Die Wichtigkeit des Kleingedruckten

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SnowMan

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Hallo zusammen!

Anbei mal wieder eine Geschichte. Hatte mich etwas zurück gezogen. Massive Gesundheitliche Probleme. Leider :(

Mit dieser Geschichte bin ich nicht ganz zufrieden. Es passt etwas nicht richtig Richtig.

Aber lest selber.

Lieben Gruß

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Die Wichtigkeit des Kleingedruckten


»Alles in Ordnung mit dir, Robert?«, fragte Lucy und legte ihre Hand auf seine Schulter. Ihre Finger tapsten dabei sanft auf und ab.
»Nichts ist in Ordnung. Rein gar nichts«, antwortete er mit belegter Stimme. Er stieß ihre Hand beiseite und starrte in ihre Augen. Sein Gesicht war kreidebleich.
»Hier. Lies selber.«
Er rieb ihr einen Brief unter die Nase, als wolle er, dass sie jedes Wort einatmete.
Aufmerksam las sie Zeile für Zeile. Ihr kam es vor, als würde der Brief niemals enden. Was sie las, konnte nicht stimmen. Musste ein Versehen sein - oder ein schlechter Scherz.
Sie blickte besorgt auf und schaute Robert an. In sein Gesicht kam langsam die Farbe des Lebens zurück.
»Bist du sicher, dass dieser Brief für uns bestimmt ist?«
»Was denkst du? Er lag schließlich in unserem Briefkasten.«
Wut kochte in ihm empor über diese Naivität.
»Oh Robert.«
Sie versuchte erneut ihre Hand auf seine Schulter zu legen. Er wich abweisend zurück.
»Wir sind am Arsch. Wörtlich am Arsch. Am Ende.«
Lucy blickte betroffen zu Boden. Bis jetzt war die Welt um beide herum in Ordnung. Sie hatten den Vertrag erfüllt. »Aber … wir haben doch den Vertrag bis jetzt erfüllt?«, stammelte sie.
»ABER, Aber … natürlich haben wir ihn erfüllt.«
Seine Stimme bebte. Lucy schluchzte. Sie presste ihre Lippen zusammen, bis diese nur noch ein Strich waren. »Wir müssen jetzt einfach ruhig bleiben«, beruhigte sie Robert. »Sicherlich werden wir auch dafür eine Lösung finden.«
»Lösung? «, die Stimme von Robert bekam einen leicht hysterischen Unterton. „Kannst du mir vielleicht auch sagen, welche Lösung dir da vorschwebt? Ich sehe hier im Moment überhaupt keine.“
»Wo ist diese Karte von diesem Halsabschneider? Wo hast du sie hingelegt? Dem werd ich was erzählen.«
»Ich glaub sie liegt …«
Robert winkte ab und stürzte ins Wohnzimmer Richtung Telefon. »Dem dreh ich den Hals um«, brüllte er aus dem Wohnzimmer.
Wie eine Maschine unter Volldampf stob er aus dem Zimmer und auf Lucy zu.
»Du hast doch nicht wieder …«
»Nein! Habe ich nicht. Wie kommst Du darauf«, entgegnete sie betroffen.
»Ich kenne dich. Du frönst zu gerne deiner Kaufsucht.«
»Wie kannst Du nur … immer wieder auf diesem alten Thema herumreiten.«
»Wie kann ich nur - wie kann ich nur«, äffte er sie nach.
Sie wimmerte und Tränen rannen ihre Wangen hinunter.
»Ich habe Angst, Robert!«
»Vor was? Vor was hast Du jetzt Angst! Das ich Recht habe?«
»Nein! Vor dem was du vor hast. Ich sehe doch, deine innere Aufregung und dass du deine Waffe eingesteckt hast. Mach bitte keinen Blödsinn. Du verschlimmerst alles noch mehr«, flehte sie.
»Die ist eh nicht geladen. Aber dafür ich. Und wehe Dir mein Fräulein, wenn ich Recht habe.«
Er schubste sie zur Seite und lies sie links liegen.

*

Kurze Zeit später bog er in die Straße, welche auf der Visitenkarte des Vertreters stand. Sie erinnerte an einen Hinterhof eines Mehrfamilienhauses, wo Mülleimer und sonstiger Unrat ungeordnet umher standen. Er parkte seinen Wagen am Straßenrand. Als er ausstieg, schlug ihm ein Schwall fauliger Luft entgegen. Fliegen summten aufgeregt umher, aufgescheucht aus ihrer Fresslust, als Robert zielstrebig auf die Türe zuging.
Als er den Flur betrat, roch er einen ihm bekannten Duft. Der gleiche, welchen der Vertreter ausgeströmt hatte, bei seinem ersten Besuch. Unrat stand Kreuz und quer umher.
Am Ende des Flures bemerkte er das großkotzig angebrachte Emaille Schild.
Er enterte das Büro. Eine angenehme Kühle kam ihm entgegen. Es roch nach Zedernholz. Ein überdimensionaler Schreibtisch aus Mahagoniholz dominierte den Raum. Die Wände waren kahl. An einer der Wände prangte ein meterhohes Regal. Gespickt mit unzählig kleinen Flaschen, welche mit einem Korken versiegelt waren. Alles erinnerte ihn eher an eine Leichenhalle als an ein Büro eines seriösen Vertreters. Fenster konnte er keine ausmachen und das künstliche Licht, welche Nierenleuchten aus strahlten, gruben den Raum in eine unheimliche Atmosphäre.
Eine Gestalt saß vornübergebeugt hinter dem Schreibtisch. Aufmerksam blätterte diese in Papieren herum, die sie vor sich ausgebreitet hatte. Das Kratzen eines Fingernagels war das einzige Geräusch, vermischt mit dem Ticken einer Uhr, was hier Lebendigkeit ausstrahlte.
In diesem Moment überkam ihn ein Gefühl der Hilflosigkeit. Als würde ihm das eigene Leben wie ein Fisch aus den Fingern gleiten. Wie jemand, welcher als Bittsteller in einer dieser bürokratischen Büros stand. Die Gestalt hinter dem Schreibtisch bemerkte ihn. Schwerfällig hob diese ihren Kopf. Knacken von vertrocknetem Holz erwiderte jede Bewegung. Augen, hohl und emotionslos starrten Robert entgegen und die dicken Brillengläser ließen die Augen zu froschartigen Pupillen anwachsen. »Herr Magnos. Wie schön. Ich habe Sie schon erwartet.«
»Ja? Das ist gut. Denn meine Stimmung ist mehr als geladen«, und zeigte auf die Ausbeulung seiner Hosentasche.
»Und vor allem, was soll das denn? Das soll wohl ein schlechter Witz sein«, brüllte er und fuchtelte mit dem Brief vor sich herum.
»Ich mache keine Witze«, entgegnete sein Gegenüber und hob einen knöchernen Finger gegen seine farblosen Lippen. Robert überkam der Zwang, sich setzen zu müssen. Wie aus dem Nichts tauchte hinter ihm ein lederner Sessel auf und er plumpste hinein.
Sein Gegenüber, welches Robert immer noch an den leibhaftigen Tod erinnerte, schloss die ihm vorliegende Akte.
Aus einer Schublade des Schreibtisches fischte dieser einen Ordner hervor. Behutsam breitete er diesen vor sich aus.
Beim Durchsehen der Papiere nickte sein Kopf immer wieder zustimmend. »Hier haben wir es. Sie sind mit drei Raten im Verzug.«
»Das kann ich sein. Wir haben die Raten jeden Monat pünktlich beglichen«, prustete Robert auf.
»Laut unseren Unterlagen nicht.«
Der knöcherne Finger tippte im Takt der Uhr auf und ab.
Robert verlor seine Farbe im Gesicht. Kreidebleich und zugleich verstohlen blickte er sich um.
»Das muss eine Verwechslung sein«, versuchte er sich herauszureden. Denn plötzlich wusste er, was geschehen war. Er hatte die Raten nicht beglichen. In seiner begierigen Selbstsucht hatte er seiner eigenen Sucht gefrönt.
»Bedenken Sie - ich weiß alles über Sie, Herr Magnos. Was Sie essen, was Sie auf dem Klo ausscheißen, sogar was Sie träumen.«
Er versuchte den Kloß in seinem Hals herunter zu schlucken. Versuchte etwas zu sagen. Aber kein Ton konnte er in diesem Moment über seine Lippen bewegen.
»Sie kennen die Konsequenzen. Sollten Sie mit zwei Raten im Verzug sein können wir mit sofortiger Wirkung den Vertrag zwischen Ihnen auflösen und Paragraph 3580 von Ihnen einfordern.«
»Bitte was? Was für ein Scheiß ist das denn? Paragraph was …?«
Robert versuchte sich aufzubäumen, schien aber regelrecht in dem Sessel festzukleben.
»Es scheint mir so, als hätten sie das Kleingedruckte nicht gelesen? Sie haben es doch gelesen, Herr Magnos?«
Robert riss die Augenlider nach oben. Tiefe Furchen, wie auf einem Acker, zeichneten sich auf seiner Stirn ab.
»Nein! Wie denn auch. Über 2000 Seiten? Dann so klein geschrieben, dass man ein Mikroskop gebraucht hätte?«
Sein Gegenüber schüttelte ungläubig den Kopf.
»Aber … aber wir können uns doch vernünftig einigen«, stotterte er.
»Leider Nein. In Paragraph 4323 Absatz 45 ist dies ausgeschlossen.«
Robert wollte etwas erwidern, aber eine verneinende Kopfbewegung seines Gegenübers unterdrückte jegliche weitere Beschwerde. Vor seinen Augen verzerrte sich plötzlich der Raum. Die Wände schienen zu Gummi zu werden und alles um ihn herum drehte sich im Kreis. Er spürte, wie etwas an ihm zerrte. Er vergrub die Finger im Sitzpolster, sog Luft zwischen den Zähnen durch und kniff die Augen zusammen. Dann gab es einen explosionsartigen Donnerschlag um ihn herum, und er spürte einen letzten Stoß.
Als er wieder zu sich fand, blickte er hinter Glas in das Büro. Er war gefangen in einer dieser unzähligen Flaschen. Eingereiht wie viele vor ihm ebenfalls.

Der Vertreter hinter dem Schreibtisch grinste zufrieden und nahm einen Brief aus einer seiner Schubladen. Er packte das Stück Papier in einen Umschlag und legte es in das Postausgangsfach. Adressiert an Lucy. Bald konnten sie sicher sein, eine weitere Seele in ihrer Sammlung begrüßen zu können.
 

Sina

Mitglied
Eine Geschichte, die mich nachdenklich zurückgelassen hat.
Der Vertreter als seelenlosen "Seelenfänger" ist eine gute Idee, aus der vielleicht mehr herauszuholen wäre, so man die anderen Seelen in Flaschen mit ein oder zwei Sätzen noch mehr herausstellte, aber das ist natürlich reine Geschmackssache.

Ungereimtheiten im Text sind mir beim ersten Lesen aufgefallen:

Augen, hohl und emotionslos starrten Robert entgegen und die dicken Brillengläser ließen die Augen zu froschartigen Pupillen anwachseen
Hier stößt mir das Wort "Pupille" auf. Das Hervorstechendste Merkmal beim Frosch sind die Augen, die nicht in Augenhöhlen , sondern in einer Art "Augenmuscheln" auf dem Kopf liegen. Sicherlich wolltest Du ausdrücken, dass die Augen durch die dicken Brillengläser von außen betrachtet, ungewöhnlich groß sind und wie bei einem Frosch hervorstechen.

Sollte ausgedrückt werden, dass die Pupillen groß und geweitet sind, ist es im Raum entweder recht dunkel (ob man die Pupillen dann so genau sehen kann?) oder aber sie sind angstvoll geweitet. Hat der Vertreter Angst, weiten sie sich auch. Allerdings kann man dann nicht mehr von hohl und emotionslos sprechen. Das ist also wohl nicht gemeint.
Ich würde einfach die "Pupillen" durch Augäpfel oder schlicht Augen ersetzen - und schon passt der Satz meines Erachtens wieder.

ein Gegenüber, welches Robert immer noch an den leibhaftigen Tod erinne
In diesem Satz stört mich das "immer noch". Das ergäbe für mich erst Sinn, wenn Robert diesen Eindruck schon einmal gewonnen hätte, und obwohl der Vertreter nun auch anders auf ihn wirken könnte.

Man könnte versuchen, den Eindruck in einer Rückblende auf den ersten Kontakt der Beiden bei Vetragsunterzeichnung zu erwähnen und damit die Geschichte noch zuvertiefen - oder die Worte "immer noch" durch eine Einfügung á la ", so wie bereits auf den ersten Blick" o.ä. ersetzen. Ließe sich auch dem Satz voranstellen - natürlich. Oder man streicht diese Worte ersatzlos.

In seiner begierigen Selbstsucht hatte er seiner eigenen Sucht gefrönt.
Der Satz stößt mir durch die Wiederholung des Wortes Sucht auf. Robert wirft Lucy im Gespräch Kaufsucht oder Verschwendungssucht vor - und nun soll wahrscheinlich deutlich gemacht werden, dass er ebenfalls Suchtverhalten an den Tag legt. Welche Sucht das hier ist - könnte von Kaufsucht, über Sucht nach Anerkennung durch viel Besitz, Verschwendungssucht bis zur Spielsucht alles sein - wird nicht klar. Selbstsüchtig, süchtig danach, sich selbst gut zu fühlen, handelt Robert selbstredend, wenn er einer Sucht frönt. Begierig nach derlei Hochgefühlen ist auch nicht die Sucht, sondern Robert.

Es lohnte sich wahrscheinlich, über diesen Satz noch einmal nachzudenken.

Als er wieder zu sich fand, blickte er hinter Glas in das Büro.
Der Satz beschreibt Roberts Perspektive aus dem Glas heraus. Das finde ich gut. Dennoch ist der Satz nicht ganz richtig. Ich meine es müsste heißen "... blickte er durch Glas auf das Büro." Ein kurzer Satz, der Standpunkt und Perspektive Roberts deutlich macht. Mehr Atmosphäre erzielte man mit anderem Ausdruck. "Als er wieder zu sich fand, nahm er den Raum wie hinter Glas liegend wahr: Er schien nicht mehr Teil dieser Welt zu sein, sondern nur noch unbeteiligter Zuschauer.". So oder so ähnlich, ließe sich ausdrücken, dass er sich nicht mehr als in der Welt lebend empfindet, sondern als diese nur noch beobachtend - als Gefangener in eigener Parallelwelt, Farbiger wird es, wenn man statt "Büro" erwähnt, dass durch sich gewölbtes Glas betrachtet,Buch- oder Ordnerrücken ebenfalls gewölbt erscheinen, oder dass Licht sich verzerrt bricht. Robert könnte auch auffallen, dass seine äußere Gestalt sich nicht im Glas spiegelt, oder dass er keine Luftbewegung wahrnimmt...

Siehst schon: Da ist meiner Meinung nach mehr drin.

So - genug 'gemeckert', gelt? Der Weisheit letzter Schluss sind meine Vorschläge auch nicht - nur Anregungen, wie ich es vielleicht ändern würde.

Hoffend, nicht gänzlich entmutigt zu haben

Sina
 

G. R. Asool

Mitglied
Hallo SnowMan,

Deine Geschichte finde ich eigentlich ganz gut. Sina hat ja schon einige Holprigkeiten angesprochen. Ich finde allerdings, das Dein Text auch gut ohne die Waffe auskommen würde.

Liebe Grüße & gute Besserung
GR
 



 
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