Eineinhalb Schwestern
Hallo Kadra,
Vielen Dank für die an sich positive und dazu noch konstruktive Kritik. Derzeit habe ich bei den Moderatoren scheinbar besonders hohe Sympathiewerte...
Du meinst, dem Gedicht würde eine Kürzung/Straffung gut tun. Dem muss ich deutlich widersprechen, auf die Gefahr hin, trotzig zu erscheinen. Der zweite Teil ist für mich eine unerlässliche Steigerung des ersten; sprachlich (zB durch den reichen Reim), der Form nach (durchgehaltene Struktur), und vor allem von der Aussage her.
Natürlich ist sehr viel in wenigen Worten dicht verpackt, da gebe ich dir vollkommen Recht. Aber die Aussage des Gedichts wäre ohne den zweiten Teil unvollkommen, weil nicht die notwendige Tiefe ausgeleuchtet wird. Was ich mit Tiefe meine, mache ich dir am besten deutlich, indem ich Gedanken wiedergebe, die aus einer Diskussion über das Gedicht heraus entstanden sind:
Zer als die aggressive Schwester; Ent die widersprüchliche.
Wie ist die Ungewissheit zu sehen? Hält sie uns in einem Schwebezustand, oder halten wir sie? Sie fällt auf jeden Fall, weil sie nichts mehr hält. Trägt sie in sich schon den Keim der Gewissheit, welche zuguterletzt aus ihr durchbricht oder löst sie sich selbst auf, sind wir der Reibebaum, an dem sie vergeht? Obwohl die Ungewissheit uns Qualen bereitet, sie wird niemals Sieger bleiben. Entweder sie wird von der Gewissheit verdrängt oder gerät ins Abseits, wo sie leise weiterätzen kann. Ihr einziger Triumph bleibt ihre Existenz.
Wann ist die Hoffnung zu Ende? Wenn sie die Dinge konkret beim Namen nennt, oder wenn das Angestrebte Wirklichkeit geworden ist oder gar nicht mehr Wirklichkeit werden kann? Wenn sie verbindlich geworden ist oder wenn sie frei für anderes macht? Die Hoffnung löst die widersprüchlichsten Dinge in uns aus: Wie nahe beieinander sind letztlich doch die sich scheinbaren Gegensätze führen und entführen, wie negativ sowohl täuschen und enttäuschen, wie positiv sowohl schärfen und entschärfen. Sie ehrt uns vor uns selbst, weil wir ein Ziel haben, das wir zu verfolgen nicht aufgeben; sie entehrt uns vor uns selbst, weil wir es nicht erreichen. Wenn wir es dann erreicht haben und mit ihm verbunden sind, werden wir von dem Zwang des Weiterstrebens entbunden. Das Opfer der Hoffnung ist dann das angestrebte Ziel; wenn sie uns jedoch nicht loslässt, uns an sich bindet, und wir letztlich am Erreichen des Ziels scheitern: Dann sind wir selbst Opfer der Hoffnung geworden.
Das Interessante an dem Gedicht ist für mich die Aussage, dass es nicht nur wichtig ist, ob/dass etwas getan wird, sondern auch von wem. Die handelnde Person verformt die Handlung selbst bis zum krassen Gegenteil, womit man das Gedicht auf zwei Arten lesen kann. Aber das ist eigentlich ein Nebenaspekt.
Soweit meine etwas ausladende Antwort (vielleicht kann man diese ja noch kürzen
). Nochmals Danke für den gewogenen Kommentar, liebe Grüße