Die Mutter

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Die Mutter

Die Kinder warteten schon seit Stunden. Langsam bekamen sie Hunger. Das Wenige, das die Mutter ihnen dagelassen hatte, war schon aufgegessen. Es war nicht viel gewesen, ein paar Kekse, für jeden eine Scheibe Brot. Zu Trinken gab es nur noch Leitungswasser. Den Saft hatten die Kinder zu den Keksen getrunken und Milch war schon aus, bevor die Mutter weggegangen war.
Sie hatte auf dem Heimweg Milch und Brötchen einkaufen wollen. Doch nun war es dunkel. Hatten die Läden überhaupt noch auf? Wenn es dunkel ist, dann ist es spät und also Zeit fürs Bett. So hatten es die Kinder gelernt. Wenn es draußen dunkel ist, muss man zu Hause sein. Denn dann war alles zu draußen, der Kindergarten, die Schule, der Spielplatz, der Supermarkt, Annas Lädchen. Dann konnte man draußen nichts mehr machen, nicht spielen, keine anderen Kinder mehr treffen und auch keine Süßigkeiten mehr kaufen. Dann musste man ins Bett.
Die Kinder waren ratlos. Sie wussten nicht, was sie machen sollten. Sollten sie auf die Mutter warten, oder sollten sie ins Bett gehen? Die Situation war neu für sie; so lang hatte die Mutter sie noch nie zuvor allein gelassen. Angst kroch in ihre kleinen Körper und gewann Gewalt über sie. Das Mädchen spürte sie schon seit einer ganzen Weile, die Angst. Deshalb hatte sie auch viel geweint. Sie war nicht gern allein, im Dunkeln, ohne die Mutter. Jetzt war sie müde vom Weinen, traute sich aber nicht zu schlafen. Die Mutter konnte ja jeden Moment kommen, musste jeden Moment kommen. Da wollte sie wach sein und der Mutter zeigen, wie gut sie gewartet hatte. Der Junge, der große Bruder, der schon zur Schule ging, in die erste Klasse, der Junge hätte ihr gerne gesagt, sie könne ruhig schlafen, er würde sie dann wecken, sobald er die Mutter höre. Doch er traute sich nicht. Allein mit seiner Schwester in dieser ungewohnten Situation, im Dunkeln, und niemand sonst mit dem er hätte reden können? Solange seine Schwester wach war, hatte er eine Aufgabe. Pass gut auf deine Schwester auf, hatte die Mutter zu ihm gesagt, ich werde nicht lange weg sein, am Abend komme ich zurück. Nun war es Abend, die Mutter musste also gleich kommen. Sie würde Brötchen und Milch mitbringen und sie würde sie in den Arm nehmen. Ganz bestimmt würde sie das. Da war sich der Junge sicher. Er war sich dessen sicher, solange seine Schwester wach war, und er ihr dies wieder und wieder sagen konnte.
"Mach das Licht an, bitte."
"Du weißt doch, die Mama mag es nicht, wenn wir Licht machen. Nur die Großen dürfen Licht machen."
"Aber es ist schon so dunkel und ich habe Angst. Wenn wir Licht haben, weine ich auch nicht mehr. Und dann können wir auch was spielen."
Der Junge hatte keine Lust zum Spielen, aber er fühlte sich auch nicht wohl im Dunkeln. Die Wohnung wirkte so anders im Dunkeln ohne seine Mutter, so fremd. Dem Mädchen war auch nicht wirklich nach Spielen zumute. Es hatte Hunger, war müde und wollte nur noch, dass die Mutter zur Tür reinkam und alles wieder war wie immer.
Die Mutter kam nicht. Der Junge machte Licht. Es wurde kühl, den Kindern war kalt. Sie trauten sich nicht, eine Decke zu holen. Aneinander gekuschelt schliefen sie ein.
Als die Geschwister aufwachten, dämmerte es bereits. Beide Kinder waren nass. Das Mädchen weinte wieder, wusste sie doch, wie wenig die Mutter es leiden konnte, wenn die Hose nass war. Ihr Bruder tröstete sie, er wolle ihnen saubere Hosen aus dem Schrank holen. Das beruhigte die Schwester etwas. Der Junge versuchte die Tür des Kinderzimmers zu öffnen, doch es ging nicht. Sie war abgeschlossen. Da drückte er die Klinke zum Schlafzimmer der Mutter, auch abgeschlossen. Er probierte sein Glück an der Wohnzimmertür, abgeschlossen. Das Mädchen weinte nun heftig.
"Weine nicht", bat sie der Bruder, "ich wasche dir die Hose aus. Sie trocknet sicher ganz schnell."
"Ja?" fragte die Schwester zaghaft, nicht ohne einen Anflug von Hoffnung.
"Sicher"
"Kommt die Mama nun bald?"
"Ja, bestimmt."
"Warum ist sie nicht schon gestern gekommen?"
"Sie hat wohl keine Milch und keine Brötchen mehr gekriegt."
"Oh ja, Milch und Brötchen."
"Wir müssen auf die Mama warten, sie bringt Milch und Brötchen mit."
"Kommt sie bald? Ich habe Hunger."
"Ja, sie kommt bald."
5 Tage später kam die Mutter nach Hause. In ihrer Einkaufstasche befanden sich eine Tüte mit Brötchen, ein Liter Milch und je ein Spielzeug für die Kinder, ein Boot für Peter und eine Plüschmöwe für Anne. Die Wohnungstür war aufgebrochen worden, die Wohnung teilweise ausgebrannt. Im Briefkasten lag ein Brief, ein amtliches Schreiben. Sie möge sich umgehend im örtlichen Polizeirevier melden. Ihre Tochter, Anne, sei im Krankenhaus, ihr Zustand sei äußerst kritisch. Peter, ihr Sohn, sei im Heim. Er würde psychologisch betreut. Es gehe ihm den Umständen entsprechend. Ein Kontakt zu ihren Kindern sei von Seiten der Behörden nicht erwünscht.
 
S

suzah

Gast
hallo erika stiller,

"die Wohnung teilweise ausgebrannt. Im Briefkasten lag ein Brief, ein amtliches Schreiben. Sie möge sich umgehend im örtlichen Polizeirevier melden. Ihre Tochter, Anne, sei im Krankenhaus, ihr Zustand sei äußerst kritisch. Peter, ihr Sohn, sei im Heim. Er würde psychologisch betreut. Es gehe ihm den Umständen entsprechend. Ein Kontakt zu ihren Kindern sei von Seiten der Behörden nicht erwünscht."

gern gelesen. aus diesem thema kann man viel machen und der leser kann sich viel denken. was könnte mit der mutter passiert sein, klar ist es hier nicht. wurde sie opfer eines unfalls, hat sie ihre kinder verlassen wollen und später reue gezeigt und zurückgekehrt oder hat sie sich erst geld verdient und ist "auf den strich" gegangen?
wieso wäscht der bruder die hose der schwester und nicht auch seine eigene, alle türen sind abgeschlossen, warum ist die wohnung ausgebrannt.
dass mit dem brief der behörde erscheint mir fraglich, ich denke, nach der mutter würde polizeilich gefahndet werden.
fragen über fragen.

liebe grüße suzah

__________________
 
B

bluefin

Gast
hallo miss @stiller,

da dich noch niemand begrüßt hat: herzlich willkommen im haifischbecken. ich wünsch dir viel spaß. mögest du aus dem, was du mit uns erleben kannst, etwas mitnehmen können für dich.

deine geschichte hat mich sehr berührt. sie ist so sicher, so einfach und dabei doch so genau und kindgerecht geschrieben, dass sogar ein walfisch wie ich herzklopfen bekommt. großes, ganz großes kleines kino!

leider machst du sie mit
5 Tage später kam die Mutter nach Hause. In ihrer Einkaufstasche befanden sich eine Tüte mit Brötchen, ein Liter Milch und je ein Spielzeug für die Kinder, ein Boot für Peter und eine Plüschmöwe für Anne. Die Wohnungstür war aufgebrochen worden, die Wohnung teilweise ausgebrannt. Im Briefkasten lag ein Brief, ein amtliches Schreiben. Sie möge sich umgehend im örtlichen Polizeirevier melden. Ihre Tochter, Anne, sei im Krankenhaus, ihr Zustand sei äußerst kritisch. Peter, ihr Sohn, sei im Heim. Er würde psychologisch betreut. Es gehe ihm den Umständen entsprechend. Ein Kontakt zu ihren Kindern sei von Seiten der Behörden nicht erwünscht.
kaputt. dieser "epilog" ist so überflüssig wie ein kropf. ich würde ihn weglassen und die ängste der kinder nicht "auflösen" - sie bleiben ja ohnehin ein leben lang bestehen, mag da noch kommen was will.

und die türen lass besser alle offen bis auf die korridortüre. das genügt.

liebe grüße aus münchen

bluefin
 
Die Mutter

Die Kinder warteten schon seit Stunden. Langsam bekamen sie Hunger. Das Wenige, das die Mutter ihnen dagelassen hatte, war schon aufgegessen. Es war nicht viel gewesen, ein paar Kekse, für jeden eine Scheibe Brot. Zu Trinken gab es nur noch Leitungswasser. Den Saft hatten die Kinder zu den Keksen getrunken und Milch war schon aus, bevor die Mutter weggegangen war.
Sie hatte auf dem Heimweg Milch und Brötchen einkaufen wollen. Doch nun war es dunkel. Hatten die Läden überhaupt noch auf? Wenn es dunkel ist, dann ist es spät und also Zeit fürs Bett. So hatten es die Kinder gelernt. Wenn es draußen dunkel ist, muss man zu Hause sein. Denn dann war alles zu draußen, der Kindergarten, die Schule, der Spielplatz, der Supermarkt, Annas Lädchen. Dann konnte man draußen nichts mehr machen, nicht spielen, keine anderen Kinder mehr treffen und auch keine Süßigkeiten mehr kaufen. Dann musste man ins Bett.
Die Kinder waren ratlos. Sie wussten nicht, was sie machen sollten. Sollten sie auf die Mutter warten, oder sollten sie ins Bett gehen? Die Situation war neu für sie; so lang hatte die Mutter sie noch nie zuvor allein gelassen. Angst kroch in ihre kleinen Körper und gewann Gewalt über sie. Das Mädchen spürte sie schon seit einer ganzen Weile, die Angst. Deshalb hatte sie auch viel geweint. Sie war nicht gern allein, im Dunkeln, ohne die Mutter. Jetzt war sie müde vom Weinen, traute sich aber nicht zu schlafen. Die Mutter konnte ja jeden Moment kommen, musste jeden Moment kommen. Da wollte sie wach sein und der Mutter zeigen, wie gut sie gewartet hatte. Der Junge, der große Bruder, der schon zur Schule ging, in die erste Klasse, der Junge hätte ihr gerne gesagt, sie könne ruhig schlafen, er würde sie dann wecken, sobald er die Mutter höre. Doch er traute sich nicht. Allein mit seiner Schwester in dieser ungewohnten Situation, im Dunkeln, und niemand sonst mit dem er hätte reden können? Solange seine Schwester wach war, hatte er eine Aufgabe. Pass gut auf deine Schwester auf, hatte die Mutter zu ihm gesagt, ich werde nicht lange weg sein, am Abend komme ich zurück. Nun war es Abend, die Mutter musste also gleich kommen. Sie würde Brötchen und Milch mitbringen und sie würde sie in den Arm nehmen. Ganz bestimmt würde sie das. Da war sich der Junge sicher. Er war sich dessen sicher, solange seine Schwester wach war, und er ihr dies wieder und wieder sagen konnte.
"Mach das Licht an, bitte."
"Du weißt doch, die Mama mag es nicht, wenn wir Licht machen. Nur die Großen dürfen Licht machen."
"Aber es ist schon so dunkel und ich habe Angst. Wenn wir Licht haben, weine ich auch nicht mehr. Und dann können wir auch was spielen."
Der Junge hatte keine Lust zum Spielen, aber er fühlte sich auch nicht wohl im Dunkeln. Die Wohnung wirkte so anders im Dunkeln ohne seine Mutter, so fremd. Dem Mädchen war auch nicht wirklich nach Spielen zumute. Es hatte Hunger, war müde und wollte nur noch, dass die Mutter zur Tür reinkam und alles wieder war wie immer.
Die Mutter kam nicht. Der Junge machte Licht. Es wurde kühl, den Kindern war kalt. Sie trauten sich nicht, eine Decke zu holen. Aneinander gekuschelt schliefen sie ein.
Als die Geschwister aufwachten, dämmerte es bereits. Beide Kinder waren nass. Das Mädchen weinte wieder, wusste sie doch, wie wenig die Mutter es leiden konnte, wenn die Hose nass war. Ihr Bruder tröstete sie, er wolle ihnen saubere Hosen aus dem Schrank holen. Das beruhigte die Schwester etwas. Der Junge versuchte die Tür des Kinderzimmers zu öffnen, doch es ging nicht. Sie war abgeschlossen. Da drückte er die Klinke zum Schlafzimmer der Mutter, auch abgeschlossen. Er probierte sein Glück an der Wohnzimmertür, abgeschlossen. Das Mädchen weinte nun heftig.
"Weine nicht", bat sie der Bruder, "ich wasche uns die Hosen aus. Sie trocknet sicher ganz schnell."
"Ja?" fragte die Schwester zaghaft, nicht ohne einen Anflug von Hoffnung.
"Sicher"
"Kommt die Mama nun bald?"
"Ja, bestimmt."
"Warum ist sie nicht schon gestern gekommen?"
"Sie hat wohl keine Milch und keine Brötchen mehr gekriegt."
"Oh ja, Milch und Brötchen."
"Wir müssen auf die Mama warten, sie bringt Milch und Brötchen mit."
"Kommt sie bald? Ich habe Hunger."
"Ja, sie kommt bald."
 
B

bluefin

Gast
jetzt, miss @stiller, wärs für den walfisch eine glatte 11...*sigh*...

liebe grüße aus münchen

bluefin
 
K

KaGeb

Gast
Hallo Erika,

"Herzlich willkommen" auch von mir. Ein sehr ernstes Thema hast du dir da ausgesucht - aber eine ansprechende Sprache hiefür gefunden.
bluefins Vorschläge hast du umgesetzt - das finde ich gut. Tatsächlich war der letzte Absatz unnötig - und doch habe ich (aus meiner Sichtweise) weitere Vorschläge:


Die Kinder warteten schon seit Stunden. [blue]("Cut"=Neue Zeile)[/blue]
Langsam bekamen sie Hunger. Das Wenige, das [strike]die Mutter[/strike] [blue]Mutti[/blue] ihnen dagelassen hatte, war schon aufgegessen. Es war nicht viel gewesen[strike],[/strike][blue]:[/blue] e[blue]E[/blue]in paar Kekse, für jeden eine Scheibe Brot.[blue] (Cut)[/blue]
Zu Trinken gab es nur noch Leitungswasser. Den Saft hatten die Kinder zu den Keksen getrunken und Milch war schon aus, bevor [strike]die Mutter[/strike] [blue]Mutti[/blue] weggegangen war.
Sie hatte auf dem Heimweg Milch und Brötchen einkaufen wollen. Doch nun war es dunkel. [blue](Cut)[/blue]
Hatten die Läden überhaupt noch auf? Wenn es dunkel ist, dann ist es spät und [strike]also[/strike] Zeit fürs Bett. [blue](Cut)[/blue]
So hatten es die Kinder gelernt. Wenn es draußen dunkel ist, muss man zu Hause sein. [strike]Denn[/strike] d[blue]D[/blue]ann war alles zu draußen, der Kindergarten, die Schule, der Spielplatz, der Supermarkt, Annas Lädchen. Dann konnte man draußen nichts mehr machen, nicht spielen, keine anderen Kinder mehr treffen und auch keine Süßigkeiten mehr kaufen. Dann musste man ins Bett.
Die Kinder waren ratlos. Sie wussten nicht, was sie machen sollten. Sollten sie auf die Mutter warten, oder [strike]sollten[/strike] sie ins Bett gehen? [blue](Cut)[/blue]
Die Situation war neu für sie; so lang hatte die Mutter sie noch nie [strike]zuvor[/strike] allein gelassen. [blue](Cut)[/blue]
Angst kroch in ihre kleinen Körper und gewann Gewalt über sie. [blue](Cut)[/blue]
Das Mädchen spürte sie schon seit einer ganzen Weile, die Angst. Deshalb hatte sie auch viel geweint. Sie war nicht gern allein, im Dunkeln, ohne [strike]die Mutter[/strike] [blue]Mutti[/blue]. Jetzt war sie müde vom Weinen, traute sich aber nicht[blue],[/blue] zu schlafen. [strike]Die Mutter[/strike] [blue]Mutti[/blue] konnte ja jeden Moment kommen, musste jeden Moment kommen. Da wollte sie wach sein und der Mutter zeigen, wie gut sie gewartet hatte. [blue](Cut)[/blue]
Der Junge, der große Bruder, der schon zur Schule ging, in die erste Klasse, der Junge hätte ihr gerne gesagt, sie könne ruhig schlafen, er würde sie dann wecken, sobald er die Mutter höre. Doch er traute sich nicht. Allein mit seiner Schwester [strike]in dieser ungewohnten Situation,[/strike] im Dunkeln, und niemand sonst[blue],[/blue] mit dem er hätte reden können? Solange seine Schwester wach war, hatte er eine Aufgabe. [blue](Cut)[/blue]
Pass gut auf deine Schwester auf, hatte die Mutter zu ihm gesagt, ich werde nicht lange weg sein, am Abend komme ich zurück. [blue](Cut)[/blue]
Nun war es Abend, die Mutter musste also gleich kommen. Sie würde Brötchen und Milch mitbringen und sie würde sie in den Arm nehmen. Ganz bestimmt würde sie das. Da war sich der Junge sicher. Er war sich dessen sicher, solange seine Schwester wach war, und er ihr dies wieder und wieder sagen konnte.
"Mach das Licht an, bitte."
"Du weißt doch, die Mama mag es nicht, wenn wir Licht machen. Nur die Großen dürfen Licht machen."
"Aber es ist schon so dunkel und ich habe Angst. Wenn wir Licht haben, weine ich auch nicht mehr. Und dann können wir auch was spielen."
Der Junge hatte keine Lust zum Spielen, aber er fühlte sich auch nicht wohl im Dunkeln. Die Wohnung wirkte so anders im Dunkeln ohne seine Mutter, so fremd. [blue](Cut)[/blue]
Dem Mädchen war auch nicht wirklich nach Spielen zumute. Es hatte Hunger, war müde und wollte nur noch, dass [strike]die Mutter[/strike] [blue]Mutti[/blue] zur Tür reinkam und alles wieder war wie immer.
Die Mutter kam nicht. [blue](Cut)[/blue]
Der Junge machte Licht. Es wurde kühl, den Kindern war kalt. Sie trauten sich nicht, eine Decke zu holen. Aneinander gekuschelt schliefen sie ein.
Als die Geschwister aufwachten, dämmerte es bereits. Beide Kinder waren nass. Das Mädchen weinte wieder, wusste sie doch, wie wenig die Mutter es leiden konnte, wenn die Hose nass war. Ihr Bruder tröstete sie, er wolle ihnen saubere Hosen aus dem Schrank holen. [strike]Das beruhigte die Schwester etwas. Der Junge versuchte die Tür des Kinderzimmers zu öffnen, doch es ging nicht. Sie war abgeschlossen. Da drückte er die Klinke zum Schlafzimmer der Mutter, auch abgeschlossen. Er probierte sein Glück an der Wohnzimmertür, abgeschlossen. Das Mädchen weinte nun heftig.[/strike]
"Weine nicht", bat [strike]sie[/strike] der Bruder, "ich wasche [strike]uns[/strike] die Hosen aus. Sie trocknet[blue]n[/blue] sicher ganz schnell."
"Ja?" fragte die Schwester zaghaft, nicht ohne einen Anflug von Hoffnung.
"Sicher"
"Kommt die Mama nun bald?"
"Ja, bestimmt."
"Warum ist sie nicht schon gestern gekommen?"
"Sie hat wohl keine Milch und keine Brötchen mehr gekriegt."
"Oh ja, Milch und Brötchen."
"Wir müssen auf die Mama warten, sie bringt Milch und Brötchen mit."
"Kommt sie bald? Ich habe Hunger."
"Ja, sie kommt bald."


Vielleicht kannst du was davon gebrauchen!? Ein guter Plot, den ich gern gelesen habe.

LG, KaGeb
 
B

bluefin

Gast
mein lieber @kageb,

die absätze nähmen der schrecklichen situation den flow, finde ich. ich würde sie nicht machen.

"mutti" ist eine verballhornung des begriffes "mutter". er wird von manchen kindern in der direkten rede gebraucht, vielfach auch von ehemännern (dann eher herablassend). in dieser geschichte nennen die kinder ihre mutter "mama". der begriff "mutti" hat also nichts verloren.

nach einem doppelpunkt wird klein weiter geschrieben, wenn kein ganzer satz folgt.

das mit den vielen zugesperrten türen ist, wie schon einemal gesagt, in der tat unnötig. nicht aber der hinweis darauf, dass die situation, nachts allein mit seiner schwester zu sein, für den jungen ungewohnt ist - damit wird dem leser klar, das hier etwas ungewöhnliches passiert. und auch der satz, dass sich die kleine schwester beruhigt, als der junge sagt, er wird ihm die hose trocken machen, ist wichtig: was für ein großer bruder!

liebe grüße aus münchen

bluefin
 

Retep

Mitglied
Morgen Erika,

obwohl ich nicht weiß, wie alt die beiden Kinder sind, wie sie aussehen, warum die Mutter nicht wiederkommt etc., hat mich deine Geschichte sehr betroffen gemacht.
Die Dialoge bringen die Geschichte voran, durch sie konnte ich mich in die Situation der Kinder einfühlen und mitfühlen.

Im Vergleich mit der ersten Fassung hast du die "Pointe" weggelassen, wie bluefin empfohlen hat. Ich sehe das wie er, der ehemalige Schluss hätte die Geschichte völlig kaputt gemacht!

Deine Geschichte erinnert mich im weitesten Sinne an eine andere, die ich vor längerer Zeit gelesen habe.
Michaels, A.:Fluchtstücke:
In dem Roman lässt eine jüdische Familie ihren Sohn allein in einem Zimmer zurück, er hofft vergeblich, dass sie bald wiederkommt.

Habe deine Geschichte sehr gerne gelesen,der Stil hat mir sehr gefallen, der offene Schluss lässt eigene Gedanken zu.

Gruß

Retep
 
S

suzah

Gast
hallo erika stiller,
jetzt ist die geschichte viel besser!
dieser in vielen teilen fragwürdige schlußabsatz ist entfallen und alles bleibt jetzt der fantasie des lesers überlassen,

liebe grüße suzah
 
Die Mutter

Die Kinder warteten schon seit Stunden. Langsam bekamen sie Hunger. Das Wenige, das die Mutter ihnen dagelassen hatte, war schon aufgegessen. Es war nicht viel gewesen, ein paar Kekse, für jeden eine Scheibe Brot. Zu Trinken gab es nur noch Leitungswasser. Den Saft hatten die Kinder zu den Keksen getrunken und Milch war schon aus, bevor die Mutter weggegangen war.
Sie hatte auf dem Heimweg Milch und Brötchen einkaufen wollen. Doch nun war es dunkel. Hatten die Läden überhaupt noch auf? Wenn es dunkel ist, dann ist es spät und also Zeit fürs Bett. So hatten es die Kinder gelernt. Wenn es draußen dunkel ist, muss man zu Hause sein. Denn dann war alles zu draußen, der Kindergarten, die Schule, der Spielplatz, der Supermarkt, Annas Lädchen. Dann konnte man draußen nichts mehr machen, nicht spielen, keine anderen Kinder mehr treffen und auch keine Süßigkeiten mehr kaufen. Dann musste man ins Bett.
Die Kinder waren ratlos. Sie wussten nicht, was sie machen sollten. Sollten sie auf die Mutter warten, oder sollten sie ins Bett gehen? Die Situation war neu für sie; so lang hatte die Mutter sie noch nie zuvor allein gelassen. Angst kroch in ihre kleinen Körper und gewann Gewalt über sie. Das Mädchen spürte sie schon seit einer ganzen Weile, die Angst. Deshalb hatte sie auch viel geweint. Sie war nicht gern allein, im Dunkeln, ohne die Mutter. Jetzt war sie müde vom Weinen, traute sich aber nicht zu schlafen. Die Mutter konnte ja jeden Moment kommen, musste jeden Moment kommen. Da wollte sie wach sein und der Mutter zeigen, wie gut sie gewartet hatte. Der Junge, der große Bruder, der schon zur Schule ging, in die erste Klasse, der Junge hätte ihr gerne gesagt, sie könne ruhig schlafen, er würde sie dann wecken, sobald er die Mutter höre. Doch er traute sich nicht. Allein mit seiner Schwester in dieser ungewohnten Situation, im Dunkeln, und niemand sonst mit dem er hätte reden können? Solange seine Schwester wach war, hatte er eine Aufgabe. Pass gut auf deine Schwester auf, hatte die Mutter zu ihm gesagt, ich werde nicht lange weg sein, am Abend komme ich zurück. Nun war es Abend, die Mutter musste also gleich kommen. Sie würde Brötchen und Milch mitbringen und sie würde sie in den Arm nehmen. Ganz bestimmt würde sie das. Da war sich der Junge sicher. Er war sich dessen sicher, solange seine Schwester wach war, und er ihr dies wieder und wieder sagen konnte.
"Mach das Licht an, bitte."
"Du weißt doch, die Mama mag es nicht, wenn wir Licht machen. Nur die Großen dürfen Licht machen."
"Aber es ist schon so dunkel und ich habe Angst. Wenn wir Licht haben, weine ich auch nicht mehr. Und dann können wir auch was spielen."
Der Junge hatte keine Lust zum Spielen, aber er fühlte sich auch nicht wohl im Dunkeln. Die Wohnung wirkte so anders im Dunkeln ohne seine Mutter, so fremd. Dem Mädchen war auch nicht wirklich nach Spielen zumute. Es hatte Hunger, war müde und wollte nur noch, dass die Mutter zur Tür reinkam und alles wieder war wie immer.
Die Mutter kam nicht. Der Junge machte Licht. Es wurde kühl, den Kindern war kalt. Sie trauten sich nicht, eine Decke zu holen. Aneinander gekuschelt schliefen sie ein.
Als die Geschwister aufwachten, dämmerte es bereits. Beide Kinder waren nass. Das Mädchen weinte wieder, wusste sie doch, wie wenig die Mutter es leiden konnte, wenn die Hose nass war. Ihr Bruder tröstete sie, er wolle ihnen saubere Hosen aus dem Schrank holen. Das beruhigte die Schwester etwas. Der Junge versuchte die Tür des Kinderzimmers zu öffnen, doch es ging nicht. Sie war abgeschlossen. Das Mädchen weinte nun heftig.
"Weine nicht", bat sie der Bruder, "ich wasche uns die Hosen aus. Sie trocknen sicher ganz schnell."
"Ja?" fragte die Schwester zaghaft, nicht ohne einen Anflug von Hoffnung.
"Sicher"
"Kommt die Mama nun bald?"
"Ja, bestimmt."
"Warum ist sie nicht schon gestern gekommen?"
"Sie hat wohl keine Milch und keine Brötchen mehr gekriegt."
"Oh ja, Milch und Brötchen."
"Wir müssen auf die Mama warten, sie bringt Milch und Brötchen mit."
"Kommt sie bald? Ich habe Hunger."
"Ja, sie kommt bald."
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
supi,

jetzt passt man bloß die überschrift nicht mehr.

bluefin, wie kommst du darauf, daß nach einem doppelpunkt immer klein weitergeschrieben wird, wenn kein vollständiger satz folgt? ist nicht eher das gegenteil der fall?
lg
 
B

bluefin

Gast
es kreist in dem eindrucksvollen text alles um die mutter, obwohl oder weil sie gar nicht da ist. warum sollte sie daher nicht im titel genannt werden? der titel ist der beste, den ich mir vorstellen kann.

wg. der rechtschreibfrage empfehle ich eine einschlägige fachliteratour.

liebe grüße aus münchen

bluefin
 
K

KaGeb

Gast
Wegen der Schreibweise nach Doppelpunkt habe ich also tatsächlich mal recherchiert - und das hier gefunden:


Schreibung nach Doppelpunkt:

Nachdem neuerdings nicht mehr unterschieden wird, ob der Satz nach dem Doppelpunkt eine Schlussfolgerung ist, gilt folgende Regelung:

Handelt es sich um einen Ganzsatz, wird großgeschrieben.

Beispiel für Ganzsätze:

Es ist vorbei: Das Spiel ist aus.
Es gibt keine andere Wahl: Der Zug ist weg.

Merke:

Handelt es sich nicht um einen ganzen Satz, wird nach dem Doppelpunkt kleingeschrieben.


Beispiele:
Sie hatte alles bestritten: die Lügen, die Diebstähle, die Beschuldigungen.
Er hat alles verloren: die Arbeit, das Geld, das Haus und die Frau.


... und wieder was gelernt ;) Im o.g. Korrekturvorschlag beuge ich mich bluefins Hinweis mit der Kleinschreibung, da es sich demnach nicht um einen ganzen Satz handelt.

Gruß, und Danke, bluefin
 
B

bluefin

Gast
mein lieber @kageb, bitte beug dich nicht vor den hinweisen eines doofen walfischs.

lass uns stattdessen beide vor den regeln in die knie gehn, okay?

liebe grüße aus münchen

bluefin
 
K

KaGeb

Gast
Ja, ok, vor diesen ganzen sinnvollen und eindeutig leicht zu erlernenden "Wieso-wusste-ich-das-nicht"-Regeln ;)

LG, KaGeb
 
N

nobody

Gast
bluefin schrieb:
... dieser "epilog" ist so überflüssig wie ein kropf. ich würde ihn weglassen und die ängste der kinder nicht "auflösen" - sie bleiben ja ohnehin ein leben lang bestehen, mag da noch kommen was will...
Manchmal nervt er mich ja arg, dieser bluefin, aber für solche Tipps/Ratschläge/Hinweise verzeihe ich ihm einiges. Hochachtung auch vor der Autorin, die dem Rat gefolgt ist. Die aktuelle Version finde ich stark.

LG Franz
 
S

samuel

Gast
danke! ein schöner text! er hat mich in meine kindheit versetzt und das ausgesprochen,.was ich damals fühlte.

LG, samuel
 

FrankK

Mitglied
Hallo, Erika Stiller

Ich empfinde Deinen Text als 'Gut'. Er berührt mich, wenn auch nicht als unmittelbar Betroffener.
Er zeigt deutlich die Stärke von Kindern und die Schwäche von potenziellen Eltern.
Ohne heroischer Übertreibung oder demonstrativer Betroffenheit, zeigt er still und leise, aber ebenso eindrucksvoll, die Beziehung zwischen Eltern und Kindern - egal, wie bedrückend es auch sein mag.


Viele Grüße
Frank
 
B

bluefin

Gast
so, wie der text jetzt aussieht, zeigt er keineswegs die "schwäche" einer mutter: es bleibt offen, warum sie ausbleibt, und es kann durchaus sein, dass ihr bei dem (schwierigen) bemühen, ihren kindern milch und brot zu verschaffen, etwas zugestoßen ist. es wird darüber hinaus nicht nur deutlich gemacht, dass der kleine bruder schon ein ganz großer ist, sondern dass beide geschwister sehr an ihrer mutter hängen.

wie man die beschreibung des unglücks der kinder mitsamt ihrem weinen und einnässen als "still und leise" missverstehen kann, wundert. deutlicher und lauter kann man über verzeiflung kaum schreiben, findet der walfisch. vulgär nennt man sowas auch "herzrerreißend".

schade, dass die autorin trotz der vielen zuschriften zu ihrem text keinen direkten kontakt mit uns aufnehmen kann oder will (eine persönliche e-mail kann diesen nicht ersetzen).

falls es dich noch gibt, miss stiller: was ist los?

liebe grüße aus münchen

bluefin
 



 
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