezahlen. Da aber nach Inkrafttreten des Prostituiertengesetzes die Forderungen des horizontalen Gewerbes einklagbar waren, musste ich mich darauf einstellen, in absehbarer Zeit für mein Vergnügen zur Kasse gebeten zu werden. Da ich dem Amt wohl kaum die Wahrheit offenbaren konnte, ersann ich eine List. Ich versprach unserem Postboten, den Schäferhund unseres Nachbarn zu vergiften, wenn er vor der Behörde behaupten würde, dass er gerade an dem Tag überfallen und seiner Post beraubt wurde als er meinen Brief des Arbeits- amtes in seinem Säckl hatte. Er ging darauf ein und so hatte ich einen Beweis dafür, das schändliche Schriftstück nie erhalten zu haben. Den Hund habe ich übrigens aus Mitleid nicht vergiftet, sondern in sportsmännischer Weise mit dem Jagdgewehr meines Vaters zur Strecke gebracht.
Doch bereits eine Woche später schlängelte sich das nächste trojanische Pferd in Form eines an mich adressierten mit verlockender Frauenschrift etikettierten Briefumschlags in meinen Postkasten. Selbstverständlich drängte sich mir zuerst der Gedanke auf, dass sich wieder eine meine ehemaligen Studienkolleginnen (Kommillitoninnen unterstreicht mir mein Rechtschreibprogramm) mit klebrigen Formulierungen darum bemühte, mit mir Sex zu haben. Doch als mich meine unbändige Libido den Umschlag mit den Zähnen zerreißen ließ, da verursachte bereits der Anblick des Amtssiegels auf dem darin enthaltenen Briefpapier einen Rückfluss des Blutstaus aus meinem Unterleib. Doch die kontra-erektionäre Wirkung war nicht das Einzige, das mir mein Chakra aus dem Gleichgewicht riss. Die schmierigen Stempelkissenanbeter hatten es doch tatsächlich gewagt, mir unter – diesmal endgültiger - Androhung einer 30%igen Kürzung meiner Stütze, eine „letzte Chance“ aufzudrängen. Hunde, wollt ihr ewig leben? Ich sollte mich als „Fast-Jurist“ bei XTL 2 melden, die suchten einen Drehbuchschreiber für Gerichtsshows. Acht halbe Liter später entschloss ich mich dazu, diesmal wenigstens mal bei den Vögeln anzurufen. Ich griff zum Hörer und wählte die Nummer des Privatsenders.
„XTL 2. Cornelia Wummermann, was kann ich für sie tun?“
„Moin, Horst Schimanski hier.“ – Ich hasste es, am Telefon, meinen richtigen Namen zu sagen, eine Angewohnheit von der Zeit, als mich noch ständig Inkassobüros aufgrund der Forderung des Sex-Kino-Eigentümers telefonisch terrorisierten. „Ich hab vom Arbeitsamt die Knarre auf die Brust gesetzt bekommen, dass ich mich bei ihnen melden solle. Es geht um die Stelle als Drehbuchschreiber.“
„Ich glaub fast, wir können auf das Vorstellungsgespräch verzichten.“
Ich atmete auf – ich hatte es ja wenigstens versucht. Doch statt des erwarteten Aufleggeräusches ertönte erneut die verrauchte Stimme der Sekretärin. „Sie scheinen wie gemacht für den Job. Gleich am Anfang überzeugend gelogen, an- schließend die eloquente Einbindung einer Handfeuerwaffe in ein alltägliches Gespräch, zudem scheinen sie was getrunken zu haben – sie lallen leicht, eine unserer wichtigsten Voraussetzungen für das Schreiben unser Drehbücher! Mein Chef wird begeistert sein!“
Ich spürte wie mir die Bierdose aus der Hand rutschte. Mehr als „Jep.“ brachte ich in diesem Zustand nicht heraus. Vor meinem geistigen Auge materialisierten sich Horrorvisionen von um 6 Uhr morgens klingelnden Weckern, von Stechuhren, deren Zeiger keinen Zweifel daran ließen, dass sich meine nachmittäglichen Freizeitaktivitäten auf das Zubereiten meines Abendbrotes und das sich daran anschließende müde Ins-Bett-Fallens beschränken würden. Ich hatte Mühe, einen Brechreiz zu unterdrücken.
„Kommen sie doch am besten gleich morgen früh um 9 Uhr vorbei.“
„Um 9 Uhr? Fangen sie immer mitten in der Nacht an zu arbeiten?“, wollte ich den ersten guten Eindruck zerstören. „Um die Zeit lieg ich noch besoffen im Bett.“
„Wie die meisten unserer Künstler. Ist ja auch nur ne Ausnahme. Also bis dann, Schimanski!“.

Bereits das zweite Werk war ein Quotenknüller:

Nach dem Aufruf zur Sache und der Feststellung der Anwesenheit des Angeklagten, des Verteidigers, des Zeugen und der Sachverständigen erteilte Richterin Trude Unrat dem Staatsanwalt Max Hedrum zur Verlesung des Anklagesatzes das Wort.

StA: Der miese Angeklagte Volker Vollhorst drang um 17:35 Uhr in das Haus des späteren Opfers Ilse von Klunkersack ein.

Schnitt. Ein maskierter vollbärtiger Mann (kantiges Gesicht, verfilzte Haare) schießt mit einem Maschinengewehr auf die Eingangstür einer protzigen Villa. Seine Augen sind vom Blut- rausch gezeichnet. Er will nur eines: Meucheln, morden, metzeln, aufschlitzen, so viel Blut wie möglich erzeugen. Mit einem Wort: er ist der Leibhaftige.

StA: Zu diesem Zweck beschaffte sich der Angeklagte ein schweres Maschinengewehr des Typs MG 3 (Gewicht: ca. 12 Kg) – wie es auch von der Bundeswehr verwendet wird - und schoss damit auf die Eingangstür des Hauses des Opfers. Nur von dem Gedanken beseelt, die arme, alte, liebreizende Ilse von Klunkersack auf die brutalste Art und Weise zu berauben. Als er das wehrlose Opfer schlafend im Wohnzimmer vorfand, ...

Schnitt. Helles Licht. Großaufnahme vom Gesicht des Opfers wie es sanft auf der Wohnzimmercouch schlummert. Auf dem Tisch liegen – gut sichtbar – Spendenquittungen des Kinderhilfswerks und der Kriegsgräberfürsorge. Eine Bibel ist auch zu sehen.
Schnitt. Dunkler Korridor. Der bärtige Räuber schleicht geifernd zur Tür des Wohnzimmers.


...entschließt er sich zum Äußersten. Er reißt die ruhebedürftige und schwer herzkranke Frau aus ihrem wohlverdienten Schlaf unter Inkaufnahme eines eventuell dadurch entstehenden Herzinfarkts. Unter Vorhaltung des schweren MGs zwingt er die gutherzige, liebevolle Frau dazu, ihm den Schmucksafe zu öffnen. Diesen räumt er ratzekahl leer und erbeutet dabei – nach Angaben des Opfers - Schmuck im Wert von ca. 2 Millionen Euro und ca. 100 kg Goldbarren im Wert von 1.150.000 Euro. Seine Beute transportiert der kaltherzige Angeklagte anschließend in einer Sporttasche ab. Am nächsten Tag nimmt er Verbindung zu einem stadtbekannten Hehler auf und verkauft einen Großteil der Ware.

Schnitt. Der bärtige Räuber tippt hastig eine Nummer in sein Handy. Schnitt. Ein verlassener Parkplatz, aus den Büschen ragen die Füße eines Toten. Im Hintergrund sieht man einen Hütchenspieler sein Handwerk ausüben, eine Traube aus heruntergekommen wirkenden Männern reichen ihm immer wieder Geldscheine. Aus einem LKW dringen Frauenschreie. Bärtige mit Maschinenpistolen bewaffnete Männer hieven sich in schnellem Rhythmus über eine Kletterwand. Ihr Kommandogeber scheint arabisch zu sprechen. Eine schwere Mercedeslimousine rollt in bedächtigem Tempo in den Vordergrund und der Verdächtige springt in diesem Moment aus einem Ginsterbusch. Wortlos wechseln ein schwerer klimpernder Jutesack und ein Bündel Geldscheine die Besitzer.

Strafbar gem. §§ 250 II Nr. 1 und II Nr. 3b, 303 I, 123 I, 223 I, 224 I Nr. 5, 22, 23, 12 II , 52 StGB.
Richterin: Herr Verteidiger, möchte ihr Mandant Angaben zur Sache machen?
Anwalt: Mein Mandant wird sich äußern.
Richterin: Was haben sie zu den Vorwürfen der Anklage zu sagen, Herr Vollhorst?
Vollhorst: Ich wars nicht. Fängt in Richtung Nebenklage (Ilse von Klunkersack) an zu brüllen: Ilse, du verkommenes Luder! Du hast mich nur benutzt für deinen miesen Versicherungsbetrug. Warum ich, du elende Schlampe?
Es folgen noch einige Hasstiraden, deren Inhalt selbst auf einem russischen Schwarzbau für Ohrenzuhalten gesorgt hätten. Nach etwa 10 Minuten schreitet die Richterin ein.
Richterin: Herr Vollhorst, jetzt reicht’s aber! In meinem Gerichtssaal wird keiner beleidigt! Wenn das noch zehnmal vorkommt, dann verhänge ich ein Ordnungsgeld in Höhe von 1,50 Euro gegen sie!
Vollhorst: Es tut mir leid…..aber wendet sich wieder Ilse zu …wenn mich diese miese Dreckssau so verarscht hat, dann kann ich mich nicht mehr halten!
Ilse: Du mieser Stecher hast es mir doch nie richtig besorgt mit deinem Stummelschwanz!
Verteidiger: Die zugegeben geringe Penisgröße meines Mandanten steht hier ja wohl nicht zur Anklage!
StA: Das gerade sie das sagen, Herr Verteidiger, wundert mich nicht, bei ihrem Penis würde selbst ein Playmobilmännchen nicht nach vorne kippen!
Richterin: Es reicht jetzt, wenn es sein muss, können sie in der Pause in meinem Büro gerne einen Schwanzvergleich machen, aber nicht hier im Gerichtssaal, haben sie mich verstanden, meine Herren?
Vollhorst: Frau Richterin, ich hab für die Tatzeit ein Alibi!
Richterin: Da bin ich aber gespannt!
Vollhorst beißt sich auf seine Lippen.
Verteidiger: Los sagen sie es schon! Sie brauchen keine Angst zu haben.
Vollhorst: Ich hatte Sex mit ihrem Mann, Frau Richterin. Ich hab ihn besoffen in einer Schwulenbar aufgegriffen.
Richterin: Mein Mann soll schwul sein? Den erwürge ich mit meinen Haaren auf den Zähnen, dieser elende Wicht!
Ilse: Ach was, du fährst zweigleisig, du verlogener Mistkerl!
StA: Was hat Dieter? Mit ihnen geschlafen? Dieser widerliche Kerl!
Verteidiger: Was regen sie sich den so auf, ihnen hat er ja wohl kaum versprochen mit ihm nach Australien zu ziehen. Dem Verteidiger rinnen Tränen aus den Augen.
Eine Stimme aus dem Publikum: Ach jetzt ist es schon Australien, bei mir war’s nur Irland. Dieser verfluchte Sack! Ich bring mich um.
Richterin an einen Gerichtsbediensteten gewandt : Geleiten sie den Mann nach draußen, ich habe keine Lust, dass hier im Gerichtssaal noch ne Sauerei passiert.
Das Handy des Verteidigers klingelt.
Verteidiger: Frau Richterin, darf ich kurz rangehen? Das ist mein Kumpel, es geht darum, wie St. Pauli gespielt hat.
Richterin: Was, die haben heute gespielt?
Verteidiger: Einen Moment bitte……..waaaas?.........gegen Wuppertaler SV….3 zu 1 verloren? Ich könnte kotzen!
Richterin: Was? Die Jungs haben gegen Wuppertal verloren? Verdammte Axt!
StA: Nicht gegen Wuppertal, sagen sie, dass das nicht wahr ist!!!!!
Eine Stimme aus dem Publikum: Kann ich auch nach draußen, vielleicht hängt der Strick von dem Kerl davor noch?
Richterin (verheulte Augen): Hauen sie ab! Lassen sie uns ne kurze Pause machen, ich kann nicht mehr……

Ansage: Es geht spannend weiter, bleiben sie dran.
Ca. 30 Minuten Werbepause. Unter anderem werden die neuen Wuppertaler Würste beworben…


Richterin: So, ich setze die Verhandlung fort. Herr Vollhorst, haben sie auch Beweise für ihren sexuellen Kontakt mit Herrn Unrat?
Plötzlich wird die Tür des Gerichtssaals aufgestoßen. Ein Mann mittleren Alters mit zu einem Zopf gebundenen Haaren stürzt hinein.
Unbekannter: Wird hier die Sache Staat gegen Herrn Vollhorst verhandelt?
Richterin: Sie wissen schon, dass sie nicht einfach so in eine Gerichtsverhandlung hineinplatzen können, außer sie sagen uns, dass die 3 Tore von Wuppertal auf einer Fehlentscheidung des Schiris beruhen?
Unbekannter: Ich bin der Freund von Dieter Unrat!
StA, Verteidiger, Vollhorst und eine Stimme aus dem Publikum: Waaaaaas???
Richterin: Dann setzten sie sich erstmal, ich freue mich immer wieder, Freunde meines Mannes einmal näher kennen zu lernen.
Unbekannter: Dann müssen sie die so genannte „alte Schrapnelle“ sein, richtig?
Richterin: Die bin ich dann wohl. Also, setzen sie sich bitte. Sie wissen, dass sie als Zeuge hier die Wahrheit sagen müssen. Auch, wenn sie nicht vereidigt werden, machen sie sich durch eine Falschaussage strafbar. Sie heißen?
Unbekannter: Detlef.
Richterin: Weiter?
Unbekannter: Detlef Lang.
StA: Wie passend!
Ilse: Wär der mal zu mir gekommen….
Richterin: Wo wohnen sie?
Unbekannter: Im Moment bei ihnen im Keller, ihr Mann hat mir den Fahrradkeller freigeräumt, sie kommen doch kaum noch aufs Rad, meint er, da sei ich sicher.
Richterin: Ok. Was machen sie beruflich?
Unbekannter: Ich arbeite als Handaufleger und Wahrsager.
Richterin: Was? Sie arbeiten als Wahrsager?
Unbekannter: Richtig.
Verteidiger: Wie wird St. Pauli gegen Osnabrück spielen?
StA: Das interessiert mich jetzt aber auch mal!
Richterin: Raus mit der Sprache!
Der Unbekannte fällt in eine Art transzedentaler Meditation. Seine Hände beschreiben konzentrische Kreise in der Luft. In kurzen Abständen stößt er kreischende Laute aus.
Unbekannter: 3 zu 2 für St. Pauli.
Im Publikum entbrennt ein Jubelsturm! Die Richterin beginnt auf ihrem Tisch zu tanzen, StA und Verteidiger liegen sich jöhlend in den Armen. Ilse spielt Luftgitarre.
Richterin an den Angeklagten gewandt: Warum sind sie eigentlich immer so emotional unberührt, wenn es hier um St. Pauli geht?
Unbekannter: Er wird ja einer der sein, der 2 Tore für Pauli schießen wird. Er ist der neue Mann im Mittelfeld. Deswegen dürfen sie ihn auf keinen Fall für schuldig befinden!
Richterin: Sie sind was?
Vollhorst errötet: Ich spiele ab dem nächsten Nordderby für Pauli im Mittelfeld. Es stimmt.
StA: Waas, und das sagen sie erst jetzt?
Verteidiger: Warum haben sie das nie gesagt?
Ilse: Nein, echt? Wie geil ist das denn!
98 Stimmen aus dem Publikum: Freispruch! Freispruch! Freispruch!
Richterin: Ich beende hiermit die Beweisaufnahme, und ich bitte um ihre Schlussplädoyers.
StA: Die Beweisaufnahme hat einmal mehr gezeigt, dass auch die Staatsanwaltschaft nicht davor gefeit ist, sich von einer anfangs eindeutigen Spurenlage blenden zu lassen. Doch die Aussage des letzten Zeugen hat die Wahrheit zweifelsfrei ans Licht gebracht, dieser Mann kann die Tat nicht begangen haben, er hat ein eindeutiges Alibi – er spielt ab nächster Woche bei St. Pauli.
Um noch etwas Moral abladen zu können, wendet sich der Staatsanwalt an Ilse von Klunkersack.
Sie allerdings hätten wissen müssen, dass der Angeklagte nicht der von ihnen bezichtigten Tat schuldig sein kann. Sie hätten uns hier viel Arbeit ersparen können, wenn sie von Anfang die Wahrheit gesagt hätten. Auf sie wird ein separates Verfahren wegen falscher Verdächtigung und Vortäuschung einer Straftat zukommen, das garantiere ich ihnen! Ich beantrage Freispruch für den ehrenwerten und hoffentlich elfmeterstarken Volker Vollhorst.
Verteidiger: Ich kann mich den Worten meines Kollegen nur anschließen. Volker Vollhorst war in meinen Augen – im Gegensatz zu ihren, Herr Kollege! – von vornherein ein Bürger, dessen blütenreine Weste – vermutlich aus Osnabrücker Kreisen – zu Unrecht beschmutzt werden sollte. Wer hier im Hintergrund die Fäden zieht, kann ich nicht beurteilen. Nur eines steht fest, Frau Ilse von Klunkersack, sie sind – wenn zumindest nicht die Drahtzieherin – eine der Handlangerinnen dieser Intrige, die meinen Mandanten als potentiellen Torschützen für das Spiel gegen Osnabrück aus dem Verkehr ziehen sollte. Da kann ich nur sagen – Pfui!
Richterin: Sie haben das letzte Wort, werter Herr Vollhorst.
Vollhorst: Ich werde versuchen gleich in der ersten Halbzeit zwei Dinger rein zu machen. Das garantier ich euch!
Richterin: Das hört sich gut an. Das Gericht zieht sich nun zur Beratung zurück.

Ansage: Es geht spannend weiter, bleiben sie dran.
Ca. 30 Minuten Werbepause. Unter anderem werden Osnabrücker Brezel beworben...


Richterin: Im Namen des Volkes ergeht folgendes Urteil, der Angeklagte wird des schweren Raubes in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung, Sachbeschädigung und Hausfriedensbruch freigesprochen. Die Kosten des Verfahrens fallen der Staatskasse zur Last. Zur Begründung: Wie der Herr StA zutreffend festgestellt hat, kann ein Mann, der im kommenden Nordderby eine Schlüsselposition innehaben wird, nicht eines derartigen Verbrechens schuldig sein. Wenn man nur einen Blick auf seine Waden wirft, muss einem klar sein, dass hier jemand angeklagt wurde, der gar nichts - aber auch rein gar nichts mit den ihm zur Last gelegten Straftaten zu tun haben kann. Sie allerdings, Frau Ilse von Klunkersack, werden sich für ihre Verleumdungen zu verantworten haben. Der Herr StA wird da nicht lange untätig bleiben, das garantiere ich ihnen. Und wieder einmal bleibt mir nur ein weises Zitat in mein Urteil einzuflechten, dessen moralischer Gehalt alle Zuschauerinnen und Zuschauer dieser Sendung aufhorchen lassen wird: Der Ball ist rund und ein Spiel hat 90 Minuten. Nehmen sie das mit auf den Weg um sich zukünftig von der Moral leiten zu lassen. Die Verhandlung ist geschlossen.
Vollhorst: Wenn ihr wollt, kann ich ein paar von den Klunkern verticken und wir feiern schon mal vor?
Richterin, StA, Verteidiger und 98 Stimmen aus dem Publikum: Jawoll!
 
Nun ja, oberflächlich gelesen, gibt's da ein paar Dinge dazu zu sagen:

Zuerst mal der Beginn: der will mich nicht fesseln. Der Protagonist ist unsympathisch. Alle anderen sind schlecht, er das Opfer der anderen, alle anderen Idioten. Dieser Anfang ist keiner, der einen Leser am Charakter Interesse finden lässt.
Wenn, dann versuche das mehr auf selbstironische Weise. Es muss klar werden, dass alles auf den Protagonisten zurückfällt. So wie's momentan ist, klingt es als ob der Autor durch den Protagonisten einen Privatkrieg gegen Arbeitsamt, Pronokino etc. führt. Fazit: unsympathisch, nicht lustig. Den Beginn würde ich komplett streichen.

Gerichtsshow: schon sehr viel interessanter. Welches satirische Potential steckt da drin, eine Mischung aus "Deutschland sucht den Superstar" und "Aktenzeichen XY" mit Richtern zu schreiben (gibt's übrigens in den USA).
Das Problem hier aber: Du hast in Deinen Text zuviel hineingepackt. Zuviele Sendunge auf einmal, keine richtig schön ausformuliert.

Mein Vorschlag: Nimm einen gelungenen Teil davon, und bau den als Mischung aus, so wie oben beschrieben.
Und noch was: lass die Paragraphenerwähnungen raus. Paragraphen sind wie Formeln in einem Buch. Da gilt ja unter den Verlegern die Faustformel: jede Formel halbiert die Leserschaft.

Marius
 

Mortimer

Mitglied
Re: Marius

Moin Marius,
dank dir erst mal für die konstruktive Kritik. Ich weiss allerdings, dass wir beide einen ganz anderen Humor haben, ich bspw. find den Protagonisten eigentlich ganz sympathisch - LOL! - nein mal im Ernst, ich hab bei deinen Texten eigentlich nie gelacht, du bei meinen nicht, da kann man nichts machen. Ce la vie. Wie die weise Lady flammarion richtig anmerkte, gibt es eben - und auch zum Glück! - humoristisch verschieden veranlagte Menschen. Ich respektiere deine Meinung - seh deine Einwände alledings auch als solche an, die ein Schuster zum Schmied sagt. Bei flammarion war ich mir sicher, dass sie zumindest partiell einen ähnlich gelagerten Humor besaß, bei dir bin ich sicher, dass es nicht der Fall ist, deswegen werd ich auch nichts ändern. Wem es nicht gefällt, der muss es ja nicht zu Ende lesen, ich stell meine Texte nicht des Beifalls wegen rein (dafür sind sie zumeist viel zu derbe), sondern weil ich glaube, dass es bestimmt ein paar Durchgeknallte gibt, die genau so einen derben und pechschwarzen Humor haben wie ich - auch, wenn sie es nicht immer zugeben wollen. Und die können dann im Büro bei ner Tass Kaffee und ner Live-Übertragung im Radio von St. Pauli, herzlich einen ablachen. Aber eins noch, Marius, wo nimmst du "Aktenzeichen XY" her? An die Sendung hatte ich nun gar nicht gedacht, macht aber nichts, dann nehmen wir die auch noch mit rein! :)
Liebe Grüße Mortimer!
 



 
Oben Unten