Die Erbtante

4,00 Stern(e) 11 Bewertungen

Inge Anna

Mitglied
Die Erbtante

Meist schneite sonntags sie herein,
dann hatten gastlich wir zu sein,
mussten katzbuckeln, ihr hofieren,
jede Marotte tolerieren;
denn ihre Gunst im Sog der Zeit
war von enormer Wichtigkeit.

Vom klugen Elternhaus belehrt,
dass, wer gut schmiert, auch bestens fährt,
sorgten wir fünf als brav’ Quintett
für Speise, Trank und weiches Bett;
der Tante Wohl lag uns am Herzen,
streng galt, uns dies nicht zu verscherzen.

Wenn sie ins Zeitgeschehen griff,
vernehmlich durch die Zähne pfiff,
forsch ihren Po, der gegenlenkte,
tollkühn in einen Sessel zwängte,
hing in der Luft die bange Frage:
Bleibt sie auch diesmal vierzehn Tage?

Die Tante blieb, ließ sich zwei Wochen
bis unter’s Doppelkinn bekochen;
sie langte zu, schnappte geschwind
Fettes vom Schwein, Edles vom Rind
Und rann der Schweiß ihr auf den Teller
schaufelte sie ‘nen Zacken schneller.

Und wenn sich hinter ihren “Dritten”
beengte Speisereste stritten,
nahm sie die Zahnprothese raus,
schabte geschickt das Übel aus,
setzte - denn Ordnung musste sein -
seufzend das Prunkstück wieder ein.

Begehrlich reckte sie den Hals,
denn durstig war sie ebenfalls,
mochte der kühle Tafelwein
auch eine Billigmarke sein;
sie klopfte ans geleerte Glas,
Nachschubsignal, wir wussten das.

Sie hielt den Kopf schief, wenn sie trank,
der schließlich müd’ auf’s Tischtuch sank;
dann schob man sanft, doch dienstbeflissen
unter ihr Haupt ein Ruhekissen;
ihr Schnarchen war kein Ohrenschmaus,
doch hier schlief Gold, wir harrten aus.

Kaum, dass der Schlummer sie erfrischt,
ward starker Kaffee aufgetischt,
den schlürfte sie mit Hochgenuss,
erst nach fünf Tassen kam der Schluss;
sie klagte über Herzbeschwerden,
wollte von uns bedauert werden.

Wir taten prompt ihr den Gefallen,
sie ward gehätschelt von uns allen;
ihr Bankbuch grüßte schon von fern,
weckte mit Macht den guten Kern;
bezwungen wich die Atemnot,
doch nicht die Lust auf’s Abendbrot.

Durch Zufall sollten wir erfahren,
die Tante linkte uns seit Jahren;
von Schmuck und Barem nicht die Spur,
nur ‘ne verstaubte Kuckucksuhr,
die sie zurückließ, als sie türmte,
bevor die Schuldenburg man stürmte.

Wir schluckten und begriffen jetzt,
dass wir auf’s falsche Pferd gesetzt;
vergeblich unser zähes Ringen,
ihr Scheinvermögen auszuwringen.
So leb' denn wohl, teu're Verwandte,
und Gruß an Deine hohe Kante!​
 

Lisa1

Mitglied
Geld hat bestechende Eigenschaften...

Hallo Inge,

deine Erbtante ist ja ein echter Brüller, so detailliert beschrieben, ich seh sie vor mir...
Ich werd gleich mal schauen, was ich noch so von dir finde, das hat wirklich Lust auf mehr gemacht

Gruß
 
K

Klopfstock

Gast
Lach.... brüll....grins....

Liebe Inge-Anna,
Deine Abstinenz hat sich voll gelohnt;)
Das ist ja wirklich ein Brüller, wenn auch ein langer:D:D:D Dafür von mir volle Punkte!!!

Wünsche Dir weiterhin so viel Humor
und einen schönen Tag:)
Ganz liebe Grüße
 

Inge Anna

Mitglied
Hallo Lisa,
ja, die liebe Verwandtschaft hat's mir angetan. Vielleicht wird da in absehbarer Zeit mal ein gepfeffertes Büchlein entstehen. Ich danke Dir ganz herzlich für die gute Bewertung und schicke liebe Grüße aus dem Saarland.
Inge Anna
 

Inge Anna

Mitglied
Hallo Klopfstöckchen,
huraaa!!! Da treibt es den "Henkel nass" glatt aus der Versenkung. Wollen wir doch anstoßen auf die Gesundheit der "reizenden" Verwandtschaft. Wie leer wären Wohnung und Leben, gäbe es sie nicht. Mir würde glatt der Schreibstoff ausgehen.
Ich danke Dir vielmals für die gute Bewertung - bin ein bisschen verlegen. - - -
Einen schönen Abend noch - prösterchen und viele Grüße von
Inge Anna
 
M

mako

Gast
Hallo, Inge-Anna,

schließe mich kichernd und lachend Lisa und Klopfstock an, köstlich das Gedicht.

Gruß
Mako
 
K

Klopfstock

Gast
schade....

Liebe Inge-Anna,
also, gestern Abend habe ich mich noch so gefreut, daß
dieses Gedicht ausgezeichnet wurde. Für meine Meinung hat es eine Auszeichnung verdient, denn es ist wunderbar gemacht, voller Humor - spritzig und leicht kommt es rüber. Deswegen ärgert es mich, daß Dir irgendein Neider-
und anders kann man es nicht nennen - die Auszeichnung wieder runtergedrückt hat. Man merkt sehr oft solche
Willkür, wenn man die Augen offen hält.
Auf jeden Fall möchte ich es noch einmal bekräftigen:
DIESES GEDICH IST AUSGEZEICHNET!!!! auch wenn es demjenigen nicht paßt....

Wünsche Dir einen schönen Tag
und weiterhin so köstliche Einfälle;)
aber die hast Du ja, da habe ich keine Bange!!!
Ganz liebe Grüße:)
 
G

Gelöschtes Mitglied 4259

Gast
Bewertung...

Hallo Inge-Anna,

ich schließe mich den bisherigen Ausführungen an: Das Gedicht ist köstlich, hat für meine Begriffe auch eine offenbare Eleganz der Sprache und Reime...

Ich würde es glatt mit einer Maximalpunktzahl bewerten, wenn ich bewerten würde. Allerdings - ich hoffe auf Dein Verständnis - enthalte ich mich strikt jeglicher Bewertung. Denn ich sehe diese mittlerweile als Gefahr für Schreibstil, eigenes Urteilsvermögen, Geschmack und persönliche Fairness, ich sehe das Bewertungssystem als recht schädliche manipulative Kraft... Wer möchte nicht der Beste sein? - Also schreibe ich doch allmählich immer mehr so, daß eine geneigte Leserschaft den Text als hochwertigen erkennt... Leider erkennt oder verwirft sie den halt nach Ihren eigenen Maßstäben - das müssen nicht die absolut gültigen sein.

Also, sei nicht traurig, wenn ein Neider die Bewertung drückt, schau aber auch nicht allzusehr auf eine hohe Bewertung, schreib weiter so, liebe Grüße

Pen.
 

Inge Anna

Mitglied
Hallo Mako,
danke sehr!!! Da lacht das Herz des Autors; freut mich, dass Dir mein Beitrag gefällt. Lachen ist ja bekanntlich gesund und in diesem Sinne wünsche ich Dir Sonniges und sende Dir liebe Grüße aus dem Saarland
Inge Anna
 

Inge Anna

Mitglied
Hallo Klopfstöckchen,
die Flasche "Henkel" lassen wir uns dennoch munden. Mit den Bewertungen ist das eine schwankende Sache; sei's drum: Auch nach ein paar Gläschen Gehenkeltem gibt man leicht in den Knien nach. Da stehe ich drüber und lasse noch einmal die Gläser klingen. Dir noch einen wunderschönen Tag und herzliche Grüße von
einer doch sehr zufriedenen
Inge Anna
 

Inge Anna

Mitglied
liebe Pen,
Dir zunächst mal ein herzliches Dankeschön für Deinen geschätzten Kommentar. Was den Bewertungsstatus betrifft, kann mich so leicht nichts erschüttern. Mitunter ein leiser Seufzer wegen des Auf und Ab der Benotung. Das Schreiben lasse ich vorerst nicht bleiben.
Danke nochmals und ganz liebe Grüße von
Inge Anna
 

Zefira

Mitglied
Ich hab's wieder hochgedrückt!

HURRA!

Dieses Glanzstück müßte "top most" in der Bestenliste werden!

lG, Zefira
(hat ihr Gebiß auf den Tisch gelacht)
 

Inge Anna

Mitglied
liebe Zefira,
ein wohlklingendes Echo und eine sehr glückliche Autorin... Was könnte ich sagen? Mir fehlen schlichtweg die rechten Worte. So sage ich einfach ein herzliches Dankeschön, verbunden mit herzlichen Grüßen aus dem schönen Saarland
Inge Anna
 

Inge Anna

Mitglied
Hallo Thomas,
danke für die tolle Benotung. Da wird ja der Sonntag gleich noch sonniger. Ob der Erbtante jetzt wohl die Ohren Klingen?
Ich wünsche Dir noch einen frohen Sonntag und schicke liebe Grüße von der Saar nach ...?
Inge Anna
 
S

Sansibar

Gast
Erben und so

Hallo Inge,
diesen"Schatz" soeben entdeckt.Wunderbar beschrieben, was die Gier -und die Habsucht aus Menschen macht. Dazu alles so mit einem Augenzwinkern serviert, macht es Spaß zu lesen und neugierig auf ähnliche Texte macht. Ich bewerte dich auch hoch und grüße aus Sansibar
Sansibar
 

Inge Anna

Mitglied
Hallo Sansibar,
auch Dir ein herzliches Dankeschön für die positive Bewertung obigen Beitrages. Ich glaube, die echten Tränen weint man wohl jenen nach, bei denen es nix zu erben gibt und höhere Werte (Menschlichkeit) weit wichtiger sind.
Einen schönen tag wünscht Dir mit lieben Grüßen
Inge Anna
 

Sunflower

Mitglied
Klasse!
Und die Moral von der Geschicht:
Traue keiner Tante nicht!
Wobei, wenn sie nur des Schotters wegen
so umgarnt wurde: Recht so!
Sonnige Grüße,
Sunflower
 

Herr Müller

Mitglied
Die Sitztante

Die Tante sitzt und wie die sitzt. Da sitzt jede Zeile.

Und hätte man im Sessel sie vergessen,
die Tante, hät´ sich selber aufgegessen.

Lachend
"Herr Müller"
 

Inge Anna

Mitglied
Hallo Sunflower,
ja, das war schon 'ne tolle Olle; aber dennoch - ihre Marotten haben mich inspiriert.
Wünsche Dir Sonniges und grüße Dich herzlich
Inge Anna
 

Inge Anna

Mitglied
Hallo nach Dresden,
Ja, ja, die Erberei. Habe diesbezüglich viel "Schönes" erlebt - könnte evtl. ein Bändchen damit füllen.
Danke für das große Lob; spornt mich zu Neuem an.
Ein sonniges Wochenende und liebe Grüße von
Inge Anna
 



 
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