Die leuchtende Kugel (Weihnachtsgeschichte 2013)

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TheoDoridis

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In jener Nacht war es dunkel und eiskalt und ein mit
Steinen bepflasteter Weg zog seine unruhige Linie
quer über das kaum mit bloßem Auge erkennbare
Land. Es war ruhig hier und ein eisige Wind brachte
die Blätter einiger Bäume und Sträucher zum Rauschen.
Hatte der Wind seine Kraft vollzogen war es
eine Weile ruhig und dann begann er mit seiner Kraft
wieder von Neuem.
Als der Moment der Stille eintrat, wurde sie durch ein
leichtes Geräusch unterbrochen, das langsam immer
lauter und an diesem Ort immer hörbarer wurde. Die
Sterne am Him-mel leuchteten immer stärker am
schwarzen Himmel und ließen dabei dieses Land hier
immer deutlich sichtbarer werden.
Langsam wurde ein einachsiger Holzwagen erkennbar,
der von jemanden, zitternd vor Kälte und Anstrengung,
auf diesem steinigen Weg gezogen wurde.
Dieser jemand war... eine Frau, die ihre Familie und
ihr Hab und Gut durch einen Groß-brand ihres Dorfes
verloren hatte und nur einige wenige Dinge aus ihrer
Vergangenheit retten konnte.
Die Frau hatte schwer am Aufbau dieses Dorfes mitgearbeitet
und durch ihre Hände auch geholfen, für
andere Menschen da zu sein und zu trösten. Trotz all
den schönen Ereignissen, wie das Aufwachsen ihrer
Kinder und die liebenden Tagen mit ihrem Mann, hat2
te sie sich in ihrem ehemaligen Dorf auch von einige
Menschen verabschieden müssen, die den Mut verloren
und sich das Leben nahmen oder durch Krankheit
sich vom Leben verabschiedeten. Sie wollte aber
nicht aufgeben und sich entmutigen lassen. Doch der
Großbrand hatte ihr alles genommen. Ihr zu Hause,
ihre Familie, die Liebe und die Hoffnung.
Das Herz der Frau brannte vor Schmerz und in ihrem
Gesicht spiegelt sich nur noch Trauer und Mutlosigkeit.
Ihre Angst ließ sie wirre Gedanken durch den
Kopf rasen und ihre Sinne trüben.
Langsam trottete die Frau dem steinigen Weg entlang
und zog ihren Holzwagen mit ihrem letzten Hab und
Gut in eine Richtung des Ungewissen. Ihr Füße waren
schon durch die scharfen Steine des Weges blutig
gelaufen.
Die Sterne am Himmel leuchteten immer stärker und
ließen das eiskalte Land immer heller erscheinen und
deutlicher erkennen. Ab und zu peitschte der eiskalte
Wind an der Frau vorbei und hinderte sie immer wieder
daran, weiter diesen nun deutlich erkennbaren
steinigen Weg zu gehen. Ihr Körper zitterte vor Kälte
und Erschöpfung. Doch ihr Wille zu überleben hielt
sie am Leben und ließ ihre Kräfte nicht versiegen.
Als sie einen Moment lang in den Himmel sah, schoss
eine Sternschnuppe am Himmel entlang und verschwand.
Die Frau staunte über dieses Geschehen,
blieb auf einmal stehen und ließ ihren Wagen los, der
zugleich nach hinten kippte. Dabei fiel ihr letztes Hab
und Gut auf den harten, steinigen Weg und zerbrach.
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Die Frau fiel erschöpft und frierend hart auf ihre Knie
und wünschte sich in den Himmel rufend: „ich wünsche
mir wieder zu leben!“ Ein kalter Wind peitschte
ihr im nächsten Moment ins Gesicht und die Frau fiel
dabei erschöpft zu Boden. Sie dachte an ihre Familie
und an ihre Kinder. Sie blickte auf ihre Hände, mit denen
sie einiges geschaffen hatte und war stolz, einiges
mit ihnen geschafft zu haben. Aber jetzt schwand
ihre Hoffnung.
Auf einmal spürte die Frau wie kleine Schneeflocken
auf ihre Wangen fielen und auf ihrer Haut zerschmolzen.
Ein leichtes Rauschen war nun zu hören und
brach die Stille an diesem Ort. Der Schnee fiel immer
dichter und bedeckte nach kurze Zeit das ganze
Land.
Die Frau verstand: "die Erde will mich begraben, damit
ich keine Schmerzen mehr habe." Sie drehte ihren
Körper auf den Rücken und blickte in den hell erleuchteten
Himmel. Sie konnte die herabfallenden
Schneeflocken deutlich sehen. Woher kam aber das
helle Licht über den Wolken? Es war doch kein Vollmond
am Himmel und die Sonne war noch nicht am
Erscheinen. Was ging da nun vor?
Plötzlich schoss eine leuchtende Kugel durch den
Himmel und flog auf die Frau zu. Die Frau erschrak
und wollte weg rennen. Aber sie konnte nicht. Ihre
Beine waren zu schwach und sie war zu erschöpft,
um sich zu bewegen. Die leuchtende Kugel verlangsamte
auf einmal ihr Tempo und landete sanft auf ihrem
Bauch. Die Frau wurde durch das Licht der
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leuchtenden Kugel zunächst geblendet, danach als
sie sich daran gewöhnt hatte, fühlte sie, wie sich ihr
Herz durch die Kugel erwärmte. Und durch ihr erwärmtes
Herz wärmte sich auch ihr ganzer Körper auf
und sie fror auf einmal nicht mehr. Ihre Gedanken
wurden klar und die Vergangenheit schmerzte nicht
mehr. Sie freute sich über den jetzigen Moment und
hatte auf einmal auch keine Angst mehr, was die Zukunft
bringen würde.
An der Stelle, auf der die Frau lag, begann der Boden
nach und nach zu schmelzen und zu dampfen. Die
leuchtende Kugel wich der Frau nicht von der Seite.
Sie stand auf und sah auf ihre Füße, die geheilt waren
und nicht mehr froren. Vorsichtig berührte sie mit
ihren Händen die leuchtende Kugel und im nächsten
Moment stand ihr Mann und ihre Kinder vor ihr. Der
Mann gab seiner Frau einen Kuss auf ihren Mund und
sprach: „Sei nicht traurig. Du warst immer für uns da.
Und wenn Du uns nicht vergisst, werden wir in immer
in Deinem Herzen weiterleben und für Dich da sein.
Lebe und liebe nach Deinem Herzen wie Du es immer
getan hast und Du wirst weiterleben.“ Dann umarmte
der Mann und die Kinder zusammen die Frau und
verschwanden. Sie sah sich um und der Wagen mit
ihrem Hab und Gut waren weg.
An ihren Füßen hatte sie auf einmal warme Schuhe
an und an ihrem Körper trug sie nun einen wärmenden
Mantel. Die leuchtende Kugel war immer noch
da. Die Frau sprach zu ihr: „führe mich dahin, wo
mich die Menschen brauchen“, und lief los.
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Die leuchtende Kugel schwebte voraus und wärmte
der Frau ihren Weg und befreite ihr den steinigen
Weg vom Schnee.
Entlang des Weges stellten sich Räuber ihr quer und
wollten sie töten, um die leuchtende Kugel zu stehlen.
Doch die Frau hatte keine Angst vor ihnen. Sie rannte
auf die nun überraschten Räuber zu, entwaffnete sie
und streckte die Kerle zu Boden. Dabei berührte sie
die Herzen der Räuber und ließ ihnen die Schmerzen
spüren, die sie anderen Menschen zugefügt hatten.
Die Räuber schämten sich, für das was sie getan hatten,
baten um Vergebung und folgten der Frau, um
mit ihr anderen Menschen zu helfen.
Auf ihrem Weg lotste die leuchtende Kugel die Frau
und die Männer abseits des Weges zu einem fast
verhungerten Mädchen. Dir Frau legte ihre warmen
Hände in ihr Gesicht und das Mädchen wachte auf.
„Keine Angst Mädchen. Ich bin für Dich da.“ Einer der
Männer hatte mit Hilfe der leuchtenden Kugel Feuer
gemacht und eine Schale Eis geschmolzen. Als das
Mädchen dann das warme Wasser aus der Schale
trank, spürte sie die kribbelnde Wärme in ihrem ganzer
Körper. Dabei sah sie der Frau in die Augen, lächelte
und sagte zu allen: „Danke“. Dann nahm einer
der Männer das Mädchen auf seinen Rücken und die
Frau und die Männer gingen weiter den Weg entlang.
In weiter Ferne war eine verirrte Familie mit einer
Kutsche unterwegs. Sie hatten es auch geschafft, aus
dem verbrannten Dorf zu fliehen. Die Frau bat die
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leuchtende Kugel, die Kutsche zu ihr und den Männern
zu lotsen.
Der Vater der Familie entdeckte das Licht und lenkte
seine Kutsche dorthin. Als der Vater bei der Frau und
den Männern ankam, wollte er sofort umkehren, weil
er dachte sie wollten ihn überfallen. Doch die Frau
rief: „Hab keine Furcht. Wir sind unterwegs zum
nächsten Dorf und gehen dem steinigen Weg entlang,
um Menschen, die von diesem Weg abgekommen
sind, zu helfen und ins nächste Dorf mitzunehmen.“
Der Vater überlegte kurz, stieg dann von der Kutsche
und half der Frau und dem Mädchen auf die Kutsche.
Auch er staunte über diese leuchtende Kugel und berührte
sie respektvoll mit seiner rechten Hand. Im
nächsten Moment bekamen seine Pferde einen Lichtstrahl
und sie hatten auf einmal viel Kraft in ihren Venen.
Nun waren die Frau mit den Männern und die Familie
schon zu zehnt. Und als das Gefolge der Frau auf ihrem
steinigen Weg immer mehr Menschen zum Leben
verhalfen, wurden sie nach und nach eine Gemeinschaft.
Sie schafften es alle ins nächste Dorf und
ließen sich dort nieder. Die leuchtende Kugel verschwand
als sie nicht mehr gebraucht wurde.
Das Mädchen wurde von einer Familie aufgenommen
und der Vater der Familie kümmerte sich um die Tiere
des Dorfes, da er eine besondere Gabe hatte, mit Tieren
umzugehen. Und die Frau lebte nach ihrem Herzen
und half den Menschen, die sie brauchten. Das
Dorf feierte von nun an zur Kältezeit das Fest der
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Sternschnuppen und ließ alle daran erinnern, wie die
Menschen auf dem steinigen Weg in Not waren und
durch einander Helfen es gemeinsam geschafft hatten,
zu überleben.
 



 
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