Die Schreibblockade

Maribu

Mitglied
Die Schreibblockade

Als sie vor drei Wochen begann, hatte er sich nichts dabei gedacht. Es gab ja immer mal Zeiten, wo man nicht so gut drauf war. Aber in den Tagen danach erging es ihm nicht anders.
Nach einer einwöchigen selbst verordneten Pause starrte er nun wieder auf das Blatt Papier, das vor ihm auf dem Schreibtisch lag.
Er gehörte zu den Autoren, die ihre Gedanken und Formulierungen handschriftlich festhielten und danach, nach einer Vorkorrektur, in den Computer tippten.
Der weiche Bleistift, zwischen Daumen und Zeigefinger eingeklemmt, wäre sofort einsatzbereit. Aber ihm fiel wieder nichts ein. Es beunruhigte ihn aber immer noch nicht. Namhafte Schriftsteller hatten so eine Krise überwunden. Nur ganz wenige schafften das nicht, weil sie zu viel verfasst, sozusagen leer geschrieben waren. Mit welchen Mitteln sie das überwanden, wusste er nicht. Nur von einem südamerikanischen Dichter hatte er gehört, der sich seine eigenen Manuskripte angesehen und davon so begeistert war, dass er wieder Mut bekam, etwas Neues zu schreiben. - Vielleicht half das auch bei ihm?!
Er holte den Ordner mit den Manuskripten aus dem Regal und begann darin zu blättern. Bei der Geschichte mit dem Titel
"DIE GERECHTE STRAFE" blieb er hängen. Wow! Das hatte er geschrieben? Er war tief beeindruckt und suchte weiter nach Weltliteratur. Ja, der gefiel ihm auch! Dem Text hatte er die Überschrift "LOVE FOR EVER" gegeben, obwohl er in Deutsch abgefasst war. Er konnte es nicht fassen. Das war auch von ihm? Vor Rührung kamen ihm die Tränen. Aber er schämte sich nicht, der Protagonist dieser Geschichte hatte auch geweint.
Eine seiner ersten Geschichten, "NOTWEHR", war ein Krimi.
Man, war der spannend! Er meinte, seinen Herzschlag zu spüren. Was war das für ein wunderbarer, skurriler Schluss!
War das wirklich sein Werk und kein Plagiat? Seltsam war nur, dass keine Zeitung seine Geschichten drucken, kein Verleger seine Manuskripte annehmen wollte. - Aber er war keiner, der aufgab! Er würde es allen zeigen!
Sein Bleistift machte sich selbständig, fand sofort den Einstieg und führte seine Hand Reihe für Reihe über das Papier.
Erschöpft dachte er über den Titel nach. Aber der würde ihm jetzt, beim Korrekturlesen, schon einfallen.

'"Seit Jahren haben wir keine Gemeinsamkeiten mehr! Du erzählst nur von deinen wöchentlichen Kegelabenden und wie gut du wieder warst, wieviel Neunen du abgeräumt hast. Anschließend gibt es die große Feier und nachts kommst du angetrunken nach Haus und erwartest, dass ich dich sehnsüchtig
im Bett erwarte. Wann habe ich zuletzt Blumen von dir bekommen? Unseren Hochzeitstag hast du auch regelmäßig vergessen!" Sie nahm die Brille ab und sah ihn mit zusammen gekniffenen Augen grimmig an. "Das wollte ich dir schon lange sagen!"
"Warum hast du das nicht getan?" fragte er unbeeindruckt.
"Weil ich dich trotzdem irgendwie noch geliebt habe!"
Er lachte höhnisch. "Mein Geld hast du geliebt! Es ist doch ein schönes Leben, morgens auszuschlafen ohne zur Arbeit zu müssen und sich den Tag einzuteilen, wie man möchte!"
"Als wenn das alles wäre!" antwortete sie pikiert.
"Nein, das ist es nicht! Du hast mich wohl für sehr blöd gehalten! Meinst du, dass ich nicht gemerkt habe, dass du an diesen Abenden erst kurz vor mir im Haus warst und sie ausgenutzt hast, um mit deinem Geliebten zusammen zu sein?!
Seit Jahren hast du mich betrogen und gedemütigt. Dafür gibt es nur eine gerechte Strafe! Aber bevor es vorbei ist, sollst du noch wissen, dass es diese Kegelabende gar nicht mehr gibt. Seit fünf Jahren habe ich eine Geliebte!"
Er griff in die Tasche und holte eine Pistole heraus. Der Schuss hallte durchs Wohnzimmer. In Panik floh er aus der Wohnung.
Sie war sehr überrascht, dass er bereits vormittags bei ihr klingelte. "Was ist los mit dir? Warum siehst du so gehetzt aus?"
Er ließ sich in einen Sessel fallen. "Ich habe es getan!"
stammelte er. "Ich bin jetzt frei und doch nicht!"
"Was hast du getan?" fragte sie entsetzt. Er erzählte es stockend. "Um Gotteswillen! Du musst sofort untertauchen. Bei mir werden sie dich zuerst suchen." Sie zog ihn aus dem Sessel hoch. "Auch wenn du mich jetzt verlassen musst, ich werde dich weiter lieben bis an mein Lebensende!" Sie gingen zum Ausgang. Draußen, vor der noch geöffneten Tür, antwortete er: "Sag soetwas nicht! Mache es mir nicht noch schwerer!"
Tränen flossen an seinen Wangen herunter, und er war nicht in der Lage, sie zu unterdrücken.
"Das mag ich so an dir, mein Held!" brach es aus ihr heraus. "Du warst nie ein Macho, warst einfach so wie du bist. Hast dich nie verstellt, hast immer Gefühle gezeigt. Ich werde dich nie vergessen!"
"Ich dich auch nicht! Und denke immer daran, ich hab es für dich getan!" Er drehte sich um und schlich davon.
Er hörte die bekannte durchdringende Sirene und blickte auf die Uhr. Es war zwei Minuten vor zwölf. Wie konnten die das so schnell aufdecken? Kurz danach bremste ein Polizeiwagen und ein Polizist mit gezückter Waffe sprang heraus und stellte sich ihm gegenüber. "Lassen Sie sofort die Waffe fallen!" schrie er und zielte auf ihn.
"Nein, mich bekommt ihr nicht! Es wird ein Duell Mann gegen Mann wie im Film "Zwölf Uhr mittags"!" Er drückte ab, verfehlte aber seinen Gegner. Die fast gleichzeitig abgefeuerte Kugel des Polizisten streckte ihn zu Boden. Blut sickerte aus seinem Mund und seine letzten Worte waren: "Ich werde sie nie vergessen!"
Der Polizist beugte sich zu ihm herunter und sagte: "Ich auch nicht! Sie hat mich sofort telefonisch verständigt. Dabei habe ich doch nur, wie mit ihr abgesprochen, auf deine Beine gezielt. Warum musstest du deinen Kopf so tief halten?!"
 



 
Oben Unten