Die arme, kleine Kirchenmaus

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Sta.tor

Foren-Redakteur
Die arme, kleine Kirchenmaus

In einem alten Gotteshaus
da lebte eine Kirchenmaus
die machte ihrem Namen Ehr’:
noch ärmer ging es fast nicht mehr.

Doch wollte sie nicht mehr so sein
und gab sich hin dem schönen Schein.
Ein Fell aus Gold und weich wie Flaum.
Goldhamster sein, das war ihr Traum.

Der Hamster mit dem Edelfell
erschien der Maus sensationell
mit Reichtum und Glamour geschmückt.
Ein Artverwandter der beglückt.

Um dessen Aura einzufangen
hatte die Maus es angegangen
am Holzkreuz auf dem Kirchaltar
das blattgoldüberzogen war
sein kleines Fell kräftig zu reiben
und in den hohen Bleiglasscheiben
mal stehend, mal auf allen vieren
sein Spiegelbild zu kontrollieren.

Und siehe da – am siebten Tage
da sah man es, ganz ohne Frage.
Die Mühe hatte sich gelohnt.
Das Fell, es glänzte ungewohnt.

Das kleine, arme Mäuschen
war völlig aus dem Häuschen.
„Seht her!“, rief es vor Übermut
„Ich bin aus Gold und das ist gut!“

Das hörte auch die Katze
und schlich auf leiser Tatze
sich an die Maus heran.
Der Epilog begann.

„Du goldig Ding mit Mausgeruch,
mach deinen letzten Lebensspruch.“
„Ein Hamster bin ich, keine Maus!“
Der Spruch war kurz, das Leben aus.
 

Nil

Mitglied
Wirklich sehr schön...

Es beinhaltet in meinen Augen eine deutlich hevorstechende Moral. Man sollte in der Lage sein das zu schätzen, was man hatt und sich vorallem nicht von Äußerlichkeiten beeindrucken lassen die nichts über den eigenen Wert Aussagen. Schließlich hatt die Fehleinschätzung der Maus auch ihre Folgen.
Das Lesen hat Freude gemacht...
 

Sta.tor

Foren-Redakteur
Danke Nil,

ja genau das soll die Kernaussage des Gedichtes sein, obwohl die Sehnsucht, ein bisschen was von Glamour am eigenen Leib zu verspüren fast jedem innewohnt und deren Realisierung nicht unbedingt in die Katastrophe führen muss.

In diesem Fall hier jedoch leider schon:

Es war mal ne Sprotte, wie üblich recht klein,
die wünschte sich lautstark ein Goldfisch zu sein.
Ein Fischer erhörte ihr jammerndes Flehen.
Nun, frisch aus dem Rauch will das Gold ihr gut stehen!​

Goldige Grüße

Thomas
 

Nil

Mitglied
Hallo Thomas,

dein Werk hat mich gleich beim ersten Mal an Joachim Ringelnatz erinnert. Ich hatte einmal ein Gedicht von ihm gelesen in dem er ebenfalls einem Tier menschliche Eigenschaften gab.
 



 
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