Die schönsten Geschichten schreibt das Leben (Auszug, Teil2)

SickGirl

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Die schönsten Geschichten schreibt das Leben (Auszug, Teil 2)
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Es gibt Zeiten in meinem Leben, wie sie kaum schlimmer sein können – für mich und für andere. Ich durchlaufe ab und an Phasen, in denen ich meine ganzen negativen Energien auf mich projiziere und mich damit selbst Stück für Stück kaputt mache. In derartigen Phasen hasse ich mich, mich und mein Aussehen und meine Leistungen. Ich wache dann schon mit mieser Laune auf, dann weiß ich nicht, was ich anziehen soll, da ich plötzlich der Meinung bin keine schönen Klamotten zu besitzen und das, was ich dann anziehen will, sieht in meinen Augen auf einmal schrecklich unpassend aus. Ich fühle mich in allem wie ein Pfannkuchen auf Beinen. Danach erfolgt der Blick in den Spiegel. Das führt zu einer weiteren Anstauung negativer Gefühle, denn noch nie habe ich ein so verkommenes Gesicht und derartig hässliche Haare erblickt.
So oder so ähnlich beginnt ein jeder Tag, an dem ich diese lästige Phase meines Daseins verlebe. Bisher konnte ich noch nicht feststellen, woran das liegt und warum das öfters auftritt und plötzlich wieder verschwindet. Vielleicht ist dieses ja auch nur eine Erscheinung, die bei Mädchen in meinem Alter auftritt. Wahrscheinlich befinde ich mich auf dem Weg dahin erwachsen zu werden oder so.

Auch das Nervenkostüm eines jungen Menschen kann schon früh angeschlagen sein. Ich merke das an mir. Ja, ich bin am Ende. Na ja, fast. Ich glaube, heute hatte ich eine Art leichteren Nervenzusammenbruch. Verursacht durch Familienmitglieder und diverse andere unglückliche Umstände. Ich musste feststellen, dass eine weibliche Person, die schon ein paar Tage wenig Schlaf hatte, im Alter von 18 Jahren es nicht aushält, wenn ihre Mutter ständig die Verbindung zum Internet kappt, sich über alles aufregt und sich beschwert und dann noch ihrer Tochter vorschlägt arbeiten zu gehen. Auch macht sich das besonders gut, wenn das weibliche Wesen noch erkältet ist und ihr PC ständig rumspinnt. Diese ganzen Umstände und Zufälle führen zum Scheitern der normalen Gedankengänge und zum kurzzeitigen Ausfall des Denkprozesses.
Im Nachhinein kann ich sagen, dass ich mich mehr unter Kontrolle haben sollte. Ich bin wohl etwas zu empfindlich. Ich weiß nicht, ob jeder andere auch bei so vielen unglücklichen Umständen angefangen hätte zu weinen oder ob nur mir derartiges passiert. Wenn letzteres zutrifft, sollte ich wohl mal darüber nachdenken, ob mein Lebenswandel in Ordnung ist und ob ich was daran ändern müsste.

Ich habe das Gefühl, ich bin unfähig meine Gedanken und Gefühle in korrekten Worten zu kleiden. Diese Unfähigkeit wird mir immer bewusst, wenn ich Briefe oder Mails verfasse. Ich habe den Wunsch meine innersten Gefühle äußern zu wollen, aber irgendwie gelingt es mir nicht wirklich. Ich habe schon immer das Gefühl beherbergt mich nicht artikulieren zu können. Bewusst wurde ich mir dessen in der 7. Klasse etwa, als wir ein Gedicht verfassen sollten. Ein Gedicht enthält oftmals in Worte gekleidete Empfindungen und Gefühlsregungen, meiner Auffassung nach. Schon da bemerkte ich, dass ich meine Gefühle nicht äußern kann. Nicht aus Scham, nein. Es ist etwas anderes. Aber was? Ich kann es nicht sagen. Es ist wie eine Sperre, welche im Inneren existiert. Es scheint als blockiere diese, dass meine Gefühle in Worte gefasst werden können.
Auch ist diese Unfähigkeit schlecht, da andere Menschen nichts davon wissen. Nur selten erleben andere, dass ich meine Gefühle in Worte kleide und ihnen preisgebe. Daher vermuten viele, dass ich ein kalter Mensch bin oder dass ich einfach keine Empfindungen zu bestimmten Dingen habe, dass ich eben einfach keine Liebe empfinde zu einer besonderen Person. Diese andere Person weiß natürlich nicht, dass ich sie liebe. Wie denn auch, wenn ich es ihr nicht sage? Vielleicht habe ich auch schon oft Menschen dadurch verletzt, dass ich ihnen nicht sagen konnte, was ich fühle. Das tut mir weh, weil ich nicht beabsichtige andere zu verletzen, schon gar nicht, wenn ich sie liebe.

Manchmal sehe ich Menschen. Eigentlich sehr oft. Immer, immer wenn ich mich außerhalb des Hauses bewege. Ich schaue fast jeden Menschen an, soweit ich es schaffe alle Menschen genau betrachten zu können, denn oft sind es zu viele oder sie bewegen sich zu weit entfernt voneinander. Der Grund, warum ich Menschen anschaue, die einen intensiver, die anderen flüchtig, liegt darin, herauszufinden, ob ich denjenigen oder diejenige kenne. Oft, so habe ich festgestellt, ist das jedoch nicht der Fall. Dieses erachte ich als nicht weiter schlimm, denn so bin ich nicht gezwungen die Person zu grüßen oder dergleichen. Genau aus dem Grunde heraus, dass ich versuche alle Menschen anzuschauen, um zu prüfen ob ich sie nun kenne oder nicht, entstehen oft Verwechslungen. Das heißt, manchmal denke ich für einen kurzen Augenblick „das ist doch ….“. Und plötzlich schaue ich genauer hin und bemerke, dass dem nicht so ist.
Oft sehe ich alte Menschen und als erstes kommt mir, schon wenn ich diese von weitem sehe, in den Sinn: Ist das nicht Oma oder Opa? Das könnten sie sein…
Aber wenn ich dann näher herankomme oder vorbeifahre, sehe ich dass es Oma nicht sein kann, weil erstens keine oder nur kaum Ähnlichkeit besteht und zweitens, weil Oma längst tot ist. In diesem Moment wird mir wieder das Verschwinden einer wichtigen Person in meinem Leben bewusst und ich merke, dass ich diese sehr vermisse. So etwas passiert mir ständig. Ich meine, es ist egal, wenn ich alte Männer sehe und ich denke, es ist Opa, aber dann ist er es doch nicht. Wenn mir aber dasselbe mit alten Damen passiert, sieht die Sache anders aus. Dann steigt eine tiefe plötzlich auftauchende Trauer auf, sobald ich vergegenwärtigt habe, dass es Oma nicht ist – nicht sein kann!
Ich glaube, so wird es mir immer gehen. Das liegt vermutlich an der Tatsache, dass ich für meine Person noch nicht angenommen habe, dass sie tot ist, dass ich sie nie wieder erblicken werde – zumindest nicht in dem Zustand, wie ich sie lieben gelernt habe.
Besuche ich meines Opas Haus, dann kommt mir oft nach einer Weile wieder ins Bewusstsein, dass ich meine Oma hier nicht antreffen werde und dabei steigt abermals Trauer in mir auf. Wenn ich in der Küche meines Opas stehe oder irgendwo sonst im Haus, dann denke ich für eine kurze Zeit, dass jeden Moment meine Oma den jeweiligen Raum, in welchem ich mich befinde, betreten könnte – so wie sie es früher immer tat. Aber ich warte wohl umsonst. Sie wird niemals mehr eines der Zimmer betreten, nie wieder.

Wenn alle bisherigen Tage so gewesen wären, wie der heutige, wäre ich keine 18 Jahre alt geworden. Mir ist an heute zwar nichts wirklich schlimmes widerfahren oder etwas überaus schreckliches und unvorhersehbares hat sich ereignet, dennoch geht es mir sehr schlecht.
Wenn ich das so sagen kann, dann ist der heutige Tag sinnlos gewesen. Am Vormittag war ich in der Schule, wobei mir das nichts brachte, da wir momentan Projekttage haben, das heißt wir setzen uns mit einem, von uns gewähltem Thema, eine Woche auseinander und basteln dazu Wandzeitungen oder ähnliches. Ich habe im Laufe des Tages eingesehen, dass ich mich wohl für das falsche Projekt entschieden habe. Mein Thema ist „Rassismus im Internet“. An sich klingt diese Thematik schon interessant, aber das war’s dann auch. Wir saßen den ganzen Tag – na okay von 9 bis 12 Uhr – , nachdem wir uns von einem Student etwas zum Thema haben erzählen lassen, vor den Schulcomputern und dort sollten wir Internetseiten mit rechtsextremen Inhalt suchen.
Als wir dann endlich Schulschluss hatten, durfte ich noch eineinhalb Stunden mit meinem Fahrlehrer herumfahren… Das verlief eigentlich verhältnismäßig gut.
Bis zum Zeitpunkt des Betretens des elterlichen Hauses war alles in Ordnung, doch dann begann die Langeweile. Ich hatte keine Idee, was ich machen könnte. Ich hatte auf nichts Lust. Auf rein gar nichts. Weder für Lesen, an meiner Homepage weiterarbeiten, schreiben oder schlafen konnte ich mich begeistern. Somit verbrachte ich einen Teil des Nachmittages damit vor meinem PC zu sitzen und einfach in die Gegend zu starren. Irgendwann hatte ich dann davon die Nase voll und bin ins Bett gegangen, in der Hoffnung durch Schlafen die Zeit rumzukriegen. Das hat auch einigermaßen geklappt – zumindest bis eben. Jetzt geht es mir wieder wie am Anfang des Nachmittags. Mir ist langweilig. Das ist ein sehr unbefriedigendes Gefühl und es macht krank, würde man es öfter verleben. Zum Glück ist dem aber nicht so…
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