Die richtige Ansprache

5,00 Stern(e) 1 Stimme

TaugeniX

Mitglied
Peter, der Ofenbauer, kam in äußerster Aufregung nach Hause. „Um Gottes Willen, Marja, du kannst dir nicht vorstellen, was da abläuft! Es ist so abscheulich, so unerträglich widerlich, Mensch!“ Er saß dann verkrampft, wie versteinert am gedeckten Tisch und rührte das Essen nicht an. Erst am späten Abend begann er zu reden.

„Da werden Frauen wie Tiere gehalten, - gefüttert wie Tiere, geschlagen wie Tiere… Nein, ärger noch, ich würde keinen Hund so halten. Ihre Gesichter müsstest du sehen, Marja, so abgestumpft, so gleichgültig und doch so ergeben. Man sieht ihnen weder Zorn noch Angst an, wenn sie Schläge kriegen, - nicht mal die Hände halten sie sich vors Gesicht, nicht mal wegdrehen trauen sie sich. Es ist so schrecklich, Marja, nein, da werde ich nicht mehr hingehen…“

Marja war empört und angewidert, sie kriegte sogar Tränen in die Augen, als Peter erzählte, wie eine arme Delinquentin, der das Abendbrot zur Strafe gestrichen wurde, dem Gemeinschaftstisch nicht fernbleiben durfte, sondern an ihrem Platz vor dem leeren Teller saß. Es kam nicht in Frage, dass Peter da weiterarbeitet. Man würde ja dieses bestialische System unterstützen, auch wenn man nur als Handwerker mitmacht…

Der Tageslohn, den Peter vom Kommandanten erhielt, reichte leicht für zwei Wochen. Soviel Geld bekam er für seine Arbeit noch nie. Beim Frühstück fiel Peter ein, dass er sein Werkzeug im Lager liegen lassen hat und außerdem noch ordentlich kündigen soll. Also ging er noch einmal hin. Marja erwartete ihn zum Mittagessen, doch er kam erst als es dunkel wurde.

„Ich konnte es unmöglich so stehen lassen, Marja! Allein können diese Frauen den Ofen nie fertigbauen. Bald wird es schneien. Was sollen die Armen tun ohne meine Hilfe? – Sie erfrieren doch in der unbeheizten Baracke!“

„Ich weiß es nicht, Peter… Du lässt Dich also von diesem irren Sadisten anstellen. Mein Gewissen ist nicht ruhig, wenn wir von seinem Geld leben.“

„Was ist den Armen geholfen, wenn ich mich verweigere? Was ist ihnen damit geholfen, Marja? Sie werden auch noch frieren müssen zu all dem bitteren Leid, das sie schon ertragen.“

Die Eheleute einigten sich darauf, dass es doch besser sei zu helfen, als Leute erfrieren zu lassen, bloß wegen eigener „sauberen Hände“. Aus dem Tageslohn wurde ein Werkvertrag und Peters Familie genoss den ungewohnten Wohlstand. Es wurde gar über Ausbau des Hauses nachgedacht.

Peter erzählte kaum mehr Schlimmes über das Leben im Lager. Irgendwie hatte dort alles seine Ordnung und Gewohnheit. Es war wohl schon immer so und hatte damit auch eine Berechtigung. „Du musst bedenken, Marja, dass alle diese Mädchen schwere Verbrechen begangen haben. Durch die Züchtigungen und schwere Arbeit erfahren sie so was wie Läuterung ihres Gewissens. Du wirst es nicht glauben, aber viele von ihnen sind durchaus willig: wenn sie um die Bestrafung bitten müssen, klingt es so natürlich, als käme es direkt aus ihren Herzen. Besonders mit den Jüngeren pflegt Herr Kommandant ein zärtliches Verhältnis. Wenn so ein Mädchen nach der Auspeitschung aufgelöst ist und stark weint, stützt er sie selbsthändig auf und nimmt sie auf sein Zimmer mit. Es muss doch sehr erhebend sein für diese verkommenen Weiber, wenn sie so ein hoher Herr mit seiner Zuwendung beschenkt.“

„Peter, verstehst du überhaupt, was Du da sagst?“ Dieser Sadist zwingt die armen Frauen um eigene Verprügelung zu bitten, - was für ein widerlicher Hohn! Dann schlägt er sie zusammen bis sie nicht selber stehen können und als „Trost“ vergewaltigt er sie noch danach.“

„Du bist es, die es nicht versteht! Vielleicht, weil Du es nicht gesehen hast. Es ist keine Gewalt, sondern eine Art natürliche Autorität, die Herr Kommandant ausstrahlt. Ich sage dir doch, diese Frauen sind willig. Sie spüren, dass sie eine harte Hand brauchen um nicht endgültig abzurutschen. Viele von ihnen haben vorhin überhaupt keine elterliche Zuwendung bekommen, - keine Grenzen gesetzt und keinen Platz gezeigt, wo sie hingehören. Herr Kommandant muss oft zwanzig Jahre versäumte Erziehung aufholen, da kann man halt nicht immer mit Samthandschuhen zulangen. Und wegen der Vergewaltigung brauchst du dir keine Sorgen machen: diese Flittchen sind sicher gewohnt, ihren Körper an jeden herzugeben, der ihn benutzen will. Da werden sie hoffentlich Gott dafür danken, endlich in richtige Hände zu gekommen zu sein.“

Eines Tages brachte Peter eine Frau aus dem Lager mit. Sie wurde ihm zum Ausräumen des Dachbodens geliehen. Die Frau schwieg, aß wenig, scheute sich am Herrschaftstisch zu sitzen und ging sobald sie durfte schlafen. Am nächsten Morgen machte sie die Arbeit. Als sie sich hinsetzte und wieder einzuschlafen schien, nahm Peter einen Stock und schlug ihr fest über den Rücken. Die Frau sprang auf und schleppte weiter am Sperrmüll herum.

„Peter, du, Irrer! Was hast du getan?“ Schrie Marja. „Bist du von allen guten Geistern verlassen? Wie kannst du eine Frau schlagen? Weißt du, wie du ausgesehen hast? Wie eine Bestie, Peter! So was soll`s nicht geben in unserem Haus!“

„Weißt du, Marja“, erklärte Peter ganz ruhig, „es gibt einfach Kreaturen, die keine andere Ansprache verstehen. Diese da gehört offensichtlich dazu.“

Marja wollte nicht zuhören. Sie schrie Peter an und trommelte mit Fäusten gegen seine Brust. Nein, sie wollte keine Hilfsarbeiterin aus diesem Lager und auch keinen Werkvertrag dort und kein Geld und gar nichts und gar nichts, was mit dieser verdammten Hölle zu tun hat.

Peter machte einen Schritt zurück und hielt Marja fest an den Schultern. „Es gibt Kreaturen, Marja, die keine andere Ansprache verstehen“, wiederholter er, „man erreicht sie eben nur mit dem Stock. Ich hoffe aber, dass DU eine andere Ansprache verstehst. Es wäre gut für dich.“ Marja sah ihm ins Gesicht und verstand ihn. Ja, sie verstand und wurde plötzlich ganz ruhig. Fast so ruhig wie die geliehene Arbeiterin, die gerade am Sperrmüll schleppte…
 

ThomasQu

Mitglied
Hi Darja,

Puh, schon wieder so eine düstere Szenerie, da war mir die “Handschuhwerfgeschichte“ lieber.
Sag mal, zweimal die Woche stellst du neue Texte ein. Schüttelst du die einfach so aus dem Ärmel, oder hast du noch einen ganzen Schrank voller Manuskripte?

Du schilderst in deinem Text, wie sich dein Prot. Peter an die Zustände in dem Lager gewöhnt, immer gleichgültiger wird und zusehends verroht.
Dass Menschen dazu in der Lage sind, dafür gibt es viele Beispiele.
Hier gefällt mir am allerbesten der Schluss, weil offen bleibt, ob Marja Peter nun verlässt, oder nicht. Dadurch kann auch der Leser mit der Thematik nicht leicht abschließen.

Prima Geschichte,

Thomas
 

TaugeniX

Mitglied
Zum Teil überarbeite ich altes Zeug, aber eigentlich bin ich gerade in einer "zwangscreativen" Phase: ich habe mir von eigener Station eine schwere Pneumonie geholt und bin nun seit 3 Wochen im Krankenstand.

Du hast ja gesehen, welchen bitteren Streit die harmlose "Handschuhwerfgeschichte" ausgelöst hat. :( Da hab ich mir geschworen, die Hände von weiteren Humorversuchen zu lassen.
 

ThomasQu

Mitglied
Das hat doch mit den “Humorversuchen“ nichts zu tun. (-:
Da ziehst du ganz falsche Schlüsse. Man kann doch alles unterschiedlich interpretieren, ob Humor oder nicht. Ich glaube sogar, dass du für Humor ein Talent hast.
Th.
 
G

Gelöschtes Mitglied 17359

Gast
Guten Tag, TaugeniX!

Vorab: Lass dich nur nicht von den "Streithähnen" hier im Forum davon abhalten, solch humorvollen Geschichten wie die von den OP-Handschuhen zu schreiben. Es ist bedauerlich, dasss manche threads hemmungslos missbraucht werden, um irgendwelche persönlichen Rivalitäten auszufechten.

Ich bin von deinen Texten, die du in schneller Reihenfolge hier eingestellt hast, sehr beeindruckt. Nicht nur, dass du oft sehr anspruchsvolle Themen wählst, sondern du verstehst es auch, sie in eine angemessene literarische Form zu kleiden.
Chapeau!

In dieser bitteren Geschichte vom Lagerleben (so stelle ich mir die Nazi-KZs vor) lässt du uns miterleben, wie aus einem anfangs mitfühlenden Menschen, der sich von der Roheit und der Ungerechtigkeit gegenüber den Häftlingen abgestoßen fühlt, nach und nach ein immer kälterer und zum Schluss sogar ebenfalls gewälttätiger Mensch wird. Und wie diese Veränderung nicht zuletzt durch den eigenen Vorteil motiviert wird.

Wir sollten uns fragen: Sind wir Menschen so? Warum sind (oder werden) wir so? Deine Geschichte, so sachlich und distanziert sie auch geschrieben ist (oder vielleicht gerade deswegen?) wirft Fragen auf und gibt keine Antworten.

Wieder ist dir hier ein tolles Stück Prosa gelungen.

Gruß, Hyazinthe
 

TaugeniX

Mitglied
Danke für ermunternde Worte, liebe Kollegin!

Ich überlege, ob es richtig war, das Lager von Frauen bewohnen zu lassen. Dieser Umstand gibt der Geschichte eine zusätzliche Note, die vielleicht falsch ist.

Eigentlich waren es in der Erstversion keine Frauen bis es mich irgendwie verkantet hat, den Text diesbezüglich zu überarbeiten.

Hmmm...
 

ThomasQu

Mitglied
Finde ich sogar besser, als wenn es ein reines Männerlager, oder ein Gemischtes wäre. Dann gibt es am Schluss auch mehr Sinn, wie er mit seiner eigenen Frau beginnt, umzugehen. Genau so, wie er es im Lager gelernt hat.
Th.
 
G

Gelöschtes Mitglied 16391

Gast
Liebe Taugenix,

die Idee deines Textes (wie deiner Texte generell) gefällt mir sehr gut. Wie jemand die Wandlung vom Paulus zum Saulus vollzieht ist wahrlich spannender als die biblische Version. Allerdings gefällt mir der Text auch nur als Idee. In der Ausführung finde ich ihn, ehrlich gesagt, zu schwach, weil die Wandlung zu schnell und dadurch etwas plump daher kommt. Meines Erachtens 'gelingt' der Übergang von Gut zu Böse nur in kleinen, kaum merklichen Schritten, hier kommt er in einem großen Satz daher.

Für das Thema erwarte ich einen Text von der Länge einer meiner Erzählungen.

Liebe Grüße,

CPMan
 
Heute nur ein paar Korrekturvorschläge:

Absatz 3, Zeile 1: statt "kriegte" lieber "bekam"

Absatz 4, Zeile 3: statt "liegen lassen hat" besser "hat liegen lassen"

Absatz 4, Zeile 5: kam erst, als es dunkel wurde (Komma, bitte)

Absatz 6, Zeile 1: für "Dich" ein "dich"

Absatz 9, Zeile 10: "stützt er sie selbsthändig auf" ist dem deutschen Sprachgebrauch so fremd, dass mir sogar die Bedeutung unklar ist ... Ist gemeint: richtet er sie wieder auf?

Absatz 10, Zeile 3: statt "schlägt er sie zusammen bis sie nicht selber stehen können" besser "schlägt er sie zusammen, bis sie nicht mehr allein stehen können"

Absatz 11, Zeile 1: statt "Du" ein "du". Dann ist hinter "sagst" ein Anführungszeichen zu viel - und selben Absatz, Zeile 4 müsste es so aussehen: 'Trost', da innerhalb einer direkten Rede.

Absatz 12, Zeile 1: bitte wieder "du"

Absatz 12, Zeile 2/3: "Herr Kommandant" so im Deutschen unüblich. Der Mann würde sagen: "der Kommandant" oder "unser Kommandant"

Absatz 12, Zeile 4: brauchen, um (Komma)

Absatz 12, Zeile 5: statt "vorhin" bitte "bis dahin"

Absatz 12, Zeile 9: bitte "Sorgen zu machen"

Absatz 12, letzte Zeile: das erste "zu" ist zu viel

Absatz 13, Zeile 3: "scheute sich, am Herrschaftstisch" (Komma) + "ging, sobald sie durfte, schlafen" (Kommas)

Absatz 13, letzte Zeile: "trug weiter Sperrmüll hinaus" würde man wohl bei uns sagen

Absatz 14, Zeile 1: "Peter, du Irrer" (ein Komma zu viel) + "schrie" (kleines S)

Letzter Absatz, Zeile 2: "wiederholte" (ein R zu viel)

Letzter Absatz, letzte Zeile: "Sperrmüll schleppte" ("am" entbehrlich)


Zur inhaltlichen Debatte kann ich leider gar nichts beitragen, da ich mich hier in dreifacher Hinsicht für inkompetent halte.

Arno Abendschön
 

TaugeniX

Mitglied
Peter, der Ofenbauer, kam in äußerster Aufregung nach Hause. „Um Gottes Willen, Marja, du kannst dir nicht vorstellen, was da abläuft! Es ist so abscheulich, so unerträglich widerlich, Mensch!“ Er saß dann verkrampft, wie versteinert am gedeckten Tisch und rührte das Essen nicht an. Erst am späten Abend begann er zu reden.

„Da werden Frauen wie Tiere gehalten, - gefüttert wie Tiere, geschlagen wie Tiere… Nein, ärger noch, ich würde keinen Hund so halten. Ihre Gesichter müsstest du sehen, Marja, so abgestumpft, so gleichgültig und doch so ergeben. Man sieht ihnen weder Zorn noch Angst an, wenn sie Schläge kriegen, - nicht mal die Hände halten sie sich vors Gesicht, nicht mal wegdrehen trauen sie sich. Es ist so schrecklich, Marja, nein, da werde ich nicht mehr hingehen…“

Marja war empört und angewidert, sie bekam sogar Tränen in die Augen, als Peter erzählte, wie eine arme Delinquentin, der das Abendbrot zur Strafe gestrichen wurde, dem Gemeinschaftstisch nicht fernbleiben durfte, sondern an ihrem Platz vor dem leeren Teller saß. Es kam nicht in Frage, dass Peter da weiterarbeitet. Man würde ja dieses bestialische System unterstützen, auch wenn man nur als Handwerker mitmacht…

Der Tageslohn, den Peter vom Kommandanten erhielt, reichte leicht für zwei Wochen. Soviel Geld bekam er für seine Arbeit noch nie. Beim Frühstück fiel Peter ein, dass er sein Werkzeug im Lager hat liegen lassen und außerdem noch ordentlich kündigen soll. Also ging er noch einmal hin. Marja erwartete ihn zum Mittagessen, doch er kam erst, als es dunkel wurde.

„Ich konnte es unmöglich so stehen lassen, Marja! Allein können diese Frauen den Ofen nie fertigbauen. Bald wird es schneien. Was sollen die Armen tun ohne meine Hilfe? – Sie erfrieren doch in der unbeheizten Baracke!“

„Ich weiß es nicht, Peter… Du lässt dich also von diesem irren Sadisten anstellen. Mein Gewissen ist nicht ruhig, wenn wir von seinem Geld leben.“

„Was ist den Armen geholfen, wenn ich mich verweigere? Was ist ihnen damit geholfen, Marja? Sie werden auch noch frieren müssen zu all dem bitteren Leid, das sie schon ertragen.“

Die Eheleute einigten sich darauf, dass es doch besser sei zu helfen, als Leute erfrieren zu lassen, bloß wegen eigener „sauberen Hände“. Aus dem Tageslohn wurde ein Werkvertrag und Peters Familie genoss den ungewohnten Wohlstand. Es wurde gar über Ausbau des Hauses nachgedacht.

Peter erzählte kaum mehr Schlimmes über das Leben im Lager. Irgendwie hatte dort alles seine Ordnung und Gewohnheit. Es war wohl schon immer so und hatte damit auch eine Berechtigung. „Du musst bedenken, Marja, dass alle diese Mädchen schwere Verbrechen begangen haben. Durch die Züchtigungen und schwere Arbeit erfahren sie so was wie Läuterung ihres Gewissens. Du wirst es nicht glauben, aber viele von ihnen sind durchaus willig: wenn sie um die Bestrafung bitten müssen, klingt es so natürlich, als käme es direkt aus ihren Herzen. Besonders mit den Jüngeren pflegt Herr Kommandant ein zärtliches Verhältnis. Wenn so ein Mädchen nach der Auspeitschung aufgelöst ist und stark weint, hilft er ihnen selbsthändig auf die Beine und nimmt sie auf sein Zimmer mit. Es muss doch sehr erhebend sein für diese verkommenen Weiber, wenn sie so ein hoher Herr mit seiner Zuwendung beschenkt.“

„Peter, verstehst du überhaupt, was du da sagst?“ Dieser Sadist zwingt die armen Frauen um eigene Verprügelung zu bitten, - was für ein widerlicher Hohn! Dann schlägt er sie zusammen, bis sie nicht mehr allein stehen können und als `Trost` vergewaltigt er sie noch danach.“

„Du bist es, die es nicht versteht! Vielleicht, weil du es nicht gesehen hast. Es ist keine Gewalt, sondern eine Art natürliche Autorität, die unser Kommandant ausstrahlt. Ich sage dir doch, diese Frauen sind willig. Sie spüren, dass sie eine harte Hand brauchen, um nicht endgültig abzurutschen. Viele von ihnen haben bis dahin überhaupt keine elterliche Zuwendung bekommen, - keine Grenzen gesetzt und keinen Platz gezeigt, wo sie hingehören. Herr Kommandant muss oft zwanzig Jahre versäumte Erziehung aufholen, da kann man halt nicht immer mit Samthandschuhen zulangen. Und wegen der Vergewaltigung brauchst du dir keine Sorgen zu machen: diese Flittchen sind sicher gewohnt, ihren Körper an jeden herzugeben, der ihn benutzen will. Da werden sie hoffentlich Gott dafür danken, endlich in richtige Hände gekommen zu sein.“

Eines Tages brachte Peter eine Frau aus dem Lager mit. Sie wurde ihm zum Ausräumen des Dachbodens geliehen. Die Frau schwieg, aß wenig, scheute sich, am Herrschaftstisch zu sitzen und ging, sobald sie durfte, schlafen. Am nächsten Morgen machte sie die Arbeit. Als sie sich hinsetzte und wieder einzuschlafen schien, nahm Peter einen Stock und schlug ihr fest über den Rücken. Die Frau sprang auf und setzte ihre Arbeit fort.

„Peter, du Irrer! Was hast du getan?“ schrie Marja. „Bist du von allen guten Geistern verlassen? Wie kannst du eine Frau schlagen? Weißt du, wie du ausgesehen hast? Wie eine Bestie, Peter! So was soll`s nicht geben in unserem Haus!“

„Weißt du, Marja“, erklärte Peter ganz ruhig, „es gibt einfach Kreaturen, die keine andere Ansprache verstehen. Diese da gehört offensichtlich dazu.“

Marja wollte nicht zuhören. Sie schrie Peter an und trommelte mit Fäusten gegen seine Brust. Nein, sie wollte keine Hilfsarbeiterin aus diesem Lager und auch keinen Werkvertrag dort und kein Geld und gar nichts und gar nichts, was mit dieser verdammten Hölle zu tun hat.

Peter machte einen Schritt zurück und hielt Marja fest an den Schultern. „Es gibt Kreaturen, Marja, die keine andere Ansprache verstehen“, wiederholte er, „man erreicht sie eben nur mit dem Stock. Ich hoffe aber, dass DU eine andere Ansprache verstehst. Es wäre gut für dich.“ Marja sah ihm ins Gesicht und verstand ihn. Ja, sie verstand und wurde plötzlich ganz ruhig. Fast so ruhig wie die geliehene Arbeiterin, die gerade Sperrmüll schleppte…
 

TaugeniX

Mitglied
Lieber Arno!

Du hast Dir so viel Mühe gegeben mit meinem Text! Vielen vielen Dank! Ich habe alle Korrekturen übernommen und muss mich eigentlich schämen, so einen "rohen" Text eingestellt zu haben.

Was Du mit "in dreifacher Hinsicht inkompetent" meinst, verstehe ich nicht ganz. Meinst Du damit: keine Erfahrung im russischen Arbeitslager und keine Erfahrung mit Sadisten in Leitungsposition? Und was ist das Dritte? Oder habe ich auch die ersten Zwei falsch gedeutet?

Lieben Gruss
Darja
 
Liebe Darja,

war mir, pedantisch wie ich bin, doch ein Vergnügen ... Den muttersprachlichen Hintergrund der kleinen Schnitzer kenne ich ja. Warum einen sonst respektablen Text nicht ein wenig nachzupolieren helfen?

Die drei Gründe? Ähem ... Also, dann raus mit der Sprache: Habe nicht einmal im Ansatz ausreichend Kenntnis von Arbeitslagern. Stehe trotz mancher Kenntnisse dem SM-Komplex innerlich fremd gegenüber. Und bin auch nicht heterosexuell. Bei der geballten Kombination dieser Themen im Text hier sollte gerade ich besser keinen Senf dazugeben.

Schönen Gruß
Arno
 

TaugeniX

Mitglied
Hmmm... Ich glaube, ich weiß, was an diesem Text falsch ist: ich habe die Vergewaltigung als Geschmacksverstärker für das Ekel und Elend des Lagerlebens in den Text aufgenommen. Das ist schriftstellerisch eine Todsünde: man soll ohne Geschmacksverstärker kochen.

Und das habe ich davon: diese völlig entbehrliche Zutat erzeugt einen "sexuellen" Beigeschmack, den ich bei Gott nicht haben wollte, und macht aus menschenverachtender Gewalt und Gehirnwäsche ein Stück "Sado-Masochismus".

Glaubst Du, Arno, es nutzt dem Text, wenn ich diese Passage komplett rausnehme und das Lager vielleicht von Männern bewohnen lasse?
 
Darja, soweit ich es überhaupt beurteilen kann: Nimm es nicht raus. Es macht die Story runder. Und: Änderung der Belegschaft würde wenig ändern am Problem. Sex gehört auch in Zwangslagern zum Leben und vermutlich neigt er dann dazu, Zwangscharakter anzunehmen.

Vielleicht können andere dich bezüglich der Details besser beraten.

Arno Abendschön
 



 
Oben Unten