Die Rose

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Elfi

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Die Rose

Grau drängten sich die drohenden Regenwolken an jenem trostlosen Tag Ende Oktober am Himmel und vom Friedhof aus betrachtet sah das Ganze noch deprimierender aus. Wie jede Woche, wenn ich am Grab meiner Frau war, verweilte ich anschließend auf der kleinen Bank unterhalb der großen Tannen, betrachtete die nähere Umgebung und die anderen Menschen, die den Gottesacker aufsuchten. Manchmal fragte ich mich beim Anblick der Besucher, welche Beweggründe sie nach hier trieb. An jenem Tag sah ich zu der Frau in der schwarzen Jacke, die vor dem mit Buchsbaum begrenzten und mit pflegeleichtem Grün bepflanzten Grab ihres Mannes stand, das weder Kreuz noch Grabplatte zierte. Ich hatte sie schon einige Male hier gesehen, doch sie kam nur zu besonderen Anlässen, so wie an jenem Tag, kurz vor Allerheiligen um das Grab zu pflegen. Sie ging alsdann in die Hocke, um zwischen dem Grün zu harken und ihr Atem stand in weißen Wolkenschwaden vor ihrem Gesicht.
Sie schien sich mit der Grabpflege zu beeilen, als ob es ihr unangenehm war, diesen Ort aufzusuchen; als betrachtete sie das Grab ihres an Herzinfarkt verschiedenen Mannes nur als Verwahrstation für die Überreste menschlichen Lebens, als das Ende von allem.
Manchmal blickte sie zum Grab zur rechten Seite herüber, auf dem schon Heidekraut gepflanzt war, und neben der Steinplatte, in der der Name eines jungen Mannes gemeißelt stand, befand sich ein Wintergesteck. Während sie erneut herüber sah, klagte sie: „Warum hat Gott das nur zugelassen? Wir haben uns geliebt!“ In ihrem Blick lag Bitternis und sie hieb mit voller Wucht die Harke in die feuchte Erde, ehe sie ein kleines Gesteck an der rechten, oberen Ecke platzierte und noch etwas verweilte, um das Grab zu betrachten.
Ich wendete meinen Kopf und sah zum Weg, über dem in jenem Augenblick eine junge Frau eilte, die in ihrer rechten Hand eine einzelne, weiße Rose hielt und das Grab des jungen Mannes ansteuerte. Am unteren Ende stehend betrachtete sie die Blumen und das Gesteck, und schien sich über den Anblick zu freuen, ehe sie ihre Rose vor dem Gesteck auf der Steinplatte niederlegte. Während sie erneut zum unteren Ende ging, raunte die Frau von nebenan:
„Unnütz!“ Die junge Frau mit der Brille sah ihr Gegenüber an und fragte: „Was soll unnütz sein?“
„ Die Rose! Die ist doch eh bald erfroren!“, erklärte sie und ich war neugierig, wie die weitere Unterhaltung ablaufen würde.
„Dann bringe ich ihm eine neue Rose!“, meinte die Brillenträgerin, die in etwa dreißig Jahre alt zu sein schien.
„Das ist doch unnütz!“, ereiferte sich die Ältere, „ Da hat er doch nichts von; er sieht sie schließlich nicht!“
„Auch wenn er die Rose nicht sieht, mein Freund hat sie verdient, und eine Geste der Wertschätzung ist nie unnütz! Im Grunde genommen ist die Rose wie die Liebe, die ich ständig erneuere, um sie lebendig zu halten!“
Die Ältere schaute die Jüngere ziemlich skeptisch an und fragte: „ Und was haben Sie davon?“
Die junge Frau hielt einen Moment inne, ehe sie antwortete: „Muss ich was davon haben? Wenn ich sehe, dass das Grab meines Freundes neu bepflanzt wurde und mit frischen Blumen geschmückt ist, freue ich mich, dass seine Angehörigen ihn nicht vergessen haben. Warum sollte die Freude über diese lieben Gesten nicht die erreichen, für die die Blumen bestimmt sind?“
Die ältere Frau schwieg und stand noch eine ganze Weile vorm Grab ihres Mannes, während die Jüngere mit einem leichtem Lächeln im Gesicht den Friedhof verließ.
Auch ich saß an jenem Tag noch lange auf der Bank und dachte nach, während ich aus der Entfernung zur weißen Rose dieser lebendigen Liebe blickte.

Wie groß das Echo dieser weißen Rose damals war, ahnte die junge Frau sicher nicht: Wenn ich heute auf dem Friedhof verweile, freue auch ich mich darüber, auf jenem Grab wieder eine weiße Rose liegen zu sehen, und denke, dass dieser junge Mann, obwohl ich ihn nicht kannte, auch meine Freude spüren kann.
 
B

Burana

Gast
Hallo Elfi!
Da ist viel Tiefe drin. Um das rüber zu bringen, was ich zwischen den Zeilen lese, müsstest Du am Text noch ein bisschen feilen. Das holpert gelegentlich. Schaust Du noch mal drüber? Liebe Grüße! Burana
 



 
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