Die Stadt der toten Gefühle

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IceHand

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»Was ist?«, fragte Jerome.
Mina warf ihm ein flüchtiges Lächeln zu und sah sich wieder die Menschen an, die an ihnen vorbeigingen. Niemand schien sie und Jerome zu beachten.
»Ich frage mich«, sagte sie, »ob sie zuhören werden, wenn wir spielen.«
»Sie müssen.« Er legte die Hand auf ihre Schulter. »Dich können sie nicht übersehen.«
Er zupfte an seiner Gitarre und ließ ein paar Töne über den überfüllten Marktplatz fliegen. »Bist du bereit?«
»Es sieht nach Regen aus.«
»Lass es regnen.«
Sie schluckte und räusperte sich. »Fangen wir an.«
Jerome begann zu spielen, ein langsames und trauriges Lied. Mina schloss die Augen und wiegte sich im Takt der Melodie. Sie vergaß die Welt um sich herum und sah den Mond zwischen den Ästen der Bäume hindurchscheinen. Ihr altes Zuhause, ihr Ort des Friedens lag vor ihr und sie begann mit einer Stimme zu singen, die leise schien, aber über den ganzen Marktplatz zu hören war:


Stille, hör mich flüstern.
Licht, sieh mich tanzen.
Sand, fühl mich gehen.
Wasser, schmeck meine Tränen.

Ihr wisst nicht wo,
ihr wisst nicht wann,
ihr wisst nicht wie,
ich sag euch dann:

Tausend Jahr werden vergehen,
bevor ihr merkt,
dass euer Streben
nach Macht und Geld
nicht andres bringt
als Kummer und Leid.

Stille, hör uns flüstern.
Licht, sieh uns tanzen.
Sand, fühl uns gehen.
Wasser, schmeck unsre Tränen.


Mina öffnete die Augen. Die Menschen standen in einem Kreis um sie und Jerome herum. In ihren Gesichtern sah sie - nichts. Sie beugte sich zu Jerome herüber und Hunderte von Augen folgten ihrer Bewegung.
»W-was bedeutet das, was haben sie?«
»Sie lächeln nicht, sie weinen nicht, was sind das für Menschen?«
Einer aus dem Kreis trat vor und sprach mit dumpfer Stimme: »Diese Art von Musik ist verboten.«
Mina griff nach Jeromes Hand und drückte sie. »Lass uns gehen, das gefällt mir nicht.«
Jeromes Mundwinkel fielen herab. »Dazu ist es zu spät.« Er zog seine Hand aus ihrer und spielte eine wilde Melodie auf seiner Gitarre.

Mina und Jerome wurden nie wieder gesehen.
 
M

Minds Eye

Gast
Hi Icey,
mir gefällt diese kleine Episode eigentlich sehr gut. Ich finde, sie wirkt sehr lebendig. Trotzdem haben sich ein paar Fehlerchen eingeschlichen:
Mina warf ihm ein flüchtiges Lächeln zu und sah sich wieder die Menschen an, die an ihnen vorbeigingen, ohne auch nur einen Blick in ihre Richtung zu werfen <- dies bezieht sich, nach meinem Verständnis, auf Mina. Sie kann sich aber nicht die Menschen ansehen, ohne auch nur einen Blick in ihre Richtung zu werfen. Ist klar, wie´s gemeint ist, stört aber beim Lesen .
»Ich frage mich Komma«, sagte sie. Komma »Ob <-klein weiterschreiben sie zuhören werden, wenn wir spielen.«

Außerdem ist der Imperativ von "sehen" sieh!
Aber wie gesagt, ich finde es eigentlich "anrührend".
Viele Grüße,
ME.
 

IceHand

Mitglied
Ursprünglich veröffentlicht von Minds Eye
Mina warf ihm ein flüchtiges Lächeln zu und sah sich wieder die Menschen an, die an ihnen vorbeigingen, ohne auch nur einen Blick in ihre Richtung zu werfen <- dies bezieht sich, nach meinem Verständnis, auf Mina. Sie kann sich aber nicht die Menschen ansehen, ohne auch nur einen Blick in ihre Richtung zu werfen. Ist klar, wie´s gemeint ist, stört aber beim Lesen.
Nein, bezieht sich auf die Menschen. Ich hab's mal umformuliert:
Mina warf ihm ein flüchtiges Lächeln zu und sah sich wieder die Menschen an, die an ihnen vorbeigingen. Niemand schien sie und Jerome zu beachten.

»Ich frage mich Komma«, sagte sie. Komma »Ob <-klein weiterschreiben sie zuhören werden, wenn wir spielen.«
Du meinst wahrscheinlich:
»Ich frage mich«, sagte sie, »ob sie zuhören werden, wenn wir spielen.«
Aber ja, du hast recht.
 



 
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