Die Geschichte vom kleinen Küsschen

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wondering

Mitglied
Wusstet Ihr schon, dass Küsse auch eine Familie haben? Nein? Dann erzähle ich euch die Geschichte vom kleinen Kuss, den sie in der Kussfamilie das Küsschen nennen.
Küsschen war heute ein bißchen traurig, denn ihm war so langweilig. Es war niemand da, dem es sich hätte verschenken können, dabei wollte Klein-Küsschen unbedingt schnell groß werden. Die kleinen Küsse aus der Kussfamilie werden nämlich um so größer, je öfter sie sich verschenken.
Küsschen machte sich auf den Weg in die Stadt. Es muss doch jemanden geben, dem ich mich verschenken kann‘, dachte das Küsschen und schaute sich um.
Küsschen kam am Bahnhof vorbei und traf seinen Vetter Handkuss, der gerade durch die Luft flog. Vetter Handkuss ist nämlich der Flieger in der Familie. Er schoss soeben in hohem Bogen von der Hand einer Frau, die auf dem Bahnsteig stand und setzte sich mitten auf den Mund eines Mannes, der aus dem Fenster eines abfahrenden Zuges schaute. Kaum hatte sich Vetter Handkuss niedergelassen, wurde er auch schon wieder zurückgeschickt. Huiiii, in hohem Bogen durch die Luft fliegend landete er jetzt auf den weichen Lippen der Frau. Sie lächelte und Küsschen kicherte. „Ganz schön anstrengend, Vetter Handkuss, was?“, rief Küsschen. Weiter hinten auf dem Bahnsteig entdeckte es zwei Männer, die eilig aufeinander zuliefen und sich fest umarmten. Hey, da war ja auch Bruder Bruderkuss, der sich abwechselnd links und rechts auf die Wangen der Männer setzte. Bruderkuss hüpfte ein paar Mal fröhlich von Wange zu Wange und wieder zurück. „Hallo Bruder Bruderkuss, hier bin ich. Macht’s Spaß?“, rief Küsschen. Aber Bruder Bruderkuss hörte nicht, er war zu beschäftigt. Küsschen winkte noch einmal und zog weiter.
Nicht weit vom Bahnhof lag der Stadtpark, den Küsschen jetzt erreicht hatte. ‚Der Park ist sicher ein guter Platz, jemanden zu finden, dem ich mich verschenken kann‘ , dachte das Küsschen und suchte in alle Richtungen. Auf einer Parkbank saß ein Pärchen eng umschlungen. „Ach“, murmelte Küsschen, „dort kann ich mich auch nicht hergeben. Da ist bestimmt schon meine alberne Schwester Knutschkuss...“ Und richtig, Schwester Knutschkuss legte sich mächtig ins Zeug, bis die beiden Verliebten ganz rote Köpfe hatten. „ Pöh!“, raunte Küsschen und wurde immer trauriger: „Niemand da, der mich will?“ schluchzte es und ging tapfer weiter. Später begegnete Küsschen noch seiner Mutter Mamakuss. Sie war zusammen mit Tanten- und Omakuss unterwegs bei einem Picknick mit vielen großen und kleinen Leuten auf der Parkwiese. Das Küsschen erinnerte sich, dass es mal gehört hatte, die Tante Tantenkuss könne niemand so richtig leiden. Sie sei immer so dick und feucht und rieche nach Spucke. Und nie würde sie fragen, ob man sie haben will, sie käme einfach ungefragt, manchmal sogar mitten auf den Mund. „Nö, also, wenn ich mal groß bin, möchte ich lieber ein Mamakuss werden“, entschied das Küsschen und dachte: Der Mamakuss ist so schön weich und lieb und beruhigend. Er kann trösten und kleine Wunden heilen, kann wieder froh machen, wenn man traurig ist. Und wenn man etwas gut gemacht hat, kommt der Mamakuss als Lob. „Ich will auf jeden Fall ein Mamakuss werden, wenn ich mich oft genug verschenkt habe!“ , sagte das Küsschen laut und strengte sich noch einmal ganz doll an.
Da sah das Küsschen auf einmal einen kleinen Jungen und ein Mädchen, die auf dem Spielplatz im Park nebeneinander im Sandkasten saßen. Beide waren ganz versunken in ihr gemeinsames Spiel mit Förmchen und Sand. Doch mit einem Mal unterbrach das Mädchen ihr Spiel, legte dem Jungen ein Ärmchen um die Schultern und zog ihn an sich. Ehe der Knabe sich versah, saß das Küsschen auf seiner Wange. „Hihi, endlich!“, rief das Küsschen und wurde dann aber auch schon mit einer schnellen Handbewegung abgewischt.
Mächtig gewachsen und glücklich zog das Küsschen weiter auf der Suche, sich zu verschenken.
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
eine

hinreißende geschichte, die ich mit großem vergnügen gelesen habe. hat 10 punkte verdient und aufnahme in meine sammlung. ganz lieb grüßt
 

wondering

Mitglied
hallo flammarion,
ganz lieben dank, ich freue mich riesig über dein statement. ich bin ganz neu hier und so etwas ermutigt, weiter zu machen.
liebe grüße wondering
 

Katjuscha

Mitglied
Kussgeschichten

Deine Küsschengeschichte finde ich wirklich wunderbar. Und Mamaküsse sind für Kinder nun mal die besten auf der Welt. bis die Mama anfängt schwierig zu werden -so in der Pubertät (o: Ein ganz dickes Lob, ebenfalls 10 Punkte und möglichst wenige Tantenküsse (o:

Katja

P.S. Allerings können Vaterküsse auch ganz schrecklich schmecken, wenn sie nach Alkohol riechen, aber das ist dann wohl eher eine Geschichte für ältere Kinder.
 

Stern

Mitglied
Küsse

hei wondering,

schööön! Charmant, tiefsinnig, witzig, kindgerecht - was will man mehr?

Liebe Grüße,

Natalie
 
Hi wondering!

Nachdem ich deine Geschichte jetzt schon einige Male gelesen hab, möchte ich auch ein paar Worte dazu sagen.

Dein Talent, mit Worten Bilder zu malen, ist wirklich herausragend. Vetter Handkuss kann man förmlich durch die Lüfte fliegen sehen und auch Schwester Knutschkuss, die sich richtig ins Zeug legt, wirkt unheimlich lebendig. Neben dem Küsschen selbst finde ich diese beiden Charaktere am gelungensten. Man hat wirklich das Gefühl, es handle sich bei der Kussfamilie um eine ganz reale (menschliche) Großfamilie.

Auch die beiden kleinen Kinder, die im Sandkasten spielen, sind wie aus dem Leben gegriffen.

Was mich sehr interessieren würde, ist, wie du auf diese Geschichte gekommen bist. Was hat dich dazu inspiriert? War es ein Erlebnis, eine Beobachtung oder eine Erinnerung?
 

wondering

Mitglied
danke schön für deine kritik! freut mnich sehr, dass du beim lesen er-leben konntest.
ich weiß nicht mehr, wie ich darauf gekommen bin, es gab keinen anlass, es kam angeflogen, wie das küsschen selbst. ich nehme mal an, ich war einfach sehr entspannt, vielleicht sogar kurz vor dem einschlafen.. dabei kommen mir die besten ideen (ich steh sogar auf und skizziere sie dann). nach einer idee zu"grübeln" gelingt mir nicht.
liebe grüsse
wondering
 

lapismont

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Wondering,

ist ja wirklich ein Schätzchen, das Küsschen!
Bis auf die fehlenden Absätze, was jetzt hier nicht als Meckern gildet, fantastisch gut!

Los Vetter Handkuss, mach Dich auf den Weg!
hui
lap
 

wondering

Mitglied
Hi lap,
ja, danke, die Absätze sind eigentlich längst gesetzt (so auf dem Papier). Werd's hier jetzt auch mal nachtragen.
Grüß mir mit nem Tantenküsschen stepke und Co
:)
wondering
 
Hallo wondering,

was für eine entzückende Idee mit deinen Küsschen. So etwas in der Art habe ich noch nie gelesen, eine wunderbare Idee von dir.

Lieben Gruß,
Estrella
 
R

Rose

Gast
Hallo Wondering,

toller Einfall einer wirklich herzigen Geschichte!

Liebe Grüße
Rose
 
S

suzah

Gast
hallo wondering,
eine tolle idee und gut umgesetzt.

über den tantenkuss habe ich sehr lachen müssen.

lg suzah
 

domino

Mitglied
Hallo, wondering,
eine schöne Kuss-Geschichte! Die Beschreibung der einzelnen Familienmitglieder und ihrer speziellen Aktivitäten finde ich sehr gelungen.
Aber am Schluss habe ich mich etwas gewundert: Ist Küsschen denn gar nicht traurig, dass der Knabe es einfach abwischt?
Liebe Grüße
domino
 

Eva

Mitglied
Hallo Wondering,
als Neuling in der Leselupe habe ich gerade ein bisschen gestöbert und bin auf deine Küsschen-Geschichte gestoßen. Sie ist unheimlich süß und fantasievoll. Man kriegt richtig Lust, jeden Kuss, den man vergibt, in diese Familie einzuordnen. Ich finde es sehr schön, wenn jemand seine Umgebung mit so viel Fantasie wahrnimmt und hab selber auch Spaß daran, "Dinge zum Leben zu erwecken". (konnte mich aber bisher nicht so kurz fassen wie du, was vielleicht? ein Nachteil ist)
Liebe Grüße
von Eva.
 

EnyaSK

Mitglied
Hallo Wondering,
auch von mir ein großes Lob für eine wundervolle Geschichte und für eine wundervolle Idee. Ja, spontane Gedanken sind oft die besten, wie man hier sehen (lesen) kann. Mir hat auch besonders der Schluss gefallen mit den Kleinen in der Sandkiste. Wer denkt da nicht an seine erste Sandkastenliebe :)
Das mit den Absätzen wurde ja schon angesprochen, aber da Du es geschafft hast, mich mit Deiner Geschichte sofort mitzureißen, habe ich es erst auf dem zweiten Blick bemerkt.
Hoffe, noch mehr so tolle Geschichten von Dir lesen zu dürfen.
Liebe Grüße
Enya
 

Natjeen

Mitglied
Tantenkuss

Mir hat die Stelle mit dem Tantenkuss sehr gut gefallen. Sehr einfallsreich! Danke für diese schöne Geschichte.
LG
Natjeen
 



 
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