Die Utopie ist wahr geworden

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Ballfreund

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Sehr geehrte Medienvertreterinnen und Medienvertreter,

es freut mich, dass Sie so zahlreich hier im Gleichstellungsministerium erschienen sind. Ich weiß um die Gerüchte, die seit unserer gestrigen Einladung kursieren und möchte sie an dieser Stelle bestätigen. Wir haben es endlich geschafft. Und ich und meine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sind stolz darauf. Seit etwa 6 Wochen prüfen wir die Zahlen und Statistiken des vergangen Jahres. Und was sich bereits seit 4 Jahren abgezeichnet hat können wir nun bestätigen:

Weltweit sind Frauen und Männer gleichberechtigt.
In jedem Beruf verdienen Männer und Frauen gleich viel Geld und in jedem Beruf sind mindestens 30% Frauen und mindestens 30% Männer tätig. Und wenn ich sage in jedem Beruf, dann meine ich auch jeden Beruf. Das gilt für die Firmenvorstände, die Aufsichtsräte, die Vorzimmer, die Führungskräfte, die Arbeiter und die Reinigungskräfte. Das gilt für die Staatsoberhäupter, die Minister und das Beamtentum. Das gilt für die Kirchenoberhäupter und die Priesterämter in allen Religionen. Das gilt für den Ärztestand, das Pflegepersonal und die Geburtshelfer. Es gilt für das Dachdeckerhandwerk genauso wie für das Friseurhandwerk, die Müllabfuhr oder den Straßenbau, die Erntehelfer oder das Militär. Und auch im Sexgewerbe ist die Gleichberechtigung in allen Sparten und Teilbereichen gegeben. Es gibt inzwischen keinen Beruf mehr, wo die Gleichheit der Geschlechter nicht Wirklichkeit geworden ist. Das gilt sowohl für die Verteilung weltweit, als auch für die einzelnen Länder und Regionen.

Der Weg hierhin war lang. Beginnend mit den Bemühungen im 20. Jahrhundert hat es nun fast 9 Generationen gedauert, dass sich die Menschheit von patriarchalischem und matriarchalischem Denken befreit hat. Es gab Kulturen, die haben sich damit schwerer getan als andere. Die schwierigsten Veränderungen hatten zweifelsfrei die Religionen zu bewerkstelligen. Aber es wurden die richtigen Weichen gestellt, so dass es nur noch eine Frage von 2 bis 3 Generationen war, dass die Gleichwertigkeit von Frau und Mann von allen Menschen akzeptiert wurde.

Leider sind wir in Bezug auf Inter- und Transsexuelle Menschen noch nicht ganz so weit. Offiziell sind sie in allen Ländern der Welt gleichgestellt, aber uns liegen genügend Berichte vor, dass in fast 30% der Kulturen diese Personengruppen keine Akzeptanz in der übrigen Bevölkerung finden. Die betroffenen Menschen ziehen ein unauffälliges Leben vor und finden daher auch keinen Eingang in unsere Statistiken. Dadurch aber, dass wir in allen Berufen unabhängig vom Geschlecht die gleichen Chancen und Vergütungen haben, finden sich dort auch überall vereinzelt Menschen, die sich nicht offen zu ihrer Trans- oder Intersexualität bekennen können oder wollen. Das belegt eine anonyme repräsentative Umfrage, die wir vor 2 Jahren weltweit durchgeführt haben.

Insofern ist die Aufgabe unseres Ministeriums noch nicht ganz abgeschlossen. Ich gehe aber davon aus, dass dieses Ministerium zur Jahrhundertwende nicht mehr existieren wird, weil wir dann die Gleichberechtigung zwischen allen Menschen haben werden.

Ich stehe Ihnen nun für Fragen zur Verfügung.

Stimmt es, dass auch bei den Naturvölkern die Gleichberechtigung herrscht?

Ja, das kann ich bestätigen.

Und bestätigen Sie auch, dass das drastische Aussterben der Naturvölker vor 150 Jahren darauf zurückzuführen ist, dass über Ihr Ministerium zwecks weltweiter Gleichberechtigung und entgegen aller Warnungen die Stämme kontaktiert wurden und die meisten Personen dann an Influenza gestorben sind?

Ich habe von diesen Gerüchten gehört, verweise aber auf die Untersuchungen, die seinerzeit zu diesem Thema stattgefunden haben und die zu dem Ergebnis gekommen sind, dass unser Ministerium nichts damit zu tun hatte. Wir können uns den damaligen Rückgang der Naturvölker um 75% nicht erklären.

Im Rahmen der von ihnen zitierten Untersuchungen soll es ungewöhnlich starke personelle Fluktuationen im Untersuchungsausschuss gegeben haben. Bestrebungen für eine Nachuntersuchung wurden im Keim erstickt. Mitglieder des Untersuchungsausschusses standen nach ihrer Arbeit für Befragungen nicht mehr zur Verfügung, so als ob etwas vertuscht werden sollte. Wie stehen Sie dazu?

Kein Kommentar. Das war lange vor meiner Amtszeit.

Sie haben gesagt, dass die schwierigsten Veränderungen in den Religionen stattgefunden haben. Wo war es denn besonders schwierig und wo war es einfach?

Am einfachsten war es bei den polytheistischen Religionen. Da dort sowohl männliche als auch weibliche Gottheiten angebetet werden, war es kein Problem wechselweise Frauen und Männer als religiöse Führer anzuerkennen. Am schwierigsten war es im tibetischen Buddhismus, weil es einige Generationen gebraucht hat, bis eine weibliche Dalai Lama geboren wurde. Es hat aufgrund der Strukturänderungen in der katholischen Kirche zwar ähnlich lange gedauert, bis Päpstinnen gewählt werden konnten, aber diese Veränderung war absehbar, während die Wiedergeburten weniger vorhersehbar sind. Andere Religionen hatten die Quote meist vorher erfüllt.

Es sollen Schriften aufgetaucht sein, dass die Prophetin Mohammed doch keine Frau war, sondern ein Mann. Demnach hätte der Islam die Gleichberechtigungsquote unter den Propheten nicht erfüllt.

Da muss ich Ihnen widersprechen. Prophetin oder Prophet ist kein Beruf im Sinne der Gleichberechtigung. Es spielt hier keine Rolle, ob Mohammed weiblich oder männlich oder beides war. Es kommt darauf an, dass die Gleichberechtigung zwischen den weiblichen und männlichen Imamen erfüllt ist. Und das ist bereits seit 75 Jahren der Fall. Ich persönlich bezweifle auch die Echtheit der Schriften. Es gab in den letzten 100 Jahren immer wieder Versuche, die Geschichte zu fälschen. Aber die Echtheit der vorgebrachten Schriftstücke konnte niemand beweisen.

Es hat angeblich Unruhen in Zentralafrika gegeben, weil eine Frau zur Präsidentin gewählt wurde. Ist dort das von Ihnen hochgelobte geschlechterunabhängige Denken etwa nicht vorhanden?

Auch in Zentralafrika gibt es die Gleichberechtigung von Mann und Frau. Die Weltregierung hat bereits letzte Woche dazu Stellung genommen und ich erkläre es Ihnen auch gerne nochmal. Das Problem besteht nicht darin, dass hier eine Frau gewählt wurde, sondern dass eine nicht so beliebte und zudem politisch unerfahrene Person gewählt wurde. Von den Kandidatinnen war es trotzdem die beste Wahl. Und sie wurde ja auch mit einer Mehrheit von 56% gewählt.

Bei einer Wahlbeteiligung von 17% …

Wer nicht zur Wahl geht, darf sich in einer Demokratie nicht beschweren.

Finden Sie es demokratisch, wenn man nicht die Kandidaten aufstellen darf, wie es eine Partei möchte? Es wurde von der Weltregierung untersagt, dass ein männlicher Kandidat nominiert wurde.

Jeder Partei in Zentralafrika hat eine eigene Kandidatin ins Rennen um das Präsidentenamt geschickt. Das Volk hatte die Wahl. Wir haben hier einen demokratischen Prozess. Und die Weltregierung kann nichts dafür, dass sich bei den letzten Wahlen in den Niederlanden, Polen und Uruguay nur männliche Kandidaten durchgesetzt haben. Damit war die Frauenquote unter den Staatsoberhäuptern stark gefährdet. Insofern war die Vorgabe für Zentralafrika rechtens. Wenn in 3 Monaten Russland freiwillig eine Präsidentin wählt, dann kann Zentralafrika je erneut zur Urne schreiten.

Keine weiteren Fragen? Dann Danke ich für Ihr Erscheinen. Die genauen Zahlen werden sei ab 17:00Uhr auf der Informationsplattform des Ministeriums finden.

Ich wünsche Ihnen einen guten Heimweg.
Auf Weidersehen.
 

Aina

Mitglied
Hallo Ballfreund,
deinen flüssigen Schreibstil finde ich gut.
Mir fehlt leider noch ein wenig die Pointe oder zumindest der Grund warum die Leserinnen und Leser den Text lesen sollten.
Vielleicht lässt sich das noch ein wenig klarer machen?
Viele Grüße,
Aina
 



 
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