Die drei Königinnen - Coppolus Teil 2

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Kleine Handlungsübersicht:

„OK, ich gehe zu Angriff über. Coppolus hatte mich unter Kontrolle. Es gab Tote und Coppolus schien sein Spiel zu treiben, ohne dass ich ihm Einhalt gebieten konnte.
Das alles ist geschehen. Coppolus ist nach Deutschland zurückgekehrt, weil er hörte, dass es hier ganz besondere, neue Augen gibt, die sein Interesse geweckt haben. Er ist mit seinen grausamen Schergen Lipus Less, Zefalos Fin, Cornelius und Visace, die er mit seiner schrecklichen Krankheit seit Jahrzehnten am Leben erhält, in die Hauptzentrale der rechtsradikalen KFAS eingedrungen und hat dort alle Computerbildschirme gestohlen. Mit einer mystischen „Freikugel“ tötete er dabei den Führer dieser Organisation: Peter Freiberger. Alles lief nach Plan, wären da nicht ein junger glatzköpfiger Mann und eine junge Frau mit Reene-Haarschnitt gewesen, die aus noch nicht wirklich geklärten Gründen zur gleichen Zeit anwesend waren. Es handelt sich dabei um den, um seine Haare gebrachten, Freizeithacker Hans-Peter Maciejewicz, der uns in der Geschichte als Jack the Imac vorgestellt wurde und um die junge, undurchsichtige „Nazibraut“ (wie Jack sagen würde) Ina. Beide entkommen auf wunderbare Weise dem zweiten Angriff des Coppolus und mehr noch, auf noch wunderbarere Weise wird Coppolus durch seine eigene Waffe verletzt(Das war natürlich mein Verdienst!).
Coppolus flieht jetzt verletzt durch die Nacht. Und ich bin ihm mit Wort und Tat auf den Fersen.
Hier beginnt der neue Teil der Geschichte.
Du sollst mir nicht entkommen, Coppolus!“





Die drei Königinnen


Der Lastwagen raste mit seiner elektronischen Fracht und den grausamen Gestalten, die ganz still in dem Führerhäuschen hockten, in die Nacht hinaus.
Ein arbeitsloser Zeitungsreporter stand unter der Überdachung einer Bushaltestelle und kritzelte ein paar zusammenhanglose Sätze in sein Notiztagebuch, als er unter dem Donnern des vorbeirauschenden Lastwagens plötzlich aufschreckte. Auf der Ladefläche konnte er für wenige Augenblicke aufeinander gestapelte Computerbildschirme entdecken. Es erinnerte ihn an den Bericht, den er vor kurzem in der FAZ gelesen hatte.
„Männer zerschlagen Computerequipment auf offener Straße.“
Mit einem Mal begann der schmutzige Bleistift in seinen Fingern wie wild über das linierte Papier seines Notizblockes zu rasen. Er schaute dem Lastwagen hinterher, machte einen Schritt vor. Als der Lastwagen mehrere hundert Meter entfernt auf das Bahngleisgelände einbog, hörte seine Hand plötzlich auf zu schreiben.
Der arbeitslose Zeitungsreporter schüttelte den Kopf und trat unter die Überdachung zurück. Auf seinem Notizblock las er verwirrt:
„CoppolusCoplusplusCoppoluspopo.“
Danach wurde die Schrift unleserlich.


Lipus Less ließ den Lkw mit voller Wucht durch die Schranke des Bahngleisbereiches brechen. Als sie über einen Geschwindigkeitsbegrenzer polterten, hob fast der ganze Lastwagen ab. Die Oberkörper der Männer ruckten mit einem Mal nach vorn.
„Verdammt!“, schrie Visace und krallte sich am Lenkrad fest. Beide Männer rissen hart am Lenkrad, als der Lastwagen auszubrechen drohte. Wieder und wieder hüpften ihre schweren Körper in dem Führerhäuschen auf und ab. Überall krachte es und von der Ladefläche hörten die Männer das Explodieren in sich zusammenstürzender Bildschirmröhren.
Unter Quietschen und Schlingern kam der Lastwagen zum Stehen. Auf der Rückbank saß Zefalos Fin, bleich und mit aufgerissenen Augen in die Ecke gekauert. Neben ihm die düstere Gestalt des Doktors. Sein dunkler, breitkrämpiger Hut war ihm ins Gesicht gerutscht, der dunkle Umhang hing ihm kraftlos um seine muskelbepackten Schultern. Seine vollen, dunkelroten Lippen wirkten im fahlen Licht der Kabinenbeleuchtung schmal und eingefallen.
Der Doktor atmete schwer. Obwohl die Wunde an seiner Schulter stark blutete, lagen seine Hände fast teilnahmslos auf den Oberschenkeln. Fin packte ihn an der Schulter und sah dann erschrocken zu den anderen.
„Er ist kalt!“
Lipus Less sprang augenblicklich aus dem Wagen und riss die hintere Tür auf.
„Fass an!“, schrie er und versuchte so sanft wie möglich die kraftlose Gestalt des Doktors von der Rückbank zu ziehen.
„Vorsichtig!“
Visace kam um den Wagen herumgelaufen und stellte sich wie einen Packesel neben Lipus.
„Leg ihn mir auf die Schultern.“, sagte er und Visace stöhnte auf, als das ganze Gewicht des Doktors auf seinen Rücken gehievt wurde. Er schleppte die dunkle Gestalt bis zu den etwa zwanzig Meter entfernten Bahngleisen.
An den Gleisen angekommen stützte sich Visace schwer atmend gegen einen der Laternenpfeiler. Aus einiger Entfernung hörte er das leise, kraftvolle Tscha-tscha einer Zugmaschine. Langsam kroch sie aus der Dunkelheit in den Schein der Gleisbeleuchtung. Visace schleppte sich ihr entgegen, bis sie schließlich hielt und Cornelius eine Tür der angeschlossenen Waggons öffnete. Mit letzter Kraft hievte sich Visace mit seiner Last die schmalen Stufen empor und trat in das Innere des Waggons.
„In das Labor.“, wies Cornelius ihn an und ging ihm voraus. Während Visace zielsicher durch die Dunkelheit schritt, musste Cornelius sich vorantasten. Seine Hände glitten über mehrere lederne Sitzreihen, er kam an eine Tür, stieß sie auf und wandte sich nach rechts. Seine Hand ertastete einen der wenigen Lichtschalter. Er blieb unsicher stehen.
„Kein Licht!“, befahl Visace und sein Atem hörte sich an wie das leise Tscha-tscha der Zugmaschine. Er stieß Cornelius mit dem Ellenbogen in die Seite.
„Los!“
Cornelius stolperte vorwärts. Vage konnte er in der Dunkelheit einige Konturen erkennen. In seinem Gesicht juckte es. Das war die Krankheit, die sich seiner bemächtigte. Oder wie der Doktor sagte, sein Segen, der über ihnen allen schwebte. Nur dass er nicht aus Licht, sondern aus Dunkelheit war.
Cornelius stieß die Tür zum Labor auf. Visace drückte ihn zur Seite und hastete auf den mitten im Raum stehenden Ledersessel zu. Unter Stöhnen drehte er sich um und ließ die Gestalt des Doktors langsam auf die Sitzfläche gleiten.
Da! Er bewegte sich noch.
Visace eilte zu dem schweren Eisenschrank, in dem der Doktor seine Medikamente und die chirurgischen Instrumente aufbewahrte. Beide Hände mit Ampullen und metallischen Gegenständen beladen, kehrte er zum Ledersessel des Doktors zurück und legte sie vorsichtig auf die schmale Ablage, die schwenkbar mit dem Ledersessel verbunden war.
Atemlos blieb er stehen.
„Coppolus.“, flüsterte er der zusammengesunkenen Gestalt zu.
„Coppolus.“, murmelte er fast beschwörerisch und drehte sich verzweifelt zu Cornelius um, der noch immer starr vor Erwartung an der Tür stand und die beiden unsicher ansah. Er sah nicht einmal zur Seite, als Zefalos Fin und Lipus Less atemlos in das Labor stürzten und wie angewurzelt stehen blieben.
„Was ist mit ihm?“, flüsterte Zefalos und man konnte die Angst in seinen Worten hören.
Lipus Less machte einen entschiedenen Schritt nach vorn und sah zunächst Visace und dann Cornelius an.
„Coppolus kann nicht sterben.“, sagte er mit absoluter Gewissheit. Die Männer drehten sich um und betrachteten mehrere Sekunden den bewegungslosen Körper des Doktors.
„Er darf nicht sterben!“ Zefalos´ Stimme überschlug sich fast vor Angst.
Plötzlich gab der Doktor ein einziges, leises Stöhnen von sich.
„Coppolus!“, sagte Visace und ballte energisch seine riesigen Hände zu Fäusten.
„Coppolus!“, beschwor ihn Zefalos Fin und machte einen weiteren Schritt nach vorn.
„Coppolus –Coppolus!“, sagten Lipus Less und Cornelius fast mit einer Stimme.
Langsam öffnete der Doktor die Augen. Er nickte, als er die vier Männer ganz nah bei sich sah, in Verzweiflung um ihn geschart.
„Es ist gut.“, flüsterte er und winkte ihnen zu. Mühsam richtete er sich in seinem Ledersessel auf und nickte, während er sich mit der Hand an die verwundete Schulter griff. Mit der anderen Hand wies er sie an, ihm das Gefäß zu bringen, das neben dem eisernen Schrank auf einer Vitrine stand. Visace packte es und hielt es dem Doktor hin. Als der Doktor ihm wohlwollend zunickte, schraubte er vorsichtig den Deckel auf und wandte sein Gesicht ab. Cornelius konnte, indem er seine Augen einen Spalt weit offen ließ, erkennen, dass das Innere des Gefäßes aussah, als wäre es mit einem silbrig glänzenden Spiegel überzogen worden. Obwohl kein einziger Lichtstrahl in das Innere des Waggons gelangen konnte, leuchtete es aus seinem Inneren heraus, wie Vollmondlicht.
Langsam wandte auch Cornelius das Gesicht ab. Seine Augen brannten leicht und in seinem Kopf war ein Pochen zu spüren, wie von einem kleinen Hammer, der von innen gegen die Schläfen pocht. Als er die Augen schloss, verschwand das Pochen und Cornelius war froh, dass er die silbernen Spiegel im Inneren des Gefäßes nicht mehr sehen musste. Während die Männer ihre Augen geschlossen hielten, beugte sich der Doktor über das Gefäß und stieß einen einzigen schrillen Schrei aus, als die Kugel in seiner Schulter von den Spiegeln in das Innere des Gefäßes gezogen wurde.
Erschöpft sank er zurück in den ledernen Sessel und schloss die Augen.
„Schließ bitte das Gefäß“, wies er Visace an und einen Augenblick später war der ganze Raum wieder in Dunkelheit gehüllt.
Vorsichtig öffneten die Männer ihre Augen.



Eckehard Stieg hockte am Boden und betrachtete seinen Notizblock. Mit dem Bleistift, den er in seiner massigen rechten Hand hielt, schob er sich die Mütze seiner Polizeiuniform in den Nacken und schüttelte sehr langsam den glatt rasierten Kopf. „Na, Peter“, sagte er und seufzte. „Musstest wohl wieder bis in die Nacht arbeiten. Konntest nicht einfach mal deinen fetten Hintern nach Hause bewegen und die Sache gut sein lassen.“ Eckehard schloss die Augen.
„Wer zum Teufel hat diesen Mist verbockt?“ Er drehte sich um und starrte fragend in die Augen der um ihn versammelten jungen Männer. „Bei euch steckt das Gehirn wohl auch nur in der Hosentasche, was? STECK DEN VERDAMMTEN SCHLAGRING EIN, KURTI, SONST NEHM ICH IHN DIR WEG UND HAU DICH DAMIT!“
Eckehard Stieg stand auf und machte einen gewaltigen Schritt auf den jungen Mann zu, der sich plötzlich hastig den Schlagring von den Fingern zog und ihn in der Tasche seiner Armeejacke verschwinden ließ. „NA LOS!“, schrie Eckehard und warf einen Blick in die ganze Runde. Plötzlich verschwanden Schlagringe, Messer und sogar Pistolen kleineren Kalibers in den Taschen und im Innenfutter von Bomberjacken, die allesamt die Aufschrift KFAS trugen. Ein junger Mann versuchte verzweifelt, sich einen etwa armlangen Baseballschläger durch den Hosenschlitz seiner Latzhose in das linke Hosenbein zu schieben.
„Es ist gut, Franky“, sagte Eckehard und sah Franky nur an.
„Es reicht, wenn du ihn hinter deinem Rücken versteckst.“
Ein älterer Polizist kam langsam die Treppe herunter und lehnte sich auf halbem Weg über das Geländer.
„Ich glaub, wir haben da was, Ecki.“ Eckehard nickte. Er bückte sich und schloss mit einem lauten Ratschen den Leichensack. „Ihr bleibt von der Leiche weg. Habt ihr mich verstanden?“
Die jungen Männer nahmen Haltung an und nickten.
„Ihr könnt ihn“ - Eckehard Stieg kniff die Lippen zusammen und nickte. - „Ihr könnt ihn meinetwegen BEWACHEN.“

Eckehard Stieg betrat den Computerraum und nahm seine Uniformmütze ab. Der ältere Polizist, den er bereits auf der Treppe gesehen hatte, kam auf ihn zu und hielt ihm ein ganzes Bündel von schwarzen, abgerissenen Kabeln hin. An allen befand sich nur noch der Stecker.
„Am Anfang haben sie sich noch die Mühe gemacht, die Stecker aus den Verlängerungskabeln zu ziehen.“ Er drehte sich um und betrachtete kopfschüttelnd die leergefegten Tischreihen.
„Wer zum Teufel braucht Computerbildschirme, die keinen Strom mehr kriegen?“
Eckehard nahm dem Polizisten die Stromkabel aus der Hand und betrachtete sie.
„Vielleicht waren das irgendwelche durchgeknallten Linken. Ihr hattet schon öfter Probleme mit denen.“
Eckehard schüttelte mit dem Kopf. „Nein“, sagte er. „Die hätten den Laden gleich hier klar gemacht. Die hätten nicht lange gefackelt.“ Mit den Fingerspitzen berührte er die auseinandergesplissten Stromkabel.
„Hast du schon mal ein Stromkabel zerrissen?“, fragte er den älteren Polizisten.
Der andere Polizist sah ihn an und wurde plötzlich nachdenklich. „Ich kannte mal“, sagte er und hob die Hand, als wollte er nach einem weit entfernten Gedanken greifen. Dann ließ er die Hand sinken und schüttelte mit dem Kopf. „Verdammt, wer macht so was?“
„Ja“, sagte Eckehard. “Das ist eine scheiß Arbeit. Ich kenne Leute, die Stromkabel zerreißen können. Aber die würden sich für den ganzen Mist hier nicht interessieren.“ Er legte die Stromkabel auf den Tisch vor ihm und stemmte, laut pustend, die Fäuste in die Hüften. „Was haben wir noch?“
„Eine Festplatte fehlt.“, sagte der ältere Polizist gelangweilt.
Eckehard ließ die Fäuste sinken. „Was?“
„Ja“, sagte der ältere Polizist. „Sie haben sie da vorn an einem der kleineren Rechner ausgebaut. War wohl nicht so wichtig. Hatte nicht mal einen eigenen Internetzugang.“
Eckehard kratzte sich an der Stirn. „Habt ihr schon Fingerabdrücke?“, fragte er.
„Kommen in ein paar Stunden rein.“
„Wenn sie reinkommen, will ich sie haben.“
„Wir können die ganze Mannschaft auf die Kerle ansetzten, wenn du willst.“, sagte der ältere Polizist ruhig.
„Nein.“ Eckehard schüttelte entschlossen mit dem Kopf.
„Ich habe meine eigenen Leute.“
Der ältere Polizist lachte wenig hoffnungsvoll.
„Können die auch Stromkabel zerreißen?“

Die Bienenköniginnen

„Habe ich euch schon die Geschichte von den Bienenköniginnen erzählt?“, fragte Ecki und schloss die Augen, als wollte er sich ihr Bild in Erinnerung rufen.
„Drei Königinnen, so mächtig wie ein Staat.“ Er lachte bitter. „Und so rein und unverdorben in ihrer Tatkraft, wie das erste Lebewesen, das einem Ding jemals einen Namen gab.“
Die jungen Männer sahen ihn ernst und fragend an.
„Manchmal denke ich, sie sind den alten Sagen entsprungen. So als gäbe es noch stolze Krieger, die ihre Haut in Drachenblut tauchen und daraus UNZERSTÖRBAR hervorgehen.“
Ecki zeigte mit dem Finger auf die jungen Männer und seine Stimme wurde schrill, als wollte sie zerbrechen.
„Aber die Königinnen würden selbst SIE zerstören, WENN SIE IHR NEST BETRETEN!“

Die Menschenschlange, die sich wie ein langsam sterbender Rattenschwanz unruhig vor dem Eingang zum HotRatsBallroom hin und her bewegte, kam in ängstliche Bewegung, als das Gerücht herumging, dass die Eingangstür wegen Überfüllung bald geschlossen würde. Ein paar junge, bis zur Unkenntlichkeit aufgetakelte Abiturientenanwärterinnen drängelten sich mit ihren kleinen, festen Brüsten als Rammbock gegen den Rücken des jungen, glatzköpfigen Mannes, der ganz vorn in der Reihe stand. Sie pressten ihre kurzberockten, nass geschwitzten Unterleiber gegen seinen Hintern und ein paar kleine, flinke Mädchenfinger huschten bittend über seinen Bauch und seinen Schritt, bis der junge Mann sich unvermittelt umsah.
„VERPISST EUCH!“
Jack drehte sich wieder um und betrachtete den blanken Hinterkopf der jungen Frau vor ihm. Er beugte sich vor und berührte mit seinen Lippen fast ihr kleines, etwas abstehendes Ohr.
„Ina-Hase, hast du noch vierzig Mücken?“, fragte er sie. Ina drehte sich um und sah ihn stirnrunzelnd an. „Ich habe den Eintritt schon bezahlt!“, sagte sie wütend. Jack nickte grinsend.
„Ja, DEINEN Eintritt.“
„Was, die wollen für eine beschissene Disco vierzig Zicken Eintritt?“
Jack zuckte mit den Schultern.
„Is vielleicht ne gute Disco?“, fragte er.
Ina seufzte und gab dem muskelbepackten Einlasser noch einmal vierzig Zicken, wie sie sagte. „Kannst dir dafür morgen nen Schwanz dran tätowieren lassen.“, sagte sie gehässig und deutete auf das gewaltige Pferdetatoo auf seiner rechten Schulter. Jack schnappte Ina beim Arm, grinste den Einlasser an und machte eine entschuldigende Fingerkreiselbewegung an seiner Stirn. Er presste Ina unter dem dunklen, schweren Vorhang hindurch in das Innere des Eingangsbereiches. Hinter ihnen hörte man, wie der Einlasser mit ruhiger Stimme bekannt gab, dass der HotRatsBallroom auf unbestimmte Zeit keine weiteren Gäste mehr aufnehmen könne. Man hörte auch noch ein paar fipsige Mädchenstimmen, die verzweifelt um ein Gnadengesuch baten, bis der Einlasser laut und energisch verlauten ließ: „VERPISST EUCH!“

Jack und Ina drängelten sich durch die unglaublich dichte Menge, der sich rhythmisch bewegenden Discobesucher. Jack hatte Ina bei ihrem schmalen Oberarm gepackt und versuchte sie vorwärts zu ziehen, während er immer wieder einen Schritt zurückgehen musste, um etwaige sexuelle Annäherungsversuche von angetrunkenen oder völlig hinübergekoksten, geschlechtlich nicht immer eindeutig identifizierbaren Nachtschwärmern zu unterbinden. Er achtete schon gar nicht mehr auf die Annäherungsversuche, die ihm selbst galten. `Mitnehmen konnten sie ihn ja nicht´, dachte er immer.
Irgendwann hatten sie sich irgendwie einen Weg bis zur Bar vorgekämpft. Jack schnaufte und riss an seinem Hemdkragen. Die Luft war zum Ersticken. Ein lautes Rauschen kündete alle paar Sekunden davon, wie weiter vorne, auf einer nicht näher bestimmbaren Tanzfläche wieder und wieder Rauch in die Menge geblasen wurde. Jack lehnte sich erschöpft gegen die Bar und ließ Ina für einen Augenblick los, um seine Hände dazu zu benutzen, sich auf einen der Barhocker zu hieven.
„BESTELLEN ODER ABHAUEN!“, schrie ihn der Barkeeper, so laut er konnte, an und Jack zog Ina zu sich heran, um fast noch lauter zu schreien: „HASTE MAL N`FÜNFER?“ Ina klatschte ihm das Geld in die jetzt schon schweißnassen Hände. Jack drehte sich grinsend um.
„EINE KLEINE COLA!“ Der Barkeeper nickte und knallte ihm im nächsten Augenblick eine einzelne Flasche mit dem Limonadengetränk auf die Theke. Während Jack den Finger hob und nach einem Glas fragen wollte, hatte Ina sich bereits die Cola geschnappt und sie in einem Zug ausgetrunken. Jack drehte sich freudestrahlend mit dem Glas in der Hand zu ihr zurück und ließ enttäuscht die Schultern sinken.
„NA WUNDERBAR!“, schrie er und versuchte verzweifelt das Eis aus dem Glas herauszufischen. Nach ein paar Augenblicken setzte er das Glas an seine Lippen und ließ sich gierig die Eiswürfel in den weit geöffneten Mund poltern.
Ina packte ihn an der Schulter und beugte sich zu ihm.
„WO IST ES?“, schrie sie ihn an. Jack deutete über die Menschenmasse hinweg in Richtung der Toiletten. Ina sah ihn geringschätzig an. Jack nickte vielsagend und zeigte wieder in Richtung der Toiletten. In seinem Mund ließ er genüsslich die Eiswürfel schmelzen.
„BESTELLEN ODER ABHAUEN!“, schrie ihn plötzlich der Barkeeper von hinten an. Jack drehte sich um und hielt triumphierend das leere Glas in die Höhe. Der Barkeeper hob eine Augenbraue. Jack schluckte mit einem Mal die Eiswürfel hinunter.
„KOMM SCHON!“, schrie Ina und riss Jack von dem Barhocker. Jack stellte gerade noch das leere Glas auf den Tresen, bevor Ina ihn zurück in die tanzende Menge zog.

„Die drei Schwestern, von denen ich euch erzählen will“, sagte Eckehard Stieg geheimnisvoll. „sind gefährlicher als die ganze verdammte sechste Armee zusammen. Ich habe gesehen, wie sie ganze Zeckenhochburgen auseinander genommen haben. Einfach so.“ Er schnippte mit den Fingern. „Weil es ihnen gefiel. Weil sie daran ihre LUST stillten.“
Jemand lachte amüsiert auf.
„LACH NICHT!“, donnerte Eckehard ihn an. Und dann leiser: „Lach nicht, wenn du nicht willst, dass sie es hören.“
Es wurde wieder still im Raum.
„Ihre Lieblingsbeschäftigung ist es, dir die Eier abzuschneiden und damit – ich glaube ihr wollt nicht wissen, was sie damit machen.“ Eckehard lachte leise und schüttelte mit dem Kopf.
„Ich könnte euch sagen, was sie damit machen.“

Ein leises, tiefes Stöhnen war aus der Küche zu hören, dann ein gewaltiger Schlag, der die Gläser in den selbst zusammen gezimmerten Holzregalen erzittern ließ. „Komm schon!“, schrie eine tiefe, weibliche Stimme und überschlug sich dabei. Wieder ein dumpfer, gewaltiger Schlag. „Mach schon! Wenn du glaubst, dass ich dir wehtue, dann frag dich einfach, was passieren würde, wenn ich es wirklich wollte!“ Unter dem blassen Schein einer flackernden Neonröhre konnte man eine gewaltige, weibliche Gestalt erkennen, die sich über einem in sich versunkenen, zitternden Etwas erhob.
Sie musste eine Gigantin sein.
Mit ihren riesigen Händen packte sie einen wackligen Küchenstuhl, der in ihrer Gegenwart wie ein Puppenstuhl wirkte und knallte ihn neben dem Etwas, das vor ihr kauerte, auf den Boden.
„Setzt dich!“ Ihre Stimme donnerte durch den ganzen Raum und ließ „das Männchen“ auf dem Boden vor Schreck zusammenzucken. Einen Augenblick später war er aufgesprungen und hatte sich folgsam auf den Stuhl gesetzt.
„Sehr schön.“, flüsterte eine noch tiefere, weibliche Stimme im Hintergrund. „Lass ihn jetzt singen.“, sagte sie erwartungsvoll. Die gewaltige Frau im Vordergrund schlug dem jungen Mann mit ihrer flachen Hand so heftig ins Gesicht, dass es ihn fast vom Stuhl geschleudert hätte.
„Du hast gehört, was die ehrenwerte Dame von dir möchte.“ Sie hob ihre gewaltige Hand zu einem erneuten Schlag.
Und tatsächlich fing der junge Mann plötzlich an, mit einer sehr hohen und vielleicht ansonsten sehr schönen Stimme, ein Lied zu singen. Im Refrain versuchte er sogar ein wenig so zu singen, wie er es gestern Abend getan hatte, kratzig und aufmüpfig. Im flackernden Neonlicht konnte man nicht sehen, wie ihm die Tränen über das Gesicht rannen.
„DAS KLINGT ABER NICHT WIE AUF DEM KONZERT!“, protestierte eine dritte Stimme, die etwas höher klang, als die beiden anderen. Die Frau im Vordergrund drehte sich missmutig um und stemmte ihre riesigen Fäuste in die fettüberladenen Hüften.
„Du hast aber auch immer was zu meckern!“, schrie sie vorwurfsvoll.
„Es klingt NICHT wie auf dem Konzert.“, sagte die andere Stimme trotzig. Die Frau im Vordergrund schwieg und drehte sich plötzlich ungeheuer schnell zu dem jungen Mann um und packte ihn an der Kehle. Mit einem röchelnden Geräusch erstarb sein Gesang.
„SING – wie – auf – dem – Konzert!“, befahl sie ihm sehr langsam. Als er energisch nickte, ließ sie seinen Hals los. Er begann das Lied von vorn und keine der drei Frauen verlor auch nur ein Wort darüber, dass sein Gesang jetzt noch viel schlechter als vorher klang.
„Sehr schön.“, befand die eine.
„Ich werd gleich schwach.“, stöhnte die andere. Und dann, nach einem sehr langen Augenblick, in dem der junge Mann ängstlich sang und verzweifelt mit ansah, wie die Frau im Vordergrund ihren riesigen, schwarzen Rock hob und krampfartig versuchte ihre lakenartige Unterwäsche aus dem Weg zu räumen, begann die tiefste der Frauenstimmen plötzlich aus vollem Hals zu lachen.
„Jetzt kommt das Beste!“, keifte sie.
„Und lass dir ja nicht einfallen, aufzuhören zu singen!“
Der junge Mann stöhnte ängstlich auf, als die riesige Frau Anstalten machte, sich zu ihm auf den Stuhl zu gesellen.
Plötzlich klingelte es.
Es klingelte so laut und schrill, dass der Gesang des jungen Mannes fast unterging. Es wollte gar nicht mehr aufhören zu klingeln.
Alle drei Frauen stimmten fast im gleichen Augenblick ein dahin gehauchtes „Oooch“ an. „Und ich war gerade so in Stimmung!“, nörgelte die eine. „Mein Höschen war schon ganz feucht.“
„Quatsch, dein Höschen“, donnerte die tiefste Stimme los. „Du meinst wohl deinen Wäschesack. Beweg deinen fetten Arsch zur Tür und sieh nach, wer uns den Abend versauen will!“ Sie schlug wütend mit der flachen Hand auf den Tisch.
„Und du sing, du miese kleine Zecke! Ich will dich singen hören. Und du wirst nicht damit aufhören, bis ich es dir sage!“

Ecki´s Hand zitterte. Er war fast an die zwei Meter groß und hatte Muskeln, die jedem Bodybuilder Angst einjagten, aber jetzt war er es, der Angst hatte. Als die Tür aufgerissen wurde, fühlte er sich plötzlich wieder wie ein Junge, der in der falschen Straße spielte und der nicht, als es dunkel wurde, nach Hause gegangen war.
„Ecki-Mäuschen.“, hauchte ihm die gewaltige Gestalt entgegen. Der kurze Reenehaarschnitt ließ ihr Gesicht noch widerlicher erscheinen, als es vielleicht ohnehin schon war. Ecki schüttelte diesen Gedanken so schnell er konnte aus seinem Verstand. Die gewaltige Frauengestalt drehte ihren Kopf und schrie wie ein überdrehter Lautsprecher in die Wohnung hinein: „Brummchen, es ist Ecki!“
„Na dann lass ihn rein!“, schrie die tiefe Stimme zurück.
Ecki sackte das Herz in die Hose.
„Darf ich?“, fragte er.
„Komm rein, Mäuschen.“ Ihre gewaltige Hand packte ihn an der Schulter und beförderte ihn mit einer fast freundschaftlichen Bewegung ins Innere der Wohnung.
„Ist ja richtig gemütlich hier.“, heuchelte Ecki und versuchte sich einen Weg über den auf dem Boden verteilten Müll zu bahnen. Wenn er gekonnt hätte, hätte er sich die Nase zu gehalten. Vielleicht wäre er sogar gleich losgestürmt und hätte sich auf dem Klo erbrochen.
Aber er konnte nicht. „Wirklich hübsch“, sagte er stattdessen.
„Setzt dich dahin.“, sagte die riesige Frau gelangweilt und deutete auf eine von Essensresten überhäufte Couch. Anstatt zu sagen, dass er lieber stehen wollte, nahm Ecki den Ärmel seiner Jacke, zog ihn sich über die Faust und wischte damit einen Teil der Couch frei. Immer nur durch den Mund atmend setzte er sich und schaute kurz in Richtung der Küche, in der die jüngste der Schwestern, Moni, verschwunden war. Auf einem Stuhl sah er einen jungen, nackten Mann, der verzweifelt um sein Leben sang. Ecki nickte.
`Sing solang du kannst, mein Freund´
Als Brunhilde oder auch Brummchen genannt, aus der Küche kam, sah er so schnell er konnte, in eine andere Richtung. Wenn Moni bereits gewaltig war, dann war Brummchen ein Monster. Ihre weißen Oberarme ragten wie Rinderkeulen aus der selbst genähten schwarzen Kluft hervor, die sie sich wie eine Toga um den gewaltigen, fetten Leib geschlungen hatte.
„Wie gefällt dir unser neues Vögelchen?“, fragte sie ihn ernst und setzte sich vor ihm auf den mit Müll übersäten Boden. Selbst jetzt überragte sie ihn noch um eine ganze Kopflänge.
„Singt ganz gut.“, stellte Ecki trocken fest und achtete nicht darauf, wie der Junge ihn Hilfe suchend anblickte.
„Ja“, sagte sie und seufzte. „Ich fand Sänger schon immer sexy.“ Ecki nickte. „Wollte selbst mal Sänger werden.“, sagte er. „Bei ner echt guten Heavyband.“
„Was du nicht sagst.“, brummte Brunhilde. Sie trommelte mit ihren Bockwurst-dicken Fingern auf ihrem riesigen Knie.
„Und jetzt bist du hier, um mit dieser kleinen Zecke um die Wette zu singen und mit euren kleinen Schwänzchen Fechten zu spielen, oder?“
Ecki hustete und schüttelte mit dem Kopf.
„Nein. Entschuldige, dass ich euch gestört habe.“
„DAS HAST DU TATSÄCHLICH, DU MIESER, KLEINER WICHSER!“, donnerte Brunhilde mit einem Mal los und ehe sich Ecki auch nur im Klaren darüber war, was geschah, war sie auch schon auf den Beinen und hatte ihn am Kragen gepackt.
Mühelos hob sie ihn in die Höhe.
„Brummchen, hör zu“, röchelte Ecki und versuchte sich an ihrem riesigen Unterarm in die Höhe zu ziehen.
„Du bist doch wohl nicht geschäftlich hier?“, fragte sie und schob ihr riesiges Kinn vor.
Ecki nickte verzweifelt. Die riesige Frau sah ihn abschätzig an und lachte dann aus vollem Hals los.
„Was sollten WIR noch brauchen?“ Ecki versuchte hastig aus dem Augenwinkel heraus etwas zu entdecken, was den Bienenköniginnen gefallen konnte. Ihm klang plötzlich ?! seine eigene Stimme in den Ohren:
`Ich kenne Leute, die Stromkabel zerreißen können. Aber die würden sich für den ganzen Mist hier nicht interessieren.´
Ecki versuchte einen klaren Gedanken zu fassen.
„Eine neue Couch vielleicht?“, fragte er unsicher. Brunhilde stellte Ecki wie einen Kleiderständer zur Seite.
„Was zum Teufel ist mit unserer Couch nicht OK?“, fragte sie und betrachtete mit schiefem Kopf erst die Couch und dann Ecki. „Gefällt sie dir etwa nicht?“
Ecki betrachtete einen Moment das mit Müll überladene Sofa, dessen Lederbezug an mindestens einem Dutzend Stellen wundenartig aufgeplatzt war. Das schmutzig-weiße Futteral quoll wie Eiter aus dem Inneren heraus.
„Nichts!“, sagte er hastig. „Gar nichts! Ich meinte ja auch eigentlich NOCH EINE COUCH.“ Brunhilde sah ihn auf eine Weise an, die Ecki frösteln ließ.
„Noch eine Couch?“, fragte sie. „Für wen?“
Ecki hätte bei dieser Frage fast laut aufgeschrieen. Mein Gott, was erzählte er hier eigentlich? Wollte er, dass die Bienenköniginnen ihm seine verdammten Eier abschnitten und ihm befahlen, so lange „Alle meine Entchen“ zu singen, bis er in seiner eigenen Blutlache verreckte? Unsicher zuckten seine Augen in Richtung Küche.
`Sing solang du kannst, mein Freund´, hörte er wieder seine eigene Stimme. Wie viele schlaue Sprüche hatte Ecki heute schon von sich gegeben? Ein Dutzend? Zwei? Hatte er den ganzen Tag gequatscht, ohne sich auch nur ein einziges Mal selbst zuzuhören?
„Für das Vögelchen!“, schoss es plötzlich aus Ecki heraus.
„Hey Moni!“ Mit letzter Verzweiflung schrie Ecki in Richtung Küche. „Wie sieht´s aus? Ich besorg dir eine rote Ledercouch mit abnehmbaren Inleighs, eine zum Ausziehen!“
Ecki kannte jetzt keine Hemmungen mehr. Entschlossen stemmte er sich gegen Brunhildes gewaltigen Unterarm. „Alles was ihr tun müsst, ist es, diesem verdammten Hacker die Eier abzuschneiden und sie dieser kleinen, rothaarigen Hure in den Arsch zu schieben.“
„Ina?“, fragte Brunhilde. Ihr Gesicht verfinsterte sich und ballte sich wie eine Faust zusammen.
„Diese kleine Hexe ist mir schon immer auf die Senkel gegangen“, flüstere sie und ließ Ecki endlich los. Atemlos ging Ecki einen Schritt zurück und ließ sich auf die Couch fallen.
„Ich dachte, die Sache mit Ina hättet ihr geklärt?“
Ecki nickte und atmete erleichtert durch.
„Hatten wir“, sagte er. „Das Problem ist nur, dass die Kleine dahinter gekommen ist. Nicht nur das. Sie hat jetzt auch die kompletten Namenslisten. Alles.“ Ecki zuckte mit den Schultern. „Sie hat einfach alles!“
Brunhilde nickte. „Das heißt, ihr habt den Arsch offen.“
„So könnte man es formulieren.“
Brunhilde sah in Richtung Küche, seufzte und stand dann sehr langsam und mit hochrotem Kopf auf.
„HÖR AUF ZU ZWITSCHERN!“, brüllte sie den jungen Mann auf dem Küchenstuhl an.
„MONI, SCHMEISS DEN SCHNORRER RAUS. ICH BIN NICHT MEHR IN STIMMUNG!“
Aus der Küche war ein lautes, ehrlich gemeintes „Ooooooch“ zu hören. Die beiden Schwestern, die sich noch in der Küche aufhielten, kamen im selben Augenblick nach vorn und ergriffen den jungen Mann, der jetzt schweigend auf dem Küchenstuhl kauerte.
„Nimm seine Beine!“, befahl die etwas größere von beiden. Das musste Tulla sein, die zweitälteste. Moni ergriff die Beine des jungen Mannes, wie man gewöhnlich Hähnchenkeulen anfasst. Man hält sie mit zwei Fingern, damit man sich möglichst nicht mit dem Fett einsaut.
„Da hat das Vögelchen aber schön PIPI gemacht.“, sagte sie und riss ihn plötzlich hoch, während Tulla ihn mit nur einer Hand am Kopf festhielt. Leicht beschwingt trugen sie ihn an Ecki und Brunhilde vorbei in den Flur. Man hörte, wie sie die Tür öffneten und dann ein gewaltiges Krachen, als sie den nackten Leib des jungen Mannes gegen die Flurwand krachen ließen.
Ecki formte mit seinen Lippen stumm das Wort AUA und grinste Brunhilde aufmunternd an.
„Es gibt nur einen verdammten Mistkerl in der Stadt, der in der Lage ist, den Festplattencode zu knacken“, sagte er und kratzte sich am Kinn. „Nicht mal der Wichser, der bei ihr ist, könnte das.“
„Der Frosch“, sagte Brunhilde und nickte. „Es könnte eine Zeit lang dauern, bis wir durch seine beiden Eisentüren durch sind.“
„Er ist ein verdammter Paranoiker“, stimmte Ecki zu.
Brunhilde nickte wieder. Mit einem Mal klatschte sie sehr laut und entschlossen in ihre riesigen, aufgedunsenen Hände.
„MÄDELS!“, rief sie und ging in Richtung Flur.
„Zieht euch was Hübsches an.
WIR GEHEN TANZEN!“



Das kleine, eiserne Laufrad drehte sich. Es gab ein leises, penetrantes Quietschen von sich.
Der Frosch sah von seiner Tastatur auf und lächelte.
„Na, ihr beiden Racker?“, kicherte er und griff nach einer Fernbedienung.
„Wohin soll es denn heute gehen? Paris?“ Die beiden Ratten in dem Terrarium vor ihm, ließen von dem Laufrad ab und drängten sich gegen die Glasscheibe. Ihre kleinen, behaarten Schnauzen schnupperten unablässig in die Richtung des Mannes mit den ungewöhnlich starken Brillengläsern.
„Wie wär´s mit Nepal?“, überlegte der Frosch laut. Mit einer weit ausholenden Handbewegung gab er seiner Überlegung die gewisse Art von aristokratischem Stil, ohne die er in seiner Abgeschiedenheit nicht leben konnte.
„Patan!“, sagte der Frosch laut und schaltete mit der Fernbedienung den Diaprojektor ein. Auf der Rückseite des Terrariums erschien die Abbildung einer buddhistischen Tempelanlage. Ein paar junge Frauen fütterten auf den hölzernen Treppen einen, sich wie ein Teppich niedersinkenden Klüngel von wilden Tauben. Durch das einfallende Licht wurden die Schatten der beiden Nager auf die Rückwand des Terrariums geworfen.
„TAHTAH!“, schrie der Frosch und lachte. „Heute noch in Deutschland, morgen schon –“ Der Frosch schaltete auf das nächste Bild.
„Bodnadh!“
Die Ratten sprangen in das Laufrad.
„Pashupatinath!“ Alle paar Sekunden betätigte der Frosch die Fernbedienung.
„Nagarkot!“
„Bhaktapur!“
Das Quietschen des Laufrades schien den Frosch zu beruhigen, denn er schloss plötzlich die Augen, lehnte sich in seinem Drehstuhl zurück und nickte sehr zufrieden.
„Was für ein Land!“, sagte er lächelnd.

Jack schob mit seiner Hand vorsichtig die Schwingtür zu den Herrentoiletten auf. Die Tür war kaum einen Spalt geöffnet, als sie plötzlich von einem kraftvollen Stoss in Jacks Richtung zurückgeschleudert wurde. Jack sprang wie eine aufgeschreckte Gazelle zurück in Inas Arme, um sie wie im Liebesakt gegen die schmutzige, über und über mit zweideutigem Graffiti besprayte Flurwand zu pressen. Ein Mann in schwarzem Ledertop und schwarz-behaarten Oberarmen schob sich, mit dem Schritt zu ihnen gewandt, an ihnen vorbei. Jack blickte ihm nach und sah, wie er sich eine schwarz-glänzende Lederjacke über die breiten, ebenfalls behaarten Schultern warf.
„Offensichtlich besetzt“, bemerkte Ina zynisch. Aus dem Inneren der Herrentoilette war eine tiefes, sinnliches Stöhnen zu hören. Es wurde wie in einer Oper eines berühmten russischen Komponisten von einem einfallslosen, rhythmischen Bass begleitet. Ein wieder und wiederkehrendes Schlagen gegen eine der Trennwände der Toilettenkabinen gab dem sexuellen Akt einen fast schon epochalen? Charakter. Vor allem, als das musikalische Kunstwerk nach einer kurzen Pause, in der Jack bereits wieder die Schwingtür einen kleinen Spalt geöffnet hatte, von neuem begann. Jack sah Ina etwas angespannt und auch etwas unsicher an.
„Vielleicht ist das für die Jungs –“ Er suchte nach den richtigen Worten, machte aber unwillkürlich eine etwas anrüchige Bewegung, in dem er die Hände zu Fäusten ballte und es aussah, als wollte er etwas ergreifen und zu sich heranziehen. „Vielleicht haben die ja gar nichts dagegen, wenn wir zwei –“ Er suchte noch immer nach den richtigen Worten.
Ina stieß mit einem einzigen, entschlossenen Fußtritt die Schwingtür zu den Herrentoiletten auf.
„Komm schon, Macker!“, sagte sie und packte Jack am Arm.
„Was die können, können wir schon lange.“

Auf der Toilette stank es auf widerlichste Weise nach abgestandenem Urin, Exkrementen und starkem, männlichem Schweiß. Ina machte eine Geste, als wollte sie ohnmächtig werden. Das heftige Bummern, das sie bereits auf dem Flur gehört hatten, wurde hier, wie im Inneren einer Lautsprecherbox, noch einmal um das vielfache verstärkt. Im matten Licht einer einzelnen watt-schwachen Glühbirne, die über ihren Köpfen in einer schmucklosen Fassung in den Raum hineinbaumelte, hielten sich Jack und Ina bei den Händen umklammert und schoben sich vorsichtig bis zur hinteren Toilettenkabine vor. Selbst die fest in den Wänden verankerten Pissoire schienen unter dem wilden, sexuellen Ansturm der unbekannten Männer zu erbeben. Wieder und wieder war Ina versucht, sich von Jack los zu reißen und einen verbotenen Blick in eine der Toilettenkabinen zu werfen. Jack hielt Ina so fest umklammert, dass ihm vor Anstrengung im Gestank der Herrentoilette fast übel wurde. An der letzten Kabine blieben die beiden stehen und öffneten mit den Fingerspitzen vorsichtig die mit männlichen und weiblichen Sexualorganen beschmierte Pressspantür.
Und tatsächlich! Anstatt eines schmutzigen, seit Wochen nicht gereinigten Klosetts gab es hier: einen schmalen, kaum fünf Meter langen Flur. Jack nickte und ging zwei Schritte in den Flur hinein. Am Ende des Flures sah er eine Treppe, die, in das Licht von mehreren roten Neonröhren getaucht, in die Tiefe führte. Ina drängelte sich an Jack vorbei und war schon fast an der Treppe, als sie sich plötzlich umdrehte. Etwas stimmte nicht. Es war auf einmal still. Schrecklich still. Jack starrte sie an –
und rannte plötzlich los.

Ein gewaltiges Poltern war zu hören, als mit einem Mal eine der Kabinentüren aufgerissen wurde. Zwei Männer in dunklen, schmutzigen Anzügen rafften sich die Bünde ihrer dunklen Hosen aus ihren Kniekehlen und kamen atemlos in das Innere der Herrentoilette gestolpert. Während sie ihre Gürtel wie Spannriemen um ihre Hüften festzurrten und die Reißverschlüsse ihrer Hosen schlossen, gingen sie schnell und stumm in Richtung der letzten Toilettenkabine.
Ina stürzte die Treppe hinab. Jack drehte sich auf halber Treppe um und sah, wie die beiden Männer den Flur betraten. Hinter sich hörte er, wie Ina einen Laut der Verzweiflung und der Wut von sich gab, als sie feststellte, dass sich die massive Tür am Ende der Treppe nicht öffnen ließ.
„Hey Jungs“, sagte Jack, so ruhig wie er nur konnte. „Ich glaube, hier liegt ein Missverständnis vor. Wir haben eine Audienz beim Frosch.“ Jack hob schützend die Hände vor sein Gesicht, als der erste der Männer ihm ohne jegliches Zögern mit der Faust ins Gesicht schlug. Er fiel rückwärts.
„Wir wissen von nichts“, sagte der Mann ausdruckslos und ging weiter die Treppe hinab.

Hinter sich hörte Ina, wie Jack die Treppe herunterpolterte. Auf der großen, schmiedeeisernen Tür las sie kopfschüttelnd die folgenden Worte:
„EAT NO FISH“
„Eat no fish?“ Sie drehte sich zu Jack um, der verzweifelt versuchte, sich an dem Geländer festzuklammern. Die beiden Männer in den dunklen, schmutzigen Anzügen hatten ihn bei den Beinen gepackt und versuchten, ihn die Treppe hinauf zu zerren.
„Hör jetzt auf mit dem Mist!“ Ina versuchte an der Tür einen Öffnungsmechanismus zu erkennen. Unter der Aufschrift EAT NO FISH gab es einen einzelnen roten Knopf neben einem kleinen LCD-Bildschirm, der mit einer Gegensprechanlage gekoppelt war.
Ina betrachtete den roten Knopf und drückte ihn.

„Besuch?“
Der Frosch betrachtete einen Augenblick etwas unsicher das rote Lämpchen, das gleich neben der Tür wie die Rundumleuchte eines Polizeifahrzeugs aufleuchtete. Der Frosch sah, wie die beiden Ratten aus ihrem Laufrad sprangen und ebenfalls unsicher in seine Richtung schnupperten.
„Ulf, Zwulf, ihr habt doch wohl nicht schon wieder?“ Der Frosch überlegte, schüttelte dann aber den Kopf. Er stand auf und warf einen Blick auf die beiden, großen Tasten im Inneren des Terrariums. Keine von beiden leuchtete auf. Immer noch unsicher, ging der Frosch zur Tür und ließ den Zeigefinger seiner linken Hand mehrere Augenblicke über der Gegensprechanlage kreisen. Er drehte sich um, sah die beiden Nager, die in seine Richtung schnupperten, atmete tief durch und drückte dann den Speech-Knopf.
„Wer ist da?“, fragte er in das Mikro hinein. Seine Stimme zitterte, als ob sein Leben davon abhinge.

Als Ina die Stimme auf der anderen Seite hörte, hielt sie ihren Mund ganz nah an die Gegensprechanlage:
„HÖR ZU, DU VERDAMMTER SPINNER, MACH ENDLICH DIE SCHEIßTÜR AUF, SONST KOMM ICH DURCH DEN LÜFTUNGSSCHACHT UND SPIEL MIT DEINEM KLEINEN ARSCH FUSSBALL!!!“

Der Frosch riss die Augen auf und ließ ängstlich den Speech-Knopf los. Nachdenklich drehte er sich zu den beiden Ratten um.
„Hat man denn so etwas schon gehört?“, fragte er die beiden Ratten. „Also nein, wie vulgär!“
Mit den Fingern seiner linken Hand rückte er sich kopfschüttelnd das Gestell seiner Brille zurecht. Er drehte sich wieder zurück zur Gegensprechanlage und trommelte mit seinen Fingern unsicher gegen das Plastikgehäuse. Dann drückte er den Speech-Knopf und hielt sich mit der rechten Hand das Ohr zu.
„Wer ist da?“, fragte der Frosch noch einmal.
Auf der anderen Seite war ein lautes Poltern zu hören, als jemand mit seinem Körper gegen die Tür schlug.
„Hey Frosch. Ich bin´s Jack, the i-mac-Jack. Ich hab hier ein paar Probleme mit deinen ...” Das Gespräch wurde abrupt unterbrochen. Der Frosch hörte, wie die junge, männliche Stimme auf der anderen Seite empört auf seine Grundrechte als deutscher Staatsbürger aufmerksam machte.
Der Frosch drückte den On-Knopf an der LCD-Anzeige. Er wollte jetzt unbedingt sehen, was da draußen vor sich ging.
„Mein Gott!“, flüsterte er affektiert, als er eine junge, glatzköpfige Frau sah, die eben in dem Moment, als das Bild aufflackerte, einem seiner „Ratten“ mit ganzer Kraft das Knie in den Unterleib rammte. Der Frosch kniff die Augen zusammen und stöhnte auf. „Nein, wie vulgär!“
Das etwas angeschlagene Gesicht eines jungen Mannes bedeckte plötzlich den gesamten Bildschirm.
„Frosch, ich bin´s, Jack!“, schrie er, bevor er wieder von dem Bildschirm fortgerissen wurde.
Der Frosch machte überrascht einen halben Schritt zurück.
„Mein Gott, Jack“, sagte er und hielt sich mit der Hand den Mund zu. Dann, als ob er sich fassen würde: „Mein Gott, Jack, was hast du mit deinen Haaren gemacht?“
Das Gesicht des jungen Mannes erschien wieder auf dem Bildschirm. „Das erklär ich dir, wenn du die Tür aufmachst!“
Sein Gesicht wurde von einer starken, behaarten Hand vom Bildschirm weggezogen und es waren wieder Schreie zu hören.
Der Frosch stöhnte laut auf und trommelte mit seinen Fingern wieder unsicher gegen das Plastikgehäuse der Gegensprechanlage.
Er schloss die Augen und betätigte kopfschüttelnd den Öffnungsmechanismus der ersten Tür. Wie auf Knopfdruck endeten die Schreie auf der anderen Seite der Tür.

„Eat no Fish“, sagte eine weibliche Computerstimme und vor Jacks und Inas Augen öffnete sich zischend die erste der beiden Schleusentüren. Das Innere der Schleuse war ein kleiner, dunkler Raum, der von einer Rotlichtlampe erhellt wurde. Ina riss sich aus dem festen Griff ihres Peinigers los und stand auf. „Danke für den Zeitvertreib!“, zischte sie wütend und trat dem Mann mit dem dunklen, zerrissenen Sakko in die Seite. Wortlos stand er auf und schob sich den abgerissenen Ärmel über die Schulter.
„Tretet jetzt in die Schleuse“, sagte er ruhig. In seinem Gesicht war nicht das leiseste Anzeichen von Wut zu erkennen.
Jack, der auf dem Boden vor der Tür kauerte und sich mit den Unterarmen den Kopf bedeckte, sah auf und zeigte sein von Schlägen arg ramponiertes Gesicht. Ina packte ihn mit beiden Händen unter den Achselhöhlen und half ihm beim Aufstehen.
Schwankend betraten die beiden das Innere der Schleuse. Als sich die schmiedeeiserne Tür zischend hinter ihnen schloss, drehte sich Ina noch einmal um.
„Ich hoffe, ihr verreckt mal an dieser scheiß Tür!“
Auf der zweiten schmiedeeisernen Tür flackerte wieder ein LCD-Bildschirm auf. Ina war überrascht, als sie anstatt des Gesichtes des Frosches das Innere eines Terrariums erblickte.
Zwei durch Weitwinkel verzerrte Rattenschnauzen schnupperten sie über den Bildschirm neugierig an.
„Das sind Ulf und Zwulf“, flüsterte Jack geheimnisvoll und tippte mit dem Finger aufmunternd gegen die Bildschirmoberfläche.
„Na ihr zwei Racker, gerade aus dem Urlaub zurück?“ Die Ratten begannen, sich aufgeregt gegen die Anzeige zu drängeln. Jack griff in die Innentasche seiner Jeanshose und holte einen kleinen, zerbrochenen Hundekuchen heraus. „Na, was hab ich denn hier feines?“, fragte er und wedelte mit dem Hundkuchen vor der Anzeige herum.
„Da Menschen Fehler machen“, erklang plötzlich die Stimme des Froschs über die Lautsprecher, „habe ich mich dazu entschieden, meine Ratten für mich entscheiden zu lassen.“
Sein unsicherer Atem erklang laut und zitternd über die Lautsprecher. „Ihr Trieb ist unfehlbar“, sagte er, als wolle er sich selbst überzeugen. Hinter den beiden Tieren konnte Ina zwei große Tasten erkennen. Die eine war grün, die andere rot.
„Drücken sie die grüne Taste“, sagte der Frosch leise, „seid ihr willkommen.“ Ina schüttelt ungläubig den Kopf.
„Drücken sie die rote“, der Frosch seufzte entschuldigend, „warten auf der Treppe meine anderen Ratten auf euch.“ Ina fasste Jack in die Hosentasche und zog ungeduldig einen zweiten, abgebrochenen Hundekuchen heraus. Lächelnd wedelte sie damit vor der Anzeige herum.
Wie auf Befehl wandten sich die beiden Nager von dem Bildschirm fort und stürmten in Richtung der beiden Tasten.
Jack und Ina standen beieinander und hielten sich an den Hände umklammert. Sie sahen, wie die beiden Ratten aufgeregt durcheinander wuselten, bis sie schließlich unvermittelt vor der grünen Taste hocken blieben und mit ihren Schnauzen dagegen drückten. Inas und Jacks Seufzen vereinigte sich fast nahtlos mit dem lauten Zischen der sich vor ihren Augen öffnenden Schleusentür.

Im Versteck des Froschs hörte man die aufgeregten Schreie eines glatzköpfigen Mädchens und ein darauf folgendes, schmerzvolles Glucksen, als sie dem Frosch mit ganzer Kraft gegen das Schienbein trat. Eine Etage darüber, in der ersten Kabine einer Herrentoilette flüsterten sich zwei Männer in zerrissenen, dunklen Anzügen gegenseitig Zärtlichkeiten ins Ohr. Eine einzelne watt-schwache Glühbirne beleuchtete den verschmutzten, von einem dünnen Flüssigkeitsfilm überzogenen Fliesenboden. Ein Mann in einer schwarz-glänzenden Lederjacke lauschte verstohlen an der Toilettentür, drehte sich um und ging, indem er sich in den Schritt faste, zurück in Richtung der von lauter Musik und stickiger Luft geschwängerten Tanzflächen. Als er die Verbindungstür öffnete, wurde die mit Bass überladene Musik ohrenbetäubend. An der Bar, an der sich ein paar junge Abiturientenanwärterinnen ihre verrutschte, nasse Unterwäsche zurechtrückten, brüllte ein Barkeeper wie wild: „Bestellen oder abhauen!“

Der Einlasser mit dem genitallosen Pferdetattoo auf der Schulter warf einen Blick in das Innere des Eingangsbereiches, indem er den schweren, dunklen Vorhang ein Stück beiseite schob. Als sein Blick den der jungen Abiturientenanwärterinnen traf, grinste er breit und ließ den Vorhang wieder vor den Eingang fallen. Als er sich umdrehte, spürte er das unheimliche Verlangen in sich, mit lauter, entschiedener Stimme verlauten zu lassen:
„Verpisst –“

Brunhilde ließ ihre ganze, flache Hand in das Gesicht des Mannes am Eingang zum HOTRATSBALLROOM klatschen und umschloss damit seinen Kopf wie einen halb aufgepumpten Handball.
„SCHSCHT!“, machte sie, als der Kerl mit dem Pferdetattoo ihren Unterarm umklammerte und verzweifelt versuchte, sich von ihrem Griff zu befreien. Amüsiert sah sie mit an, wie er um sein kleines, erbärmliches Leben kämpfte. Seine saugenden Lippen versuchten wieder und wieder, sich von ihrer Handfläche zu lösen, um nach Atem zu ringen. Das leise Schnaufen, das er dabei von sich gab, ließ sie erschaudern und sie drehte sich halb um, um ihren beiden Schwestern ein furchtbar trauriges „OOOOooch!“, entgegenzuhauchen. Die beiden Schwestern kicherten und knickten ihre riesigen Hüften wie Balletttänzerinnen ein. Tulla hob damenhaft ihre rechte Hand und spreizte elegant den „kleinen“ Finger ab, um ihr divenhaftes Einverständnis zu erklären. Während die verzweifelten Versuche des Einlassers, sich von Brunhildes Griff zu befreien, immer verzweifelter, aber auch kraftloser wurden, konnte die dritte der Schwestern, Moni, nicht umhin, ihre Zweifel zu bekunden.
„So einem hübschen Zuchthengst werden wir doch nicht den Gnadenschuss geben wollen?“, fragte sie sehr langsam, als ob es sie gar nicht interessierte, wie der Mann mit dem Pferdetattoo langsam erstickte.
Brunhilde drehte sich mit (einer außergewöhnlich) hoch gezogenen(r) Augenbraue zurück zu dem Einlasser und schleuderte ihn plötzlich achtlos gegen den stählernen Türrahmen.
„Ich hoffe, du hast den Schwanz nicht ohne Grund weggelassen“, sagte sie abfällig und drängelte ihren gewichtigen Körper durch die Eingangstür. Moni stellte sich vor den krampfhaft röchelnden Einlasser und nickte ihm aufmunternd zu.
„So ein Mann wie du ist einfach für die Zucht bestimmt.“
„Hab ich nicht Recht, Mädels?“, rief sie und zwängte sich durch die Eingangstür zum HOTRATSBALLROOM.
„WO DU RECHT HAST“, stimmte ihr Brunhilde laut lachend zu.

„HAST DU RECHT.“, sagte Tulla und folgte ihnen.

Anmerkung: Es gibt eine Handlungsunstimmigkeit beim Übergang von Teil 1 zu Teil 2. Werde diesen Fehler, manchem wird er auffallen, erst bei einer Komplettüberarbeitung berichtigen. Die einzelnen Teile mögen bis dahin für sich stehen.

Anmerkung zwei: Hepp, ein Strauss Blumen für die Frau mit dem Schnorchel und dem etwas zu engen, roten Taucheranzug.
"Konnte mich nicht zu jeder Verbesserung durchringen."
 

bluesnote

Mitglied
Ganz schön flott

Hallo Marcus

Ich finde, die Story sticht hier im Forum hervor durch ihre flotte Charakterisierung der Figuren. Ganz locker, wie die verschiedenen Mitspieler eben, läßt du hier Action aufkommen, die einen Zeile für Zeile mitreißt. Schon im ersten Teil ging’s munter los mit Imac. Ein Einstieg, als wär man schon mitten drin. Kein Wermutstropfen, die Szenen folgen mir persönlich ein wenig zu dicht aufeinander. Aber anders rum wäre die Geschichte wahrscheinlich nicht so flott zu lesen. Lipus Less, ich lese dauernd Slipless, war der Name Absicht?

Die Bienenköniginnen finde ich besonders interessant, Bienen faszinierten auch schon den Autoren Alan Garner in Der Strandläufer.

Ich zitiere:

William begann zu singen. Und die Bienen verließen den Korb und ließen sich auf ihm nieder, auf seinem ganzen Körper, seiner Kleidung, seinem Gesicht und seiner Haut, bis nichts mehr von ihm zu sehen war, nur noch die wie haarige Kletten an ihm haftenden Bienen. Und er sang.

Alan Garner

Für mich ist jemand wie Coppolus brandneu und ich finde, du hast deine Idee bis jetzt gut rüber gebracht. Meine Bewertung: Der Text ist eine Bereicherung für die Leselupe. Bin gespannt, wie’s weiter geht.

Viele Grüße
 
slipless? Nein, wie vulgär!

Mensch Udo,
wenn ich das von diesem Alan Garner gekannt hätte! Das hört sich ja fast wie ein lit. Bindeglied an. Bin immer interessiert an kleinen Querfäden, die ich in meinen Texten verstecken kann. Dein Hinweis kommt mir fast wie ein Fingerzeig vor: Mach da weiter, Junge.

Ich hatte ein wenig Bedenken, weil der zweite Teil wohl eher in Richtung Krimi-Groteske geht. Hab mir allerdings deshalb auch fest vorgenommen, im nächsten Teil wieder hart nach dem Grusel und den dunklen Tunneln zu greifen.
Muß sein, sonst entgleitet mir die Geschichte noch.

Naja, die Geschichte muss sich sowieso erst entwickeln.
Aber ich habe für eine erste Überarbeitung bereits einen sehr vertrauenswürdigen Menschen an der Hand, der mir hoffentlich noch ein wenig meine sprach-experimentalen Flausen austreiben wird. Danke schonmal diesem Menschen

und dir Udo,
weil du sagst, daß dir die Geschichte gefallen hat?
Ja. Aber auch wegen diesem guten Zitat und dem Hinweis, die Formen zu wahren und nicht einfach so drauf los zu stürmen. Mach ich aber halt gerne.

Gruss, Marcus
 

Rainer

Mitglied
hallo marcus,

habe deinen text nur schnell überflogen und werde mich demnächst nochmal detaillierter dazu äußern.
ich glaube ein kleines fehlerchen gefunden zu haben: die beschreibung der couch der königinnen. ein futteral ist eher eine hülle, eine verpackung. d.h. du meinst sicher eher die füllung, polsterung etc.

frage:
warum sollten die bienenköniginnen theoretisch das "hauptquartier" überfallen wollen? irgendwie ist mir das unklar, da der sänger von ihnen ja als zecke bezeichnet wird, und somit eine politische grundeinstellung der königinnen erkennen läßt?

außerdem habe ich noch ein vorstellungsproblem:

schon im ersten teil und auch hier will sich bei mir im kopf kein bild der monströs zusammengeschlagenen jack einstellen. irgendwie finde ich es unglaubwürdig, nach den schlägen von leuten der beschriebenen statur einfach aufzustehen und weiterzumachen. das weitermachen ist wichtig, klar, also würde ich die intensität der schläge etwas abmildern, sonst bekommt jack etwas von einem unrealistischen stehaufmännchen aus hollywood.

der sänger kommt meines erachtens nach zu schnell, vielleicht kannst du ja noch einen klitzkleinen abschnitt einfügen, wie z.b. die königinnen ein punk-konzert besuchen, der gitarrist sich auf der bühne in scherben wälzt, und die drei maiden anschließend den bandbus auseinander- und den sänger mitnehmen... oder irgendwas anderes zur einführung; nur so ne dilettantische idee.


muß los und arbeiten, komme aber wie gesagt nochmal etwas ausführlicher darauf zurück (muß sich den text ja auch erstmal setzen lassen)


viele grüße

rainer
 
Hi Rainer,
dank dir schon mal für die ersten Handlungshinweise. Stimmt, das mit dem Konzert kann man gut in Szene setzen.
Ich denke, ich hebe mir das für die Überarbeitung auf.

Daß Jack erst mal als Stehaufmännchen fungieren muss, du hast es selbst gesagt, muss wohl erst mal so sein. Für mich jedenfalls, um die Geschichte zu "ziehen".
Nach Michaels Kritik des ersten Teils, bin ich sowieso der Meinung, daß da noch arg was zu kürzen und zu ändern ist.
Eigentlich ist Jack ja eine Knalltüte, ein Computerheini,
der keine Ahnung von der Welt draußen hat.
Vielleicht muss er deshalb so oft einstecken.

Soweit,
Gruss Marcus

PS: Die drei Königinnen überfallen nicht das "Hauptquartier" der rechten Garde, sondern die Disco in der der eher alternativ einzuordnende Frosch sein Hauptquartier hat.
Aber das wird wohl erst klar, wenn ich weiter schreibe.
 



 
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