Die Nacht

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Die Nacht
Was hat es mir dieser Nacht auf sich? Woran liegt es, dass ich immer dann, wenn ich im Bett liege wach bin? Den ganzen Tag quäle ich mich damit meine Augen aufzuhalten, nicht einzuschlafen. Ich trinke Kaffe, eine Tasse, zwei, drei Kannen, und wacher werde ich dennoch nicht! Sogar die guten Coffein Tabletten aus der Apotheke helfen mir nicht mehr. Tagsüber will ich immer nur das eine, schlafen, mich einfach hinlegen und…. Aber nein, die Welt musste ja den Tag als aktives Leben aussuchen, wer hatte eigentlich diese verdammte Idee? Erschlagen sollte man alle Verantwortlichen!
Die Nacht ist doch viel vertrauter, na ja, wenigstens bin ich dann wach. Nachts, wenn alles im Dunkeln ist, finde ich es eh viel schöner, man sieht ja auch nichts. Es gibt keine hässlichen Menschen, keine grauen Regenwetterwolken, keine totgefahrenen Tiere auf der Strasse. Nur Schatten, Geräusche, Bewegungen. Das Fühlen ist so viel stärker, unsere Sinne so viel wacher, ertasten müssen wir die Welt, nicht einfach nur erkennen.
Panikanfälle beim knistern von Herbstblättern, Schritte um uns herum die nicht die unseren sind. Nachts sind ganz andere Dinge wichtig als am Tage. So viele Statussymbole würden an Bedeutung verlieren, im Dunkeln sieht alles gleich aus, kein Mensch ist schöner als der andere, Make-Up wäre reine Zeitverschwendung, Kleidung nicht mehr wichtig. Wir müssten uns danach richten was wir fühlen. Stimmen von Freunden erkennen, und von Fremden unterscheiden, einander berühren um uns zu sehen.
„Es ist eine große, warme und weiche Brust, hier eine Narbe, vielleicht von einer Blinddarmentfernung, und da ein kleines Grübchen direkt unterm Bauchnabel…. Oh, und sie bekommt eine Gänsehaut, wenn ich sie berühre, ich muss ihr also sehr vertraut sein, ….mhh und ihr Atem riecht nach Zigaretten ….Nina?!“
Es wäre so viel vertrauter jemanden zu kennen, ohne nur zu wissen, wie er aus“sieht“!
Aber nein, Ihr wolltet ja den Tag zum leben! Das Licht, in dem wir nicht einmal frei denken können, weil unser Kopf so voll ist von äußeren Einflüssen, hier ein Laden, da ein Plakat, kein Platz mehr für eigene Gedanken.
Die Nacht ist doch viel angenehmer als der Tag, kein Stress, keine Hektik. Fast alles was Spaß macht, tun wir nachts, wir feiern, trinken, lieben. Und sogar schwimmen ist doch unter dem Mond entspannender als in der Sonne, kein Sonnenbrand, kein schwitzen, nachts wenn der Mond sich auf der glatten, fast gläsernen Wasseroberfläche spiegelt und alles unter ihm in ein tiefes Schwarz verwandelt. Wie vertraut es dann ist, an einem Lagerfeuer zu sitzen, mit Menschen die man liebt, einer spielt Gitarre, eine anderer fängt an leise mitzusingen, eingekuschelt in Decken, den kalten, klammen Sand an den Füßen.
Wie kann der Tag das toppen? Wer hat nur entschieden, dass das Licht die Zeit unseres Lebens regelt?
Den Tag kann man aussperren, man verdunkelt den Raum, macht das Licht an, und schon ist es Nacht. Wir können eine Nacht vortäuschen. Die Nacht dagegen, die müssen wir akzeptieren, wir können nicht einfach das Licht ausschalten und die Vorhänge öffnen, es wird nicht auf einmal hell. Die Nacht ist immer da, wir können keinen Tag vortäuschen. Die Dunkelheit ist ein viel elementarer Bestandteil der Welt.
Aber nein, Ihr wolltet ja den Tag, konntet der Nacht nicht einmal eine Chance einräumen. Vielleicht hätte sie euch ja sogar gefallen.
So sitze ich nun weiter hier, nachts, versuche zu schlafen, weil ihr es so wollt, weil ich wie jeder andere Mensch ja nun auch sein Leben am Tag zu leben habe. Male mir bis 6 Uhr morgens aus, wie es wäre den gesamten Lebensrhythmus zu ändern, und schlafe ein, gerade dann, wenn die Sonne hinter mir aufgeht.
 



 
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