Die Grenze

bendos

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Ich lebe. Mit einer schweren Behinderung. Mit
Krebs. Mit ständigen Komplikationen. An die
Wohnung gefesselt: „So dieses mein Leben!“ Und
lese so in Zeitungen das Leben. Und lese so in
Büchern das Leben. Und sehe in Filmen das Leben.
Und hoffe so immer auf den Spiegel, der es mir
zeigt: Das mein Gesicht noch klar ist. Das mein
Denken noch stimmt. Und das ich noch ein
Mensch bin.

Ich lebe. Mit Tropfen und Tabletten. Gegen dies
und jenes. Damit mein Körper noch funktioniert.
Und lese: So in Zeitungen von Kriegen. Und lese:
So in Büchern von Katastrophen. Und sehe in
Filmen ganz schreckliches. Und hoffe so immer
auf den Spiegel, der es mir zeigt: Das ich dieses
Gesicht finde. Das ich dieses Denken finde. Und,
das mir diese Welt den besseren Mensch zeigt.

Ich lebe. So immer an der Grenze. So immer nahe
am Ende. So mit allem Verrückten. Und allem
Chaos. Und ich nehme es immer mehr wahr: Was
Zerstörung ist. Was Gewalt ist. Was Sinnlos ist.
Aber ich höre immer deutlicher. So nahe am Tod.
Was einen Wert hat. Und ich höre Kinder die singen.
Ich höre Menschen die lachen. Und ich sehe die
Wahrheit in einem Spiegel. Wie sie eine neue Welt
zeigt.

Klaus Lutz
 
 



 
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