Die unwahrscheinlich hübsche Italienerin in meinem Suchfeld

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Cafard

Mitglied
Meine Wege hier im Viertel sind auf Entdeckungen bedacht, auf Blickwunder. Mein Blick möchte sich über etwas wundern; was nicht immer gelingt. Doch heute war es wieder soweit: Die unwahrscheinlich hübsche Italienerin in meinem Suchfeld...

Nicht weil sie so hübsch war, ich schwöre!, und von Weitem war ihre Schönheit noch gar nicht zu erkennen. Sie saß auf einer neuen Bank, eine Bank an einem Ort, wo sehr viel los ist, Scharen von Paaren und Passanten queren diesen breiten Bürgersteigzipfel, an dem zwei Straßen spitz aufeinander zulaufen, ein hervorstechender Platz für eine Bank, eine Bank vor einer Reinigung, eine Bank mit Blick auf den Eingang einer Reinigung ist per se etwas Besonderes, wie ich finde.

Da saß sie nun mit ihrem riesigen Paket von Zalando, sie war nicht auf schnellstem Wege nach Hause mit den neuen Schuhen und Hosen und Bikinis und, und, und... nein, sie verweilte auf dieser Bank, was so gesehen nicht völlig ungewöhnlich ist, das mag sein, denn: Bei solch einem schweren Paket ist ein Pause sinnvoll.

Aber sie aß Pizza von Pizza Hut, sie hatte sich eine Pizza besorgt und nun saß sie vor der Reinigung und aß diese Pizza aus dem Pizzakarton. Also war sie mit dem Paket von Zalando in den Pizza Hut marschiert, um sich dort eine Pizza zu besorgen, um dann mit dem riesigen Paket und der Pizza zu der Bank zu gehen, um dort die Pizza zu essen, aus meiner Sicht eine sensationelle Entscheidung.

Warum sensationell? Sie scherte sich nicht um Sartres: Hölle der Anderen! Egal, wer was über sie denkt, sie saß dort mit dem Zalando-Paket und der Pizza, als wenn nichts dabei wäre. Aber das ist doch irre. So schöne Italienerinnen können natürlich machen was sie wollen, alles was so eine Frau macht, ist: gut.

So etwas ist nicht im Bereich meiner Möglichkeiten, ich könnte diese Pizza nicht genießen, ich würde mich für die Blicke und Gedanken der Anderen schämen, ich habe gelernt, mich möglichst unauffällig durch die Welt zu bewegen, nur nicht auffallen, das steckt tief im Blut. Wenn das Gefühl, möglichst nicht aufzufallen, nicht so tief im Blut steckte, wäre ich zu der schönen Italienerin gegangen, um ihr zu gratulieren:

„Sartre hatte Unrecht, Sie sind der Beweis!“ Pause. „Nur Ihre Schönheit stört meine Beweisführung.“

Nie kämen solche Worte gegenüber einer Fremden über meine Lippen, das ist klar. Was mich angeht, hatte Sartre mehr als Recht. Doch immerhin schreib ich so ein Zeug in der Öffentlichkeit.

Auch mutig. Oder nur unbedacht.
 
A

aligaga

Gast
Das ist hübsch "beobachtet", hübsch charakterisiert und hübsch geschrieben, @Cafard.

Nur den ollen Sartre hätt's nicht gebraucht, so direkt mit auf der Bank. Es wirkt der ein bisschen arg an den Haaren herbeigezogen - nicht intellektuell, sondern eher ungelenk.

So kompliziert ist ein hübsches, aber mampfendes Mädchen nämlich nicht. Wenn der kleine Möchtegern-Sartre sich näher herangetraut hätte, hätte er sie bestimmt schmatzen hören können.

Vielleicht das nächste Mal?

Gruß

aligaga
 
A

aligaga

Gast
Was ein "Bürgerjournalist" sein soll, weiß ich nicht. Sitzt so einer in der BILD-Redaktion? Oder bei RTL?

Egal. Der vielgeschundene Sartre würde sich bei deinem klammen Zitat jedenfalls im Grab umdrehen, @Cafard.

Gruß

aligaga
 

Cafard

Mitglied
Das kann sein! Aber so viele Dinge schwirren einem im Kopf herum, lauter Halbkenntnisse, oder nur Fetzen davon, wenn man spazieren geht, so geht es mir jedenfalls.
 
A

aligaga

Gast
Nicht alles, was einem so im Kopf umherschwirrt, eignet sich gleich zur Publikation, @Cafard. Man sollte sein Instrument soweit beherrschen, dass die Melodien erkennbar werden, die man spielt.

Sonst bleibt's immer nur Lärm.

Gruß

aligaga
 

Cafard

Mitglied
Ich seh es doch ein! Danke dir für deine Überlegungen zu meinem Text, so kommt man als naiver Hobbyautor, der spontan seine Erlebnisse aufschreibt, ein Stück weiter, denn laut sein will ich eigentlich nicht, es war eher ein wenig humorvoll gemeint mit dem Sartre, quasi ein Spaß, aber das wird nicht deutlich, alles klaro!
 

Cafard

Mitglied
Meine Wege hier im Viertel sind auf Entdeckungen bedacht, auf Blickwunder. Mein Blick möchte sich über etwas wundern; was nicht immer gelingt. Doch heute war es wieder soweit: Die unwahrscheinlich hübsche Italienerin in meinem Suchfeld...

Nicht weil sie so hübsch war, ich schwöre!, und von Weitem war ihre Schönheit noch gar nicht zu erkennen. Sie saß auf einer neuen Bank, eine Bank an einem Ort, wo sehr viel los ist, Scharen von Paaren und Passanten queren diesen breiten Bürgersteigzipfel, an dem zwei Straßen spitz aufeinander zulaufen, ein hervorstechender Platz für eine Bank, eine Bank vor einer Reinigung, eine Bank mit Blick auf den Eingang einer Reinigung ist per se etwas Besonderes, wie ich finde.

Da saß sie nun mit ihrem riesigen Paket von Zalando, sie war nicht auf schnellstem Wege nach Hause mit den neuen Schuhen und Hosen und Bikinis und, und, und... nein, sie verweilte auf dieser Bank, was so gesehen nicht völlig ungewöhnlich ist, das mag sein, denn: Bei solch einem schweren Paket ist eine Pause sinnvoll.

Aber sie aß Pizza von Pizza Hut, sie hatte sich eine Pizza besorgt und nun saß sie vor der Reinigung und aß diese Pizza aus dem Pizzakarton. Also war sie mit dem Paket von Zalando in den Pizza Hut marschiert, um sich dort eine Pizza zu besorgen, um dann mit dem riesigen Paket und der Pizza zu der Bank zu gehen, um dort die Pizza zu essen, aus meiner Sicht eine sensationelle Entscheidung.

Warum sensationell? Sie scherte sich nicht um Sartres: Hölle der Anderen! Egal, wer was über sie denkt, sie saß dort mit dem Zalando-Paket und der Pizza, als wenn nichts dabei wäre. Aber das ist doch irre. So schöne Italienerinnen können natürlich machen was sie wollen, alles was so eine Frau macht, ist: gut.

So etwas ist nicht im Bereich meiner Möglichkeiten, ich könnte diese Pizza nicht genießen, ich würde mich für die Blicke und Gedanken der Anderen schämen, ich habe gelernt, mich möglichst unauffällig durch die Welt zu bewegen, nur nicht auffallen, das steckt tief im Blut. Wenn das Gefühl, möglichst nicht aufzufallen, nicht so tief im Blut steckte, wäre ich zu der schönen Italienerin gegangen, um ihr zu gratulieren:

„Sartre hatte Unrecht, Sie sind der Beweis!“ Pause. „Nur Ihre Schönheit stört meine Beweisführung.“

Nie kämen solche Worte gegenüber einer Fremden über meine Lippen, das ist klar. Was mich angeht, hatte Sartre mehr als Recht. Doch immerhin schreib ich so ein Zeug in der Öffentlichkeit.

Auch mutig. Oder nur unbedacht.
 
S

steky

Gast
Hallo, Cafard,

Deine Geschichte finde ich wirklich entzückend! Besonders gefällt mir der Stil und die genauen Beobachtungen.

Diese Stelle finde ich allerdings etwas zu dick aufgetragen, zu bemüht:

Aber sie aß Pizza von Pizza Hut, sie hatte sich eine Pizza besorgt und nun saß sie vor der Reinigung und aß diese Pizza aus dem Pizzakarton. Also war sie mit dem Paket von Zalando in den Pizza Hut marschiert, um sich dort eine Pizza zu besorgen, um dann mit dem riesigen Paket und der Pizza zu der Bank zu gehen, um dort die Pizza zu essen, aus meiner Sicht eine sensationelle Entscheidung.
Der zweite Satz ist meiner Meinung nach zu viel des Guten.

Ansonsten dickes Lob für diese gustiöse Geschichte!

LG
Steky
 

Cafard

Mitglied
Si, si, der Satz müsste entlüftet werden oder entrümpelt oder so. Ich war etwas unbeherrscht: gesehen, geschrieben, eingestellt in einem langen Atemzug.

Freut mich aber, wenn es grundsätzlich gefällt, ist klar!
 



 
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