Die dumme, dumme Liebe!

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Beatifikat

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Die dumme, dumme Liebe!

Manche Menschen treten ganz plötzlich in unserer Leben, wie ein Unwetter, Donner und Blitz. Und genauso, wie sie kamen verschwinden sie auch wieder, nicht ohne eine Verwüstung zu hinterlassen.
Ich liebte sie, damals. Es war Liebe auf dem ersten Blick. Ich glaubte vorher nie an so etwas. “Liebe auf den ersten Blick” - so etwas gab es doch nur in schmalzigen Liebesromanen, die immer mit einem Happy End ausgingen. Liebe auf den ersten Blick war ein Traum! Ich dachte, er wäre für mich wahr geworden. Aber es stellte sich heraus, dass es nur eine meiner Halbwahrheiten sein sollte. Wie all die Illusionen, deren ich nachschmachtete, wenn ich wiedereinmal über beide Ohren verliebt war. Ich hatte die Angewohnheit, meine Liebesobjekte derart zu idealisieren, so dass es , wenn es denn je zu so etwas wie einer Liebesgeschichte kam, meist nie länger als eine Woche andauerte. Sie konnten dem nie entsprechen, was ich mit ihnen schon in meinen Träumen erlebte! Wie denn auch?
Sie war ein paar Jahre älter als ich, hatte lange blonde Haare und einen warmen, umsorgenden Blick. Ich fühlte mich auf eine Art und Weise aufgefangen in ihrer Nähe. Ich bewunderte sie, himmelte sie stumm an. Tag und Nacht war sie in meinen Gedanken. Es machte mich verrückt, sie nur selten sehen zu dürfen. Ständig suchte ich nach extremen Veränderungen in meiner damaligen Umwelt, nur um die Langsamkeit unserer Annäherung auch nur irgendwie kompensieren zu können. Es brachte mich fast um den Verstand, wenn ich nichts adäquates fand. Manchmal, wenn ich es gar nicht mehr aushielt, suchte ich sie in den Straßen, in denen wir uns einmal begegneten - sie wohnte nicht in der Stadt, sie war nur auf Besuch hier und das sehr selten.
Doch in den Momenten in denen wir uns sahen waren meine Gefühle kaum aushaltbar, ich zitterte manchmal noch Stunden nachdem wir uns trafen und sprach mit ihr in einem inneren Monolog vor meinem Spiegelschrank. Ich dachte, “Das muss Liebe sein!”
Als wir das vorletzte Mal miteinander telefonierten quoll es plötzlich unwillkürlich aus mir heraus, ich sagte ihn, den “three-words-sentence“. Ich hätte ihn wohlmöglich nicht über meine Lippen gebracht, wäre sie nicht so kühl gewesen. Ich dachte, es wäre an der Zeit mein Leben wieder neu zu strukturieren, wieder eine Linie, eine Klarheit zu finden. Es ging nur mit dieser Wahrheit. Ich hatte meine Illusionen satt- sie waren nicht immer befriedigend, vor allem in diesem Moment nicht. Ihre Distanz war einfach zu realistisch. Ich wollte ihr keinen Grund für Zurückhaltung geben. Sie sollte wissen, dass sie bei mir herzlich willkommen sei und das sich jemand sorgt, wenn sie so lange kein Lebenszeichen von sich gab. “Ich liebe Dich”. Wie lange hatte ich den Satz schon nicht mehr aussprechen können!? Ich erschrak vor mir selbst und es hallte noch lange in mir nach. All die Monate voller Sehnsucht zogen in rasanter Geschwindigkeit an mir vorüber. “Was habe ich da eben gesagt?”, dachte ich. “Spinnst du?! ...Mein Gott, was für eine Offenbarung!” Sie sagte nichts dazu, wolle die darauf folgende Woche nochmals mit mir telefonieren, damit wir uns treffen können- dann legten wir auf. Es begannen Nächte mit wenig Schlaf, Tage mit Wachen vor dem Telefon, Lust- und Alpträume. Sie rief nicht an. Es kränkte mich sehr.
Ein paar Tage, nach dem ich mich wieder beruhigt hatte klingelte es plötzlich und sie meldete sich zurück. Wieder dieser seltsame vorwurfsvolle Unterton, den ich nicht deuten konnte. Sie fragte mich, was ich mit dem Satz “Ich liebe Dich” gemeint habe. “Was ist das für eine Art Liebe?” Es folgte eine Aufzählung, aus der ich mir etwas aussuchen sollte. Ich antwortete, “von Frau zu Frau”. “Das geht nicht! Das kann ich nicht!”, kam forsch zurück. Nach dieser Antwort verstand ich auch ihren vorwurfsvollen Unterton. Er kam “Wie kannst Du nur!?” sehr nahe! Sie machte mir den lustlosen Vorschlag uns trotzdem zu treffen, damit wir in Ruhe darüber reden könnten. In diesem Augenblick verlor ich die Achtung vor ihr, wurde zornig, dachte an die Frau, die sie an unseren letzten Treffen verkörperte und legte ohne zu zögern auf. Ich war fassungslos! Über eine Woche hatte ich also auf diese Absage gewartet. Sie sprach noch am selben Abend auf meinen Anrufbeantworter. Irgendetwas von “Schade, ich dachte du wärst erwachsener, viel Glück für dich, Vorwürfe, vielleicht sieht man sich ja, Hallo, Tschüß.” Ich löschte es sofort.
Erst das Herz brechen und dann friede-freude-eierkuchen einen Kaffee trinken gehen? Das fehlte mir noch! Nun hatte ich, was ich wollte. Keine Illusionen mehr, dafür Realität und Klarheit. Marlene Dietrich fiel mir seltsamerweise ein, “Die dumme, dumme Liebe!” Ich tröstete mich damit und erinnerte mich an all die gescheiterten Beziehungen in meinem Leben. Ich kannte mich nun ein wenig, wusste, dass ich nun wieder lange Zeit brauchen würde, um einen Menschen so nah an mich heranzulassen. Mir fielen alte Briefe an meinen ersten Brieffreund ein. Damals schrieben wir immer in Reimform, hochphilosophische Texte. Ich las ein wenig darin und bemerkte, dass sich seit all den Jahren nichts großartig geändert hatte. Das Schema war doch immer das selbe.
Doch einen Satz musste ich immer wieder laut wiederholen. “Wie ich nur immer sein kann! So, dass ich den ersten Teufel in meine Arme schließe und in meiner Hölle zu einem Engel mache!” Fünf Jahre war der Satz schon alt und er passte auch an diesem Zeitpunkt wieder wie die Faust aufs Auge.
Ein paar Monate später wurde ich gefragt, weshalb ich diesen traurigen Blick habe.
Ich meinte, dass ich nicht nur diesen hätte, sondern noch viele andere, die Ihr, Olka, eine Polin Mitte dreißig, noch verborgen seien.
Sie erklärte mir, dass während meiner Erziehung irgendetwas schief gegangen sei, sonst wäre ich nicht so schwermütig und würde mir nicht ständig diese Einsamkeit auf meine Schultern laden. Olka war eines meiner Blinddates und sollte ein One-Night-Stand bleiben. Sie urteilte ständig, bevor sie auch nur einigermaßen stichhaltige Argumente für etwas erhielt. Das störte mich, außerdem war sie überhaupt nicht der Typ Frau, die ich bedingungslos begehren und lieben konnte. Doch an dem Tag, als wir uns das erste Mal begegneten ging alles so schnell, das kaum Platz blieb, über solche Makel nachzudenken. Während wir durch die frostige Januarsnacht spazierten, kuschelten wir uns wie selbstverständlich aneinander um uns zu wärmen. Ich genoss es. Immerhin waren Zärtlichkeiten für mich im Laufe der Zeit schon zur Seltenheit geworden. Wir liefen später genauso selbstverständlich bis vor meine Schlafzimmertür. Auch sie hatte lange, blonde Haare und einen warmen, umsorgenden Blick. Und sofort war sie wieder da, die Erinnerung an damals. Es machte mich traurig, dass ich Olka schon in unserer ersten Nacht gedanklich betrog, und zwar mit meiner Exfreundin, die gar keine war.
Olka ließ mir keine Ruhe mehr. Die Vorstellung, dass ich diese Melancholie nicht verbergen konnte war furchtbar! Ich fühlte mich ertappt. Sie stellte mir entwaffnende Fragen und ich gestand. Ich schilderte ihr die ganze Geschichte und bemerkte wie mitten in diesem - unsrigen Gespräch das Vergangene vergänglich wurde. Wir schliefen engumschlungen ein. Die folgenden Wochen waren mit inneren Aufräumarbeiten ausgefüllt, bei denen mir Olka sanft über meine Schultern blickte.
 

Pali

Mitglied
It's Gettin Better (Man!!).

Ich find's richtig gut; du hast so ziemlich alles erfasst, was eigentlich jeder irgendwann mal im Leben verspürt hat. UND das ganze dazu noch immer interessant durchgehalten. Respekt. Yeah...
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
hm,

wenn die geschichte stärker gegliedert wäre - ein intelligenter schreiber macht vor jedem neuen gedanken einen absatz - hätte man mehr genuss beim lesen.
lg
 

Beatifikat

Mitglied
Danke

Hallo,
danke für eure Kommentare.
flammarion ich werde mir den text auf alle Fälle nochmals vornehmen und verändern, was zu verändern geht.
Pali, danke für deine Frische!

Lg, Linda.
 



 
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