Die lebende Leinwand

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Heute bekam ich eine riesengroße Leinwand geschenkt, obwohl ich weder Geburtstag hatte noch Weihnachten war, einfach so. Da diese nicht durch die Wohnungstür passte, wurde sie auf die überdachte Terrasse gestellt, die von der Sonne verwöhnt wird.

Nackt, in einem göttlichen Weiß steht diese leere Leinwand nun vor mir, um ihre Unschuld zu verlieren. Bevor ich überhaupt zum Nachdenken komme, dass ich ja weder Farben noch Pinsel besitze, passiert etwas Faszinierendes. Innerhalb von Sekunden platziert sich in der Mitte der Leinwand eine wogende, duftende Blumenwiese mit rotem Mohn, dessen zarte, knittrige Blätter im Sonnenlicht leuchten. Kornblumen in einem königlichen Blau und schneeweiße Margeriten wiegen sich zusammen mit langen Gräsern wie nach langsamer Musik im lauen Sommerwind.

Augenblicklich erinnere ich mich an meine Kindheit, als die Sommer noch heiß waren und wir wochenlang ohne Schuhe laufen konnten. Herrlich, die Erde unter den Füßen zu spüren, den warmen Sand, das kühlende Gras. Schulferien auf dem Lande erleben zu dürfen, was für ein Genuss. Wenn ich durch die Kornfelder lief, was auch damals schon streng untersagt war, spürte ich den Reiz des Verbotenen und ein Kribbeln durchrieselte mich. Was, wenn ich erwischt wurde? Aber es passierte zum Glück nie. Die Gräser kitzelten an meinen nackten Beinen, was mir ein glucksendes Lachen entlockte. In dem Korn blühten vor allem drei Blumensorten in den Farben rot, blau und weiß. Damals kannte ich noch nicht die Namen, war aber von der Farbzusammenstellung wie berauscht.

Ich schließe meine Augen, um die Gefühle, die ich während dieser Ferienzeit erleben durfte, noch einmal intensiv nach zu empfinden.

Da, ein plötzliches Summen um mich herum. Erschrocken öffne ich die Augen. Ein Schwarm Bienen lässt sich auf den bunten Blumen nieder, um sich über die Blütenpollen herzumachen. Die winzigen, filigranen Flügelchen glitzern in der Sonne, obwohl sie durchsichtig sind. Jetzt fliegen farbenprächtige Schmetterlinge von allen Seiten heran, um sich am Nektar der Blumen zu laben. Einige Blüten senken ihre Köpfchen, weil die Last der Schmetterlinge sie niederdrückt, recken sich jedoch sofort wieder hoch auf ihren Stängelchen, sowie die Falter weiter fliegen.

An den Seiten der Leinwand wachsen plötzlich Bäume, an denen sich Lianen und Efeu winden in den unterschiedlichsten Grüntönen. Die darunter stehenden zierlichen Büsche tragen orange Früchte. Jetzt ist ein Zwitschern und Flügelflattern zu vernehmen. Scharen von kleinen und großen, bunten und einfarbigen Vögeln schwirren heran, um sich in den Bäumen und Büschen niederzulassen. Die hungrigen Gäste stürzen sich auf die reifen, verführerisch leuchtenden Beeren, um diese gierig zu verschlingen. Nachdem ihr Hunger gestillt ist, singen sie ihre melodischen Lieder, wie zum Dank für das bereit gestellte köstliche Mahl.

Die Sonne hinter den Bäumen geht langsam unter in einem unvorstellbaren Rot, das sich über den ganzen Himmel ergießt. Langsam senkt sich die Nacht über die erst vor kurzem entstandene Natur auf der Leinwand und taucht sie in Dunkelheit. Wird diese Pracht mit all den Pflanzen, Tieren, Farben, Düften und Erinnerungen morgen, wenn es wieder hell ist, noch vorhanden sein?
 

wolfgang

Mitglied
Guten Abend Karin!

Die Idee mit der leeren Leinwand gefällt mir. Auch Deine Beschreibungen sind bildhalft und lassen einen durch den Text gleiten. Ich frage mich allerdings, ob man unbedingt Ausdrücke wie: "Ich erinnere mich" schreiben muss. Wäre Dein Text ein Gedicht, würde einfach eine Beschreibung folgen. Was ich eindringlicher fände. Als Leser weiß ich unehin, dass da jemand vor der Leinwand steht und sagt, was er sieht und empfindet.

Ansonsten gefällt mir die Idee gut und auch die Umsetzung.

Gute Nacht!

Wolfgang
 

MarenS

Mitglied
Eine schöne Idee, die Leinwand, die sich mit Erinnerungen und Wünschen füllt(so las ich es).

Manche Sätze wirken ein bisschen steif, wie hier:
Da, ein plötzliches Summen um mich herum. Erschrocken öffne ich die Augen.

Ein plötzliches Summen lässt mich erschrocken die Augen öffnen.


oder
Jetzt fliegen farbenprächtige Schmetterlinge von allen Seiten heran, um sich am Nektar der Blumen zu laben.

Farbenprächtige Schmetterlinge flattern von allen Seiten herbei, um sich am Nektar zu laben.


Ich denke auch, dass du aufpassen musst, nicht zu oft die Verniedlichungsform -chen zu verwenden, sonst rutscht du von der bildhaften, bunten Beschreibung ins Kitschige ab. (siehe Köpfchen, Stängelchen.

Dir liebe Grüße von der MeckerMaren
 
Guten Morgen, Wolfgang,

danke fürs Lesen und kommentieren. Ich freue mich, dass es dir gefällt. "Ich erinnere mich" werde ich abändern. Danke für die Anregung.

Liebe Grüße,
Karin
 
Liebe MeckerMaren, :)

ein Glück, dass du mir hilfst, meinen Text zu verbessern. Ich hatte darauf gehofft, dass sich jemand die Mühe macht. Kindergeschichten zu schreiben ist viel einfacher - jedenfalls für mich. Danke für deine Vorschläge.

Ein plötzliches Summen lässt mich erschrocken die Augen öffnen.
Das konnte ich so nicht schreiben, weil ich im nächsten Satz wieder ein und lässt stehen hatte. Wie findest du so die Änderung?

Ein plötzliches Summen, erschrocken öffne ich die Augen. Etliche Bienen lassen sich auf den bunten Blumen nieder, um sich über die Blütenpollen herzumachen.

Liebe Grüße,
Karin
 
Heute bekam ich eine riesengroße Leinwand geschenkt, obwohl ich weder Geburtstag hatte noch Weihnachten war, einfach so. Da diese nicht durch die Wohnungstür passte, wurde sie auf die überdachte Terrasse gestellt, die von der Sonne verwöhnt wird.

Nackt, in einem göttlichen Weiß steht diese leere Leinwand nun vor mir, um ihre Unschuld zu verlieren. Bevor ich überhaupt zum Nachdenken komme, dass ich ja weder Farben noch Pinsel besitze, passiert etwas Faszinierendes. Innerhalb von Sekunden platziert sich in der Mitte der Leinwand eine wogende, duftende Blumenwiese mit rotem Mohn, dessen zarte, knittrige Blätter im Sonnenlicht leuchten. Kornblumen in einem königlichen Blau und schneeweiße Margeriten wiegen sich zusammen mit langen Gräsern wie nach langsamer Musik im lauen Sommerwind.

Meine Kindheit taucht vor mir auf, als die Sommer noch heiß waren und wir wochenlang ohne Schuhe laufen konnten. Herrlich, die Erde unter den Füßen zu spüren, den warmen Sand, das kühlende Gras. Schulferien auf dem Lande erleben zu dürfen, was für ein Genuss. Wenn ich durch die Kornfelder lief, was auch damals schon streng untersagt war, spürte ich den Reiz des Verbotenen und ein Kribbeln durchrieselte mich. Was, wenn ich erwischt wurde? Aber es passierte zum Glück nie. Die Gräser kitzelten an meinen nackten Beinen, was mir ein glucksendes Lachen entlockte. In dem Korn blühten vor allem drei Blumensorten in den Farben rot, blau und weiß. Damals kannte ich noch nicht die Namen, war aber von der Farbzusammenstellung wie berauscht.

Ich schließe meine Augen, um die Gefühle, die ich während dieser Ferienzeit erleben durfte, noch einmal intensiv nach zu empfinden.

Ein plötzliches Summen, erschrocken öffne ich die Augen. Etliche Bienen lassen sich auf den bunten Blumen nieder, um sich über die Blütenpollen herzumachen. Die winzigen, filigranen Flügelchen glitzern in der Sonne, obwohl sie durchsichtig sind. Farbenprächtige Schmetterlinge flattern von allen Seiten herbei, um sich am Nektar zu laben. Einige Blüten senken ihre Köpfe, weil die Last der Schmetterlinge sie niederdrückt, recken sich jedoch sofort wieder hoch auf ihren Stängeln, sowie die Falter weiter fliegen.

An den Seiten der Leinwand wachsen plötzlich Bäume, an denen sich Lianen und Efeu winden in den unterschiedlichsten Grüntönen. Die darunter stehenden zierlichen Büsche tragen orange Früchte. Jetzt ist ein Zwitschern und Flügelflattern zu vernehmen. Scharen von kleinen und großen, bunten und einfarbigen Vögeln schwirren heran, um sich in den Bäumen und Büschen niederzulassen. Die hungrigen Gäste stürzen sich auf die reifen, verführerisch leuchtenden Beeren, um diese gierig zu verschlingen. Nachdem ihr Hunger gestillt ist, singen sie ihre melodischen Lieder, wie zum Dank für das bereit gestellte köstliche Mahl.

Die Sonne hinter den Bäumen geht langsam unter in einem unvorstellbaren Rot, das sich über den ganzen Himmel ergießt. Langsam senkt sich die Nacht über die erst vor kurzem entstandene Natur auf der Leinwand und taucht sie in Dunkelheit. Wird diese Pracht mit all den Pflanzen, Tieren, Farben, Düften und Erinnerungen morgen, wenn es wieder hell ist, noch vorhanden sein?
 

Ralf Langer

Mitglied
Hallo Estrella,

Weil mir dies Stück gefällt habe ich aus purer Lust daran herum geschrieben:



Weiße Leinwand

Heute habe ich eine sehr große Leinwand geschenkt bekommen.
Einfach so.
Sie war so groß, dass sie nicht durch die Wohnungstür passte, und so stellte ich sie auf die Terrasse ab, spannte sie in einen Rahmen und lies sie von der Sonne bescheinen.
Während ich im Liegestuhl saß und grübelte was damit anzufangen wäre, obschon ich weder Farben noch Pinsel im Haus hatte, geschah etwas Wunderbares:

Auf der gerade noch leeren Leinwand entstand eine wogende, duftende Blumenwiese aus rotem Mohn. Die zarten Blätter leuchteten im Sonnenlicht, da gesellten sich königlich blau strahlende Kornblumen dazu, dann schneeweiße Margeriten und schließlich satte grüne Gräser.
Alles wog sich im Takt einer langsamen Musik, den der laue Sommerwind über die Leinwand zu blasen schien.

Meine Kindheit stieg vor mir auf:
Diese herrliche Zeit auf dem Lande, als die Sommer noch heiß waren und ich wochenlang barfuss herumlaufen konnte.
Ich erinnerte mich, was es bedeutete Boden unter den Füßen spüren.
Sei es die kühle Erde des Waldbodens, das saftige Gras der Wiesen, oder die heißen Steine nahe des Bachlaufs.
Das fast vergessene Kribbeln, wenn ich durch die vollen Kornfelder lief durchzog meine Füße.
Die Erinnerung an die kitzelnden Wiesengräser an meinen Beinen, dort an der Aue, wo einzig und allein diese drei Blumen wuchsen, wurde lebendig.
Die eine blühte stehts in tiefen Purpur, die Andere in einem leuchtenden Blau, und die Kleinste in unschuldigem Weiß.
Schon als Kind hatte ich gespürt, das das Glück auf dieser Wiese zu Hause sein wollte.

Dann hörte ich ein Summen in den Gräsern und sah wie sich Bienen auf die Leinwand setzten, und den Nektar einsammelten.
Farbenprächtige Schmetterlinge flatterten von allen Seiten herbei, ließen sich auf den Blütenkelchen nieder, so das diese leicht dem Grund entgegen sanken, nur um ganz plötzlich wieder empor zuschnellen, als die Schmetterlinge sich wieder erhoben und zur nächsten Blüte flogen.
Schon wuchsen an den Seiten der Leinwand Bäume heran, an denen sich der Efeu empor schlängelte, und in deren sanften Schatten Büsche wuchsen, die orangene Früchte trugen.
Vögel ließen sich leise in den Bäumen nieder, beäugten einen Moment die Früchte und stürzten sich alsdann darauf um sich an ihnen zu laben.
Schon flogen sie zurück in die Bäume zu ihren Nestern und sangen ihre Lieder.
So begrüßten sie die Abendsonne, die ein letztes Mal die Wiese in ein leuchtendes Farbenmeer verwandelte bevor es dunkel wurde.
Dann war Schweigen.

Lächelnd erwachte ich in meinem Liegestuhl.
Ob dieser Traum ein Morgen kennt?


Liebe Estrella,

soweit mein Text aus deinem Text.

Ein paar Ideen.

Du wechselst mehrfach die Zeitebene in deiner Geschichte.
Springst vom Präteritum ins Präsens und wieder zurück.
Dahingehend würde ich dir empfehlen eine Veränderung vor zu nehmen und dich also für eine Zeitebene zu entscheiden.

Dann habe ich versucht einen kleinen Plot einzubauen. Es ist nichts Großartiges.
Aber die klassische Traumsequenz entreißt diese wunderschöne Erinnerungsreise des Prot.
Aus dem Bereich des phantastischen heraus.
(Was mir persönlich besser gefällt).

Dann habe ich ein wenig gekürzt bei Stellen von denen ich glaube, das sie für diese Geschichte uninteressant sind.
( Auch das ist Geschmackssache)

Hat mir Freude bereitet

Lg
Ralf
 
Lieber Ralf,

danke für deine Arbeit an meinem Text. Da habe ich ja eine Menge zu tun. Interessante Anregungen hast du mir gegeben. Dass es dir Freude bereitet hat, ist natürlich wunderbar für mich. Also, jetzt mache ich mich an die Arbeit.... :)

Liebe Grüße,
Karin
 
Heute habe ich eine sehr große Leinwand geschenkt bekommen.

Diese war so sperrig, dass sie nicht durch die Wohnungstür passte. Deshalb spannte ich sie auf der Terrasse in einen Rahmen und ließ sie dort von der Sonne bescheinen.

Während ich mich auf meiner Gartenliege rekelte und überlegte, was ich damit anfangen könnte, obwohl ich weder Farben noch Pinsel im Haus hatte, geschah etwas Wunderbares:

Auf der gerade noch leeren Leinwand entstand eine wogende, duftende Blumenwiese aus rotem Mohn. Die zarten Blätter leuchteten im Sonnenlicht, es gesellten sich königlich blau strahlende Kornblumen hinzu, dann schneeweiße Margeriten und schließlich satte grüne Gräser. Alles wog sich im Takt einer langsamen Musik, den der laue Sommerwind über die Leinwand zu blasen schien.

Meine Kindheit stieg vor mir auf:
Diese herrliche, unbeschwerte Ferienzeit auf dem Lande, als die Sommer noch heiß waren und ich wochenlang barfuß umher laufen konnte. Als wäre es gestern, spürte ich den warmen Sand und die von der Sonne erhitzten Steine unter meinen Fußsohlen. Das Tollen über die saftige Wiese kühlte diese anschließend wieder.

Die Erinnerung an die kitzelnden Gräser an meinen Beinen auf der Wiese, wo einzig und allein diese drei Blumenarten wuchsen, wurde lebendig. Die eine blühte stets in einem flammenden Rot, die andere in einem leuchtenden Blau und die Kleinste in unschuldigen Weiß. Schon als Kind hatte ich gespürt, dass mein Glück die Natur sein würde.

Dann hörte ich ein Summen und sah, dass sich Bienen auf die Leinwand setzten und den Nektar einsammelten. Farbenprächtige Schmetterlinge flatterten von allen Seiten herbei, ließen sich auf den Blütenkelchen nieder, so dass diese leicht dem Erdboden entgegen sanken, nur um ganz plötzlich wieder empor zu schnellen, als die Schmetterlinge sich wieder erhoben und zu den nächsten Blüten flogen.

Schon wuchsen an den Seiten der Leinwand Bäume heran, an denen sich der Efeu empor schlängelte und in deren sanften Schatten Büsche wuchsen, die orange Früchte trugen.

Vögel ließen sich leise in den Bäumen nieder, beäugten einen Moment die Früchte und stürzten sich dann darauf, um sich an ihnen zu laben. Schon flogen sie zurück zu ihren Nestern und sangen ihre Lieder. So begrüßten sie die Abendsonne, die ein letztes Mal die Wiese in ein leuchtendes Farbenmeer verwandelte, bevor es dunkel wurde. Dann war Schweigen.

Lächelnd erwachte ich auf meiner Gartenliege.

Ob dieser Traum ein Morgen kennt?
 

Ralf Langer

Mitglied
liebe estrella,
ich persönlich finde deine Geschichte hat gewonnen
( natürlich bin ich ein wenig eitel und daher stolz)

Sie hat mehr "Schmiss"
und ich bin näher am Protagonisten als Leser

Aber:

Vielleicht sollten andere dazu etwas sagen.
Ich bin da nun wohl ein wenig befangen....

lg
ralf
 

Ralf Langer

Mitglied
Ach ja,
und das ohne altklug wirken zu wollen.

in der geschichte "geschieht" jetzt das, was du vorher,
mehr wie bei einem bild, beschriebst

Das Bild auf der Leinwand entsteht mit dem Lesen

bis dahin
ralf
 
Lieber Ralf,

da hast du völlig recht! Ich habe es selbst erkannt. Wie gesagt, Kindergeschichten sind für mich einfacher. :) Diese Geschichte ist vom letzten Jahr. Ich denke immer daran, dass mein Lehrer sagte: "Karin, wieder eine 1 im Aufsatz, aber bitte nicht so viel Kino!" Ich hatte damals ein DIN A5-Heft vollgeschrieben, mit einem Aufsatz. :D

Dieses Zuviel werde ich mir sicher nie abgewöhnen. Aber, dafür seid ihr ja da.

Gekürzt werden kann immer,
Verlängern ist viel schlimmer. :)

Schmunzelnde Grüße,
Karin
 
Heute habe ich eine sehr große Leinwand geschenkt bekommen.

Diese war so sperrig, dass sie nicht durch die Wohnungstür passte. Deshalb spannte ich sie auf der Terrasse in einen Rahmen und ließ sie dort von der Sonne bescheinen.

Während ich mich auf meiner Gartenliege rekelte und überlegte, was ich damit anfangen könnte, obwohl ich weder Farben noch Pinsel im Haus hatte, geschah etwas Wunderbares:

Auf der gerade noch leeren Leinwand entstand eine wogende, duftende Blumenwiese aus rotem Mohn. Die zarten Blätter leuchteten im Sonnenlicht, es gesellten sich königlich blau strahlende Kornblumen hinzu, dann schneeweiße Margeriten und schließlich satte grüne Gräser. Alles wog sich im Takt einer langsamen Musik, den der laue Sommerwind über die Leinwand zu blasen schien.

Meine Kindheit stieg vor mir auf:
Diese herrliche, unbeschwerte Ferienzeit auf dem Lande, als die Sommer noch heiß waren und ich wochenlang barfuß umher laufen konnte. Als wäre es gestern, spürte ich den warmen Sand und die von der Sonne erhitzten Steine unter meinen Fußsohlen. Das Tollen über die saftige Wiese kühlte diese anschließend wieder.

Die Erinnerung der kitzelnden Gräser an meinen Beinen auf der Wiese, wo einzig und allein diese drei Blumenarten wuchsen, wurde lebendig. Die eine blühte stets in einem flammenden Rot, die andere in einem leuchtenden Blau und die Kleinste in unschuldigen Weiß. Schon als Kind hatte ich gespürt, dass mein Glück die Natur sein würde.

Dann hörte ich ein Summen und sah, dass sich Bienen auf die Leinwand setzten und den Nektar einsammelten. Farbenprächtige Schmetterlinge flatterten von allen Seiten herbei, ließen sich auf den Blütenkelchen nieder, so dass diese leicht dem Erdboden entgegen sanken, nur um ganz plötzlich wieder empor zu schnellen, als die Schmetterlinge sich erhoben und zu den nächsten Blüten flogen.

Schon wuchsen an den Seiten der Leinwand Bäume heran, an denen sich der Efeu empor schlängelte und in deren sanften Schatten Büsche wuchsen, die orange Früchte trugen.

Vögel ließen sich leise in den Bäumen nieder, beäugten einen Moment die Früchte und stürzten sich dann darauf, um sich an ihnen zu laben. Schon flogen sie zurück zu ihren Nestern und sangen ihre Lieder. So begrüßten sie die Abendsonne, die ein letztes Mal die Wiese in ein leuchtendes Farbenmeer verwandelte, bevor es dunkel wurde. Dann war Schweigen.

Lächelnd erwachte ich auf meiner Gartenliege.

Ob dieser Traum ein Morgen kennt?
 



 
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