Die alte Schreibmaschine

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disul

Mitglied
Die alte Schreibmaschine


Leise knarrend bewegte sich die Türe des halboffenen Eichenschrankes, kaum einen Finger breit, und der an einem verbogenen Nagel am höchsten Balken befestigte Kronleuchter begann sachte zu schaukeln, als die Türe des Dachbodens unsanft und mit einem kräftigen Tritt geöffnet wurde. Es schien, als ob die am Sparren befestigte Pute, die pausbäckig war und einen abgebrochenen Flügel hatte, ihre Kulleraugen rollen würde. Einige Lichtstrahlen, die sich nun durch die Öffnung Zutritt zum Dachboden verschaffen konnten, enthüllten die Geheimnisse, die ein Regal, das neben dem Schrank stand, eben noch im Halbdunkel verbergen konnte. Kartonschachteln, Gläser und Bücher standen gemeinsam mit alten Schreibmaschinen auf dem Gestell. Olympia hiess die eine, und seit unzähligen Jahren fristete sie ein freudloses Dasein inmitten nackter Schaufensterpuppen, verstaubter Korbflaschen und beschlagenen Ölgemälden. Niemand brauchte sie. Ein elendigliches, unwürdiges Schicksal. Zwanzig Jahre lang thronte sie auf dem Schreibtisch von Herrn M. und erleichterte ihm mit ihren sechsundvierzig Tasten das Schreiben, und somit einen grossen Teil seiner Arbeit, auf wundersamste Art und Weise. Schön war sie anzuschauen, schlicht in ihrem edlen Grau, das immer glänzte, wie eben frisch poliert. Es gab keinen Tag, an dem Herr M. sie nicht aus dem Schrank hervorholte, weil er sie brauchte. Nach getaner Arbeit versorgte er sie sorgfältig wieder, nicht, ohne ihr vorher aber zärtlich die Tasten gestreichelt zu haben. Doch eines Morgens holte sie Herr M. nicht mehr hervor. Am Abend öffnete er den Schrank und stellte eine knallrote Schreibmaschine, die ein Kabel und einen Kugelkopf hatte, deren Tasten Herr M. aber nicht mehr liebkoste, neben Olympia. Auch versorgte er sie nach kurzer Zeit schon nicht mehr jeden Abend im Schrank. Die Rote landete bereits nach ein paar Jahren auf dem Dachboden. Ihre Nachfolgerin hatte einen Speicher, und kurz darauf schon fand der erste PC seinen Platz in einer Schachtel neben dem Regal. Ihm folgte ein weiterer und in immer kleiner werdenden Abständen noch einer und noch einer und noch einer.

Heftig stiess die Türe nach dem Fusstritt an den Gussofen, der hinter ihr stand und dessen Rohr durch den Schlag zu singen begann. Herr M., eine riesige Kartonschachtel missmutig vor sich herschiebend, polterte zur Türe herein. Mit ein paar kräftigen Stössen bugsierte er sie zu den anderen. Feiner Staub stach ihn in der Nase und machte ihn niesen, was ihn zwang, sich aufzurichten und die Säcke seines Übergewandes nach einem Taschentuch zu durchwühlen. Während er seine Nase putzte, schweifte sein Blick über das Regal mit den Schachteln, Gläsern, Büchern und Schreibmaschinen. Er erkannte seine Olympia und ein Lächeln trat auf sein Gesicht, denn er wusste nun, was er brauchte.
Bedächtig trat er heran und streichelte sanft über ihre staubigen Tasten. Er hob sie sorgfältig auf und nahm sie mit.

Schön war sie anzuschauen, wie sie da stand neben dem PC, schlicht, in ihrem edlen Grau, das wieder prächtig glänzte, und hin und wieder streichelte Herr M. ihre Tasten und lächelte, weil sie bei ihm war.

® by Disul (14.01.08)
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
das

ist eine geschichte, aus der ich nicht klug werde. zuerst die pute an der decke, das wird wohl eher eine putte sein. und dann - was sollen all die schachteln? ist er zu dumm, einen computer zu benutzen oder was?
nee, du, das reimt sich nicht.
lg
 

disul

Mitglied
Die alte Schreibmaschine


Leise knarrend bewegte sich die Türe des halboffenen Eichenschrankes, kaum einen Finger breit, und der an einem verbogenen Nagel am höchsten Balken befestigte Kronleuchter begann sachte zu schaukeln, als die Türe des Dachbodens unsanft und mit einem kräftigen Tritt geöffnet wurde. Es schien, als ob die am Sparren befestigte Putte, die pausbäckig war und einen abgebrochenen Flügel hatte, ihre Kulleraugen rollen würde. Einige Lichtstrahlen, die sich nun durch die Öffnung Zutritt zum Dachboden verschaffen konnten, enthüllten die Geheimnisse, die ein Regal, das neben dem Schrank stand, eben noch im Halbdunkel verbergen konnte. Kartonschachteln, Gläser und Bücher standen gemeinsam mit alten Schreibmaschinen auf dem Gestell. Olympia hiess die eine, und seit unzähligen Jahren fristete sie ein freudloses Dasein inmitten nackter Schaufensterpuppen, verstaubter Korbflaschen und beschlagenen Ölgemälden. Niemand brauchte sie. Ein elendigliches, unwürdiges Schicksal. Zwanzig Jahre lang thronte sie auf dem Schreibtisch von Herrn M. und erleichterte ihm mit ihren sechsundvierzig Tasten das Schreiben, und somit einen grossen Teil seiner Arbeit, auf wundersamste Art und Weise. Schön war sie anzuschauen, schlicht in ihrem edlen Grau, das immer glänzte, wie eben frisch poliert. Es gab keinen Tag, an dem Herr M. sie nicht aus dem Schrank hervorholte, weil er sie brauchte. Nach getaner Arbeit versorgte er sie sorgfältig wieder, nicht, ohne ihr vorher aber zärtlich die Tasten gestreichelt zu haben. Doch eines Morgens holte sie Herr M. nicht mehr hervor. Am Abend öffnete er den Schrank und stellte eine knallrote Schreibmaschine, die ein Kabel und einen Kugelkopf hatte, deren Tasten Herr M. aber nicht mehr liebkoste, neben Olympia. Auch versorgte er sie nach kurzer Zeit schon nicht mehr jeden Abend im Schrank. Die Rote landete bereits nach ein paar Jahren auf dem Dachboden. Ihre Nachfolgerin hatte einen Speicher, und kurz darauf schon fand der erste PC seinen Platz in einer Schachtel neben dem Regal. Ihm folgte ein weiterer und in immer kleiner werdenden Abständen noch einer und noch einer und noch einer.

Heftig stiess die Türe nach dem Fusstritt an den Gussofen, der hinter ihr stand und dessen Rohr durch den Schlag zu singen begann. Herr M., eine riesige Kartonschachtel missmutig vor sich herschiebend, polterte zur Türe herein. Mit ein paar kräftigen Stössen bugsierte er sie zu den anderen. Feiner Staub stach ihn in der Nase und machte ihn niesen, was ihn zwang, sich aufzurichten und die Säcke seines Übergewandes nach einem Taschentuch zu durchwühlen. Während er seine Nase putzte, schweifte sein Blick über das Regal mit den Schachteln, Gläsern, Büchern und Schreibmaschinen. Er erkannte seine Olympia und ein Lächeln trat auf sein Gesicht, denn er wusste nun, was er brauchte.
Bedächtig trat er heran und streichelte sanft über ihre staubigen Tasten. Er hob sie sorgfältig auf und nahm sie mit.

Schön war sie anzuschauen, wie sie da stand neben dem PC, schlicht, in ihrem edlen Grau, das wieder prächtig glänzte, und hin und wieder streichelte Herr M. ihre Tasten und lächelte, weil sie bei ihm war.

® by Disul (14.01.08)
 

disul

Mitglied
Hallo Flammarion,
selbstverständlich war da eine Putte gemeint. Ich habe die Änderung bereits vorgenommen. Danke für deinen Hinweis auf diesen wirklich peinlichen Schreibfehler.
Hast du mir eine Idee, wie ich das mit den Schachteln hinkriege. Herr M. ist nicht doof. Aber es ist nun mal so, dass in immer kürzeren Abständen neue "Schreibgeräte" gekauft werden (müssen). Und diese lagern bei Herrn M. auf dem Dachboden.

Mit bestem Dank und lieben Grüssen

Disul
 

disul

Mitglied
Ich kann im letzten Absatz folgenden Einschub machen:

Schön war sie anzuschauen, wie sie da stand neben dem PC, an dem er arbeitete, schlicht, in ihrem edlen Grau, das wieder prächtig glänzte, und hin und wieder streichelte Herr M. ihre Tasten und lächelte, weil sie bei ihm war.
 

disul

Mitglied
Die alte Schreibmaschine


Leise knarrend bewegte sich die Türe des halboffenen Eichenschrankes, kaum einen Finger breit, und der an einem verbogenen Nagel am höchsten Balken befestigte Kronleuchter begann sachte zu schaukeln, als die Türe des Dachbodens unsanft und mit einem kräftigen Tritt geöffnet wurde. Es schien, als ob die am Sparren befestigte Putte, die pausbäckig war und einen abgebrochenen Flügel hatte, ihre Kulleraugen rollen würde. Einige Lichtstrahlen, die sich nun durch die Öffnung Zutritt zum Dachboden verschaffen konnten, enthüllten die Geheimnisse, die ein Regal, das neben dem Schrank stand, eben noch im Halbdunkel verbergen konnte. Kartonschachteln, Gläser und Bücher standen gemeinsam mit alten Schreibmaschinen auf dem Gestell. Olympia hiess die eine, und seit unzähligen Jahren fristete sie ein freudloses Dasein inmitten nackter Schaufensterpuppen, verstaubter Korbflaschen und beschlagenen Ölgemälden. Niemand brauchte sie. Ein elendigliches, unwürdiges Schicksal. Zwanzig Jahre lang thronte sie auf dem Schreibtisch von Herrn M. und erleichterte ihm mit ihren sechsundvierzig Tasten das Schreiben, und somit einen grossen Teil seiner Arbeit, auf wundersamste Art und Weise. Schön war sie anzuschauen, schlicht in ihrem edlen Grau, das immer glänzte, wie eben frisch poliert. Es gab keinen Tag, an dem Herr M. sie nicht aus dem Schrank hervorholte, weil er sie brauchte. Nach getaner Arbeit versorgte er sie sorgfältig wieder, nicht, ohne ihr vorher aber zärtlich die Tasten gestreichelt zu haben. Doch eines Morgens holte sie Herr M. nicht mehr hervor. Am Abend öffnete er den Schrank und stellte eine knallrote Schreibmaschine, die ein Kabel und einen Kugelkopf hatte, deren Tasten Herr M. aber nicht mehr liebkoste, neben Olympia. Auch versorgte er sie nach kurzer Zeit schon nicht mehr jeden Abend im Schrank. Die Rote landete bereits nach ein paar Jahren auf dem Dachboden. Ihre Nachfolgerin hatte einen Speicher, und kurz darauf schon fand der erste PC seinen Platz in einer Schachtel neben dem Regal. Ihm folgte ein weiterer und in immer kleiner werdenden Abständen noch einer und noch einer und noch einer.

Heftig stiess die Türe nach dem Fusstritt an den Gussofen, der hinter ihr stand und dessen Rohr durch den Schlag zu singen begann. Herr M., eine riesige Kartonschachtel missmutig vor sich herschiebend, polterte zur Türe herein. Mit ein paar kräftigen Stössen bugsierte er sie zu den anderen. Feiner Staub stach ihn in der Nase und machte ihn niesen, was ihn zwang, sich aufzurichten und die Säcke seines Übergewandes nach einem Taschentuch zu durchwühlen. Während er seine Nase putzte, schweifte sein Blick über das Regal mit den Schachteln, Gläsern, Büchern und Schreibmaschinen. Er erkannte seine Olympia und ein Lächeln trat auf sein Gesicht, denn er wusste nun, was er brauchte.
Bedächtig trat er heran und streichelte sanft über ihre staubigen Tasten. Er hob sie sorgfältig auf und nahm sie mit.

Schön war sie anzuschauen, wie sie da stand neben dem PC,an dem er arbeitete, schlicht, in ihrem edlen Grau, das wieder prächtig glänzte, und hin und wieder streichelte Herr M. ihre Tasten und lächelte, weil sie bei ihm war.

® by Disul (14.01.08)
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
aber

irgendeine erklärung muss es doch dafür geben, dass er andauernd was neues kauft und es gleich auf dem dachboden landet. hat er etwa keinen strom, um die geräte anzuschließen? oder kann er das farbband beim drucker nicht finden? könnte durchaus witzig werden!
lg
 

disul

Mitglied
Liebe Flammarion, vielen Dank für deine Anregung. Eigentlich wollte ich folgendes sagen: Früher, du magst dich erinnern, hatte man seine Schreibmaschine jahre-, wenn nicht sogar jahrzehntelang (im Text: die Olympia). Die Kugelkopfschreibmaschinen (im Text: Die Rote) besass man schon nicht mehr so lange, und die mit den Speichern wurden relativ rasch von den PC's abgelöst. Und heute hat man einen PC, der morgen schon veraltet ist. Die Abstände, in denen man neue Geräte kaufen muss, werden immer wie kleiner, und das Lager an ausgeschaubten Geräten auf dem Dachboden immer wie grösser.
Die Beziehung zu einem "Kurzzeitgerät" aber kann nie die gleiche sein, wie bspw. die zu einer Olympia. Und überhaupt sind Beziehungen in unserer schnelllebigen Zeit anders als sie dies früher waren.
Ich wünsche dir einen schönen Tag und sende dir liebe Grüsse Disul
 
G

Gelöschtes Mitglied 7520

Gast
hi dissul,

nette story, gut geschrieben. da werd' ich ganz nostalgisch. den einen oder anderen satz finde ich etwas zu umständlich, aber vielleicht gehört das zu deinem stil, ich werd's rausfinden.

bis denne
nofrank
 



 
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