Die Verführung zur Mehrstimmigkeit

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Die Lieder,
die ich manchmal singe,
sind ohne Melodie
und haben keinen Text,
aber in mir jauchzen sie,
sind wunderschön
und füllen den Konzertsaal,
für den nur ich Eintritt bezahlt habe.

Wenn das Licht ausgeht,
bin ich endlich für mich allein.
Ich lehne mich zurück,
schließe die Augen
und lausche dem Wind,
der von Ewigkeit singt.

Doch dann höre ich, von weit her
eine kaum wahrnehmbare Stimme,
die mich ruft.
Ich höre,
wie weitere Stimmen
in diese Stille einfallen.

Ich höre verführerisches Wispeln.
Tongaukler versuchen,
mich einzulullen.
Sie sagen, komm zu uns,
hier ist Licht,
hier ist Wärme,
hier sind Farben.

Wir sind schon viele,
jeder singt sein eigenes Lebenslied,
aber wir sind dabei,
einen Chor zu gründen,
einen Chor der namenlosen Sänger,
unser Ziel ist mehrstimmige Individualität.

Wir singen uns gemeinsam wunschlos glücklich
und dann,
wenn die Töne in sich zusammenfallen,
sind wir,
vom Nachhall noch vibrierend,
ohne Glück zwar,
aber wir haben auch keinen Wunsch mehr offen.
 

Rodolfo

Mitglied
verführend

Wenn der Begriff "Wortmalerei" nicht schon so kaputt gemacht worden wäre, würde ich ihn als Klassifizierung für dein Werk hernehmen. Das Gedicht erscheint mir wie ein gut gemaltes Bild: bunte Farben, in der richtigen Mischung aufgetragen, ergeben einen stimmigen Gesamteindruck. Auch wenn mich die letzten zwei Zeilen grübeln lassen: ohne Glück zwar, aber wir haben auch keinen Wunsch mehr offen. Ist das nun ein erstrebenswerter Zustand? Oder ist es ein bisschen wie tot sein?
Ich habe schon lange nichts mehr gelesen, was einen mir bekannten Seelenzustand so gut beschreibt. Und das man mehr als einmal lesen sollte. Ich werde es auswendig lernen, um es mir vorsagen zu können, wenn ich das nächste mal die Stimme eines "Tongauklers" höre.

Sorry, falls dies keine "Textarbeit" sein sollte, aber ich finde einfach nichts zu meckern!
 
Re: verführend

Ursprünglich veröffentlicht von Rodolfo
Wenn der Begriff "Wortmalerei" nicht schon so kaputt gemacht worden wäre, würde ich ihn als Klassifizierung für dein Werk hernehmen. Das Gedicht erscheint mir wie ein gut gemaltes Bild: bunte Farben, in der richtigen Mischung aufgetragen, ergeben einen stimmigen Gesamteindruck. Auch wenn mich die letzten zwei Zeilen grübeln lassen: ohne Glück zwar, aber wir haben auch keinen Wunsch mehr offen. Ist das nun ein erstrebenswerter Zustand? Oder ist es ein bisschen wie tot sein?
Ich habe schon lange nichts mehr gelesen, was einen mir bekannten Seelenzustand so gut beschreibt. Und das man mehr als einmal lesen sollte. Ich werde es auswendig lernen, um es mir vorsagen zu können, wenn ich das nächste mal die Stimme eines "Tongauklers" höre.

Sorry, falls dies keine "Textarbeit" sein sollte, aber ich finde einfach nichts zu meckern!
Hallo Rodolfo, hallo lapismont,
zu den 2 letzten Zeilen: ich will einfach nicht, dass die Tongaukler gewinnen. Ich will weiter alleine singen; ich habe Angst, dass der Chor der Namenlosen falsch singt.
Wenn ich nicht richtig liege, helft mir. Gruss Elmar
 

Vera-Lena

Mitglied
Hallo Elmar,

wie wäre es mit folgendem Schluss:

wir singen uns gemeinsam wunschlos,
aber dann.........
ohne Wunsch zwar
aber dennoch auf er Suche nach dem Glück.

Liebe Grüße von Vera-Lena
 



 
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