Die Flammen der Freiheit

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Die Flammen der Freiheit

[ 2]Der Raum war kalt und feucht. Spinnweben hingen in allen Ecken und die einzigen Möbel waren ein Tisch und zwei klapprige Stühle. Als Lichtquelle diente eine blackende Kerze, die auf dem Tisch stand. Als man die schwere Tür von außen öffnete und den Pater einließ, hob die noch nicht einmal den Kopf.
„Dein Beichtvater ist hier, Hexe! Das ist deine letzte Chance, würde ich mal behaupten. Du solltest die nutzen!“ Mit einem geräuschvollen krachen fiel die Zellentür hinter dem Wachmann wieder ins Schloss und man hörte das quietschende Schaben eines Riegels, der von außen vorgeschoben wurde. Pater Maxim blieb noch einen Augenblick stehen und betrachtete die zusammengesunkene Gestalt, die dort am Tisch saß. Den Kopf auf die Tischplatte gelegt, umflossen die langen, leuchtend roten Haare ihre Schultern und das rohbehauene Holz. Zitternde, verkrampfte Finger hatten sich um die Kerze geschlossen und hielten sie fest umklammert, als könne sie damit verhindern, dass man sie ihr wieder fortnahm, sobald der Pater die Zelle verlassen haben würde. Pater Maxim kam näher und nahm Platz. Er rief leise ihren Namen, doch die Frau rührte sich nicht. Erst als er nach ihren Händen griff und mit kräftigen, warmen Fingern ihre eisigen Knöchel umschloss, fuhr sie erschrocken hoch.
„Alaina, ich bin es nur, Pater Maxim.“ Erleichtert atmete sie auf und ihre Anspannung löste sich ein klein wenig. Der Pater lächelte.
„Hast du geschlafen?“ Alaina schüttelte den Kopf.
„Nein.“ Ihre Stimme war heiser und kaum mehr als ein Flüstern. „Ich habe in das Licht gesehen. Gott ist das Licht. Gott ist das Feuer.“ Nach einer kurzen Pause, in der sich ihr smaragdgrüner Blick wieder in der Kerzenflamme verfing, flüsterte sie:
„Aber vielleicht habt Ihr Recht und ich bin eingeschlafen. Doch wenn Gott das Licht ist, dann war er bei mir und wenn er die Flamme ist, dann wird er auch morgen bei mir sein!“ Pater Maxim lächelte, aber es war ein trauriges Lächeln. Wie fröhlich, munter und hilfsbereit waren doch die Lebensgeister dieser Frau gewesen, bevor sie der Hexerei angeklagt worden war? Sie war stark gewesen und hatte eine ungeheure Willenskraft besessen, doch jetzt waren all ihre Gedanken traurig, ohne Hoffnung und nur noch auf das nahende Ende ausgerichtet wie es schien. Pater Maxim legte seine alte Hand an ihre Wange und er spürte, wie Alaina sich schutzsuchend an sie schmiegte.
„Was haben sie nur mit dir gemacht, mein Kind?“ Als die Frau langsam ihren Blick hob, sah er wie sich Tränen in ihren Augen sammelten.
„Das würde Euch nicht gefallen, Vater.“ Sie schüttelte gedankenverloren den Kopf und senkte ihren Blick wieder.
„Sie haben dich gefoltert, nicht wahr? Wie all die anderen auch!“
„Ja, wie all die anderen auch.“ Ihre Stimme war noch leiser geworden. „Aber ich habe ihn nicht verraten. Ich habe ihn nicht verleugnet. Ich habe ihnen nur immer wieder gesagt, dass ich unschuldig bin, doch sie haben mir nicht geglaubt. Aber ich habe ihnen auch kein Schuldgeständnis geliefert, denn ich bin nicht schuldig. Glauben sie mir, Vater?“ Maxim nickte mit einem gütigen Lächeln.
„Ich glaube dir, Alaina, und Jantri tut es auch.“ Ihr Kopf fuhr hoch.
„Jantri? Er ist doch nicht etwa hier?“ Angst glitzerte in ihren Augen, aber Pater Maxim beruhigte sie.
„Keine Sorge, es geht ihm gut, aber wir machen und um dich Sorgen!“ Alaina schüttelte verzweifelt den Kopf.
„Nein, Vater, es hat keinen Sinn mehr! Ich bin zu schwach um zu fliehen – kann kaum noch auf den Beinen stehen. Morgen, wenn die Sonne aufgeht, werde ich gehen.“ Pater Maxim sah sie ruhig, aber forschend an.
„Willst du für ein Verbrechen sterben, dass du nicht begangen hast?“ Ein Lächeln huschte über das junge, müde Gesicht und ein eigenartiger Glanz lag in ihren Augen. Mit einem Mal schien die Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung verschwunden zu sein und Alainas Körper straffte sich merklich.
„Nein, Vater. Ich werde nicht für das Verbrechen sterben, sondern für alle, die glauben, dass ich schuldig bin, damit ihnen Gott die Augen öffnet und sie sehen lässt!“ Als der Pater die Stirn runzelte und antworten wollte, lächelte sie wieder und sagte nur:
„Bitte, Vater, sprecht mich von meiner Schuld los, welche auch immer ich auf mich geladen habe.“ Pater Maxim tat, worum sie ihn bat und erteilte ihr die Absolution. Dann schob sie ihm ein Stoffstück über den Tisch, das mit dreckvermischtem Wasser beschrieben war und wie es schien an einigen Stellen sogar mit Blut.
„Bitte gebt das hier Jantri und sagt ihm, dass ich ihn liebe.“ Pater Maxim hatte das kleine Bündel gerade unter seiner Kutte verschwinden lassen, als die Tür geöffnet wurde.
„Deine Zeit ist um, Hexe!“, verkündete der Wächter und griff sie beim Arm. Mühsam rappelte Alaina sich auf.
„Ich danke Euch, Vater!“ Pater Maxim griff nach ihrer Hand.
„Gott kennt die Wahrheit, mein Kind, denk immer daran!“ Dann zog der Wächter die fort und stolpernd taumelte sie aus dem Raum in die Zelle, in der sie nun schon drei Monate verbracht hatte.
[ 2]Es dämmerte gerade, als man Alaina auf den Karren stieß, der sie zum Scheiterhaufen bringen sollte. Sie trug ein langes, blütenweißes Hemdchen. Ihre Hände waren ihr auf dem Rücken zusammengebunden und ihr langes, feuerrotes Haar fiel ihr in dichten, sanften Wellen bis über die Hüften. Alle Hexen hatte man geschoren um sie zu demütigen, aber ihr hatte man das Haar gelassen. Doch nicht aus Mitleid, sondern als Beweiß ihrer Schuld: Es war rot – feuerrot, wie das Inferno der Hölle selbst! Langsam ratterte der Karren zum Marktplatz, auf dessen Mitte der Scheiterhaufen errichtet worden war. Viele Leute waren gekommen um sie brennen zu sehen. Zu viele, die Alaina kannte, schoss es ihr durch den Kopf. Doch sie bewahrte ihre stille Ruhe und senkte auch nicht den Kopf, als sie die Inquisitoren sah, die ihr solche Schmerzen zugefügt hatten. Mit einem Ruck kam der Karren zum Stehen und man hob sie herunter. Doch Alaina stieg auf den Scheiterhaufen ohne sich von jemandem führen zu lassen. Der Henker band ihr die Hände hinter dem hoch aufgerichteten Pfahl zusammen, doch als er die Augenbinde anlegen wollte, drehte Alaina den Kopf zur Seite.
„Ich hab’ das nicht gewollt, Alaina!“, flüsterte der Henker. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht.
„Ich weiß und Gott weiß es auch. Er wird dir tragen helfen!“ Ohne ein weiteres Wort stieg der Henker vom Scheiterhaufen hinunter. Die Sonne schob sich gerade über die Dächer der Stadt. Ihr rotgoldenes Licht fiel auf die weiße Gestalt und ihr kupferfarbenes Haar leuchtete selbst wie ein Heiligenschein aus Flammen. Alaina schloss ihre Augen für einen kurzen Moment, als man den Scheiterhaufen entzündete. Doch dann blickten ihre sanften, grünen Augen furchtlos und ohne jeden Hass in die Menge hinunter und sie begann zu singen. Längst wagte es niemand mehr den Scheiterhaufen zu betreten um die Frau zum Schweigen zu bringen, denn immer höher züngelten die Flammen und immer dichter drängte sich der Rauch. Doch er vermochte sie nicht zu ersticken. Immer noch drang die silberhelle Stimme klar durch die Morgenluft über den ganzen Platz. Jeder hörte mit Staunen das Liebeslied, dass sie mitbrachte. Ein Lied nicht nur für einen, sondern für Hunderte von Menschen gesungen. Von einer jungen Frau, die so mutig war sich für alle zu opfern.
[ 2]Kaum einer stand an diesem Morgen auf dem großen Platz, der diese Botschaft der Liebe nicht verstand und noch lange nachdem die süße Stimme des Lebens verstummt war, klangen ihre Töne in den Herzen der Menschen weiter. Der rothaarige Engel mit den smaragdenen Augen hatte es geschafft. In dieser Stadt würde nie wieder ein Mensch als Hexe oder Zauberer sterben.
 

Amanita

Mitglied
Ein wirklich sehr schöner Text.

> Als Lichtquelle diente eine blackende Kerze,

blakende

> Als man die schwere Tür von außen öffnete und den Pater einließ, hob die noch nicht einmal den Kopf.

die Tür ??

> Den Kopf auf die Tischplatte gelegt, umflossen die langen, leuchtend roten Haare ihre Schultern

ein wirklich treffendes Bild, die Hexe mit den leuchtend roten Haaren.


Insgesamt hat mir das alles sehr gut gefallen. Gern gelesen.

P.S. Hast du nicht mal in der newsgroup dag geschrieben?
 
Freut mich, dass die Geschichte dir gefallen hat. Danke auch für die Fehlerkorrekturen. Das werd' ich bei mir dann noch ändern.
In welcher newsgroup soll ich etwas geschrieben haben? Ich glaube nicht, dass ich das getan habe, aber vielleicht weiß ich's auch bloß nicht mehr! :)
Das Bild der Hexe mit den roten Haaren ist gewählt, weil man zur Zeit der großen Hexenjagd tatsächlich lediglich diese Haarfarbe haben musste um sich den Flammentod völlig unverdient einzuhandeln.
Bis dann,
Melani Raasch!
 

Amanita

Mitglied
ng´s

> In welcher newsgroup soll ich etwas geschrieben haben? Ich glaube nicht, dass ich das getan habe, aber vielleicht weiß ich's auch bloß nicht mehr! :)

ach, war nur so ne idee, dein name kam mir bekannt vor.
kann auch die ng "desp" gewesen sein
 
Nein, muss dich enttäuschen. Melani Raasch bin ich bisher nur in der Leselupe. Vielleicht bleibe ich dabei, sollte ich es tatsächlich mal schaffen etwas zu veröffentlichen, aber bisher dient dieser Name, der eigentlich bloß ein Buchstabengewürfel aus meinem tatsächlichen Namen ist, nur dazu, dass nicht jeder sofort weiß, wer ich wirklich bin!! ;-)
 



 
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