Die letzten Menschen

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Vagabund

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Nur noch ein lautes Rauschen blieb übrig als der Kontakt zur Erde abbrach und die raue Stimme am anderen Ende der unsichtbaren Leitung verstummte. Die letzte Funkwelle, die letzte Verbindung zwischen der Erde und dem Mond, schlängelte sich mit Lichtgeschwindigkeit durch das schwarze Vakuum, prallte gegen den kalten Mondstein und versank in seiner Masse. Übrig bleib eine ohrenbetäubende Stille, die in den Köpfen der Astronauten ein Orchester der Verzweiflung erzeugte. Was war geschehen? Wie konnte es soweit kommen? Was würde nun aus ihnen werden? Jeder von ihnen hatte Fragen, doch niemand wagte es sie zu stellen denn sie wussten genau, dass niemand da wäre um sie ihnen zu beantworten. Sie wussten nur, dass sie nun verloren waren, heimatlos, gestrandet. Allein in den unendlichen weiten des Weltalls. Frei im Raum und doch gebunden an die Zeit, die sich in ihrem Wahn alles nehmen wird, dass ihnen jemals lieb war.

Angefangen hatte es damit, dass ihr Kontaktmann bei der IRA, der Internationalen Raumagentur, von Tag zu Tag nervöser schien. Stetig wurde er bei den täglichen Gesprächen abgelenkt, zwischendurch stießen Rufe aus dem Hintergrund worauf er abbrechen musste und die letzten Tage erschien er teilweise gar nicht mehr. Sie dachten zunächst es gäbe technische Probleme, doch dann kam eine letzte Kontaktaufnahme die diese Vermutung ausschloss. Die Astronauten freuten sich zunächst, dass ihre Mission nicht an einem Kommunikationsfehler scheitern würde, doch nach dem ihr Kontaktmann seine ersten Worte von sich gab wünschten sie sich sie hätten diese Nachricht nie bekommen und alles was damit zu tun hatte wäre nie geschehen. Sie verstanden nicht einmal genau was er sagte, doch allein die Art wie er es sagte genügte schon um zu wissen, dass es ein Problem gab und zwar ein gewaltiges.
Die Blicke der sechs Männer, die sich um das Übertragungsgerät versammelt hatten trafen sich und erste Angstschweißperlen liefen über entsetzte Gesichter. Daraufhin folgte der gemeinsame Blick zum Horizont, wie die Erde als eine blaue runde Gottheit über das schwarze Sodom unter ihr thronte. Und da sahen sie es. Unscheinbar klein, ein winziges Fünkchen dessen Strahlen durch die Atmosphäre ihrer Heimat drangen und nun durch die Iris auf die Sehnerven der Astronauten fielen. Es bewegte sich. Langsam aber sicher, von einer Hälfte zur anderen und dann verschwand es. Kurz darauf ein weiterer Funken diesmal von einer anderen Stelle aus. Und ehe sie sich versahen wurde aus den Funken ein Inferno aus Licht, dass sich über die Oberfläche der blauen Perle rankte und alles verschlang das in seine Bahn geriet bis schließlich nichts mehr übrig war von jenem Ort, den die Astronauten einst Heimat nannten.

Es war eine Ironie, denn gerade sie, sechs Männer aus sechs verschiedenen Großmächten der Erde vereint unter dem Banner der IRA auf einer gemeinsamen Reise zum Mond um dort die Flagge der UN, der vereinten Nationen, zu hissen und damit den Weltfrieden zu besiegeln und die Gegensätzlichkeiten vergangener Epochen hinter sich zu lassen, stehen nun dort und müssen sprachlos dabei zusehen wie die Evolution des Menschen am Menschen selbst scheiterte und nicht nur sich sondern auch die restliche Vielfalt an Kreaturen mit sich in den Abgrund riss. Der letzte Funken erlosch und die Erde war nun wieder der Planet, der sie vor mehreren Milliarden Jahren war. Feuerspeiend, leblos und gefährlich.

Nachdem das Schauspiel vorbei war kamen die Astronauten wieder zu sich. Sie alle wussten, was das für sie bedeuten würde doch keiner sprach es aus. Allein der Anführer, ein Vertreter der IRA, sagte in zwei kurzen Worten das, was sich der Rest dachte. \"Das war\'s\". Daraufhin verschwand er in der Kapsel. Das Wasser würde noch für neun Monate reichen, die Nahrung für sieben. Dannach beginnt zuerst der Hunger, dann der Durst und irgendwann wird der menschliche Überlebenstrieb einsetzen und dann werden auch die Astronauten anfangen sich gegenseitig umzubringen für das letzte bisschen das noch übrig ist bis auch der letzte, wer auch immer das sein mag, einsam und allein auf dem kalten Mondstein liegen wird und stirbt.

Die Menschheit auf dem Mond wird das selbe tragische Ende nehmen wie die Menschheit auf der Erde, denn letztendlich war es die selbe Situation in einem anderen Maßstab.
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Vagabund, herzlich Willkommen in der Leselupe!

Schön, dass Du den Weg zu uns gefunden hast. Wir sind gespannt auf Deine weiteren Werke und freuen uns auf einen konstruktiven Austausch mit Dir.

Um Dir den Einstieg zu erleichtern, haben wir im 'Forum Lupanum' (unsere Plauderecke) einen Beitrag eingestellt, der sich in besonderem Maße an neue Mitglieder richtet. http://www.leselupe.de/lw/titel-Leitfaden-fuer-neue-Mitglieder-119339.htm

Ganz besonders wollen wir Dir auch die Seite mit den häufig gestellten Fragen ans Herz legen. http://www.leselupe.de/lw/service.php?action=faq


Deine Geschichte zeigt ein mögliches Szeanrio, das sich in der modernen Raumfahrt tatsächlich ereignen könnte. Das Ganze könntest Du noch ausbauen, dann würde es spannender.

Viele Grüße von DocSchneider

Redakteur in diesem Forum
 

van Geoffrey

Mitglied
Düstere Zukunftsperspektive

Hallo, Vagabund!

Das ist ein düsteres Statement über die Menschheit. Der kriegerische Konflikt als unausweichliches Schicksal der Menschheit.
Tatsächlich bleibt nicht der geringste Spielraum für eine Empfindung der Hoffnung.
Ich hatte beim Lesen den Gedanken, dass man diese Kurzgeschichte fortsetzen könnte, indem man einen Handlungsverlauf findet, der den Astronauten ein Überleben ermöglicht. Das könnte eine reizvolle Herausforderung sein.
Dann wäre es allerdings auch mit der ursprünglichen Aussage der Geschichte vorbei.
Du benutzt eine Reihe "starker Bilder" wie das manchmal Romanschriftsteller verwenden. Manche davon erscheinen problematisch. Die unten angeführten finde ich ein wenig holprig, obwohl ich ihnen Originalität zugestehen muss:
- das schwarze Vakuum (als Bezeichnung für den luftleeren Raum)
- Funkwellen, die in der Masse des Mondsteins versinken
- die ohrenbetäubende Stille, die in den Köpfen der Astronauten ein Orchester der Verzweiflung erzeugt

gut finde ich:
- die blaue runde Gottheit über dem schwarzen Sodom
- wie die Situation der Astronauten als Gestrandete hoffnungslos gezeichnet wird
- der Vergleich zwischen der Situation am Mond und auf der Erde: begrenzte Ressourcen.
 



 
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