Die abenteuerliche Reise der kleinen Wolke

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Estrella

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Die abenteuerliche Reise der kleinen Wolke

Es war ein schöner, warmer Sommertag. Die Sonne stand hoch am Himmel und beobachtete lächelnd das Spiel der Wolkenkinder, die fröhlich um ihre Mutter herumtanzten.
„Fangt mich doch“, rief die kleine Wolke Bausch ihren Geschwistern zu und verschwand hinter dem breiten Rücken ihrer Mutter.
„Warte nur ab, wir kriegen dich schon.“ Schnell flog ihr älterster Bruder Fluffi hinterher.
„Nicht so wild, Kinder“, mahnte die dicke Wolkenmama. „Bleibt bitte dicht bei mir und macht nicht so viel Krach, ihr weckt sonst den Wind noch auf. Ihr wisst doch, was passiert, wenn man ihm beim Schlafen stört, dann...“
„Ja, ja, dann wird er wütend und pustet so doll, das wir alle auseinandergeweht werden“, beendete Bausch vorlaut den Satz.
„Genau“, nickte die Mutter.
Die Geschwister setzten ihr Spiel noch eine Weile fort, blieben aber immer dicht bei ihrer Mutter.
Plötzlich entdeckte Bausch die Schwalbe Finchen, die an der Wolkenfamilie vorbeiflog.
„Haalloo Finchen“, schrie sie so laut sie konnte. „Willst du mit uns fangen spielen?“
„Nein, heute nicht“, rief Finchen zurück, „ich habe keine Zeit, ich will mir ein neues Nest bauen.“
„Nicht so laut, Bausch“, mahnte die Mutter. Doch es war schon zu spät, der Wind war aufgewacht und blickte ärgerlich auf die Störenfriede. Er füllte seine Backen mit Luft und bliess so fest er konnte.
„Haltet euch an mir fest Kinder“, versuchte die Wolkenmutter ihren Kindern noch zuzurufen, doch da wurden sie auch schon alle durch die Luft gewirbelt.
Den anderen Kindern war es noch gelungen einen Zipfel ihrer Mutter zu ergreifen, doch Bausch hatte es nicht mehr geschafft. Sie wurde vom Wind vorwärts getrieben und konnte ihre Familie bald nicht mehr erkennen.
Da bekam es die kleine Wolke mit der Angst zu tun. Was würde sie nur machen, ohne ihre Mutter und ihre Geschwister. Doch sie hatte gar nicht viel Zeit, über ihr Unglück nachzudenken, da es so viele Dinge zu sehen gab. Sie flog über Wälder und Täler, sah unter sich Häuser, Autos und Eisenbahnen, so klein wie Spielzeugfiguren. Andere Wolken segelten an ihr vorbei und Bausch fragte, ob sie vielleicht ihrer Familie begegnet wären. Doch niemand hatte sie gesehen. Traurig setzte Bausch ihren Weg fort. Plötzlich tauchte unter ihr ein furchterregendes Tier auf, es war knallrot, hatte grosse, grüne Augen und einen langen Schwanz mit lauter bunten Schleifen daran. Bausch traute sich kaum weiterzufliegen, denn das Tier flatterte im Wind auf und ab und sah sehr gefährlich aus. Doch Bausch nahm all ihren Mut zusammen und schaute genauer hin. Da sah sie, dass das Tier aus Papier und an einer Leine befestigt war. „Ein Drachen“, lachte das Wolkenkind und schaute zu, wie dieser nach unten gezogen wurde. Die Landschaft unter Bausch wurde langsam hügeliger und schon bald türmten sich hohe Berge vor ihr auf. Die kleine Wolke konnte nicht mehr rechtzeitig bremsen und flog gegen eine Bergspitze. Da blieb sie erst einmal stecken. Der Wind hatte sich anscheinend wieder schlafen gelegt, denn nicht ein Lüftchen wehte, und so hing Bausch an dem Berg fest und konnte sich weder vorwärts noch rückwärts bewegen. Sie beschloss, sich etwas auszuruhen und die Augen zuzumachen.

Am nächsten Morgen bliess der Wind wieder in alter Frische und wehte Bausch über die Bergspitze hinweg. Was sie nun sah, verschlug ihr den Atem, da war Wasser, blaues Wasser, soweit man sehen konnte. So einen grossen See hatte Bausch ja noch nie gesehen. Zwei eigenartige Tiere, die sie nicht kannte, flogen vorbei. „Hallo, ihr da, wer seid ihr denn?“ sprach sie die beiden an. „Könnt ihr mir sagen, was das da unten ist?“
Die Vögel schauten sich an und kicherten. „Wir sind Möwen und heissen Pedro und Maria, das da unten ist das Mittelmeer. Du scheinst ja von weit her zu kommen, dass du das Meer nicht kennst.“
„Der Wind hat mich von meiner Familie getrennt und bis hier her getrieben“, sagte Bausch. „Da, wo ich vorher war, gibt es nur kleine Seen.“
„Oh, Du Arme.“ Die beiden Möwen legten tröstend ihre Arme um die kleine Wolke. „Hoffentlich findest du deine Familie bald wieder.“
Dann verabschiedeten sie sich und flogen weiter. Bausch schaute ihnen noch lange nach. Ach wären doch nur ihre Geschwister und ihre Mutter jetzt da. Wie herrlich könnte man hier fangen spielen. Ein seltsames Geräusch, erregte Bauschs Aufmerksamkeit. Von weitem sah sie einen Vogel, dessen Flügel im Sonnenlicht silbrig glänzten. Je näher der Vogel kam, um so grösser erschien er und um so lauter wurde der Lärm. Er bewegte sich genau in Bauschs Richtung. Diese war wie gelämt vor Schreck und konnte sich nicht von der Stelle rühren. Sie starrte auf das silberne Monster, und ehe sie sich versah, war es einfach durch sie hindurchgeflogen. Nein, wenn sie das ihren Geschwistern erzählen würde, die würden vielleicht Augen machen.

Mittlerweile begann der Wind wieder stark zu pusten. Er schien sich diesmal sogar mit seinem Bruder, dem Sturm verbündet zu haben. Auf einmal wurden von allen Seiten andere Wolken auf Bausch zugewirbelt, und mit ihnen zusammen wurde sie vom Meer weg, landeinwärts getrieben. Stundenlang jagte der Sturm sie vor sich her, Bausch machte einfach die Augen zu, weil ihr sonst schwindelig geworden wäre. Irgendwann wurde der Sturm müde und seine Kraft liess nach.
Bausch öffnete die Augen und gleitete nun Gott sei Dank wieder langsam über die Landschaft. Plötzlich hörte sie Stimmen.
„Bausch, bist du das?“ „Ja, das ist sie.“ „Schaut mal, wie gross sie geworden ist.“
Und tatsächlich, da vorne schwebte eine Wolkenfamilie...ihre Familie.
Überglücklich fielen sie sich in die Arme, und vereinten sich so zu einer einzigen, grossen Wolke. Vor lauter Wiedersehensfreude mussten alle weinen, und ihre Tränen fielen als Regentropfen auf die Erde.

Nun weisst Du auch, warum es manchmal aus weissen Wolken regnet, obwohl die Sonne scheint.
 

kritzelasch

Mitglied
So schön!

Die Geschichte hat mir wirklich sehr gut gefallen!
Zuerst dachte ich noch, dass hier der Wasserkreislauf erklärt wird, aber so war es auch gut!
Ich hätte gerne mehr gelesen.
 

Estrella

Mitglied
Hallo kritzelasch,

vielen Dank fürs Lesen, freut mich, dass Dir die Geschichte gefallen hat. Ich denke, für eine Kindergeschichte ist sie lang genug. Sonst verlieren kleine Kinder zu schnell die Geduld.

Liebe Grüsse
Estrella
 



 
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