Josef Knecht
Mitglied
Die Graue Wolke
Ich beendete das Gespräch, öffnete die Fahrzeugtür und trat ins Freie. Die winterlich kühle Luft drang in meine Lungen. Da war es wieder, das Gefühl der Beklemmung, ich könnte es fast Angst nennen, das mich seit geraumer Zeit überkam, wenn ich mich meinem Zuhause nähere. Das unsichere Gefühl, nicht genau zu wissen, was in den nächsten Minuten kommt. Ich zögerte den Beginn hinaus, suchte meine Tasche, mein Laptop, fingerte an der Krawatte, löste den Knoten; schritt über die Stufen, zählte sie, war versucht, sie noch einmal zu gehen. In meiner rechten Tasche war der Schlüssel, ich öffnete die Tür.
Es empfing mich Kindergeschrei. Meine beiden Lieblinge kamen auf mich zugelaufen, wollten in meine Arme, schienen mich schier zu erdrücken. Hier war der Sinn warum ich überhaupt noch nach Hause kam.
„Wo warst du so lange. Du bist geschlagene 5 Minuten im Auto gewesen“. Es war die Stimme von Martha, meiner Frau. „Was denkst du dir eigentlich. Die Küche war in einem erbärmlichen Zustand, unaufgeräumt, die Töpfe standen herum, nicht abgespült. Ich bin doch nicht deine Putzfrau.“
Ich versuchte meiner Stimme einen ruhigen, freundlichen Klang zu geben, so wie ich es mir vorgenommen hatte.
„Es tut mir leid. Ich wollte gestern noch etwas aufräumen. Aber ich hatte so viel zu tun.“
„Zu tun, zu tun. Was tust du denn schon den lieben langen Tag. Fährst mit deinem schicken Fahrzeug den ganzen Tag durch die Gegend, erzählst den Ärzten blödes Zeug und ich putze, wasche ab, bügle deine Hemden, ärgere mich mit der Kindergärtnerin herum und soll dich am Abend auch noch mit einem freundlichen Gesicht empfangen!“
Ich merkte, wie ich langsam die Fassung verlor. Sie hatte nicht recht, nein, sie hatte nicht recht!
In mir entstand der Wunsch mich auf sie zu stürzen, sie zu ohrfeigen und sie vielleicht dadurch zur Vernunft zu bringen. Nein, nein, redete ich zu mir selbst. Einmal hatte ich sie geschlagen, nur einmal. Sie war danach 3 Wochen mit den Kindern zu ihrer Mutter gezogen. Ich war krank vor Sehnsucht nach Albert und Alex und ich war krank, ich habe mich lange geweigert das einzusehen, vor Sehnsucht nach ihr.
"Ich räume später noch zusammen. Ich will mich jetzt um die Kinder kümmern. Wie war dein Tag?“
Ihr Gesichtsausdruck blieb hart, abweisend.
„Das interessiert dich doch nicht!“
Ich wusste es war besser jetzt den Mund zu halten, sie nicht weiter zu provozieren. Ich ging ein paar Schritte rückwärts, ohne sie aus den Augen zu lassen, ähnlich wie ein Boxer im Ring, der seinen Gegner fixiert um sich gegen den nächsten Fausthieb zur wehr zu setzen
Ich nahm meine beiden Kindern und ging mit ihnen über die Holztreppe nach oben in das Zimmer von Albert. Hier hatte ich vielleicht für ein paar Minuten meine Ruhe und konnte mich etwas ausruhen.
Ich dachte an die neuen Umsatzzahlen, die gestern gekommen waren und die nichts Gutes aussagten. Auch Raimund, mein Chef, machte keinen Hehl daraus, das er mir die Schuld an der Misere gab. Erst letzte Woche hatte er mir das Messer an die Brust gesetzt: Entweder meine Zahlen gingen nach oben oder ich konnte mir einen neuen Job suchen.
Plötzlich war da eine Wolke. Ich konnte nichts sehen. Bewegte mich vorwärts, vorsichtig, tastend. Ich schien gleichzeitig zu schweben und zu fallen. Unaufhaltsam, immer tiefer, immer weiter. Und das Grau der Wolke nahm kein Ende. Ich bewegte mich, versuchte durch rudern meine unangenehme Lage zu beenden. Ich konnte nicht sagen wie aber es gelang. Der Fall war beendet und ich bewegte mich nach oben. Ich wusste es nicht, doch ich fühlte, hier irgendwo muss die Sonne sein, die mich wärmen und mir neues Leben schenken wird.
„Du wolltest doch mit den Kindern spielen. Jetzt liegst du hier herum und tust wieder nichts!“ Martha stand plötzlich in der Tür, ich hatte ihr kommen nicht gehört. Eine Welle von Scham und Schuldgefühl überkam mich und der Gedanke, dass sie wohl recht hatte, mir ihrer ständig wiederkehrenden Bemerkung, ich sei ein schlechter Vater.
So schnell sie aufgetaucht war, so schnell verließ sie auch das Zimmer wieder. Sie klang, bei aller Unfreundlichkeit freundlicher als noch vor 15 Minuten. Vielleicht braucht sie einen Mülleimer, in dem sie alle ihre schlechten Gefühle treten konnte.
Vor zwei Jahren, als unsere Tochter Alexandra zur Welt kam, fing alles an. Sie war mit Albert eigentlich schon an die Grenzen der Belastbarkeit gekommen, doch ich wollte noch ein zweites Kind und so kam Alex.
Ich dachte an die Sonne, die sich hinter der grauen Wolke befinden musste und stellte mir vor, wie es aussehen könnte. Einen neuen Partner, der Lust auf Sex hatte, der mich mit einem Kuss empfing, mich zärtlich in seine Arme nahm. Und doch war es Wunschdenken, denn mir war klar, dass ich meine Kinder nie verlassen konnte.
Martha erschien. Ihr Gesichtsausdruck war jetzt entspannter. Im laufe des Abends würde ich sicher den Grund für ihre schlechte Stimmung erfahren.
„Ich fahre noch in die Stadt. Brauchst du etwas?“
Ich verneinte.
Martha brauchte noch 20 Minuten um sich die passende Kleidung herauszusuchen. Als sie in ihrer neuen Jeans und ihrer roten Bluse an mir vorbeiging um das Haus zu verlassen merkte ich, wie mich eine Welle der Erregung erfasste. Eine schöne Frau, dachte ich mir.
Ich musste das Licht finden, irgendwo.
Ich beendete das Gespräch, öffnete die Fahrzeugtür und trat ins Freie. Die winterlich kühle Luft drang in meine Lungen. Da war es wieder, das Gefühl der Beklemmung, ich könnte es fast Angst nennen, das mich seit geraumer Zeit überkam, wenn ich mich meinem Zuhause nähere. Das unsichere Gefühl, nicht genau zu wissen, was in den nächsten Minuten kommt. Ich zögerte den Beginn hinaus, suchte meine Tasche, mein Laptop, fingerte an der Krawatte, löste den Knoten; schritt über die Stufen, zählte sie, war versucht, sie noch einmal zu gehen. In meiner rechten Tasche war der Schlüssel, ich öffnete die Tür.
Es empfing mich Kindergeschrei. Meine beiden Lieblinge kamen auf mich zugelaufen, wollten in meine Arme, schienen mich schier zu erdrücken. Hier war der Sinn warum ich überhaupt noch nach Hause kam.
„Wo warst du so lange. Du bist geschlagene 5 Minuten im Auto gewesen“. Es war die Stimme von Martha, meiner Frau. „Was denkst du dir eigentlich. Die Küche war in einem erbärmlichen Zustand, unaufgeräumt, die Töpfe standen herum, nicht abgespült. Ich bin doch nicht deine Putzfrau.“
Ich versuchte meiner Stimme einen ruhigen, freundlichen Klang zu geben, so wie ich es mir vorgenommen hatte.
„Es tut mir leid. Ich wollte gestern noch etwas aufräumen. Aber ich hatte so viel zu tun.“
„Zu tun, zu tun. Was tust du denn schon den lieben langen Tag. Fährst mit deinem schicken Fahrzeug den ganzen Tag durch die Gegend, erzählst den Ärzten blödes Zeug und ich putze, wasche ab, bügle deine Hemden, ärgere mich mit der Kindergärtnerin herum und soll dich am Abend auch noch mit einem freundlichen Gesicht empfangen!“
Ich merkte, wie ich langsam die Fassung verlor. Sie hatte nicht recht, nein, sie hatte nicht recht!
In mir entstand der Wunsch mich auf sie zu stürzen, sie zu ohrfeigen und sie vielleicht dadurch zur Vernunft zu bringen. Nein, nein, redete ich zu mir selbst. Einmal hatte ich sie geschlagen, nur einmal. Sie war danach 3 Wochen mit den Kindern zu ihrer Mutter gezogen. Ich war krank vor Sehnsucht nach Albert und Alex und ich war krank, ich habe mich lange geweigert das einzusehen, vor Sehnsucht nach ihr.
"Ich räume später noch zusammen. Ich will mich jetzt um die Kinder kümmern. Wie war dein Tag?“
Ihr Gesichtsausdruck blieb hart, abweisend.
„Das interessiert dich doch nicht!“
Ich wusste es war besser jetzt den Mund zu halten, sie nicht weiter zu provozieren. Ich ging ein paar Schritte rückwärts, ohne sie aus den Augen zu lassen, ähnlich wie ein Boxer im Ring, der seinen Gegner fixiert um sich gegen den nächsten Fausthieb zur wehr zu setzen
Ich nahm meine beiden Kindern und ging mit ihnen über die Holztreppe nach oben in das Zimmer von Albert. Hier hatte ich vielleicht für ein paar Minuten meine Ruhe und konnte mich etwas ausruhen.
Ich dachte an die neuen Umsatzzahlen, die gestern gekommen waren und die nichts Gutes aussagten. Auch Raimund, mein Chef, machte keinen Hehl daraus, das er mir die Schuld an der Misere gab. Erst letzte Woche hatte er mir das Messer an die Brust gesetzt: Entweder meine Zahlen gingen nach oben oder ich konnte mir einen neuen Job suchen.
Plötzlich war da eine Wolke. Ich konnte nichts sehen. Bewegte mich vorwärts, vorsichtig, tastend. Ich schien gleichzeitig zu schweben und zu fallen. Unaufhaltsam, immer tiefer, immer weiter. Und das Grau der Wolke nahm kein Ende. Ich bewegte mich, versuchte durch rudern meine unangenehme Lage zu beenden. Ich konnte nicht sagen wie aber es gelang. Der Fall war beendet und ich bewegte mich nach oben. Ich wusste es nicht, doch ich fühlte, hier irgendwo muss die Sonne sein, die mich wärmen und mir neues Leben schenken wird.
„Du wolltest doch mit den Kindern spielen. Jetzt liegst du hier herum und tust wieder nichts!“ Martha stand plötzlich in der Tür, ich hatte ihr kommen nicht gehört. Eine Welle von Scham und Schuldgefühl überkam mich und der Gedanke, dass sie wohl recht hatte, mir ihrer ständig wiederkehrenden Bemerkung, ich sei ein schlechter Vater.
So schnell sie aufgetaucht war, so schnell verließ sie auch das Zimmer wieder. Sie klang, bei aller Unfreundlichkeit freundlicher als noch vor 15 Minuten. Vielleicht braucht sie einen Mülleimer, in dem sie alle ihre schlechten Gefühle treten konnte.
Vor zwei Jahren, als unsere Tochter Alexandra zur Welt kam, fing alles an. Sie war mit Albert eigentlich schon an die Grenzen der Belastbarkeit gekommen, doch ich wollte noch ein zweites Kind und so kam Alex.
Ich dachte an die Sonne, die sich hinter der grauen Wolke befinden musste und stellte mir vor, wie es aussehen könnte. Einen neuen Partner, der Lust auf Sex hatte, der mich mit einem Kuss empfing, mich zärtlich in seine Arme nahm. Und doch war es Wunschdenken, denn mir war klar, dass ich meine Kinder nie verlassen konnte.
Martha erschien. Ihr Gesichtsausdruck war jetzt entspannter. Im laufe des Abends würde ich sicher den Grund für ihre schlechte Stimmung erfahren.
„Ich fahre noch in die Stadt. Brauchst du etwas?“
Ich verneinte.
Martha brauchte noch 20 Minuten um sich die passende Kleidung herauszusuchen. Als sie in ihrer neuen Jeans und ihrer roten Bluse an mir vorbeiging um das Haus zu verlassen merkte ich, wie mich eine Welle der Erregung erfasste. Eine schöne Frau, dachte ich mir.
Ich musste das Licht finden, irgendwo.