Die Standarte der Rabenlegion Teil II

helmut

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Der gefiederte Spion

Schaudernd zog Maximus, der Legatus der Rabenlegion, seine Tunika enger um seinen Körper. Er hatte sich immer noch nicht an die kühlen Morgenstunden in Britannia gewöhnt. Mit einem Seufzer dachte er an die wärmende Sonne in seiner geliebten Heimat - Rom!
Was hatte sich sein Feldherr, der mittlerweile schon in die Jahre gekommene Julius Severus, nur dabei gedacht, ihn und seine Legion hier in diesem verfluchten Britannia zu stationieren.
Er hatte ihm immer treu gedient und manchen Sieg für ihn errungen. Da gab es sicher einige Legionen, die im Kampf nicht so erfolgreich für den Feldherrn waren wie Maximus‘ Mannen. Von denen hätte Julius doch Eine zum Hadrianswall entsenden können. Dort hätten sich die Erfolglosen beweisen können.
Seine Augen streiften den Wald am Horizont. Seit zwei Tagen stand er nun jeden Morgen auf diesem Wachturm und schaute in die Ferne. Sein Blick verlor sich im dichten Grün des Waldes, wenn der Nebel es zuließ.
Es war nun bereits einen Monat her, als er die III. Kohorte seiner Legion unter der Führung seines Zenturio Marcus zur Erkundung der militärischen Lage an den Hadrianswall gesandt hatte. Die Kohorte hätte längst zurück sein sollen. Wenn sie heute nicht zurückkehrt, würde er morgen in der Frühe Kundschafter aussenden müssen um zu erfahren, warum Marcus mit seiner Truppe noch nicht angekommen ist.
Langsam stieg die Sonne höher und Maximus spürte ihre Wärme auf seiner Haut. Es war einer dieser Vormittage, an dem er am nebelfreien Horizont im Norden den Wald vom
Kastell Parisi aus sehen konnte.
Oft bedeckte dichter Nebel die Grasfläche zwischen dem Schutzwall und dem dunklen Wald.
Damit kein Feind vom Wald her ungesehen das Kastell erreichen kann, ließ er das Gras bis zum Wall von den Einwohnern der umliegenden Dörfer kurz halten. Mittlerweile wurde diese Arbeit von den Dorfbewohnern ohne Murren erledigt. Das war aber nicht immer so: anfangs mussten die Peitschen seiner Soldaten die Einwohner von der Wichtigkeit der Arbeit überzeugen. Die Hinrichtung der Dorfältesten samt ihren Familien; sie ließ er öffentlich kreuzigen, brach den letzten Widerstand und die Arbeiten wurden seither zu seiner Zufriedenheit ausgeführt.
„Kra, kra“, der Ruf eines über ihm fliegenden Raben schreckte ihn aus seinen Gedanken auf.
Der schwarze Vogel setzte sich auf die ihm gegenüberliegende Brüstung des Wachturms und schaute ihn neugierig an.
Maximus wusste nicht warum, aber der Vogel war ihm unheimlich. Seit er mit seiner Legion vor zwei Monaten in Parisi eingezogen war, verging kein Tag, an dem er das Tier nicht anstarrte.
Ein Räuspern ließ ihn erschreckt herumfahren.
Jeth, sein keltischer Kundschafter und Träger der Legionsstandarte, stand vor ihm.
Er hatte nie verstanden warum Julius Severus ausgerechnet einen Kelten zum Träger dieser Standarte auserkoren hatte.
Mehrmals hatte er seinen Kommandeur darauf hingewiesen, dass Jeth hier in der Nähe der keltischen Stämme seine Treue zur römischen Legion verlieren und mit der Standarte zu den Kelten überlaufen könnte.
Aber Julius war fest von der Loyalität und Treue Jeths zu ihm überzeugt. Nachdem Julius Sohn im Knabenalter schwer erkrankt und verstorben war, hatte er dessen Freund Jeth fast wie seinen Sohn behandelt, ihn mit Liebe erzogen und gefördert.
Julius war überzeugt davon, dass Jeth, der als Sohn eines keltischen Fürsten in Geiselhaft bei den Römern verweilte, längst ein Römer geworden war und somit keine Gefahr für die Legion des Maximus darstellte.
Jeth war sehr hilfsbereit und immer lustig, was ihn bei den Offizieren und Soldaten sehr beliebt machte. Die Warnungen, dem jungen Kelten nicht zu sehr zu vertrauen, wurden daher nur zu gerne überhört.
Maximus war überzeugt, der Einzige zu sein, der die Unruhe des jungen Kriegers bemerkt hatte, seit dieser in Parisi angekommen war und jetzt so nahe am Hadrianswall, so nahe an seiner alten Heimat war. Täuschte er sich oder begrüßte Jeth den auf der Balustrade sitzenden Raben mit einem Lächeln, noch bevor er seinen Legatus Maximus mit einem „Ave Maximus“ bedachte.
Seine Gedanken abschüttelnd und ohne höflichen Gruß antwortete er dem Träger der Standarte: „Was gibt es, warum störst du mich bei meiner morgendlichen Kontrolle der Wachen?“
„Verzeiht Herr, ich nahm an, dass eure Inspektion beendet sei. Es ist ein Bote des Fürsten Helu eingetroffen, der euch sprechen möchte.“
„Helu einen Fürsten zu nennen kann auch nur einem Kelten einfallen. Für uns Römer ist er der Anführer einer Räuberbande.“
Jeth bemerkte sehr wohl die Beleidigung in den Worten seines Befehlshabers: bewusst nannte er ihn einen Kelten.
Doch der junge Legionär hatte sich nie der Illusion hingegeben, ausgerechnet er, die keltische Geisel, werde von seinem Ziehvater und den Männern der Legion als vollwertiger Römer betrachtet - immer würde er auch der Kelte bleiben.
Hätte sein Ziehvater Julius in ihm einen vollwertigen Römer gesehen, würde er nicht nur die ehrenvolle Rolle des Standartenträgers der Legion innehaben, sondern längst den Rang eines Offiziers bekleiden.
Die Worte Maximus brachten ihn zurück in die Gegenwart.
„Ich gehe jetzt in meine Unterkunft. Den Boten bringst du genau in vier Stunden zu mir. Wollen doch mal sehen, ob ein Räuber so lange geduldig warten kann.“
Der junge Kelte schaute seinem Befehlshaber auf seinem Weg zur Unterkunft ruhig nach. Die Beleidigungen des Maximus gegen sein Volk störten ihn nur wenig.
Da er bis auf die Begleitung des Boten zu seinem Feldherrn keinen weiteren Auftrag mehr zu erledigen hatte, begab er sich zu Taje, dem Boten des Keltenfürsten. Er war begierig darauf, Neuigkeiten von seinem Volk auf der anderen Seite des Hadrianswall zu erfahren.
Dass mit Maximus auch der Rabe verschwunden war, fiel ihm nicht auf.
Maximus kletterte mit Hilfe einer Leiter vom Wachturm herunter und als er den rechten Fuß auf den Boden setzte, versank er bis zum Knöchel im Schlamm.
Natürlich musste das so kommen, dachte er; der schon Tage dauernde Regen hatte den Erdboden im Kastell in eine Schlammfläche verwandelt. Was hatte nur sein Vorgänger in den ganzen Jahren an diesem unwirtlichen Ort gemacht? Warum war der Boden nicht befestigt worden? Die Wohngebäude seiner Legionäre und natürlich seine Unterkunft hätten schon bei seiner Ankunft in einem besseren Zustand sein müssen.
Vorsichtig, um sich nicht übermäßig mit Schlamm zu besudeln, ging er über den Ausbildungsplatz der Legion zu seiner Unterkunft.
Nachdem er es sich vor seinem Tisch auf einem einfachen mit Bärenfellen gepolsterten Holzstuhl bequem gemacht hatte, rief er nach seinem Sklaven Weco, dabei dachte er an den alten, weißhaarigen Mann. Einmal mehr wurde ihm bewusst, dass Weco ihm bereits seit seiner Kindheit als versklavter Diener zur Seite stand.
Schon so manches Mal hatte er geplant, dem alten Mann die Freiheit zu schenken und einen jüngeren Sklaven zu nehmen.
Bisher konnte er jedoch keinen Sklaven finden, der Weco im Hinblick auf Weisheit und Intelligenz das Wasser reichen konnte.
Leise stöhnend betrachtete Maximus seinen mit Papieren voll beladenen Tisch. Verwaltungsaufgaben gehörten nicht zu seiner Lieblingsbeschäftigung, er war Soldat und sah seine Aufgabe im Kampf auf dem Schlachtfeld. Wenn er schon hier in diesem kalten und nassen Britannia stationiert war, dann wollte er auch mit seiner Legion den Hadrianswall überschreiten und die Stämme des Nordens unterwerfen.
Zukünftig konnten diese Verwaltungsaufgaben sein Sklave Weco erledigen. Besonders dann, wenn er ihm noch einen fähigen Zenturio für die soldatischen Aufgaben und einen Beamten zur Unterstützung für die Verwaltungsaufgaben zur Seite stellen würde.
Ein leises Räuspern ließ ihn von seinem Tisch aufblicken.
Vor ihm stand Weco und Maximus fiel erneut auf, wie voll sein weißes Haupthaar noch war und wie edel seine Gesichtszüge wirkten. Sein schlanker Körper steckte in einer weißen Tunika und an seinen Füßen trug er trotz der Kühle nur Sandalen. Man sah Weco an, dass er einmal zu den Edlen des griechischen Volkes gehört hatte.
Maximus lehnte sich in seinem Stuhl zurück und verschränkte die Hände hinter seinem Nacken: „Weco, ich plane grundlegende Veränderungen vorzunehmen.“
Da Weco keinerlei Reaktion zeigte, fuhr Maximus fort, dabei nahm er die Hände vom Nacken und erhob sich von seinem Stuhl: „Wir sind nun schon seit acht Wochen hier im Lager. Das Lager ist noch nicht einmal für einen Haufen Sklaven zumutbar, umso weniger für eine römische Legion. Ich möchte, dass im gesamten Lager befestigte Wege zu allen Unterkünften, Wachhäusern, und Ställen angelegt werden. Mir reicht auch nicht der eine Wall um das Lager. Ich will einen weiteren Wall, sodass unser Lager von einem äußeren und einem inneren Wall umgeben wird. Zwischen den Wällen ist ein tiefer mit Wasser gefüllter Graben anzulegen. Auf den Grund des Grabens sind eng aneinander stehende angespitzte Baumstämme einzurammen. Der Übergang über den Graben ist mit einer Zugbrücke zu gewährleisten.“
Durchdringend sah der Feldherr seinen Sklaven an: „Jetzt fragst du dich, warum ich dir das alles erzähle?“
Hatte Maximus erwartet, dass Weco zumindest nicken würde, so hatte er sich getäuscht. Der alte Mann stand noch immer unbeweglich vor seinem Schreibtisch und verzog keine Miene.
„Nun Weco, ich erzähle es dir, weil ich dich freigeben werde und du dann als freier römischer Bürger die Aufgabe übernimmst. Ich werde dir den Zenturio Roman zur Seite stellen. Er wird dich bei allen militärischen Fragen beraten. Benötigst du auch jemanden zur Beratung für die Erledigung der Verwaltungsaufgaben?“
Gespannt sah Maximus den alten Mann an.
Dieser hatte sich nun seinem Feldherrn zugewandt.
„Nun, ich fühle mich geehrt, Herr. Allerdings gebe ich zu bedenken, dass wir für dieses große Bauvorhaben viel Holz schlagen müssen. Bereits jetzt gibt es weder in der Nähe noch in der weiteren Umgebung des Kastells genügend Holz; unsere Legion und die zwei Dörfer vor unserem Kastell haben kaum noch Feuerholz. Aber das ist nicht alles. Wir vertreiben mit der Rodung auch noch das letzte Wild aus unserer unmittelbaren Umgebung. Woher bekommen wir und auch die Menschen in den Dörfern, dann frisches Fleisch?“
Lächelnd erwiderte Maximus: „Wie weit ist der Hadrianswall von uns entfernt?“
„Zwei Tagesmärsche, Herr.“
„Dann werden wir nicht den Wald hier roden, sondern uns das Holz aus den Wäldern hinter dem Hadrianswall holen. Siehst du ein Problem darin?“
Weco stand immer noch vor dem Tisch des Feldherrn und versuchte, seinem im Raum auf- und abgehenden Herrn mit den Blicken zu folgen. „Der Transport ist kein Problem Herr, nur werden wir mit ständigen Angriffen der Barbaren hinter dem Wall rechnen müssen.“
„Weco, darüber bin ich mir schon im Klaren. Darum höre meinen Plan: die Männer und Frauen aus den zwei umliegenden Dörfern sollen das Fällen der Bäume übernehmen und werden dabei von einer Kohorte bewacht. Glaube mir, keiner wird es wagen, zu fliehen und der Fürst der Kelten wird wohl kaum seine eigenen Leute angreifen. So dürfte das Holz schnell geschlagen sein und der Transport nach Parisi zügig erfolgen. Mein treuer Weco, deine erste Aufgabe als freier Mann wird es sein, den Bau der Festung zu organisieren und zu überwachen. In drei Monaten muss alles fertig sein!“. Weco öffnete den Mund, bevor er jedoch ein Wort sagen konnte, fuhr Maximus fort: „Für die Arbeit bekommst du alle Männer aus den zwei Dörfern und 500 Legionäre. Die Frauen werden erst nach der Aussaat der Ernte zur Arbeit an der Festung herangezogen“.
Erneut hob Weco zu Sprechen an, wurde aber mit einer Handbewegung zum Schweigen gebracht.
„Du kannst gehen, Weco. Schon in fünf Tagen erwarte ich hier die erste Holzlieferung.“
Weco hatte die Tür fast erreicht, als er die jetzt sehr strenge Stimme des Feldherrn vernahm: „Weco, eines noch: jeder Versuch die Arbeiten zu stören, wird gnadenlos bestraft. Jeder: ohne Ansicht der Person!“
Ohne eine Antwort verließ der alte Mann den Raum.
Weder der Alte noch Maximus sahen, wie der Rabe sich vom Fenstersims erhob und Richtung Hadrianswall davonflog.

Hinter dem Wall flog der Rabe in das Dorf Ibensium, und ließ sich auf einem Stapel Brennholz nieder, der vor einer Hütte aufgeschichtet war. Eine alte, grauhaarige in einen tiefschwarzen Umhang gehüllte Frau trat aus der Hütte und ging auf den Vogel zu. Zärtlich streichelte sie ihm das Gefieder. Dabei unterhielt sie sich mit dem Raben in einer für kein menschliches Ohr verständlichen Sprache.
Nach einer Weile drehte sie sich um und schaute zum Mittelpunkt des Dorfes.
Das in der Mitte des Dorfes stehende Blockhaus, wurde von Hütten umkreist und überragte diese auffallend.
Die alte Frau lächelte als sie sich zu dem Blockhaus begab. Dabei murmelte sie leise: „Mein Fürst wird mit mir zufrieden sein, wenn ich ihm die Worte des uns von Lugus gesandten Boten übermittle.“
Das Dorf stand auf einer Anhöhe und bestand aus etwa fünfzig Hütten und dem Blockhaus des Fürsten. Außer von den Hütten, die den ersten Schutzwall bildeten, war das Blockhaus von einer zwei Mann hohen hölzernen Palisade umgeben. Um Raubtiere oder Feinde abzuwehren, waren die Palisaden oben zugespitzt. Ein Tor, das mit zwei Flügeltüren verschlossen und von innen mit einem Holzbalken gesichert werden konnte, bildete den Einlass zum Innenhof der Blockhütte. Der Eingang wurde Tag und Nacht von zwei Bewaffneten bewacht.
Im Innenhof der Blockhütte befand sich ein hoher Holzturm, der immer mit einem Wächter zur Beobachtung der Umgebung des Dorfes besetzt war. Der große Innenhof und die Blockhütte boten im Falle eines Angriffs allen Bewohnern die Möglichkeit, sich hinter den Palisaden in Sicherheit zu bringen. Als die Zauberin das Tor erreichte, wurde sie von den beiden Torwächtern ehrfurchtsvoll begrüßt. Lächelnd ging die alte Frau weiter. wissend, von den Beiden nicht besonders gemocht zu werden; aber das galt für alle Bewohner, nur nicht für den Raben. Selbst der Fürst sah sie nur gerne, wenn sie ihm wichtige Nachrichten überbrachte oder Verletzungen und Krankheiten heilte. Sie war sich sicher, dass alle, die sich der Zauberei und Heilkunst verschrieben hatten, für die Menschen unheimlich waren. Mit diesen Gedanken betrat sie die Halle des Fürsten. Erleichtert stellte sie fest, dass der Fürst anwesend war. So musste sie ihn nicht lange suchen.
Der Fürst saß vor einem großen aus Eichenholz hergestellten Tisch und begutachtete mehrere auf ihm liegende Schriftstücke.
Bei Airams Eintritt erhob er sich. Gespannt richtete er seine Augen auf die Zauberin.
„Sei gegrüßt, Airam. Sicher kommst du nicht um dich nach meinem Wohlbefinden zu erkundigen. Ich hoffe, du bringst mir keine schlechten Nachrichten.

Auf der anderen Seite vom Hadrianswall hatte Jeth den Dorfrand von Burensia erreicht. In dem Dorf erwartete ihn der Bote des Keltenfürsten.
Das Dorf lag in einer kleinen Senke. Es bestand aus etwa zwanzig Hütten, die an beiden Seiten der Dorfstraße wie an einer Perlenschnur aufgereiht standen. Die Straße führte aus dem Süden kommend durch den Wald, den Maximus eben noch beobachtet hatte, in Richtung Norden nach Parisi.
Die Bewohner hatten um ihr Dorf Weide - und Ackerflächen angelegt, auf dem sie ihr Vieh grasen ließen und Getreide anbauten. An den Hütten waren kleine, säuberlich bestellte Gärten angelegt, in denen die Dörfler ihr Gemüse zogen.
Ziemlich genau in der Mitte des Dorfes befand sich der Brunnen zur Wasserversorgung der Dorfbewohner.
Schon vom Dorfrand erkannte Jeth, dass die Bewohner des Dorfes um den Brunnen einen Kreis gebildet hatten. Innerhalb des Kreises schien irgendetwas vorzugehen, das die Dörfler stark erregte.
Am Brunnen angekommen, schob Jeth einige der Umherstehenden beiseite und trat in den Kreis.
Was er dort sah, ließ ihn sogleich sein römisches Kurzschwert ziehen.
Taje, stand mit dem Rücken gegen den Brunnen gelehnt und wurde von drei römische Hilfssoldaten mit ihren Lanzen bedroht. Der junge Kelte hielt zwar sein Schwert in der rechten Hand und schwenkte es immer wieder von rechts nach links, aber gegen die ihn bedrohenden Lanzen konnte diese Verteidigung nicht lange erfolgreich sein. Mit einem Blick sah Jeth, die Blutflecken auf dem Schwert des jungen Kelten. Erst jetzt erblickte er einen Hilfssoldaten, der hilflos am Boden kauerte und sich mit der rechten Hand die blutende linke Schulter hielt. Neben dem verletzten Legionär saß ein junges Mädchen, deren lange blonde Haare völlig zerzaust das Gesicht bedeckten. Die Bluse des Mädchens war zerrissen und verbarg so den Anblick ihrer kleinen, festen Brüste vor den Augen der Umherstehenden nicht mehr. Sie hatte die Beine angezogen, der hochgerutschte Rock ließ so jedem Betrachter ihre schlanken wohlgeformten Beine erkennen.
Neben dem Mädchen lag ein umgestürzter Korb, der anscheinend mit den Früchten, die jetzt neben ihm lagen, gefüllt gewesen war.
Der Anblick des Mädchens ließ Jeth nur einen Moment zögern, dann wandte er sich wieder dem Kampf des Kelten mit den römischen Hilfssoldaten zu.
Die Kämpfenden nicht aus den Augen lassend rief er: „Was geht hier vor? Stellt den Kampf ein. Sofort!“
Da die Hilfssoldaten in dem Rufenden den Standartenführer ihrer Legion erkannten, ließen sie die Speere sinken. Der junge Kelte behielt sein Schwert weiterhin in der rechten Hand und bedrohte mit ihm noch immer die Legionäre.
Jeth sah den Boten der Kelten an und versuchte ihn zu beruhigen: „Es besteht keine Gefahr mehr. Du kannst dein Schwert wieder einstecken.“
Dann wandte er sich dem ältesten der Legionäre zu: „Was ist hier vorgefallen? Warum bedroht ihr den Boten des Keltenfürsten?“
Wenn Jeth nun erwartet hatte, dass der Legionär ihn schuldbewusst ansehen würde, weil dieser mit seinen Kameraden den Gesandten eines Fürsten bedroht hatte, so sah er sich getäuscht.
Mit wütender Miene antwortete dieser: „Was mischt du dich hier ein? Der Barbar hat uns angegriffen, als wir die Marktfrau bestrafen wollten. Sie hat meinen Kameraden dort“, dabei zeigte er auf den noch immer am Boden sitzenden verwundeten Legionär, „betrogen. Sie hat ihm für zwei Assen einen verfaulten Apfel verkauft; als mein Kamerad das Geld zurückforderte, hat sie sich geweigert es herauszugeben. Wir haben sie dann festgehalten um es ihr abzunehmen. Dabei hat sie sich wie eine wilde Katze gewehrt und dabei ist ihr Kleid gerissen - ihre eigene Schuld war das. Dann kam dieser Kelte dazu und griff uns ohne Vorwarnung an. Als du kamst, waren wir gerade dabei ihn abzuwehren. Das Geld meines Kameraden haben wir immer noch nicht. Ich werde es jetzt holen.“ Der Legionär drehte sich um und wollte zu dem Mädchen gehen, als diese aufstand und ihm zurief: „Bleib wo du bist oder ich steche dich nieder!“ Blitzschnell zog sie ein Messer aus einer ihrer Rocktaschen und bedrohte den alten Legionär damit. Die Bedrohung eines erfahrenen, mit einer Lanze bewaffneten Legionärs mit einem Messer war eher bemitleidenswert und vor allem aussichtslos. Ein kurzer heftiger Schlag mit der Lanze auf die Messerhand ließ das Mädchen aufschreien und das Messer zu Boden fallen. Ein weiterer Schrei entfuhr dem Mädchen und der Schmerz ließ sie langsam zu Boden gehen. Dort kniete sie und starrte auf ihre schlaff vom Handgelenk herabbaumelnde Hand. Der Legionär ging näher zu ihr und drückte dem Mädchen die Lanzenspitze an die Kehle. Bluttropfen sickerten aus der von der Lanzenspitze verursachten Wunde am Hals.
Mit finsterem Blick sah der Alte das Mädchen an: „Meinen Kameraden betrügen und mich bedrohen, dafür stirbst du am Kreuz, dass schwöre ich dir.“ Dann nahm er die Lanzenspitze vom Hals des Mädchens, hob den Kopf und sagte zu seinen zwei Gefährten: „Nehmt sie mit ins Lager.“ Die zwei Soldaten rissen das Mädchen an den Armen hoch und schleiften es fort. Der alte Legionär beugte sich zu seinem verletzten Kameraden hinunter und inspizierte die Wunde. „Da hast du nochmal Glück gehabt, die Wunde ist nicht gefährlich. Komm, wir gehen zum Zenturio und melden den Vorfall. Dann drängten sie sich durch die sie umgebenden Dörfler und folgten ihren Kameraden in das Heerlager.
Taje war klug genug, sich nicht mehr einzumischen. Er hatte einen Auftrag zu erfüllen und eine weitere Einmischung konnte diesen gefährden. So sah er den Träger der Standarte an und sagte: „Ich nehme an, du wolltest mich zu deinem Feldherrn führen?“ Auch Jeth wollte den unschönen Vorfall schnell vergessen. Sollte der Zenturio sich um den Fall kümmern, schließlich waren es seine Soldaten. Daher antwortete er: „Ja, der Feldherr erwartet dich.“
So verließen beide das Dorf und begaben sich zum Kastell des Maxims.
 



 
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