Die hole Parabel

Cyrano

Mitglied
Die hohle parabel

Auf einer Bank im Wald
sitzt ein Mann
er schaut recht verrissen aus
und das Haar ist verfilzt
es ist auch kein alter Mann
er hat, wie das unkritische Auge bemerken könnte
wohl noch nicht einmal
die mittleren Jahre erreicht

Es könnte übrigens genau so gut eine Frau sein
Das tut hier nichts zur Sache

Wir stellen uns keinen der Wälder vor
die groß
alt
weit und erschreckend
erscheinen

Es ist einer von jenen
die bei der Stadt wieder aufgeforstet wurden
und deren Lichter
spiegeln sich noch in den mosigen Flächen des Grundes

Mit zittriger Stimme trägt der Wind den Gesang des Mannes
den Ohren derer zu
die einen Moment lauschen möchten
"Your Song"
Und eine sacht mitschwingende Melancholie verrät
dass er nur Erinnerungen
aus einer längst vergangenen Zeit
zurückruft

Noch singt er
und er klammert sich an die Zeilen
inhaliert die heute ungiftige Abendluft
als gelte es
sie auf Vorrat zu hamstern

Morgen früh
werden ihn schon die Wölfe zerfleischt haben




Wenn der Mann dann aber am nächsten Tag aufwacht
und feststellt
dass er nicht gefressen wurde
so wird er losgehen und ein Haus suchen
das zu solch früher Stunde
schon Gäste empfängt

Er wird dort erfragen
warum denn das Ende
so auf sich warten ließe
und antworten wird man ihm:

Die Wölfe, Junge,
die sind nicht mehr so
Sie überlassen dir die aufreibende Hatz
und bedienen sich
wenn der Zeitpunkt genehm ist.

Als der Mann das hört
(Es könnte, wie gesagt,
auch ohne weiteres eine Frau gewesen sein
es tut tatsächlich
gar nichts zur Sache)
Da springt er von einer Brücke


cyrano
 



 
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