Die übliche Straße

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Kekko

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Als ich zu mir kam, lag ich in einer dreckigen Pfütze, mit dem Gesicht auf der kalten Oberfläche der Straße. Mein langer Mantel war so durchnässt, dass ich daran dachte ihn auszuziehen; doch ich hatte noch nicht einmal die Kraft meine Arme zu heben, geschweige denn aufzustehen. Ich flüsterte mir zu «nur langsam», und wartete einen Moment, bis ich wieder das Blut in meinen Armen fließen spürte. Mit den Fäusten stütze ich mich ab, auf den Knien liegend sah ich die kalte, vernebelte Straße, die ich schon so oft entlang gelaufen bin. In der ferne hörte ich wie die abgenutzten Reifen der üblichen Autos, die hier vorbeifuhren, die kleinen Regentümpeln von den Straßen spritzten.
Auf den Beinen Stand ich nun; und ich fragte mich, warum ich diesen Weg gehen sollte. Schon über ein Jahr ist es her, und noch immer kann ich deswegen keinen klaren Gedanken mehr fassen. Ich sah den letzten Rest meiner Whiskyflasche von letzter Nacht und trank ihn, um mich auf andere Gedanken zu bringen. Die Sonne war noch nicht am Horizont zu sehen, doch es war hell genug, um nicht wieder auf die Nase zu fallen. Stolpernd ging ich wieder die Straße entlang, und als ich vor meiner Tür stand und den Schlüssel suchte, schüttelte ich den Kopf. Mit dem Verdacht ihn in der Wohnung vergessen zu haben schaute ich durchs Fenster und sah ihn auf dem Küchentisch liegen. Ich dachte nicht lange nach und brach das Fenster ein. Nicht müde, sondern erschöpft ging ich zu Bett und schlief, bis mich die Hitze der Sonne weckte, die morgens direkt in mein Schlafzimmer scheint. Ich stand auf und ging zum Kühlschrank, trank viele Schlücke kaltes Wasser, und warf zwei Eier in eine alte Blechpfanne.
15 Monate. 15 Monate ist es nun her. Ich habe nicht nur die Frau meines Lebens verloren, sondern all meine Freunde, die ich nie zu schätzen wusste. Ich sah aus dem Fenster und erinnerte mich daran, wie wir einmal im angenehmen Regen, sie in meinem Arm, zusammen die Straße entlang liefen, als würde uns nicht einmal die Natur und ihre mächtigsten Waffen etwas anhaben können. Schon wieder ertappte ich mich selbst wie ich an sie dachte und fragte mich, ob es mein ganzes Leben lang so sein werde.
Am Nachmittag des selben Tages ging ich in den Park, obwohl ich wusste, dass die vielen Erinnerungen, die dieser Ort mit sich trägt, mich plagen würden. Doch ich versuchte es zu ignorieren und schaffte es eine ganze Runde zu laufen. Ich bildete mir ein es überwunden zu haben, doch vermutlich waren es die Kopfschmerzen, die ich vom vielen Alkohol letzter Nacht nun spürte, die mich ablenkten.
Und da sah ich sie: mit den Rücken zu mir gedreht, auf einer Parkbank sitzend - ihr langes, rabenschwarzes Haar wehte durch den Wind; ich dachte daran ihre zarte Hand zu nehmen, mit der sie sich an der Parkbankkante leicht abstützte. Sie drehte sich um - ein völlig fremdes Gesicht, ein wenig blasser und viel hellere Augen. Ich griff in meine linke Brusttasche, nahm mir eine Zigarette aus einer Schachtel und zündete sie an. Nach drei Zügen schmiss ich sie in den Mülleimer, und die halb volle Schachtel gleich mit.
Ich machte mich wieder auf den Weg nachhause, warf dem einzigen Obdachlosen dieser Gegend etwas Kleingeld in den schlecht erhaltenen Hut und er rief «danke, Vince». Weiter vorne sah ich das neue Café an der Ecke, wo früher die Kneipe vom alten Joe war, der vor nicht allzu lange verstorben ist. Einmal fragte ich ihn wie das Geschäft liefe, und er antwortete: «Junge, zu alten Zeiten, als wir noch ärmer waren, kamen Gäste vorbei, müde von der Arbeit, um noch ein Gläschen zu trinken! Heutzutage kannst du es vergessen ehrliche Männer am Tresen zu treffen.»
Ich öffnete die schwere Glastür des Cafés, setzte mich auf einen Barhocker hin, und wartete auf die Bedienung. Als nach einer knappen halben Minute niemand kam, stand ich auf und stürmte aus dem Laden. Ich fragte mich selbst was mit mir los sei, hielt an und flüsterte mir zu «du musst dich ändern», drehte mich um und ging wieder ins Café. Die Kellnerin sah mich mit einem Blick an, als wüsste sie über den Konflikt in mir bescheid und sank den Kopf mit einem teuflischen Lächeln. Sie hatte knallrote Lippen, kurzes, blondes Haar und war an jeder Stelle ihres rechten Armes tätowiert. Ihre dunklen Augen und ihre schwarz lackierten Fingernägel machten ihr Anblick noch unerträglicher. All die Jahre war ich in den hässlichsten Orten dieser Welt unterwegs; und noch nie mussten meine Augen solch ein Anblick ertragen. Mir lief es kalt den Rücken runter und mit jeder Sekunde wurde es schlimmer. Ich schaffte es gerade noch so auf eine nächstgelegene Sitzbank und fiel beim hinsetzen mit den Ellbogen auf den Tisch. Sie machte eine Runde um den Tresen, lief mit ihren halb kaputten, schwarzen Stiefeln zu mir, uns goss mir heißen Kaffee in die Tasse, die sie zuvor vor mir hinstellte. Ich sah in eine andere Richtung und doch konnte ich spüren, wie sie mich mit ihren durchbohrenden Augen fixierte. Nach eine ungewöhnlich langen Pause fragte sie mit ihrer dunklen, verrauchten Stimme: «Kuchen?» - hinter ihrer Frage verbarg sich ein Lachen, mit der sie ihre Überlegenheit noch deutlicher ausdrückte. Ich schüttelte den Kopf und sie ging endlich. Aus dem Augenwinkel konnte ich beobachten wie sie sich eine Zigarette anzündete, und mit ihren spöttischen Blick die Gäste ansah, als würde sie jeden Moment wie ein Blutsauger über sie herfallen.
Ich trank meinen Kaffee, ließ das Geld auf dem Tisch, stand auf und ging zur Tür hinaus, in der ich ihr Spiegelbild betrachten konnte, der meinen Gang niederträchtig anblickte. Die Dämmerung war schon eingetroffen und ich machte mich auf den Weg nachhause. Am Straßenrand spielten einige Kinder mit einer zerdrückten Dose Fußball, andere würfelten um Geld. In meiner Wohnung angekommen legte ich ein Video in den Rekorder ein und setzte mich aufs kalte Leder der Couch, die ich am nackten, rechten Unterarm spürte. Ich erinnere mich nicht mehr welcher Film es war; denn ich musste ständig an die Kellnerin im Café denken. Ein paar Gläser Whisky später schlief ich schließlich ein. Polizeisirenen weckten mich gegen Mitternacht auf, durchs Fenster blickend fiel mir der Mond auf, der nicht allzu stark schien. Mein Telefon zeigte mir eine nicht abgehörte Nachricht auf dem Anrufbeantworter an. Es war die Nummer meines alten Bosses in großen, roten Ziffern.
Einmal kam er zu mir ins Büro und sagte: «Na, immer noch nicht mit dem alten Papierkram fertig?» - ich lächelte nur vor mich hin, denn er sagte es zwar mit einem Zwinkern, aber ich wusste, dass er es ernst meinte. Diese spezielle Art konnte ich am wenigsten an ihm leiden. Als er als neuer Chef eingestellt wurde, war das erste, dass ich zu ihm sagte, er solle mir doch bitte ernst und höflich mitteilen, wenn mit meiner Arbeit etwas nicht stimmen sollte.
Nachdem ich gekündigt hatte verstanden wir uns recht gut - wir unternahmen zwar nichts zusammen, aber ab und zu riefen wir uns gegenseitig an, um zu erfahren wie es dem anderen geht.
Früher um die Zeit wäre ich wohl beim alten Joe in der Kneipe um einen zu trinken. Ich schnappte mir die Schlüssel zu meinem Motorrad, zog mir den Mantel über und schloss die Tür hinter mir zu. Ich fuhr los, die Straße war nass, also war ich etwas langsamer unterwegs als sonst. Vor mir sah ich nichts als verzweifelte Gesichter und depressive Häuserblöcke - mein Feind, der nasskalte Wind.
 

Val Sidal

Mitglied
Kekko,

deine Idee könnte eine gute Geschichte werden, denn deine Bilder sind eingängig und gut gezeichnet. Voraussetzung wäre, dass die nicht wenigen Mängel behoben werden:

Die Zeitstruktur ist fragmentiert, inkohärent und fügt sich auch nach mehrmaligem Lesen nicht zu einer Erzählzeit zusammen:
Als ich zu mir kam, ...
Schon über ein Jahr ist es her, und noch immer kann ich ...
15 Monate. 15 Monate ist es nun her.
Am Nachmittag des selben Tages ...
wo früher die Kneipe vom alten Joe war ...
All die Jahre war ich in den hässlichsten Orten dieser Welt unterwegs ...
Einmal kam er zu mir ins Büro und ...
Nachdem ich gekündigt hatte ...
Früher um die Zeit wäre ich wohl
-- sowas funktioniert in einer Kurzgeschichte nicht.

Die Szenenauswahl scheint keiner dramaturgischen Logik zu folgen; die Zusammenstellung wirkt willkürlich, unausgewogen und ohne Ballance. Straßenszenen, Parkszene, Kellnerin, Büro, Zuhause -- sie führen nicht zum Nachempfinden des Dramas, zum Kennenlernen des Protagonisten.

Stilistisch angestreng wirken Sätze, wie:
15 Monate. 15 Monate ist es nun her. Ich habe nicht nur die Frau meines Lebens verloren, sondern all meine Freunde, die ich nie zu schätzen wusste.
oder
Auf den Beinen Stand ich nun; und ich fragte mich, warum ich diesen Weg gehen sollte.
Stell dir vor, der Protagonist, ist ein guter Bekannte von dir, und du würdest die Story aufschreiben, wie du sie deiner Oma erzählen würdest ...

Wenn meine Anmerkungen nicht hilfreich sind, dann -- Pardon.
 



 
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