Die Geschichte im Fahrstuhl

Darian

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Die Geschichte im Fahrstuhl

Ich war schon fast in meiner Wohnung, der Fahrstuhl brauchte nur noch zwei Stockwerke bis zu meiner Etage. Nervös schaute ich auf meine Uhr. Mit ein bisschen Glück, schaffte ich es doch noch rechtzeitig zu meiner Lieblingsfernsehserie.
Nur noch ein Stockwerk und jetzt musste der Fahrstuhl doch noch halten. Ein einzelner Mann stieg ein. Irgendwie war er seltsam, seine Bewegungen waren so ruhig, als wenn es keine Zeit für ihn geben würde.
Man, konnte der sich nicht etwas beeilen? Der Vorspann würde genau jetzt anfangen.

Und dann passierte es, der Fahrstuhl blieb stecken!
Ich war einem Nervenzusammenbruch nahe und hämmerte auf den Schaltern herum.

„Verdammt, wir stecken fest, hört mich denn keiner?“ brüllte ich in die Sprechanlage.

Der Typ neben mir schien immer noch ruhig zu sein. Der Fahrstuhl gab keinen Ton mehr von sich und die Knöpfe leuchteten auch nicht mehr.
Dann kam mir der rettende Einfall, ich nahm mein Handy aus der Jackentasche, jetzt würde dieses UMTS- Zeug doch mal was bringen.
Aber verdammt, mein Handy ging aus, der Akku war alle!

„Ist es kaputt?“ ertönte die Stimme des Mannes neben mir.
„Ja! Nein, nur kein Strom mehr, verdammt!“

Ich hämmerte wieder auf dem Notfallknopf herum.

„Ich glaube nicht, dass das was bringt. Ich schätze es ist ein Problem mit der Elektronik. Das kann etwas dauern.“

Wütend schaute ich den Kerl an. Was hatte der überhaupt für Sachen an? Der sah ja fast aus als wenn er grade von einem Survivaltrip zurückgekommen wäre.
Ich wollte schon meinem Ärger Luft machen, aber irgendwas in seinem Blick ließ mich verstummen. Ich nickte nur noch zu seinen Worten, er hatte ja recht.
Ich ließ die Schultern hängen und steckte das Handy wieder weg. Da würde mir wohl nichts anderes übrig bleiben als die Wiederholung um 3 Uhr morgens zu schauen. Ich könnte die Folge um die Zeit natürlich auch aufnehmen und dann in der Mittagspause schauen. Aber wenn ich morgen ins Büro käme, würden schon alle von der neuen Folge erzählen, also musste ich sie vorher gesehen haben.

Frustriert und gelangweilt wippte ich mit meinem Fuß. Wie lange brauchten die denn für so einen simplen Fahrstuhl? Zum Mond können sie fliegen aber einen Fahrstuhl reparieren dazu reicht es wohl nicht. Ich blickte auf meine Uhr und stellte verblüfft fest, dass die jetzt auch noch stehen geblieben war. Heute war eindeutig nicht mein Tag.

„Sagen Sie, wissen Sie vielleicht wie spät es ist?“ wandte ich mich an meinen Leidensgenossen mit dem seltsamen Outfit.
„Es ist Abend, die Sonne geht grade unter.“

Ich stierte den Typen entnervt an. Was war das denn für einer? Will der mich vielleicht verarschen?

„Langweilig hier, was?“ sagte er, anscheinend hatte er meinen Blick falsch gedeutet und dachte ich wollte mit ihm sprechen.
Ich brummte nur unfreundlich als Antwort, das sollte genügen um ihn vor der Idee sich mit mir zu unterhalten abzubringen.

„Vielleicht soll ich eine kleine Geschichte erzählen? Damit es nicht ganz so langweilig ist.“ setzte er nach. Scheinbar war er für höfliche Hinweise nicht empfänglich.

Ich wollte ihm schon die Meinung sagen, als er bereits weitersprach. Und irgendwas in seiner Stimme ließ meinen Widerstandsgeist erlahmen. Sollte er doch erzählen, langweiliger als hier zu stehen und zu warten konnte es auch nicht werden.

„Der Mensch besitzt gewaltige Fähigkeiten. Fähigkeiten die von der Wissenschaft ins Reich der Legenden verschoben werden. Jeder Mensch hat das Potenzial die Welt nachhaltig nach seinen Vorstellungen zu verändern. Natürlich, gefällt das denen, die grade an der Macht sind nicht besonders. Schon früh haben die Mächtigen entdeckt, dass es ein Weg ist, die anderen Menschen in Dummheit zu halten. Wenn sie von ihren Fähigkeiten nichts wissen, sich gar für Opfer der Umstände, statt Schöpfer ihres eigenen Schicksals halten, dann werden sie ihre Fähigkeiten auch nicht einsetzen und die Mächtigen bleiben unangefochten auf ihrer Position.“

Was der Typ da erzählte klang völlig idiotisch, aber irgendwie konnte ich mich der Macht seiner Worte nicht entziehen. Ich schwieg und hörte weiter zu.

„Doch Wissen lässt sich nie für immer verstecken. Früher oder später stößt der eine oder andere Mensch zu seinen wahren Fähigkeiten vor. So ist es auch in der Geschichte der Menschheit immer wieder geschehen. Die Mächtigen brauchten also einen neuen, besseren Weg um ihre alleinige Machtposition zu schützen. Und den fanden sie schließlich auch. Das Werkzeug mit dem der Mensch sein Schicksal verändern kann, ist seine Aufmerksamkeit. Dorthin wo ein Mensch seine Aufmerksamkeit richtet, dorthin fließt auch seine Energie. Ob ihm das nun bewusst ist oder nicht. Die Mächtigen machten sich diese Tatsache nun zunutze, indem sie Dinge kreierten, welche die Aufmerksamkeit der anderen einfangen sollten. Es gab einige Versuche. Der letzte, und wohl auch erfolgreichste Versuch, war die Erschaffung der Massenmedien. Mittels Fernsehen, Internet und wie all diese Dinge heißen, wurde die Aufmerksamkeit von großen Teilen der Bevölkerung eingefangen. Und das Beste ist, durch die Manipulation der Inhalte dieser Massenmedien, können die Mächtigen sogar noch einen Teil der Energie ihrer Opfer nutzen.“

Der Fahrstuhl setzte sich wieder in Bewegung und ich erwachte aus meinem tranceähnlichen Zustand.

„Wollen Sie etwa behaupten, dass irgendwelche Mächtigen uns alle kontrollieren und manipulieren?“ fragte ich den Mann fassungslos.
„Ich behaupte gar nichts. Ich habe nur eine Geschichte erzählt,“ erwiderte der Mann und stieg aus dem Fahrstuhl.

Die Fahrstuhltüren hatten sich bereits wieder hinter ihm geschlossen, als ich endlich realisierte, dass er ja auf meiner Etage ausgestiegen war. Ich drückte also auf den Knopf um die Türen wieder zu öffnen.
Doch als ich auf den Flur trat, war der Mann schon verschwunden.

Ziemlich perplex ging ich schließlich in meine Wohnung.

„So ein hirnverbrannter Blödsinn,“ murmelte ich, als ich das Licht anmachte.
Ich wollte mein Handy aufladen, aber da bemerkte ich, dass der Akku voll war. Anscheinend hatte es irgendeinen Wackelkontakt.
Ein Blick auf meine Armbanduhr zeigte mir, dass auch sie wieder lief.
Kopfschüttelnd ging ich in die Küche, holte mir ein Bier aus dem Kühlschrank und schlenderte ins Wohnzimmer zurück.

„Verrückter Tag.“
Ich stellte den Fernseher an und machte es mir mit meinem Bier gemütlich.
Endlich Entspannung.
 



 
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