Die geschenkte Nacht

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Raniero

Textablader
Die geschenkte Nacht

Damit hatte Ernst Rocketal nun wirklich gerechnet, als er die Post öffnete.
„Schau mal, Gerda“, rief er vergnügt, „was ich zum Geburtstag geschenkt bekomme.“
Seit Tagen schon liefen die Vorbereitungen für den runden Geburtstag, seinen sechzigsten, auf Hochtouren, und nun war es endlich soweit; am selben Abend sollte es starten, das große Fest, in einem nahegelegenen Restaurant. Seit Tagen trafen auch schon Glückwünschkarten und Briefe aller Art ein, doch mit einem solch außergewöhnlichen Geburtstagsgruß, verbunden mit einem ungewöhnlichen Geschenk, hatte er im Traum nicht gerechnet.
Schon seit einigen Jahren verbrachte er regelmäßig ein paar Urlaubstage mit seiner besseren Hälfte in einer Ferienwohnung im Gebirge, in einem hübschen Kurort. Von Beginn an hatten ihm wie auch seiner Frau diese Urlaubstage dort so gut gefallen, dass sie in diesem Fall übereinstimmend von einer eisernen Regel Abstand nahmen; niemals zweimal an den gleichen Urlaubsort, hatten sie sich zu Anfang ihrer Ehe geschworen, bis, ja bis sie diesen entzückenden Ort mit der ebenfalls entzückenden Ferienwohnung kennen gelernt hatten.
Seitdem fuhren sie immer wieder dorthin, alle vier Jahreszeiten hatten sie nun schon dort verbracht, sodass sie sich innerhalb kurzer Zeit ein umfangreiches Bild vom Ort und der Region machen konnten.
Darüber hinaus, und das wog für beide fast noch mehr, sagte ihnen die Betreuung ihres Feriendomizils außerordentlich zu, so etwas hatten sie in früheren Ferien noch nicht erlebt.
Nicht nur, das alles adrett und sauber gehalten war, das konnte man natürlich voraussetzen, nein, es strahlte alles sozusagen im Glanze, doch das alles war nichts gegen die erfrischende natürliche Herzlichkeit, mit der sie ein jedes Mal empfangen wurden, von der Vermieterin selbst, welche sich rührig um alles, gar die geringsten Kleinigkeiten kümmerte.
Mit dieser Vermieterin hatten die Rocketals ein überaus herzliches Verhältnis, das an Freundschaft grenzte, soweit, dass man zuweilen gemeinsam mit ihr und ihrem Mann den Abend verbrachte.
Gleichwohl war Ernst doch ziemlich überrascht, als er das Geschenk aus dem Urlaubsort in Händen hielt. Für den bevorstehenden Sommer hatte er erneut diese Wohnung gebucht, für eine Woche, und nun bot ihm ‚seine Vermieterin’ an, statt der zu zahlenden sieben Übernachtungen brauche er diesmal nur sechs zu entrichten.
„Sie schenkt mir eine Nacht, Gerda“, rief er voller Freude.
Gerda teilte die Freude nicht sofort.
„Wer schenkt dir eine Nacht?“ fragte sie misstrauisch, doch als sie das Angebot las, war sie gleich wieder beruhigt und freute sich mit ihm. Immerhin, dachte sie, eine Nacht ist eine Nacht, und das bekommt der Haushaltskasse gar nicht schlecht. Doch während sie noch in Gedanken damit beschäftigt war, das gesparte Geld für anderweitig zu verplanen – ein neuer Hut ständ’ mir gut, im Urlaub – bemerkte sie eine dicke Sorgenfalte auf der Stirn ihres Ehemannes.
„Was hast du denn“ rief sie, „freust du dich denn nicht? Es ist schließlich dein Geburtstagsgeschenk.“
„Das ja, Gerda Schatz, ich freue mich ja auch, doch ich überlege gerade, welche Nacht sie mir geschenkt hat, unsere edle Vermieterin.“
„Was meinst du damit? Was heißt hier welche Nacht?“ regte sich sofort wieder das Misstrauen bei Gerda. Gab es da etwas, was er ihr verheimlichte?
„Na ja, sie hat mir doch geschrieben, sie schenkt mir eine Nacht, zu meinem Geburtstag…“
„Wie sich das anhört“ unterbrach ihn seine bessere Hälfte empört, „sie schenkt mir eine Nacht. Nein, nein, mein Lieber, komm’ auf den Teppich, so hat sie das nicht geschrieben. Lies mal genau deine Glückwunschkarte. Da steht nur drin, dass du statt sieben Übernachtungen eine weniger zu zahlen hast. Sieben Tage buchen, sechs bezahlen, so was steht in jedem Sparangebot.“
„Nun ja, Gerda, ich wollte doch nur wissen, welche von den sieben Nächten die kostenlose Nacht ist.“
„Wie bitte?“ bekam Gerda einen Lachanfall, „mein Gott, Ernst, bist du denn verrückt geworden? Du hast ein Angebot oder meinetwegen ein Geschenk bekommen, zu deinem Sechzigsten, dass du von sieben Übernachtungen nur sechs bezahlen musst, das ist alles. Willst du jetzt genau wissen, welche Nacht das ist, du Pendant, die von Montag auf Dienstag vielleicht, oder die von Donnerstag auf Freitag, beispielsweise? Soll sie dir das schriftlich geben? Du spinnst doch wohl!“
„Du hast ja Recht“ versuchte Ernst sein Weib zu beschwichtigen, „doch du weißt ja, dass ich als romantisch veranlagter Mann mir so meine Vorstellungen mache Ich meine damit, da wir ja eine Nacht nicht bezahlen müssen, da sollten wir uns doch auch diese Nacht aussuchen, die wir als geschenkte Nacht feiern wollen.“
„Ach so meinst du das, Ernst, Schatz.“ Gerda hatte verstanden, und ihre Augen bekamen einen gewissen Glanz.
„Soll ich mir ein neues Neglige zulegen, ein feuerrotes?“ „Ja, Gerdamaus, in dieser Nacht will ich dich verwöhnen!“
„Normalerweise solltest du mich in jeder Nacht verwöhnen, Ernst“ stellte Gerda nüchtern fest, „schließlich bist du mein Mann und hast gewisse Pflichten; Pflichten, die du mir vor Urzeiten feierlich versprochen hast. Na, ja, aber ich sehe es ja ein, was soll ich da noch viel verlangen; in deinem Alter, da muss man schon gewisse Abstriche machen.“
„Du bist genauso alt“, antwortete Ernst beleidigt.
„Das stimmt nicht, du bist ein Jahr älter, und das macht sich gerade jetzt deutlich bemerkbar. Du bist sechzig und gehörst damit zu den Alten, ich aber gehöre immer noch zu den interessanten Fünfzigern.“
„Aber nicht mehr lange“ stellte Ernst trocken fest und bückte sich schnell, um Gerdas Pantoffel auszuweichen. „Gerda, lass das bitte!“
„Also gut“ schlug die Frau vor, „ich nehme dich beim Wort. Wir werden im nächsten Urlaub eine Nacht zum Tage machen, und das ist dann die geschenkte Nacht. Was hältst du von Samstag auf Sonntag?“
„Aber da haben wir doch gerade die lange Anfahrt hinter uns“ protestierte Ernst, „und außerdem, eine Nacht zum Tage machen, daran hatte ich nun nicht direkt gedacht, schließlich sind wir beide keine zwanzig mehr.“
„Soso, das hältst du also auch nicht mehr durch“ lachte Gerda, „ich glaube, es wird Zeit, dass ich dich gegen was Jüngeres eintausche. Aber im Ernst, Ernst, da gebe ich dir Recht, direkt nach der langen Anfahrt, gleich am ersten Abend, das wäre wohl keine so gute Idee. Ich schlage vor, wir entscheiden vor Ort, wann wir die Nacht zum Tage machen werden, wenigstens ansatzweise.“
„Endlich mal ein vernünftiger Gedanke von dir, Gerda“ entgegnete ihr Mann und wollte schon dem zweiten Pantoffel ausweichen, als Gerda diesen wieder hinlegte.
„Apropos, vernünftiger Gedanke, es gibt noch genug zu tun, für heute, bis die Gäste kommen. Auf geht’s, Ernst, wir müssen uns sputen.“

Als das Ehepaar Rocketal sich nach überstandener Geburtstagsfeier zwei Wochen später mit dem Auto auf die Reise begab, da machten sie in der Tat gleich die erste Nacht zum Tage, und das nicht nur ansatzweise, allerdings nicht gerade so, wie sie sich das vorgestellt hatten. Zuerst gerieten sie unterwegs in einen mehrstündigen Stau, und als sie diesen endlich überwunden hatten, am späten Nachmittag, da streikte der Wagen. Keine große Sache, teilte ihnen der freundliche Monteur vom Pannennotdienst mit, das kann jede vernünftige Autowerkstatt binnen kurzer Zeit reparieren. Zu diesem Zeitpunkt jedoch waren alle vernünftigen Autowerkstätten bereits geschlossen. „Soll ich Sie abschleppen, zur nächsten Werkstatt, oder wollen Sie selbst morgen da anrufen, die haben auch einen Abschleppdienst?“
Gerda und Ernst ließen sich die Telefonnummer von der Werkstatt geben und beschlossen, kein Hotelzimmer zu nehmen, sondern bis zum nächsten Morgen im Wagen zu übernachten, auf dem Autobahnparkplatz. Zuvor riefen sie die Vermieterin ihrer Ferienwohnung an, teilten dieser ihr Missgeschick mit und baten sie, sich keine Sorgen zu machen, sie würden im Laufe des nächsten Tages ankommen. Die gesamte Nacht aber taten beide so gut wie kein Auge zu, und ihre grimmigen Mienen ließen nicht darauf schließen, dass sie sich auf der Fahrt in den Urlaub befanden.
Als sie am nächsten Tag um die Mittagszeit am Urlaubsort eintrafen, wurden sie von ihrer Vermieterin wegen ihrer strapaziösen Anreise hinreichend bedauert.
„So ein Pech aber auch; da haben Sie ja schon einiges hinter sich, da trifft es sich ja gut“ zwinkerte sie mit den Augen, „dass Sie dieses Mal eine Nacht gespart haben.“
Daran hatten Gerda und Ernst gar nicht mehr gedacht; mit gequältem Lächeln bedankten sich noch einmal für das großzügige Geschenk. Dann aber hatten sie nur noch einen Wunsch; ausgiebig zu schlafen. Gerda packte gar nicht erst die Koffer komplett aus, und so blieb das feuerrote Neglige, wo es war; sogleich begaben sie sich zu Bett, um erst am nächsten Morgen um fünf in der Frühe aufzuwachen.
Um diese Zeit waren sie normalerweise nie wach, und schon gar nicht im Urlaub, doch sie beschlossen, aus der Not eine Tugend zu machen, eine zünftige Bergtour; das Wetter spielte mit, herrlicher Sonnenschein, was will man mehr?
Um die Mittagszeit, in luftiger Höhe, blickte Gerda ihrem Mann während der Brotzeit tief in die Augen.
„Du hast mir was versprochen!“
„Sollen wir, Gerdamaus, gleich hier?“
„Aber hier doch nicht, Schatz, dafür sind doch die Nächte da!“
„Heute Nacht oder nie“ jubelte Ernst und stieß einen Jodler aus, dass die Kühe auf den umliegenden Wiesen vor Schreck zusammenfuhren.
Während des gesamten Almabstiegs steigerte sich bei Ernst die Vorfreude auf den Abend dermaßen, dass er nur noch feuerrote Negliges im Sinn hatte. Als sie am Nachmittag an ihrer Ferienwohnung eintrafen, gewahrten sie die Vermieterin vor dem Haus.
„Überraschung“, rief sie, „mein Mann und ich hatten gedacht, Sie heute Abend mitzunehmen, aber nur wenn Sie Lust haben, zum großen Heimatabend, da wird die Nacht zum Tag gemacht, beim Wettjodeln.“
Ernst stieß innerlich erneut einen Jodler aus, der alle Chancen auf einen der vorderen Plätze bei dieser Veranstaltung gehabt hätte, doch dieser Jodler war absolut nicht von Freude geprägt. Gleichwohl stimmte er zu, gemeinsam mit seiner besseren Hälfte, denn so etwas konnte man ja nicht abschlagen.
Am Wettjodeln nahm Ernst allerdings nicht teil, stattdessen lieferte er sich mit dem Ehemann der Vermieterin ein Wettsaufen, bei dem er zweiter Sieger blieb.
Schwer angeschlagen gelangte er am Arm seiner gar nicht erfreuten Gattin in den frühen Morgenstunden zu Hause an, und fiel, so wie er war, ins Bett, um sofort brutal loszuschnarchen, während seine Gerda wutschnaubend ihr Nachtlager im Wohnzimmer aufschlug.
Das Neglige aber blieb unbenutzt im Schrank.
Schweigend saßen sie sich gegenüber, am nächsten Morgen, beim Frühstück, welches Ernst absolut nicht schmecken wollte. Dann aber legte Gerda los und hielt ihrem Mann vor, nicht nur zu tief ins Glas sondern auch noch in die Ausschnitte verschiedener Jodlerinnen geblickt zu haben. Ernst beteuerte, sich darin gar nicht erinnern zu können, doch Gerda schenkte ihm keinen Glauben.
Wortlos beendeten sie hierauf das Frühstück und brachen mit grimmigen Mienen zu einem Spaziergang auf, der bereits nach wenigen Metern ein Ende fand, da sie sich nicht einigen konnten und verschiedene Richtungen anstrebten. Während Ernst zerknirscht zurück lief, um zu Hause seinen Brummschädel erneut in die Kissen zu werfen, schlenderte Gerda missgelaunt ins Ortszentrum, zum shopping.
Als sie am späten Nachmittag heimkehrte, setzte sich das große Schweigen fort; mit düsteren Gesichtern saßen sie vor dem Fernseher und nahmen beide nicht so recht wahr, was da gesendet wurde, da sie zu sehr mit ihren eigenen Gedanken beschäftigt waren. Um zehn Uhr abends wünschte Gerda ihrem Mann spitz eine gute Nacht, während Ernst sich seufzend noch einen Schlaftrunk einschenkte.
So verging auch die vierte von sieben Nächten, ohne dass Gerdas Neglige zum Einsatz kam.

Am nächsten Morgen jedoch erfolgten zaghafte Annäherungsversuche von beiden Seiten. Gerda und Ernst sahen ein, dass es so nicht weitergehen konnte, schließlich befand man sich doch im Urlaub, auf den man sich schon solange gefreut hatte. Ihre Unterhaltung nahm Formen an und wurde immer lebhafter und fröhlicher, sodass nach dem Frühstück sogar Kosenamen benutzt wurden.
Demonstrativ nahm Gerda das Neglige aus dem Schrank und legte es ausgebreitet auf’s Bett.
„Heute kommst du mir aber nicht davon“ drohte sie scherzhaft.
Ernst lächelte glücksstrahlend.
„Was machen wir denn heute, Schatz?“ flötete sie wie in alten Zeiten.
„Ich würde vorschlagen“, flötete ihr Gatte nicht minder zurück, „dass wir einen Ausflug machen, aber nicht mit dem Wagen, sondern mit dem Bus, da haben wir beide mehr davon, bis ins benachbarte Tal, und von dort aus machen wir eine schöne Bergwanderung. Das ist eine Gegend, die kennen wir noch gar nicht.“
„Welch gute Ideen mein Schatz doch immer hat“ zeigte Gerda sich begeistert.
So brachen sie denn auf, mit dem Bus und ließen das Auto zuhause. Ernst hatte den Vorschlag nicht ganz ohne Hintergedanken gemacht, konnte er doch, da er nicht selbst fahren musste, das eine oder andere Glas Gerstensaft mehr trinken.
Seine Frau hatte zwar auch einen Führerschein, lehnte es aber ab, im Gebirge zu fahren, weil sie Serpentinenkurven hasste, wie sie sagte.
Ernst und Gerda verbrachten einen wunderschönen Tag in einer ihnen bisher unbekannten Bergwelt, doch als sie abends zurückkehrten, an die Bushaltestelle, mussten sie zu ihrem Bedauern feststellen, dass um diese Zeit kein Bus mehr fuhr, für den Rest des Tages.
Schon wollten beide beginnen, sich gegenseitig vorzuwerfen, den Fahrplan nicht richtig gelesen zu haben, doch im Hinblick auf das daheim aufgeschlagene Neglige hielten sie sich zurück und bestellten ein Taxi.

Der Taxifahrer, ein junger Mann mit ausgezeichneten Manieren, half Gerda und auch Ernst derart galant in den Wagen, dass sie den Eindruck hatten, sie kämen von einem Opernball.
Während der Fahrt stellte es sich heraus, dass er nicht nur exzellente Manieren, sondern ebensolche Fahrkünste besaß, die ausgiebig einzusetzen wusste.
So jagte er denn mit der einen Hand am Steuer, in der anderen das Mobiltelefon, derart schnell durch die schöne Bergwelt, dass die Eheleute permanent von einer Ecke in die andere geschleudert wurden und ihnen hierbei Hören und Sehen verging.
Während Ernst diese Berg- und Talralley, wenn auch mit weichen Knien, so doch einigermaßen unversehrt überstand, fiel sein Weib, daheim angekommen, fast aus dem Auto und wankte mit letzter Kraft in die Wohnung direkt durch bis zur Toilette und verließ diese nicht mehr, bis spät in die Nacht.
Voller Enttäuschung nahm Ernst Gerdas Neglige und hängte es in den Schrank zurück.

Der nächste Ferientag brachte zunächst keine Besserung in Gerdas Befinden, doch als Ernst vorschlug, einen Arzt zu holen, lehnte sie entschieden ab.
„Um Gottes Willen, doch keinen Arzt, im Urlaub!“
So blieb ihm nichts anderes übrig, als zur Apotheke zu laufen, um verschiedene rezeptfreie Arzneien zu besorgen, die Gerda ihm genannt hatte.
Tatsächlich trat zum Abend eine minimale Besserung ihres Zustandes ein, aber zum Bedauern ihres Mannes bei weitem nicht so, um das in die Tat umsetzen zu können, was er schon seit Tagen anstrebte.
Gerda ahnte seine Gedankengänge.
„Ich kann doch nichts dafür, Schatz.“
„Ich weiß“ knirschte Ernst mit den Zähnen, „ich könnte ihn umbringen!“
„Wen, Schatz, den Aphotheker?“
„Den Taxifahrer!“
Auch am letzten Ferientag war Gerda noch nicht vollständig bei Kräften, fühlte sich aber wieder soweit hergestellt, dass sie ihrem Mann vorschlug, einen kleinen Spaziergang zu machen.
„Wenigstens einmal durch den Ort, Schatz“ bat sie.
„Wenn du meinst, Gerdamaus.“
Nachdem sie eine kleine Runde durch’s Örtchen gemacht hatte, fühlte Gerda ihre Kräfte schwinden.
„Schatz, was ist mit dir?“ fragte Ernst besorgt.
„Ich kann nicht mehr, Ernst, lass uns eine Pause machen.“
„Soll ich nicht ein Taxi rufen, Liebes?“
„Um Gottes Willen, bloß nicht!“

Den Nachmittag verbrachten sie daheim, Gerda erneut im Bett, während ihr Mann die Wohnung aufräumte und begann, die Koffer zu packen. Wehmütig verstaute er das feuerrote Neglige.
„Hier brauchen wir das ja doch nicht mehr.“
„Schatz, das tut mir so Leid, aber ich kann doch nichts dafür.“
„Ich weiß ja, Gerdamaus“ flüsterte Ernst und ballte die Faust.

Am Morgen der Abreise erschien, wie stets, die Vermieterin, um die Wohnung abzurechnen und sich zu verabschieden. Als sie anschließend bemerkte, mit welcher Behutsamkeit Ernst seine Frau zum Auto führte, meinte sie schelmisch:
„Wenn man Sie so sieht, Sie beide, dann könnte man glauben, Sie hätten die letzte Nacht zum Tage gemacht..."
 

herziblatti

Mitglied
...bevölkerungspolitisch betrachtet naturgemäß wohl kein Verlust - aber ein Verlust wäre gewesen, diese Geschichte nicht gelesen zu haben! Kreativ + witzig - ich hab´mich amüsiert, danke.
Seervus - Heidi
 

Raniero

Textablader
...und trotzdem tun mir diese beiden 'Alten' leid, meine Protagonisten, dass sie eine Woche lang nicht dazu gekommen sind, etwas zu unternehmen, worauf sie sich so lange gefreut hatten.
Ich fühle mit ihnen.:)
Freut mich, dass Dir die Story gefallen hat.

Gruß Raniero
 



 
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