Die Farben Gottes

4,00 Stern(e) 1 Stimme

Anonym

Gast
Die Ohrfeige auf die rechte Wange tat etwas weh. Als Ausgleich und aus religiösen Gründen drehte ich den Kopf, um ihr auch noch die linke hinzuhalten.
Meine Mutter sprach oft von Gott.
Sie schickte uns Kinder jeden Sonntag zur Kirche. Selbst ging sie nie mit. Vielleicht war sie zu gottesfürchtig.
Schade. Wäre sie nur einmal mitgekommen, hätte sie nämlich bemerkt, was ich längst wusste.
ER beehrte auch nie unser festliches Gotteshaus.
Zumindest nicht, wenn ich dort war.
Möglicherweise fand er mich ebenfalls zu erbärmlich?
Sicher, ich betete viel als Kind. Andererseits, viele Menschen beten viel. Und Gott hört zu und erhört. Meinte unser Herr Pfarrer.
Bei mir liess ER sich Zeit damit. Eigentlich befreite er mich erst von meiner Mutter, da war ich längst erwachsen. Da liess er sie sterben. Hm ja, danke Gott! Besser spät als nie.
Wäre aber nicht nötig gewesen. Nicht mehr.
Am Tag der Erstkommunion hättest du, als immerhin Allmächtiger, doch wenigstens einmal in unsere Kirche kommen können. Da sah ich viel schöner aus als sonst.
Die anderen Mädchen auch.
Weiße Kleider, zierliche Schuhe, Bänder und Kränze im langen, offenen Haar.
Kein Bild für Götter – nein. Nur für dich allein, Herr Dreifaltiger – und die Selbstdarstellungsfreude von uns Menschen.
Es war auch ohne Gott ganz nett.
Besonders das leckere Frühstück danach im Pfarrheim. Und diese betulichen Frauen, die es servierten

„Hast du bei der Beichte auch wirklich alles gestanden?“, herrschte mich, kaum zurück, die Daheimgebliebene an.
„Ja.“
„Bist du sicher?“
„Ja.“
„Auch, wie unfolgsam du mir immer wieder kommst?“
„Ja. Ja!“
„Die Beichte war freitags, heute ist Sonntag. Du kannst Deine gestrigen Untaten nicht gebeichtet haben.“
„Ja. Nein!“
„Lügnerin! Weißt du, was Gott mit Menschen macht, die sündig zur Kommunion gehen?“
„Ja. Nein.“

Ein weißes Kleid und ein brennesselbewachsener Abhang.
Weiß auf Grün. Grün auf Weiß.
Oh Herrgott, es tut mir leid! Deine guten Gaben und dein opferbereiter Sohn. Ich fürchte, ich kann sie nicht bei mir behalten.
Weiß und Grün und Braun.
 
G

Gelöschtes Mitglied 4259

Gast
Der Text liest sich stellenweise sehr unterhaltsam. Manches erscheint merkwürdig hart, wenn nicht verbittert, z.B.:

Eigentlich befreite er mich erst von meiner Mutter, da war ich längst erwachsen. Da lies er sie sterben. Hm ja, danke Gott! Besser spät als nie.

Der Wechsel der Erzählperspektive (Gott als Objekt der Betrachtung wird zum Gesprächspartner) kommt ein bisschen plötzlich: Am Tag der Erstkommunion hättest du, als immerhin Allmächtiger...

Der Schluss ist leicht unklar. Wenn ich es richtig interpretiere, wär's schön-schwarzer Humor. Nicht brauner...

Ein paar Fehlerchen schlichen sich ein: "lies" endet nur in der Imperativ- und Perfektform des Verbes "lesen" auf "s". Brennesseln habe ich irgendwo als Brenesseln gesehen. (Der neuen Re'schreibe nach, glaube ich, tauchen da gar drei "s" auf, ich bin mir selber nicht sicher.)

Insgesamt: kein schlechter Einfall. Vielleicht nochmal überarbeiten?

LG

P.
 

Anonym

Gast
Hallo Penelopeia!

Danke für die Einschätzung meines Textes.
Ich muss sagen, es gefällt mir, wenn er so ankommt wie bei Dir: unterhaltsam, hart, verbittert und schwarzer Humor. So sollte es sein.
Der Schluß: Tja - die Farbe braun - sollte einerseits eine Anspielung auf Faschismus in dem Sinne sein, dass damals ebenfalls die Menschenverachtung eine tragende Rolle spielte, andererseits der ausgekotzte "Leib Christi". Nun, so dachte ich es mir halt.
Mit der Überarbeitung hast Du wahrscheinlich recht. Falls mir was einfällt ...
Liebe Grüße!
 

jon

Mitglied
Teammitglied
Schade, dass es nach hinten etwas abgehackt wirkt – so als sei dir die Zeit ausgegangen, den Erzählbogen zu schließen.
 



 
Oben Unten