Diese eine Nacht

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djepicx

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Als er an dem Ortsschild vorbeifuhr nahm er gleich die erste Straße rechts und fuhr langsam den holprigen Weg entlang. Es war mittlerweile kurz vor Mitternacht und die Müdigkeit kroch langsam in seine Knochen. Er lächelte als er an seine Freundin dachte die jetzt wohl entweder mit einem Buch auf dem Bauch im Bett eingeschlafen ist oder, was am wahrscheinlichsten ist, rauchend im Keller stand und auf ihn wartete, zusammen mit einer großen Tasse kalten Kaffee. Er bog nach links ab um kurz darauf gleich wieder links in eine Sackgasse zu fahren an deren Ende er eine neue Heimat gefunden hatte. Sein Handy meldete einen SMS Eingang, er öffnete die Nachricht und schmunzelte, sie war also noch wach. Er wollte gerade antworten als ein eingehender Anruf ankam, er schaute auf das Display und als er die Kennung des Anrufs sah überkam ihm ein ungutes Gefühl. Er nahm ab und bevor er etwas sagen konnte erklang eine tiefe, befehlsgewohnte Stimme:
» Wir haben ein Problem! «
Er hielt mit seinem Wagen an und stellte den Motor ab. Noch war er verhältnismäßig ruhig aber immer wenn die Kennung der drei Fragezeichen anrief war etwas verdammt schief gelaufen.
» Ich bin ganz Ohr. «
» Es geht um Deinen letzten Auftrag, wir rechneten damit das er Staub aufwirbeln würde, « der Anrufer hielt kurz inne bevor er fortfuhr, » das daraus ein globales Erdbeben entstehen würde haben wir nicht erwartet. «
» Ich verstehe nicht……. «
» Unser Informant in Adelaide wurde vor einer Stunde regelrecht hingerichtet. Indizien die auf einen stinknormalen Raubüberfall hindeuten waren nicht ersichtlich. Man wollte dass wir wissen dass es geplant war. « Er war sich nicht sicher aber er dachte aus der Stimme etwas Unsicherheit herauszuhören.
» Es könnte ein Zufall sein das…… «
» Auf seine Brust wurden drei Fragezeichen eingeritzt! «
Es wurde still, niemand sagte etwas, jeder hing seinen Gedanken nach.
» Du musst untertauchen, wir wissen nicht wie sie an die Informationen gekommen sind aber ich vermute das wir einen Maulwurf haben und dieser muss in unserer unmittelbaren Nähe operieren. Ich habe Untersuchungen einleiten lassen, wir werden den Laden von innen nach außen stülpen bis wir den Mistkerl gefunden haben aber bis dahin musst Du Dich unsichtbar machen und zwar sofort. «
» Das geht nicht, das wisst Ihr. « Seine Stimme wurde ärgerlich. » Ich heirate morgen und ich werde einen Teufel tun und jetzt untertauchen. «
Der Ton des Anrufers wurde väterlich.
» Ich weiß dass Sie Dir viel bedeutet und genau deswegen musst Du gehen, keiner von euch ist mehr sicher. Wir wissen nicht im geringsten welche Daten im Umlauf sind. Schon jetzt können vielleicht welche in eurem Haus auf Dich warten. Es ist zu gefährlich dort zu bleiben. «
Er schluckte, denn er wusste dass er Recht hatte. Es war nicht das erste Mal das er kurzfristig alle Zelte abbrechen musste um unterzutauchen. Krisen gab es immer wieder, ein gefährliches Spiel an dem er teilnahm und das seit jeher sein Leben bestimmte. Zum ersten Mal in seinem Leben verfluchte er den Tag an dem er sich dazu entschloss diesen Job anzunehmen.
» Ich werde darüber nachdenken. « Seine Stimme klang genauso ärgerlich wie resignierend. Ein Wechselbad der Gefühle brachte seine Gedanken durcheinander. Er wusste dass er eine Entscheidung treffen musste, die wahrscheinlich schwerste seines Lebens.
» Denk nicht zu lange nach mein Junge. Pass auf Dich auf und Du weißt was zu tun ist. «
Der Anrufer beendete das Gespräch und er saß in Gedanken versunken hinter dem Steuer, nicht in der Lage das gehörte zu verarbeiten und zu verstehen. Er ließ den Motor wieder an und fuhr die restlichen Meter bis er zuhause ankam. Er stellte seinen Wagen an die rechte Seite, nahm seine Jacke vom Rücksitz und stieg aus. Er schaute hinüber zum Haus und dachte nach, morgen sollte der schönste Tag in seinem Leben werden. Er wollte die Frau heiraten die seinem Leben einen neuen Sinn gegeben hat. Er wollte nach der Heirat den Job wechseln, er wollte für immer mit Ihr hier wohnen bleiben und sein Glück mit Ihr genießen. Sein ganzes Traumgerüst fiel nun in sich zusammen, er hatte Angst. Nicht vor der Situation, er hatte immer mit der Gefahr gelebt. Immer damit gerechnet das der nächste Auftrag sein letzter sein könnte. Aber er hat alles erledigt was man ihm aufgetragen hatte, er war ein Naturtalent und äußerst effektiv und einfallsreich in der Durchführung seiner Aufträge. Jetzt hatte er Angst davor die Frau zu verlieren die einfach alles für ihn ist. Er war verwundbar.
Er öffnete das Gartentor, schloss es wieder und lief zur Tür. Nachdem er das Haus betreten hatte, hängte er seine Jacke an die Garderobe und hörte von oben leise Musik, „Halfway to heaven“ das Lied ihrer Liebe. Er lächelte, entledigte sich seiner Schuhe und lief leise die Treppe zum Schlafzimmer hinauf. Er öffnete die Tür und spähte hinein, da lag Sie und las in Ihrem Buch. Sein Herz pochte unruhig und sein Blick bekam etwas sentimentales. Er liebte diese Frau, seit ihrem ersten Treffen, vor ungefähr eineinhalb Jahren, war er Ihr verfallen. Sein Herz krampfte sich zusammen wenn er daran dachte was er tun musste damit Sie in Sicherheit war. Sie würde es nicht verstehen, sie würde ihn dafür hassen und verurteilen. Die Liebe, die sie für Ihn empfand würde verloren gehen aber die seine für Sie, ewig andauern.
Er hatte seine Entscheidung getroffen und es brach ihm das Herz.
» Hallo Schatz, endlich bist du da. « Sandra lächelte und sein Herz blühte auf. Sie legte das Buch weg und schaute ihn erwartungsvoll an.
» Komm ins Bett Liebling, ich kann nicht einschlafen wenn ich Dich nicht spüre. « Sie verkroch sich in der Decke und blickte ihn an. Er musste sich zusammenreißen um nicht zu schreien. Er zog sich aus und schlüpfte zu ihr ins Bett. Sie schlang ihr Arme um ihn und kuschelte sich an seine Brust.
» Bist Du aufgeregt wegen morgen? « Sie sah zu ihm auf, ihre Augen strahlten und er konnte den Kampf in seinen Eingeweiden spüren.
» Jep, und wie. « Seine Simme klang ruhig, nichts an ihr verriet eine Anspannung. Er küsste sie, leidenschaftlich und voller Liebe. Sie erwiderte den Kuss und danach liebten sie sich im schummrigen Licht einer Kerze bis sich beide glücklich und erschöpft in den Armen lagen. Er lag noch lange wach, Sandra war auf seiner Brust eingeschlafen. Er spürte ihre tiefen Atemzüge die ihm signalisierten dass sie sich im Tiefschlaf befand. Er bettete sie auf ihre Seite, sanft und zärtlich. Danach stand er auf, zog sich an und verstaute einige wichtige Dinge in einer Sporttasche. Er ging runter in die Küche, setzte sich an den Tresen zog Papier und Stift zu sich heran und schrieb. Als er fertig war faltete er den Zettel und ging noch einmal nach oben. Die Kerze flimmerte durch einen Luftzug des gekippten Fensters, er ging um das Bett herum legte den Zettel auf die Nachtkommode, ging in die Hocke und betrachtete noch ein letztes Mal Ihr Gesicht , blies die Kerze aus und bevor seine Augen von der Dunkelheit verschluckt wurden sah man eine einzelne Träne die sein Gesicht herablief.


Als Mandy ins Wohnzimmer kam, sah sie Sandra dasitzen, völlig apathisch, das Gesicht verheult, die Haare fielen ihr wirr ins Gesicht und man sah ihr sofort an das sie kurz vor dem durchdrehen war. Mandy eilte zu ihr, nahm sie in den Arm und Sandra fing wieder an zu weinen, sie ließ ihren Gefühlen freien Lauf.
» Was ist denn passiert, Kleine? «
Sandra antwortete nicht, ihr schluchzen war herzzerreißend, sie gab Mandy einen Zettel. Sie entfaltete ihn und las „ Es tut mir leid“ .
» Das glaub ich jetzt nicht. « Mandy war sichtlich geschockt, nie im Leben hätte sie gedacht das Christian „seine“ Sandra verlassen würde. Sie liebten sich, das war so offensichtlich da brauchte man noch nicht einmal fragen. Die beiden waren wie füreinander geschaffen. Seit diesem schicksalshaften 02. August 2010 war Sandra wie ausgewechselt, sie entwickelte eine wahnsinnige Lebensfreude und alle ihre Freunde und Bekannte waren verblüfft. Als sie dann mit der Sprache rausgerückt kam das ein Mann in Ihr Leben getreten ist der sie so faszinierte war uns alles klar. Als sie dann immer öfter zusammen auftauchten konnte selbst ein Blinder mit dem Krückstock erkennen das da etwas außergewöhnliches passiert ist. Diese Vertrautheit zwischen den beiden, wie sie miteinander umgingen, die Liebe die sie sich gaben, die förmlich sicht- und fühlbar war, all das zeigte uns dass diese beiden sich gesucht und gefunden haben. Niemals sahen wir ein perfekteres Paar als Sandra und Christian. Plötzlich sollte das alles vorbei sein? Das war unvorstellbar. Das war nicht seine Art, Christian war einer jener Männer die offen über alles reden konnten, der Probleme an der Wurzel packte und zu lösen versuchte, statt sie zu verdrängen oder davor wegzulaufen. Das war nicht er. Aber er war weg und keiner konnte ihn erreichen. Niemand hatte ihn gesehen, keiner wusste wo er war. Spurlos verschwunden, wie vom Erdboden verschluckt.
Sandra weinte immer noch als Heiko ins Zimmer kam. Er war etwas durch den Wind und zappelte herum wie ein kleines Kind. Er bedeutete Mandy dass er ihr etwas mitteilen wollte aber wenn möglich ohne dass Sandra etwas mitbekam. Mandy nickte.
» Ich mach uns erst mal einen Kaffee, okay? « Ohne auf eine Antwort zu warten löste sie sich sanft von Ihr und ging gefolgt von Heiko in die Küche.
» Was gibt es denn? «
» Ich habe in seiner Firma angerufen und…… « Mandy fiel ihm ins Wort.
» Er ist nicht aufgetaucht, richtig? «
» Jein! «
» Wie Jein? Muss ich Dir eigentlich alles aus der Nase ziehen? Was meinst Du mit jein? «
» Bei Kaeser kennt man keinen Christian Liebl « Mandy`s Kiefer klappte herunter.
» WAS!!! Bist Du Dir da sicher? « Heiko rollte mit den Augen. » Natürlich, ich habe sogar noch in der
Personalabteilung angerufen und mit einem Dr. Eberwein gesprochen. Bei Kaeser gab es seit Bestehen der Firma keinen Mitarbeiter der so hieß. « Sie kniff die Augen zusammen, das ganze wird noch unwahrscheinlicher als sie angenommen hatte. Wie sollte sie dass Sandra beibringen? Sie würde das auf gar keinen Fall verkraften, zu wissen dass er sie von Anfang an in dieser Hinsicht belogen hatte. Irgendetwas stimmte hier ganz und gar nicht.
Mein Gott Christian was ist bloß mit Dir geschehen, was hast Du vor Ihr verborgen. Was muss vorgefallen sein das Du einfach in der Nacht verschwindest und Sandra mit gebrochenem Herz zurücklässt. Das ist nicht seine Art, sie kannte ihn ja auch schon seit einem Jahr und alles was er tat und sagte hatte Hand und Fuß, er war umgänglich, er war immer hilfsbereit und absolut vertrauenswürdig. Sandra und er waren ein Herz und eine Seele, er trug sie auf Händen und las ihr die Wünsche von den Augen ab. Als Sie ihn fragte ob er sie heiraten wolle, hatte er Tränen in den Augen und war so glücklich dass er fast vergessen hatte ja zu sagen , diese Art Männer verschwanden nicht einfach ohne Grund.
» Sollen wir es ihr sagen? «
» Nein! « Ihre Stimme war gepresst. » Das würde sie umbringen. Wir müssen irgendwie versuchen herauszufinden wer er wirklich war. Falls uns das je gelingen sollte. «
Sie ging zurück zu Sandra, Heiko betrachtete die beiden noch kurz dann ging er.


Ca. 1 Jahr später

Sandra lag in ihrem Liegestuhl im Garten und versuchte sich auf das Buch zu konzentrieren das sie jetzt schon seit über einem Jahr nicht mehr angerührt hatte. Stieg Larssons „Verdammnis“, immer wenn sie den Titel las musste sie an Ihn denken. Das letzte Jahr war die Hölle für sie. Der Schmerz nicht wirklich vergangen, noch viel zu oft weinte sie sich nachts alleine in den Schlaf. Nur um am nächsten Morgen voller Wut den Badespiegel zu zertrümmern und weinend auf den Boden zu sinken. Sie versuchte sich abzulenken, aber ihre Gedanken fanden immer wieder den Weg zurück, an die Erinnerung an einen Mann der sie ein Jahr lang zur glücklichsten Frau gemacht hatte und sie dann am Tage ihrer geplanten Hochzeit in der Nacht verließ und nicht mehr auffindbar war. Sie hatte die Polizei eingeschaltet, einen Privatdetektiv, hatte in jeder größeren Zeitung Landesweit eine Annonce geschaltet um ihn zu finden, aber alles verlief sich im Sand.
Sie wollte anfangen es zu akzeptieren aber es ging nicht. Ihre Liebe war wie eine Tätowierung, er hatte sie gezeichnet, er hatte sich auf sie geprägt. Alle Versuche ihrer Freunde, sie dabei zu unterstützen ihn endgültig loszulassen scheiterten. Man wollte sie wieder verkuppeln, man war der Meinung nur eine neue Liebe könnte sie heilen, aber das war von vorneherein ein heilloses Unterfangen. Sie ließ niemanden an sich ran, ihr Herz war noch immer von ihm erfüllt. Den er war ihre Liebe des Lebens und niemand konnte das ersetzen.
Sie ließ das Buch sinken, wieder mal ohne eine Seite gelesen zu haben. Sie sah ein Eselsohr, das hatte er rein gemacht als er das erste Mal bei Ihr zu Hause war. Sie stand auf, ging ins Haus und schnappte sich ihren Autoschlüssel, ging nach draußen, setzte sich in den Wagen und fuhr einfach los ohne darüber nachzudenken wohin. Nach ca. einer dreiviertel Stunden stand sie auf dem Parkplatz in Oberhof wo sie sich damals das erste Mal getroffen haben. Sie lief die Strecke entlang wie damals und auch jetzt regnete es. Es war wie ein Deja Vu, nur mit dem Unterschied das er diesmal nicht neben ihr herging, auch nicht den Schirm hielt und sie ihn nicht berühren konnte. Sie erkannte das Cafe in dem sie sich zum ersten Mal geküsst haben. Die Erinnerung daran ließ sie erschauern. Sie ging trotz des schmerzenden Herzens hinein und der Platz war frei. Sie setzte sich hin und versuchte zu erfühlen wie es war mit ihm hier zu sitzen. Sie schluckte, ihre Augen wurden nass und noch bevor die Bedienung sie erreichte sprang sie auf und verließ mit schnellen Schritten das Cafe. An der frischen, regennassen Luft ließ sie ihren Tränen freien Lauf. Sie verbarg ihr Gesicht in Ihren Händen und weinte bis sie an ihrem Auto angelangt war.
Sie fuhr wieder zurück, stellte den Wagen ab und ging ins Haus.

Sie stand da und wusste nichts mit sich anzufangen, warum hat sie sich diesem Schmerz ausgesetzt? Was hat sie dazu getrieben die Orte aufzusuchen wo sie die glücklichste Zeit verbracht hatte? Warum konnte sie ihn nicht einfach vergessen und versuchen ein neues Leben zu beginnen? Und auf diese Fragen antwortete ihr Herz: Weil er noch immer ein Teil von Dir ist!
Sie ging in die Küche, füllte eine große Tasse mit kalten Kaffee und ging ins Wohnzimmer. Sie setzte sich und schaltete mit der Fernbedienung den Fernseher ein, mittlerweile konnte sie es, Christian hatte ihr jeden Abend aufs Neue erklärt welche Taste welche Funktion besitzt. Es wurde ihm nie zu viel, seine Augen lachten wenn er sie dabei beobachtete wie sie mit angestrengtem Blick auf die Fernbedienung starrte und versuchte sich zu erinnern was sie drücken musste.
Sie lächelte bei der Erinnerung, er war sehr geduldig, im Gegensatz zu ihr. In ihren Gedanken hörte sie sein herzhaftes Lachen das immer dann zu hören war wenn Ihr mal wieder ein Mißgeschick passiert ist und er es mitbekommen hatte. Sie hatte ihn nie zornig oder böse erlebt, er war immer ausgeglichen und gut gelaunt. Sie konnte sich noch an den Spaß erinnern den sie hatten als sie im Baumarkt einen Baum gekauft hatten den sie im Garten gepflanzt hatten. Sie war damals mitsamt dem Setzling, der verhältnismäßig groß und schwer war, über den Einkaufswagen geflogen direkt in ein Stiefmütterchen Beet. Christian war schwer beeindruckt wie elegant sie sich abgerollt hatte um innerhalb von Sekunden wieder die Haltung zu bewahren. Sein Gesicht verriet die Anstrengung die vonnöten war nicht in einen Lachanfall zu vergehen, seine Augen wurden feucht. Und als sie dann zu ihm sagte: » Schatz, würdest Du bitte? « und ihm den Setzling reichte konnte er sich nicht mehr halten.
Die Erinnerung verblasste und die Traurigkeit und Hoffnungslosigkeit kehrte zurück. Wie glücklich hätte ihr Leben werden können wenn diese eine Nacht nicht gewesen wäre.
Sie seufzte, ging in die Küche zurück, stellte die Tasse in die Spülmaschine und sah aus dem Fenster. Der Baum ihrer Liebe schwankte leicht im Wind, sie erkannte die zwei Plastikkarten in denen sie jeweils ihren Namen geschrieben haben. Es war ein richtiges Ritual was er damals beim Pflanzen vollzog, Ihr Sohn Nils hatte sich fast weggeschmissen vor Lachen als er uns beide beobachtete. Christian hat gesagt das man auf einen Zettel etwas schreiben muss was für den anderen gedacht war, und wenn man ganz sehr traurig ist soll man diesen Zettel herausnehmen und lesen und die Traurigkeit würde vergehen. Sie wusste noch dass sie geschrieben hatte dass sie Ihn für immer lieben würde und dass keine Macht der Welt es verhindern könnte. Sie faltete das Papier damals und schob es in die Plastikfolie, Christian schrieb davor seinen Namen drauf und versiegelte die Karte. Dann schrieb er etwas auf einen Zettel, faltete ihn und steckte es in die andere Plastikkarte, natürlich vorher auch mit meinem Namen gekennzeichnet.
Sie hatte daran gar nicht mehr gedacht. Er hatte immer solche romantischen und außergewöhnlichen Ideen. Sie wandte sich ab um zu gehen, blieb dann aber stehen, drehte sich noch einmal zum Fenster und sah den Baum. Der Baum……wenn man ganz sehr traurig ist……….
Sie rannte aus dem Haus in den Garten, Liz folgte ihr in der Hoffnung auf ein kleines Spielchen. Sandra erreichte den Baum, ihr Herz klopfte wie verrückt. Sie nahm die Karte mit ihrem Namen und brach das Siegel. Mit zitternden Händen nahm sie das kleine gefaltete Papier heraus und entfaltete es. Sie las und ihr stockte der Atem.

23570 Lübeck/Hermannshöhe Großenhof 4

Vor ihren Augen drehte sich alles, sie schwankte und hielt sich den Kopf. Ihr Atem ging heftig und stoßweise. Eine Hitzeanwallung nach der anderen durchfuhr ihren Körper. Eine Adresse, er hat eine verdammte Adresse drauf geschrieben.
Sandra eilte aus dem Garten, rannte die Straße entlang bis sie völlig außer Atem vor Mandys Haus stand und Sturm klingelte. Mandy erschien kurz darauf und blickte verwirrt drein.
» Gott Sandra was ist denn passiert? Du siehst aus als hättest Du einen Geist gesehen! «
» So etwas ähnliches! «
Mandy blickte irritiert und wartete auf eine Erklärung aber die kam nicht.
» Ich muss nach Lübeck fahren, kannst Du Dich bitte um Liz kümmern. Danke. «
» Was willst Du…….. « Aber Sandra war schon umgedreht und rannte zurück zu ihrem Haus.
Eiligst verstaute Sandra die wichtigsten Sachen in ihrer Sonnengelben Handtasche, schnappte sich den Schlüssel vom Tresen und fuhr keine fünf Minuten später aus Goldbach hinaus.

Ca. 5 Stunden später

Sie fuhr in der Dämmerung einen schmalen Weg entlang, er verlief parallel zur Küste und laut Navi war ihr Ziel nur noch einen halben Kilometer entfernt. Sie bog um eine leichte bewaldete Kurve und sah in einiger Entfernung ein einsames Haus stehen. Es brannte Licht. Sie fuhr langsam weiter den Weg entlang. Als sie noch einige Meter vom Haus entfernt anhielt, spürte sie ein Kribbeln in Ihrem Bauch. Etwas was sie schon lange nicht mehr gespürt hatte.
Sie stieg aus, schlüpfte in Ihre Jacke und ging auf das Haus zu. Sie war nervös und das Kribbeln wurde immer schlimmer. Sie atmete einmal tief ein und klingelte. Sie lauschte auf Schritte aber sie konnte nichts hören. Sie klingelte nochmals diesmal etwas länger aber auch darauf folgte keine Reaktion. Sie ging um das Haus herum, und erreichte eine Terrasse von der man über eine Holztreppe direkt auf den Strand gelangte. Sie stand da, Ihre Hände umklammerten die Brüstung, das Haar wehte im warmen Abendwind und sie schloss die Augen. Als sie sie wieder öffnete sah sie in einiger Entfernung jemanden über die Dünen laufen. Sie blickte zu der Person und diese blieb plötzlich regungslos stehen. Sie konnte aufgrund der einbrechenden Dunkelheit die Person nicht erkennen aber sie spürte dessen Blick auf sich ruhen.
Ihre Knie zitterten, sie löste sich von der Brüstung und stieg langsam die Treppe hinab zum Strand. Die Person in der Ferne ließ etwas fallen und setzte sich ebenfalls in Bewegung. Ihr Herz raste, das kribbeln wurde unerträglich und je kürzer die Entfernung wurde desto mehr wurde ihr bewusst das sie alles um sich herum vergessen hatte. Sie erkannte Haare die ihr so vertraut waren, sie sah Bewegungen die sie in sich aufgesogen hatte, ihre Schritte wurden schneller, genau wie seine, ihre Augen füllten sich mit Tränen, sie waren nur noch wenige Meter voneinander entfernt. Sie sah seine braunen Augen, sie erkannte die Liebe in Ihnen die ungebrochen strahlte. Er hatte sie nie vergessen, das wusste sie jetzt, Tränen rannen seinen Wangen hinab, er hatte ebenfalls gelitten, genau wie sie. Sie schluchzte, das Herz brannte, und dann nach einer gefühlten Ewigkeit spürte sie wieder jenes Gefühl das ihr den Himmel auf Erden bereitete. Sie spürte ihn, seine Kraft, seine Hände, seinen Atem. Sie begann in diesem Augenblick wieder zu leben, endlich wieder. Er hielt sie fest, sie spürte sein Glück, sie hörte ihn weinen. Seine Stimme die bebte als er sagte: » Ich wollte Dir das nicht antun aber ich hatte keine Wahl. «
Sie blickte ihn an, legte ihren Finger an seine Lippen. Dann nach einem intensiven Blick voller Liebe, Verlangen und Glück küsste sie ihn und alles verschwamm zur Bedeutungslosigkeit. Sie wollte keine Erklärung, keine Geheimnisse und keine Vorstellung davon haben was er durchgemacht hatte. Sie wusste dass er sie aus Liebe beschützt hatte, sein eigenes Leben für sie nach hinten stellte. Ihre Liebe war nie versiegt, seine Liebe war nie aus ihrem Herzen verschwunden. Weil er sie immer geliebt hatte und auch über die Entfernung hinweg spürten die beiden Herzen das sie zusammen gehörten. Ihre Herzen hatten den Kontakt zueinander nie verloren.
Sie standen eng umschlungen am Strand, sie barg ihren Kopf an seine Schulter, er küsste ihr Haar. Er nahm sie zärtlich in den Arm, blickte ihr tief in die Augen. Sie schlossen die Augen, ihre Lippen trafen sich und es begann zu regnen.
 

djepicx

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Es war mittlerweile kurz vor Mitternacht und die Müdigkeit kroch langsam in seine Knochen. Er lächelte als er an seine Freundin dachte, die jetzt wohl entweder mit einem Buch auf dem Bauch im Bett eingeschlafen ist oder, was am wahrscheinlichsten ist, rauchend im Keller stand und auf ihn wartete, zusammen mit einer großen Tasse kalten Kaffee. Er bog nach links ab um kurz darauf gleich wieder links in eine Sackgasse zu fahren, an deren Ende er eine neue Heimat gefunden hatte. Sein Handy meldete einen SMS Eingang, er öffnete die Nachricht und schmunzelte, sie war also noch wach. Er wollte gerade antworten, als ein eingehender Anruf ankam, er schaute auf das Display und als er die Kennung des Anrufs sah überkam ihm ein ungutes Gefühl. Er nahm ab und bevor er etwas sagen konnte erklang eine tiefe, befehlsgewohnte Stimme:
» Wir haben ein Problem! «
Er hielt mit seinem Wagen an und stellte den Motor ab. Noch war er verhältnismäßig ruhig aber immer wenn die Kennung der drei Fragezeichen anrief war etwas verdammt schief gelaufen.
» Ich bin ganz Ohr. «
» Es geht um Deinen letzten Auftrag, wir rechneten damit das er Staub aufwirbeln würde, « der Anrufer hielt kurz inne bevor er fortfuhr, » das daraus ein globales Erdbeben entstehen würde haben wir nicht erwartet. «
» Ich verstehe nicht……. «
» Unser Informant in Adelaide wurde vor einer Stunde regelrecht hingerichtet. Indizien die auf einen stinknormalen Raubüberfall hindeuten waren nicht ersichtlich. Man wollte dass wir wissen dass es geplant war. « Er war sich nicht sicher aber er dachte aus der Stimme etwas Unsicherheit herauszuhören.
» Es könnte ein Zufall sein das…… «
» Auf seine Brust wurden drei Fragezeichen eingeritzt! «
Es wurde still, niemand sagte etwas, jeder hing seinen Gedanken nach.
» Du musst untertauchen, wir wissen nicht wie sie an die Informationen gekommen sind aber ich vermute das wir einen Maulwurf haben und dieser muss in unserer unmittelbaren Nähe operieren. Ich habe Untersuchungen einleiten lassen, wir werden den Laden von innen nach außen stülpen bis wir den Mistkerl gefunden haben aber bis dahin musst Du Dich unsichtbar machen und zwar sofort. «
» Das geht nicht, das wisst Ihr. « Seine Stimme wurde ärgerlich. » Ich heirate morgen und ich werde einen Teufel tun und jetzt untertauchen. «
Der Ton des Anrufers wurde väterlich.
» Ich weiß dass Sie Dir viel bedeutet und genau deswegen musst Du gehen, keiner von euch ist mehr sicher. Wir wissen nicht im Geringsten welche Daten im Umlauf sind. Schon jetzt können vielleicht welche in eurem Haus auf Dich warten. Es ist zu gefährlich dort zu bleiben. «
Er schluckte, denn er wusste dass er Recht hatte. Es war nicht das erste Mal das er kurzfristig alle Zelte abbrechen musste um unterzutauchen. Krisen gab es immer wieder, ein gefährliches Spiel an dem er teilnahm und das seit jeher sein Leben bestimmte. Zum ersten Mal in seinem Leben verfluchte er den Tag, an dem er sich dazu entschloss diesen Job anzunehmen.
» Ich werde darüber nachdenken. « Seine Stimme klang genauso ärgerlich wie resignierend. Ein Wechselbad der Gefühle brachte seine Gedanken durcheinander. Er wusste dass er eine Entscheidung treffen musste, die wahrscheinlich schwerste seines Lebens.
» Denk nicht zu lange nach mein Junge. Pass auf Dich auf und Du weißt was zu tun ist. «
Der Anrufer beendete das Gespräch und er saß in Gedanken versunken hinter dem Steuer, nicht in der Lage das gehörte zu verarbeiten und zu verstehen. Er ließ den Motor wieder an und fuhr die restlichen Meter bis er zuhause ankam. Er stellte seinen Wagen an die rechte Seite, nahm seine Jacke vom Rücksitz und stieg aus. Er schaute hinüber zum Haus und dachte nach, morgen sollte der schönste Tag in seinem Leben werden. Er wollte die Frau heiraten die seinem Leben einen neuen Sinn gegeben hat. Er wollte nach der Heirat den Job wechseln, er wollte für immer mit Ihr hier wohnen bleiben und sein Glück mit Ihr genießen. Sein ganzes Traumgerüst fiel nun in sich zusammen, er hatte Angst. Nicht vor der Situation, er hatte immer mit der Gefahr gelebt. Immer damit gerechnet, das der nächste Auftrag sein letzter sein könnte. Aber er hat alles erledigt was man ihm aufgetragen hatte, er war ein Naturtalent, äußerst effektiv und einfallsreich in der Durchführung seiner Aufträge. Jetzt hatte er Angst davor, die Frau zu verlieren die einfach alles für ihn ist. Er war verwundbar.
Er öffnete das Gartentor, schloss es wieder und lief zur Tür. Nachdem er das Haus betreten hatte, hängte er seine Jacke an die Garderobe und hörte von oben leise Musik, „Halfway to heaven“ das Lied ihrer Liebe. Er lächelte, entledigte sich seiner Schuhe und lief leise die Treppe zum Schlafzimmer hinauf. Er öffnete die Tür und spähte hinein, da lag Sie und las in einem Buch. Sein Herz pochte unruhig und sein Blick bekam etwas Sentimentales. Er liebte diese Frau, seit ihrem ersten Treffen, vor ungefähr eineinhalb Jahren, war er Ihr verfallen. Sein Herz krampfte sich zusammen wenn er daran dachte, was er tun musste damit Sie in Sicherheit war. Sie würde es nicht verstehen, sie würde ihn dafür hassen und verurteilen. Die Liebe, die sie für Ihn empfand, würde verloren gehen aber die seine für Sie, ewig andauern.
Er hatte seine Entscheidung getroffen und es brach ihm das Herz.
» Hallo Schatz, endlich bist du da. « Sandra lächelte und sein Herz blühte auf. Sie legte das Buch weg und schaute ihn erwartungsvoll an.
» Komm ins Bett Liebling, ich kann nicht einschlafen wenn ich Dich nicht spüre. « Sie verkroch sich in der Decke und blickte ihn an. Er musste sich zusammenreißen um nicht zu schreien. Er zog sich aus und schlüpfte zu ihr ins Bett. Sie schlang ihr Arme um ihn und kuschelte sich an seine Brust.
» Bist Du aufgeregt wegen morgen? « Sie sah zu ihm auf, ihre Augen strahlten und er konnte den Kampf in seinen Eingeweiden spüren.
» Jep, und wie. « Seine Stimme klang ruhig, nichts an ihr verriet eine Anspannung. Er küsste sie, leidenschaftlich und voller Liebe. Sie erwiderte den Kuss und danach liebten sie sich im schummrigen Licht einer Kerze, bis sich beide glücklich und erschöpft in den Armen lagen. Er lag noch lange wach, Sandra war auf seiner Brust eingeschlafen. Er spürte ihre tiefen Atemzüge die ihm signalisierten dass sie sich im Tiefschlaf befand. Er bettete sie auf ihre Seite, sanft und zärtlich. Danach stand er auf, zog sich an und verstaute einige wichtige Dinge in einer Sporttasche. Er ging hinunter in die Küche, setzte sich an den Tresen, zog Papier und Stift zu sich heran und schrieb. Als er fertig war, faltete er den Zettel und ging noch einmal nach oben. Die Kerze flimmerte durch einen Luftzug des gekippten Fensters, er ging um das Bett herum, legte den Zettel auf die Nachtkommode, ging in die Hocke und betrachtete noch ein letztes Mal Ihr Gesicht , blies die Kerze aus und bevor seine Augen von der Dunkelheit verschluckt wurden, sah man eine einzelne Träne die sein Gesicht herablief.


Als Mandy ins Wohnzimmer kam, sah sie Sandra dasitzen, völlig apathisch, das Gesicht verheult, die Haare fielen ihr wirr ins Gesicht und man sah ihr sofort an das sie kurz vor dem durchdrehen war. Mandy eilte zu ihr, nahm sie in den Arm und Sandra fing wieder an zu weinen, sie ließ ihren Gefühlen freien Lauf.
» Was ist denn passiert, Kleine? «
Sandra antwortete nicht, ihr schluchzen war herzzerreißend, sie gab Mandy einen Zettel. Sie entfaltete ihn und las „ Es tut mir leid.“
» Das glaub ich jetzt nicht. « Mandy war sichtlich geschockt, nie im Leben hätte sie gedacht das Christian „Seine“ Sandra verlassen würde. Sie liebten sich, das war so offensichtlich, da brauchte man noch nicht einmal fragen. Die beiden waren wie füreinander geschaffen. Seit diesem schicksalshaften 03. August 2010 war Sandra wie ausgewechselt, sie entwickelte eine wahnsinnige Lebensfreude und alle ihre Freunde und Bekannte waren verblüfft. Als sie dann mit der Sprache rausgerückt kam, das ein Mann in Ihr Leben getreten war, der sie so faszinierte, war uns alles klar. Als sie dann immer öfter zusammen auftauchten, konnte selbst ein Blinder mit dem Krückstock erkennen, dass da etwas Außergewöhnliches passiert ist. Diese Vertrautheit zwischen den beiden, wie sie miteinander umgingen, die Liebe die sie sich gaben, die förmlich Sicht- und fühlbar war, all das zeigte uns dass diese beiden sich gesucht und gefunden haben. Niemals sahen wir ein perfekteres Paar als Sandra und Christian. Plötzlich sollte das alles vorbei sein? Das war unvorstellbar. Das war nicht seine Art, Christian war einer jener Männer die offen über alles reden konnten, der Probleme an der Wurzel packte und zu lösen versuchte, statt sie zu verdrängen oder davor wegzulaufen. Das war nicht er. Aber er war weg und keiner konnte ihn erreichen. Niemand hatte ihn gesehen, keiner wusste wo er war. Spurlos verschwunden, wie vom Erdboden verschluckt.
Sandra weinte immer noch als Heiko ins Zimmer kam. Er war etwas durch den Wind und zappelte herum wie ein kleines Kind. Er bedeutete Mandy dass er ihr etwas mitteilen wollte aber wenn möglich ohne dass Sandra etwas mitbekam. Mandy nickte.
» Ich mach uns erst mal einen Kaffee, okay? « Ohne auf eine Antwort zu warten löste sie sich sanft von Ihr und ging gefolgt von Heiko in die Küche.
» Was gibt es denn? «
» Ich habe in seiner Firma angerufen und…… « Mandy fiel ihm ins Wort.
» Er ist nicht aufgetaucht, richtig? «
» Jein! «
» Wie Jein? Muss ich Dir eigentlich alles aus der Nase ziehen? Was meinst Du mit jein? «
» Bei Kaeser kennt man keinen Christian Liebl « Mandys Kiefer klappte herunter.
» WAS!!! Bist Du Dir da sicher? « Heiko rollte mit den Augen. » Natürlich, ich habe sogar noch in der
Personalabteilung angerufen und mit einem Dr. Eberwein gesprochen. Bei Kaeser gab es seit Bestehen der Firma keinen Mitarbeiter der so hieß. « Sie kniff die Augen zusammen, das ganze wird noch unwahrscheinlicher als sie angenommen hatte. Wie sollte sie das Sandra beibringen? Sie würde das auf gar keinen Fall verkraften, zu wissen dass er sie von Anfang an in dieser Hinsicht belogen hatte. Irgendetwas stimmte hier ganz und gar nicht.
Mein Gott Christian was ist bloß mit Dir geschehen? Was hast Du vor Ihr geheim gehalten? Was muss vorgefallen sein, das Du einfach in der Nacht verschwindest und Sandra mit gebrochenem Herz zurücklässt. Das ist nicht seine Art, sie kannte ihn ja auch schon seit einem Jahr und alles was er tat und sagte hatte Hand und Fuß, er war umgänglich, er war immer hilfsbereit und absolut vertrauenswürdig. Sandra und er waren ein Herz und eine Seele, er trug sie auf Händen und las ihr die Wünsche von den Augen ab. Als Sie ihn fragte, ob er sie heiraten wolle, hatte er Tränen in den Augen und war so glücklich dass er fast vergessen hatte ja zu sagen, diese Art Männer verschwanden nicht einfach ohne Grund.
» Sollen wir es ihr sagen? «
» Nein! « Ihre Stimme war gepresst. » Das würde sie umbringen. Wir müssen irgendwie versuchen herauszufinden wer er wirklich war. Falls uns das je gelingen sollte. «
Sie ging zurück zu Sandra, Heiko betrachtete die beiden noch kurz, dann ging er.


Ca. 1 Jahr später

Sandra lag in ihrem Liegestuhl im Garten und versuchte sich auf das Buch zu konzentrieren das sie jetzt schon seit über einem Jahr nicht mehr angerührt hatte. Stieg Larssons „Verdammnis“, immer wenn sie den Titel las musste sie an Ihn denken. Das letzte Jahr war die Hölle für sie. Der Schmerz nicht wirklich vergangen, noch viel zu oft weinte sie sich nachts alleine in den Schlaf. Nur um am nächsten Morgen voller Wut den Badespiegel zu zertrümmern und weinend auf den Boden zu sinken. Sie versuchte sich abzulenken aber ihre Gedanken fanden immer wieder den Weg zurück, an die Erinnerung, an einen Mann der sie ein Jahr lang zur glücklichsten Frau gemacht hatte und sie dann, am Tage ihrer geplanten Hochzeit, in der Nacht verließ und nicht mehr auffindbar war. Sie hatte die Polizei eingeschaltet, einen Privatdetektiv, hatte in jeder größeren Zeitung Landesweit eine Annonce geschaltet um ihn zu finden aber alles verlief sich im Sand.
Sie wollte anfangen es zu akzeptieren aber es ging nicht. Ihre Liebe war wie eine Tätowierung, er hatte sie gezeichnet, er hatte sich auf sie geprägt. Alle Versuche ihrer Freunde, sie dabei zu unterstützen ihn endgültig loszulassen, scheiterten. Man wollte sie wieder verkuppeln, man war der Meinung nur eine neue Liebe könnte sie heilen aber das war von vorneherein ein heilloses Unterfangen. Sie ließ niemanden an sich ran, ihr Herz war noch immer von ihm erfüllt. Den er war ihre Liebe des Lebens und niemand konnte das ersetzen.
Sie ließ das Buch sinken, wieder mal ohne eine Seite gelesen zu haben. Sie sah ein Eselsohr, das hatte er rein gemacht als er das erste Mal bei Ihr zu Hause war. Sie stand auf, lief ins Haus und schnappte sich ihren Autoschlüssel, ging nach draußen, setzte sich in den Wagen und fuhr einfach los, ohne darüber nachzudenken wohin. Nach ca. einer dreiviertel Stunde stand sie auf dem Parkplatz in Oberhof, wo sie sich damals das erste Mal getroffen hatten. Sie lief die Strecke entlang wie damals und auch jetzt regnete es. Es war wie ein Deja Vu, nur mit dem Unterschied das er diesmal nicht neben ihr herging, auch nicht den Schirm hielt und sie ihn nicht berühren konnte. Sie erkannte das Cafe in dem sie sich zum ersten Mal geküsst haben. Die Erinnerung daran ließ sie erschauern. Sie ging trotz des schmerzenden Herzens hinein und der Platz war frei. Sie setzte sich hin und versuchte zu erfühlen wie es war mit ihm hier zu sitzen. Sie schluckte, ihre Augen wurden nass und noch bevor die Bedienung sie erreichte, sprang sie auf und verließ mit schnellen Schritten das Cafe. An der frischen, regennassen Luft ließ sie ihren Tränen freien Lauf. Sie verbarg ihr Gesicht in Ihren Händen und weinte bis sie an ihrem Auto angelangt war.
Sie fuhr wieder zurück, stellte den Wagen ab und ging ins Haus.

Sie stand da und wusste nichts mit sich anzufangen, warum hat sie sich diesem Schmerz ausgesetzt? Was hat sie dazu getrieben die Orte aufzusuchen, wo sie die glücklichste Zeit verbracht hatte? Warum konnte sie ihn nicht einfach vergessen und versuchen ein neues Leben zu beginnen? Und auf diese Fragen antwortete ihr Herz: Weil er noch immer ein Teil von Dir ist!
Sie ging in die Küche, füllte eine große Tasse mit kalten Kaffee und ging ins Wohnzimmer. Sie setzte sich und schaltete mit der Fernbedienung den Fernseher ein, mittlerweile konnte sie es, Christian hatte ihr jeden Abend aufs Neue erklärt, welche Taste welche Funktion besitzt. Es wurde ihm nie zu viel, seine Augen lachten wenn er sie dabei beobachtete wie sie mit angestrengtem Blick auf die Fernbedienung starrte und versuchte sich zu erinnern, was sie drücken musste.
Sie lächelte bei der Erinnerung, er war sehr geduldig, im Gegensatz zu ihr. In ihren Gedanken hörte sie sein herzhaftes Lachen, das immer dann zu hören war wenn Ihr mal wieder ein Missgeschick passiert ist und er es mitbekommen hatte. Sie hatte ihn nie zornig oder böse erlebt, er war immer ausgeglichen und gut gelaunt. Sie konnte sich noch an den Spaß erinnern den sie hatten, als sie im Baumarkt einen Baum gekauft hatten, den sie anschließend im Garten eingepflanzt hatten. Sie war damals mitsamt dem Setzling, der verhältnismäßig groß und schwer war, über den Einkaufswagen geflogen, direkt in ein Stiefmütterchen Beet. Christian war schwer beeindruckt davon wie elegant sie sich abgerollt hatte, um innerhalb von Sekunden wieder die Haltung zu bewahren. Sein Gesicht verriet die Anstrengung, die vonnöten war, nicht in einen Lachanfall zu vergehen, seine Augen wurden feucht. Und als sie dann zu ihm sagte: » Schatz, würdest Du bitte? « und ihm den Setzling reichte, konnte er sich nicht mehr halten.
Die Erinnerung verblasste und die Traurigkeit und Hoffnungslosigkeit kehrte zurück. Wie glücklich hätte ihr Leben werden können wenn diese eine Nacht nicht gewesen wäre.
Sie seufzte, ging in die Küche zurück, stellte die Tasse in die Spülmaschine und sah aus dem Fenster. Der Baum ihrer Liebe schwankte leicht im Wind, sie erkannte die zwei Plastikkarten in denen sie jeweils ihren Namen geschrieben haben. Es war ein richtiges Ritual gewesen, was er damals beim Pflanzen vollzog, Ihr Sohn Nils hatte sich fast weggeschmissen vor Lachen, als er uns beide beobachtete. Christian hat gesagt, das man auf einen Zettel etwas schreiben muss was für den anderen gedacht war und wenn man ganz sehr traurig ist soll man diesen Zettel herausnehmen, lesen und die Traurigkeit würde vergehen. Sie wusste noch dass sie geschrieben hatte, dass sie Ihn für immer lieben würde und dass keine Macht der Welt es ändern könnte. Sie faltete das Papier damals und schob es in die Plastikfolie, Christian schrieb davor seinen Namen drauf und versiegelte die Karte. Dann schrieb er etwas auf einen Zettel, faltete ihn und steckte es in die andere Plastikkarte, natürlich vorher auch mit meinem Namen gekennzeichnet.
Sie hatte daran gar nicht mehr gedacht. Er hatte immer solche romantischen und außergewöhnlichen Ideen. Sie wandte sich ab um zu gehen, blieb dann aber stehen, drehte sich noch einmal zum Fenster und sah den Baum. Der Baum……wenn man ganz sehr traurig ist……….
Sie rannte aus dem Haus in den Garten, Liz folgte ihr in der Hoffnung auf ein kleines Spielchen. Sandra erreichte den Baum, ihr Herz klopfte wie verrückt. Sie nahm die Karte mit ihrem Namen und brach das Siegel. Mit zitternden Händen nahm sie das kleine gefaltete Papier heraus und entfaltete es. Sie las und ihr stockte der Atem.

23570 Lübeck/Hermannshöhe Großenhof 4

Vor ihren Augen drehte sich alles, sie schwankte und hielt sich den Kopf. Ihr Atem ging heftig und stoßweise. Eine Hitzeanwallung nach der anderen durchfuhr ihren Körper. Eine Adresse, er hat eine verdammte Adresse darauf geschrieben.
Sandra eilte aus dem Garten, rannte die Straße entlang bis sie völlig außer Atem vor Mandys Haus stand und Sturm klingelte. Mandy erschien kurz darauf und blickte verwirrt drein.
» Gott Sandra was ist denn passiert? Du siehst aus als hättest Du einen Geist gesehen! «
» So etwas ähnliches! «
Mandy blickte irritiert und wartete auf eine Erklärung aber die kam nicht.
» Ich muss nach Lübeck fahren, kannst Du Dich bitte um Liz kümmern. Danke. «
» Was willst Du…….. « Aber Sandra war schon umgedreht und rannte zurück zu ihrem Haus.
Eiligst verstaute Sandra die wichtigsten Sachen in ihrer Sonnengelben Handtasche, schnappte sich den Schlüssel vom Tresen und fuhr keine fünf Minuten später aus Goldbach hinaus.

Ca. 5 Stunden später

Sie fuhr in der Dämmerung einen schmalen Weg entlang, er verlief parallel zur Küste und laut Navi war ihr Ziel nur noch einen halben Kilometer entfernt. Sie bog um eine leichte bewaldete Kurve und sah in einiger Entfernung ein einsames Haus stehen. Es brannte Licht. Sie fuhr langsam weiter den Weg entlang. Als sie noch einige Meter vom Haus entfernt anhielt, spürte sie ein Kribbeln in Ihrem Bauch. Etwas was sie schon lange nicht mehr gespürt hatte.
Sie stieg aus, schlüpfte in Ihre Jacke und ging auf das Haus zu. Sie war nervös und das Kribbeln wurde immer schlimmer. Sie atmete einmal tief ein und klingelte. Sie lauschte auf Schritte aber sie konnte nichts hören. Sie klingelte nochmals, diesmal etwas länger aber auch darauf folgte keine Reaktion. Sie ging um das Haus herum und erreichte eine Terrasse von der man über eine Holztreppe direkt auf den Strand gelangte. Sie stand da, Ihre Hände umklammerten die Brüstung, das Haar wehte im warmen Abendwind und sie schloss die Augen. Als sie sie wieder öffnete, sah sie in einiger Entfernung jemanden über die Dünen laufen. Sie blickte zu der Person und diese blieb plötzlich regungslos stehen. Sie konnte aufgrund der einbrechenden Dunkelheit die Person nicht erkennen aber sie spürte dessen Blick auf Ihr ruhen.
Ihre Knie zitterten, sie löste sich von der Brüstung und stieg langsam die Treppe hinab zum Strand. Die Person in der Ferne ließ etwas fallen und setzte sich ebenfalls in Bewegung. Ihr Herz raste, das kribbeln wurde unerträglich und je kürzer die Entfernung wurde desto mehr wurde ihr bewusst, das sie alles um sich herum vergessen hatte. Sie erkannte Haare die ihr so vertraut waren, sie sah Bewegungen die sie in sich aufgesogen hatte, ihre Schritte wurden schneller, genau wie seine, ihre Augen füllten sich mit Tränen, sie waren nur noch wenige Meter voneinander entfernt. Sie sah seine braunen Augen, sie erkannte die Liebe in Ihnen die ungebrochen strahlte. Er hatte sie nie vergessen, das wusste sie jetzt, Tränen rannen seinen Wangen hinab, er hatte ebenfalls gelitten, genau wie sie. Sie schluchzte, das Herz brannte, und dann nach einer gefühlten Ewigkeit spürte sie wieder jenes Gefühl, das ihr den Himmel auf Erden bereitete. Sie spürte ihn, seine Kraft, seine Hände, seinen Atem. Sie begann in diesem Augenblick wieder zu leben, endlich wieder. Er hielt sie fest, sie spürte sein Glück, sie hörte ihn weinen. Seine Stimme die bebte als er sagte: » Ich wollte Dir das nicht antun aber ich hatte keine Wahl. «
Sie blickte ihn an, legte ihren Finger an seine Lippen. Dann nach einem intensiven Blick voller Liebe, Verlangen und Glück, küsste sie ihn und alles verschwamm zur Bedeutungslosigkeit. Sie wollte keine Erklärung, keine Geheimnisse und keine Vorstellung davon haben was er durchgemacht hatte. Sie wusste, dass er sie aus Liebe beschützt hatte, sein eigenes Leben für sie nach hinten stellte. Ihre Liebe war nie versiegt, seine Liebe war nie aus ihrem Herzen verschwunden. Weil er sie immer geliebt hatte und auch über die Entfernung hinweg spürten die beiden Herzen das sie zusammen gehörten. Ihre Herzen hatten den Kontakt zueinander nie verloren.
Sie standen eng umschlungen am Strand, sie barg ihren Kopf an seine Schulter, er küsste ihr Haar. Er nahm sie zärtlich in den Arm, blickte ihr tief in die Augen. Sie schlossen die Augen, ihre Lippen trafen sich und es begann zu regnen.
 



 
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