Die kleine graue Frau....

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Wally

Mitglied
Sie saß da auf „ihrer“ Bank, die kleine graue Frau. Seit drei Jahren sah man sie dort sitzen. Im Frühjahr und Herbst trug sie ein wärmendes graues Wollkostüme und hatte immer ihr Strickzeug dabei. Im Sommer trug sie auch ein graues Kostüme, aber es war heller und aus einem dünneren Stoff. Dann saß sie dort mit einem Buch, ihren Händen war im Sommer wohl die Wolle zu warm, so daß die kleine Frau es vorzog zu lesen. Im Winter dagegen trug sie einen langen dunkelblauen Wollmantel, am Kragen war er mit Fell besetzt, so daß, wenn sie den Kragen hochschlug, gerade noch ihre Nasenspitze daraus hervor lugte. Manchmal hatte sie eine kleine Tüte mit Brotstückchen dabei, die sie auf ihrem Weg durch den Park am Weiher an die Enten verfütterte. Aber immer machte sie Rast auf dieser Bank. Wenn einmal jemand anderes dort saß, so drehte sie zunächst noch eine Runde durch diesen Park und dann, dann war die Bank in den allermeisten Fällen frei. Sie sprach mit niemandem, außer sie wurde angesprochen. Meist waren es die Mütter oder Väter der Kinder die sie ansprachen, manchmal auch die Kinder selber. Meist gab sie einsilbige Antworten, man fragte sich warum sie sich ausgerechnet diese Bank ausgesucht hatte. Die Bank stand nicht nah genug am Spielplatz um den Eltern zu nützen, von dort aus konnte man seine Kleinen nicht beaufsichtigen, und doch stand sie nah genug bei den Spielgeräten, das der Lärm der Kinder ungeschützt zu ihr drang. Die alte Frau hatte sich diese Bank mit Bedacht gewählt, sie störte das Kindergeschrei nicht, es erweckte in ihr keine Erinnerungen mehr an ihre eigenen Kinder, und Enkel hatte sie keine.... .

Auch heute saß sie wie üblich auf ihrer Bank, sie hatte ein Buch in den Händen, wirkte aber unkonzentriert. Immer wieder ging ihr Blick rüber zu dem Mann in einer weißen Flanellhose. Sie glaubte ihn schon im vergangenen Jahr hier gesehen zu haben, in dem Jahr in dem die kleine Kerstin verschwunden war. Das war ein riesiges Spektakel gewesen als man nach dem Kind gesucht hatte, mindestens drei Wochen lang hatte es hier nur so gewimmelt von Leuten, die den Spielplatz sehen wollten von wo das Kind verschwunden war. Die alte Frau hatte in dieser Zeit keine Ruhe gehabt, auf ihrer Bank zu sitzen und zu lesen. Von mehreren Leuten und von der Polizei war sie sogar gefragt worden ob sie etwas gesehen hatte. Nein, das hatte ihr alles gar nicht gefallen. Alles was ihren gewohnten Alltag durcheinander brachte gefiel ihr nicht. Und dieser Mann erinnerte sie an dieses Spektakel, sie war sich nicht sicher warum, aber es störte sie ungemein, und deshalb sah sie immer wieder zu ihm rüber. Sie wollte gerne heraus finden zu welchem der Kinder er gehörte. Er saß auf einer der Bänke, die schon fast abseits standen. Von ihnen aus konnte man nur den Teil des Platzes beobachten auf dem die Jüngsten sich tummelten, dort war der Sandkasten, das kleine Karussell und die kurze Rutsche. Auch einige Figuren auf denen die Kinder im Sitzen schaukeln konnten. Also mußte es wohl eines der Kleineren sein, das zu ihm gehörte. Aber da waren heute gar nicht so viele Kinder, denn es hatte in den vergangenen zwei Tagen geregnet, es war ja gerade erst Anfang Juni, und so war der Sand immer noch feucht, auch wenn seit gestern wieder die Sonne schien und zur Zeit sogar heiß brannte.

Die kleine Frau kannte die meisten Kinder mit Namen, kein Wunder, so laut wie die Elternteile die mit ihnen hier waren oft die Namen riefen. Da waren Jens, der kleine Frechdachs, wie sie ihn bei sich nannte. Er liebte es anderen Kindern die Spielsachen zu verstecken, und ihnen dann aufopfernd bei der Suche zu helfen. Nein, der konnte es nicht sein, sie sah seine Mutter sich gerade mit der Mutter von Mike unterhalten. Mike, der sicherlich eigentlich Michael heißen müßte. Aber er wurde von seinen Eltern nur Mike gerufen. Bei dem Vater konnte sie es ja noch verstehen, das schien ein Amerikaner zu sein, aber die Mutter, nach ihrer Aussprache zu urteilen kam sie hier aus der Gegend, und da müßte sie ihren Jungen eigentlich Michael rufen und nicht Mike. Dann waren da noch drei Kinder, Tina, die kleine Heulsuse. Ein Mädchen, daß fast immer am heulen war. Es spielte gar keine Rolle ob es dafür einen Grund gab oder nicht, sie liebte es anscheinend so die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Dabei hatte sie das gar nicht nötig, sie war ein richtig niedliches kleines Ding. Aber das konnte man nur feststellen, wenn sie ausnahmsweise einmal nicht ihr Gesicht zum Heulen verzog. Der Vater von Tina saß nah beim Sandkasten, also konnte der Mann in der weißen Hose wohl auch nicht zu Tina gehören, blieben nur noch die anderen zwei übrig. Es schienen Zwillinge zu sein, zumindest trugen beide die gleichen roten Latzhosen, und hatten beide die dunklen Haare zu Pferdeschwänzen gebunden. Sie hatte die Zwillinge hier noch nicht oft gesehen, eine von ihnen hieß, wenn sie sich recht erinnerte, Anne, an den Namen der anderen konnte sie sich gar nicht entsinnen. Aber nein, auch zu den beiden konnte er nicht gehören, denn da kam schon die Mutter oder Tante der zwei und schimpfte mit ihnen, daß sie aufhören sollten sich gegenseitig mit Sand zu bewerfen. Nun, vielleicht saß er ja auch nur wie sie selber hier und beobachtete das Treiben, um sich ein wenig abzulenken von dem täglichen Einerlei.

Es wäre ihr ja auch egal gewesen, wenn er sie nicht an die Vorfälle im letzten Jahr erinnert hätte.

In den nächsten Wochen sah sie den Mann immer mal wieder, und er fing an sie zu stören. Sie konnte ihn nicht einordnen, er folgte mit seiner Anwesenheit auch keinem Schema, mal lagen vier Tage zwischen seinen Besuchen, mal erschien er täglich. Das brachte Unruhe in ihr Leben, und so etwas mochte sie überhaupt nicht. Und dann sah sie es, wie er mit einem der Mädchen sprach. Es war Beate, deren Mutter die Kleine oft hierher brachte und dann selber mit dem Kinderwagen noch ein wenig durch den Park ging. Beate war schon alt genug um ein paar Minuten allein zu spielen. So groß war der Park nicht, und die Mutter ging auch immer nur eine kleine Runde, aber das war wohl die einzige Möglichkeit für sie ein wenig Ruhe zu finden. Denn sobald sie sich an den Spielplatz setzte, fing entweder das Baby an zu weinen, oder Beate kam und hing wie eine Klette an den Beinen ihrer Mutter. Da war sicher eine ganze Menge Eifersucht auf das Baby im Spiel.

Und nun sprach dieser Mann mit Beate. Warum? Was wollte er von dem Kind? Es wäre der alten Frau ja egal gewesen, wenn sie nicht immer wieder an die Aufregung des letzten Jahres hätte denken müssen. Sie beobachtete den Mann nun über den Rand ihres Buches, und so sah sie wie er Hand in Hand mit dem Mädchen den Spielplatz verließ und die Richtung auf das Wäldchen einschlug.

Die kleine graue Frau packte ihr Buch in ihre Handtasche und stand auf, sie ging den Beiden nicht nach, sie machte sich auf den Weg nach Hause, sie wollte mit all dem nichts zu tun haben. Aber nach einigen Metern überdachte sie ihre Entscheidung noch einmal, das würde bedeuten, daß sie wieder drei Wochen nicht in Ruhe auf ihrer Bank sitzen könnte. Das würde ihr ja nun auch überhaupt nicht gefallen. So machte sie eine Drehung um 90 Grad und ging quer über den Rasen auf das gleiche Waldstück drauf zu. Sie wurde immer schneller, man hätte nicht geglaubt das diese alte Frau noch so schnell gehen konnte. Als sie im Wäldchen war ging es etwas langsamer vorwärts, sie blieb immer einmal wieder stehen um zu lauschen, sie wollte den Beiden den Weg abschneiden. Dafür mußte sie wissen, wo sie waren, und so lauschte sie immer wieder auf die Geräusche. Dann sah sie sie, konnte aber von ihnen nicht gesehen werden, da ein großer Busch sie verbarg. Sie rief laut herüber: „Beate! Du sollst sofort zurück gehen zum Sandkasten.“ Beide blieben stehen, das Mädchen war erschrocken ihren Namen hier im Wald zu hören, es machte sich frei und rannte so schnell es konnte zurück. Der Mann dagegen blieb stocksteif auf der Stelle stehen. Dann, begann er ganz langsam weiter vorwärts zu gehen, immer wenn er einen Schritt gemacht hatte blieb er wieder stehen. Es schien so, als lausche nun er auf die Geräusche, aber er hörte nichts. Die kleine Frau stand ganz still hinter ihrem Busch, aber immer, wenn er wieder einen Schritt machte bewegte auch sie sich, vorsichtig, um nur ja kein Geräusch zu erzeugen bückte sie sich nach dem dicken Ast der vor ihren Füßen lag. Als der Mann direkt vor ihrem Busch stand, sie konnte nicht nur seinen Atem hören, sondern auch seinen Schweiß riechen, da holte sie aus und traf ihn, mit aller Wucht zu der sie fähig war, mit dem Ast am Hinterkopf. Der Mann fiel um, sie schlug noch einmal zu, nur um sicher zu sein, nachdem sie den Busch umrundet hatte. Nun lag er dort, Blut floß aus der Kopfwunde, sie glaubte schon, daß er tot wäre, und damit hatte sie auch Recht. Wenn jemand ihn hier finden würde würde es zu genau solcher Aufregung wie letztes Jahr führen, dieser Gedanke schoß ihr durch den Kopf. Er durfte nicht gefunden werden, aber um ihn weg zu bringen war er zu schwer und sie nicht kräftig genug. So zerrte und schob sie ihn zunächst nur in den Busch hinein. Dann ging sie zurück zu ihrer Bank, setzte sich und nahm ihr Buch wieder hervor.

Es kümmerte sich niemand um die kleine Frau, Beate saß im Sandkasten, sie schien ein wenig eingeschüchtert zu sein, sie blieb selbst dann dort sitzen als ihre Mutter sich in ihrer Nähe auf einer Bank nieder ließ.

So verging der Sommer und der Herbst. Als es Oktober wurde entdeckte jemand den Leichnam. Er war angeblich etwas angefressen von den Tieren des Waldes, aber das interessierte die alte Dame nicht, es regnete fast jeden Tag, da war sie nie im Park, da wollte sie gar nicht auf ihrer Bank sitzen, und bis der Regen vorbei war, würde auch die Aufregung vorbei sein, und sie könnte weiter in Ruhe auf ihrer Bank sitzen, den Kinderlärm hören und die neuen blauen Socken für Adele fertig stricken.....
 
P

Phantom

Gast
Hi Wally, willkommen im Krimiforum!

Schön, ein weiters Thema über Kindesmissbrauch. Ich finde du bist ein bisschen "distanziert" rangegangen. Vergleich zur Probe die Geschichte mit "Das Lächeln"..., da kannst du sehen wie unterschiedlich der Stoff bearbeitet werden kann...

Der Plot deiner Geschichte gefällt mir gut...doch dein Stil ist ein bisschen "gewöhnlich", trivial z.B.

"In den nächsten Wochen sah sie den Mann immer mal wieder dort sitzen", das "mal" stört...

"So machte sie eine Drehung um 90 Grad und ging quer über den Rasen auf das gleiche Waldstück drauf zu." Ich glaube der Leser weiss, das die alte Frau jetzt in das selbe Wäldchen gehen wird, das brauchst du nicht nochmal hinzuschreiben...

Es fehlt am Anfang bis Mitte an Leseanreiz... ein paar mehr Details über den ersten Mord...

Der Anfang gefällt mir, doch ich finde es reicht, wenn du ihr zwei Kleidungsstücke gibst (für Frühling/Sommer u. Herbst/Winter), irgendwie bremst das am Anfang, zu viel Modenschau:

"Seit drei Jahren sah man sie dort sitzen. Im Frühjahr und Herbst trug sie ein wärmendes graues Wollkostüme und hatte immer ihr Strickzeug dabei. Im Sommer trug sie auch ein graues Kostüme, aber es war heller und aus einem dünneren Stoff. " Das reicht eigentlich schon...

Den Höhepunkt könntest du ruhig mehr ausleben... Teile dem Leser genau mit, wie sich deine Protagonistin fühlt, der Leser möchte alles erfahren, auch was in ihr vorgeht...

Das Ende ist interessant, die Frau versucht ihr "Paradies" zu retten...doch ich würde die sie nur einmal zuschlagen lassen, zweimal sieht so aus, als würde sie das schon aus Mordlust, mit voller Absicht machen... Wärst du in der Situation, würdest du auch nicht lange an diesem Orte verweilen wollen, du würdest einmal zuschlagen und schnell wegrennen...
Gruß Phantom

P.S. du solltest auch mehr mit dem Motiv der "kleinen grauen Frau" spielen und vielleicht nochmal das Motiv mit der Bank verdeutlichen (z.B. das du ein bisschen öfter "ihre Bank" verwendest).
 

Wally

Mitglied
Hallo Phantom..

Du hast nicht sonderlich aufmerksam gelesen, meine Geschichte war die Antwort auf "Das Lächeln...."

Der Mann in der weißen Flanellhose....
Die kleine Kerstin die verschwand....

Bei anderer Kritik muß ich Dir Recht geben, es ist gewöhnlich und trivial, genau wie das Leben, meine Zielgruppe ist sicherlich eine andere als Deine Zielgruppe.

Mir lag viel mehr daran die Stimmung in der sich diese alte Frau befindet, und aus der heraus es zum Mord kommz zu beschreiben, als daran den Mord ansich zu beschreiben. Der Leser soll sich in den Kopf der Frau erfühlen können.

Dir wünsche ich noch viel Vergnügen
 
P

Phantom

Gast
Stimmt!

Hi Wally,
stimmt, bei der Flanellhose habe ich mich schon gewundert, bei "Kerstin" nicht, den Namen hatte ich schon wieder vergessen... "Das Lächeln" scheint ja bei dir einen tiefen Eindruck hinterlassen zu haben :)
Wenigstens hat jetzt "mein" Vergewaltiger das bekommen, was er verdient hat :)
Es freut mich, dass ihm das Handwerk gelegt wurde...

Gruß Phantom
 

Wally

Mitglied
Genau, und das war es eigentlich auch worum es mir gegangen war. ist mir kurz vorm einschlafen eingefallen und morgends hab ich es dann schnell reingehackt. Das dabei nichts perfektes rauskommt, okay, damit kann ich leben.

Mir hatte beim "Lächeln einfach sowohl ein Anfang als auch ein Ende gefehlt. Die Story war nicht rund. Es ist nur eine Momentaufnashme gewesen, sollte sicherlich auch nicht mehr sein.....

Gruß Wally
 

Tekky

Mitglied
Hi Wally

am Ende schreibst Du:

"So verging der Sommer und der Herbst. Als es Oktober wurde entdeckte jemand den Leichnam. Er war angeblich etwas angefressen von den Tieren des Waldes, aber [...]"

Eine Leiche, die den ganzen Sommer (dabei ist der Herbst im Oktober nicht zu Ende, da fängt er grad an, daher nur Sommer) rumliegt, ist nicht mal eben "etwas angefressen", sondern schon ziemlich stark angefressen bzw. verwest.

Nur mal so als Tip ;)

Gruß
 



 
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