Die Schneeflocke Lilli

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Mannhay

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Die kleine Schneeflocke Lilli


Lilli fiel immer tiefer. Der kleinen Schneeflocke wurde ganz schwindlig. Nur gut, dass sie nicht alleine war. Inmitten tausender anderer Schneekristalle schwebte sie der Erde entgegen. Obwohl Lilli schon lange auf diesen Augenblick gewartet hatte, war ihr jetzt doch etwas bang zu Mute.
Die große Schneeflockenfamilie lebte bisher hoch am Himmel, noch über den Regentropfen. Lilli war eine sehr neugierige kleine Schneeflocke. Stundenlang schaute sie hinab zu den Regenwolken. Sie beneidete ein wenig die Regentropfen, wenn diese zur Erde geschickt wurden. Wann endlich kam ihre eigene Zeit?
Lillis Mutter erzählte oft die Geschichte vom Urgroßvater, der mit vielen anderen zu dem stattlichsten Schneemann aller Zeiten verbaut worden war. Damit erfreute er die Menschenkinder, die später wiederum ihren Kindern von diesem Prachtexemplar erzählten.
Pah, was sollte daran schön sein? Nein, Lilli wünschte sich, zu einer Eisblume zu werden. Dann würde sie sehen, wie jene merkwürdigen Wesen, die man Menschen nannte, lebten.
Aber es war noch Herbst auf der Erde und nur die Regentropfen gingen auf die weite Reise. Manchmal kamen sie zurück und prahlten mit ihren Abenteuern. Huh - wie sich die Menschen über sie aufregten! Diese liefen davon und versteckten sich. Nichts machte den Regentropfen mehr Freude, als sich in einem großen Schwarm auf die Menschen zu stürzen.
Lilli dachte bei sich, dass die Regentropfen eine prahlerische Bande seien. Ob es wirklich erstrebenswert war, wenn sich alle vor ihnen fürchteten? Lilli wollte lieber bewundert und bestaunt werden.
Ihre Mutter, die schon oft die Wandlung von einem Regentropfen zu einer Schneeflocke erlebt hatte, wies sie zurecht.
„Unsere Bestimmung kennen wir nicht. Vielleicht wirst du Teil eines Schneesturmes, der über die Erde hinwegbraust. Dann bewundert dich sicher niemand.“
Aber Lilli hörte einfach nicht hin, wenn die Mutter sie wegen ihrer Hoffnungen tadelte. Sie baute weiter an ihrem Traumgebilde. Oh ja, sie würde Teil der schönsten Eisblume sein, die je auf Erden gesehen wurde!
Endlich wurde es richtig kalt. Lilli und die anderen Schneeflocken plusterten sich auf. Sie wurden so schwer, dass sie sich in der Wolke nicht mehr halten konnten. Glücklich schwebte Lilli der Erde entgegen.
Plötzlich wurden die Schneeflocken von dem bösen Nordwind gepackt. In einem wilden Tanz wirbelten sie bald hierhin, bald dahin. Lilli wurde angst und bange. Die mahnenden Worte ihrer Mutter kamen ihr in den Sinn. Sollte diese Recht behalten?
Sie wollte doch nicht Teil eines Schneesturmes sein, sondern eine wunderschöne Eisblume!
Aber sie war zu zart und konnte sich nicht gegen den Nordwind wehren. So ergab sie sich in ihr Schicksal. Sie hoffte nur, nicht auf das Meer hinausgetrieben zu werden und dort zu schmelzen. Dann wäre Schluss mit dem Wunsch eine Eisblume zu werden. Sie würde vorzeitig als Regentropfen zurückkehren. Nur das nicht!
Der Tanz ging über flaches Land und hohe Berge hinweg. Die Menschen versperrten gegen die weiße Herde ihre Fenster und Türen.
Endlich lockerte der wilde Geselle seinen Griff. Erschöpft sanken die Schneeflocken langsam nieder. Wo befanden sie sich? Es war dunkle Nacht, der Mond lugte hinter einer Wolke hervor. Unter ihnen wurde das Reetdach eines kleinen Häuschens sichtbar. Es fing sacht die weißen Geschöpfe auf.
Fest klammerten sie sich aneinander. Ob ihnen das Glück hold war?
Das Wunder geschah! Ein leichter Wind blies die Kristalle an eines der kleinen Fenster. Neugierig schaute Lilli in das Zimmer hinein, in dem zwei kleine Bettchen an der Wand standen. Drinnen schien es kalt zu sein, denn nur zwei blonde Haarschöpfe lugten unter dem Federbett heraus.
Die Schneeflocken suchten Halt an der glatten Scheibe. An einem Sandkorn hielten sie sich fest und bildeten langsam einen Kreis. Immer mehr Kristalle fanden den Weg und bedeckten schließlich die Scheibe gänzlich mit einem zauberhaften Blumenmuster.
Die beiden Kinder, Anne und Frank, rieben sich am Morgen schlaftrunken die Augen und zwinkerten.
„Schau nur, die schöne Eisblumen“, rief das Mädchen seinem Bruder zu. Auf nackten Füßen liefen sie zum Fenster und bestaunten das Wunder. Nah, ganz nah drückten sie ihre Gesichter an die kalte Scheibe. Doch ihr Atem erwärmte das Glas. Im Handumdrehen verwandelten sich die Eisblumen in Wasser und das Bild verschwand. Mitsamt den anderen Schneeflocken wurde aus Lilli wieder ein Wassertropfen, den die Luft hochwirbelte in den Himmel. Dort hofft Lilli nun erneut, dass aus ihr eine Schneeflocke wird. Wenn das nächste Mal Schnee fällt oder auch Regen, begrüße ihn wie einen guten Freund. Vielleicht streift ja Lilli deine Wange.
 

maerchenhexe

Mitglied
hallo Mannhay,

da hast du eine richtig gute Kindergeschichte geschrieben. Wenn ich das gerade richtig gesehen habe dein erstes Werk in diesem Forum. Prima Einstand finde ich. Freue mich schon auf mehr.

ganz lieber Gruß
maerchenhexe
 



 
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