Die Sache mit dem Griechen

5,00 Stern(e) 2 Bewertungen

Anna Osowski

Mitglied
Eine kleine Urlaubs-Erinnerung in fünf Kapiteln:

(mit herzlichem Gruß an majissa... ;) )

• Der Tag
• Der Abend
• Der Tanz
• Der Kuss
• Die Bestürzung


Was macht eine alleinstehende, attraktive,
überarbeitete, junge Frau während eines vierwöchigen
Aufenthaltes auf einer abgelegenen, kleinen
griechischen Insel? Nun, zunächst einmal die
naheliegenden Dinge wie: Dreimal täglich Salat mit
Schafkäse essen, die Sonne auf der Haut brutzeln
lassen, sich über den Sand zwischen den Buchseiten
ärgern, tiefsinnig ins Meer starren, ab und an Retsina
und Ouzo schlürfen und mit ihrer Freundin über den
Sinn des Lebens philosophieren


Der Tag

Gelegentlich lässt sich jedoch ein verschämter Blick
auf den einen oder anderen jungen Adonis am Strand
nicht vermeiden. Zusätzlich wirkt die Musik (die Dame
von Welt trägt Walkman) stimulierend und die Sonne
treibt Hormone wild ins Blut. Das Unvermeidliche
geschieht: Mein Blick bleibt an einem jungen Adonis
hängen. Er hat dieses unwiderstehliche dunkle Haar,
zu einem Zopf gebunden, er trägt eine sehr
eigenwillige, irgendwie besonders männliche
Sonnenbrille mit einem silbernen Querstreifen auf der
Oberseite des Gestells. Dann gleitet mein lüsterner
Blick über die breiten Schultern, den muskulösen
Rumpf entlang, harren kurz an einem knackigen
Hintern aus, um die Reise die Beine hinunter zu
beenden. Er fängt meinen Blick auf, erwidert ihn
umgehend. Man könnte sagen: Wir flirten. So etwas
lässt sich genüsslich stundenlang betreiben, ohne
unnötig eine Konversation beginnen zu wollen. Wir
gieren uns also den halben Tag lang gegenseitig an,
um uns in den späten Nachmittagsstunden süffisant
lächelnd und stillschweigend zu verabschieden.


Der Abend

Ich genieße diesen terminlosen Ablauf der
Sommerurlaubstage. Unter der Dusche das Salz vom
Körper spülen, einen halben Liter eiskaltes Wasser
trinken. Mich ganz frisch fühlen, die durstige, erhitzte
Haut mit kühlender Lotion eincremen, duften wie ein
frisch gepflückter Pfirsich. Lächeln. Erholen... Dann in
die Taverne schlendern, eine einfache, kräftigende
Abendmahlzeit verzehren. Den Mond aufgehen sehen.
Hach, einfach nur schön. Bin heute ohne meine Brille
unterwegs, das macht die silberne Sichel noch ein
wenig traumhafter, unwirklicher, schmeichelhafter.
Es ist der Abend vor meinem Geburtstag. Meine
Freundin hat eine Flasche Sekt besorgt, die Insel ist
wirklich sehr abgelegen und mir schwant schon das
Schlimmste. Was den Sekt betrifft...


Der Tanz

Wir gehen Tanzen. Ist nicht unbedingt meine Musik,
aber der einzige Platz weit und breit... Wir sitzen mit
Urlaubsfreunden in Retsina-Laune beisammen, sind
albern, tanzen, lachen. Ausgelassene Laune. So gegen
zwölf köpft meine Freundin den Sekt und ich bin nach
dem ersten Schluck ganz froh, dass beim Öffnen die
Hälfte auf den Steinboden gekleckert ist. Wir stoßen mit
Ouzo an. Wir umarmen uns. Wir lachen. Da seh ich ihn
plötzlich hereinkommen. Knackige Jeans, Hemd ganz
weit offen und diese herrlichen schwarzen Haare im
Nacken gebändigt. Klar, mein Blick wandert
unwillkürlich dorthin. Er scheint mich nicht bemerkt zu
haben, redet auf einen kleinwüchsigen Griechen mit
einer linkischen Körperhaltung ein, steht mit dem
Rücken zu mir. Ich stehe am Rand der Tanzfläche und
wippe im Takt der Musik. Ich bin in so einer
übermütigen Stimmung heute. Bin zu Unsinn aufgelegt.
Da seh ich, wie er sich von dem anderen verabschiedet
und Anstalten macht, die Örtlichkeit zu verlassen. Mist,
denke ich, das geht ja jetzt gar nicht, denke ich. Und
stiefele ihm hinterher.


Der Kuss

Genau als ich am Eingang angekommen bin, steigt er
gerade auf sein Motorrad. Ohne lange nachzudenken,
drücke ich mein Glas irgendeinem Typen in die Hand,
der da gerade herumlungert und gehe auf meinen
Adonis zu. Trete von hinten direkt an ihn heran. Lege
ohne zu zögern meine schweißnasse Hand auf seine
Schulter. Er dreht sich zu mir um und unversehens sind
unsere Lippen zu einem schwindelerregenden Kuss
vereinigt. Unsere Körper drücken sich in plötzlicher
lustvoller Aufwallung aneinander; schmiegen sich mal
hierhin, mal dorthin, unsere Hände fahren durch das
Haar des anderen und am erhitzten Körper entlang.
Nach einigen Minuten lösen wir uns voneinander und
treten zerwühlt und schwer atmend einen Schritt
auseinander.


Die Bestürzung

Da stehen wir und lächeln uns etwas fassungslos an.
Man mag sich das Ausmaß meiner Fassungslosigkeit
vorstellen, das mich ergreift, als ich sehe, wer nun den
Ort der Handlung betritt. Noch etwas benebelt von
diesen hormonell aufregenden Minuten sehe ich im
Augenwinkel einen jungen Griechen durch die Tür
treten. Unwillkürlich drehe ich mich zu ihm herum. Er
trägt sein schwarzes Haar zu einem Zopf gebunden
und die Sonnenbrille über die Stirn geschoben. Es ist
diese Brille mit dem silbernen Querstreifen, es ist mein
Adonis, der da gerade hereinkommt.


Das Fazit

Ich überdenke noch einmal meine Prioritäten und
beschließe, mir nach dem Urlaub umgehend
Kontaktlinsen anzuschaffen
 

majissa

Mitglied
Ein köstlicher Text, Anna! Er liest sich so leicht und spritzig herunter, dass man kaum Arbeit dahinter vermutet. Obwohl mir ja jetzt irgendwas sagt, dass du es ebenso leicht heruntergeschrieben hast wie es sich liest. Handwerklich einwandfrei, inhaltlich fesselnd, witzig und voller Selbstironie. Die Aufteilung ist auch gelungen.

Ja, das hätte mir ganz gewiss auch passieren können. Gerade nach dem Genuss von Sekt, der diese fatalen Jetzt-oder-Nie-Anwandlungen forciert. Ich liebe Sekt, trinke ihn aber vorsichtshalber angekettet und hinter verrammelten Türen. ;)
Wer nun Zweideutigkeiten hier hineinlegt, dem sei versichert, dass dem durchaus nicht so ist.

Lieben Gruß
Majissa (mag auch diese Zöpfchen)
 



 
Oben Unten