Dilemma der Abhängigkeit

3,50 Stern(e) 2 Bewertungen

Alex Knov

Mitglied
Alleine sitze ich auf der Insel der Einsamkeit

Trage eine Ritterrüstung aus kaltem Stahl

Als mir eine Kokosnuss auf den Kopf fiel

Sie wurde geworfen von der Insel der Engel​

Einer der Engel, Victoria, lachte laut auf und winkte mich zu sich rüber. Aus purer Langeweile, gepaart mit etwas Selbsthass, setzte ich mich in mein kleines Ruderboot und ruderte los. Ich bin schon lange nicht mehr auf See gewesen, doch das Gefühl des Schaukelns der Weller vergisst man nie.

Kurz bevor ich bei der Insel ankam, taucht ein Geist vor mir auf. Die Gestalt eines alten, blinden Mannes verfestigte sich vor mir und erzählte etwas mit erhobenem Zeigefinger. Unglücklicherweise bin ich taub.

Victoria zog mich aus meinem Boot und wir fielen uns in die Arme. Ihr nackter Körper schmiegte sich an meinen und raubte mir den Verstand. Nebel zog auf. Erregt zog ich meine Rüstung aus. Ich ging einen Schritt auf sie zu, doch sie wich einen zurück, während sie mit ihren Händen ihre perfekten Brüste zusammen drückte und mir einen Kuss zuwarf, was mich nur noch geiler machte.

Plötzlich wirbelte der Nebel herum, alles drehte sich und die Umgebung schien sich zu ändern. Ich fand mich vor einer Klippe wieder, direkt vor dem Abgrund stehend. Unter mir ein Gesicht. Das große, verzerrte, doch unvergessliche Gesicht von Moloch, welcher nur darauf wartete, mich erneut zu verschlingen.

An meinen Füßen und Händen waren Ketten befestigt, welche in Victorias Hand zusammen liefen und der einzige Grund waren, weshalb ich nicht hinunter fiel. Victoria stand wackelnd in High Heels auf dem Gipfel und versuchte, den Halt nicht zu verlieren. Ich wusste sie würde mich nie loslassen, doch was, wenn sie selbst fällt?

Moloch lachte. Ein helles, gehässiges, schadenfrohes Lachen. Da war ich nun also wieder, nackt und gefesselt am Abgrund meiner Selbst. Doch mein Konflikt war kein äußerlicher, sondern einer im Innern meines Hirns. Die alles entscheidende Frage lautet:

Soll ich springen oder balancieren?
 

Homosapiens

Mitglied
Hallo Alex, in Deinem Text entdecke ich unschwer tiefenpsychologische Qualitäten: die Einsamkeit des Individuums, den Lebenstrieb mit seinem Streben nach Verbindung und das klassische Dilemma des Menschen, die Balance auf einem schmalen Grat am Abgrund entlang.
Victoria und der Moloch symbolisieren die Primärfiguren im Leben, der Engel, wenngleich im selben Symbol wie Victoria verdichtet (gängige Praxis im Unbewußten), stellvertretend für den explorativen menschlichen Geist, initiiert die Reise von Insel zu Insel. Das Boot auf den Wellen des Ozeans, Ursprung des Daseins, vergißt man in der Tat nie. Sigmund Freud hätte sich bestätigt gefühlt. Der Hinweis auf die Innerlichkeit des Konflikts erübrigt sich daher eigentlich fast. Grüße von Homosapiens
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Sieh da, hier auch "Engel" und "Moloch", die so kombiniert aus Ginsbergs "Howl" bekannt sind.

Allerdings weiß so ein Kenner von Moloch und Engeln (wie der Jude Ginsberg), daß Engel immer maskulin sind, es sei denn, sie sind neutestamentlich, dann sind sie geschlechtslos.

Nur niemals weiblich. Das sind sie erst als neuzeitliche Männerphantasie.

Aber das sollen sie hier ja wohl auch sein.
 

Alex Knov

Mitglied
Hallo Mondnein,

In der Tat hat Ginsberg und vor allem sein Gedicht "Howl" einen sehr großen Einfluss auf mich und meinen Schreibstil, woher Moloch auch seinen Weg in meine Werke gefunden hat. Allerdings habe ich Moloch für mich selbst etwas anders definiert, als es ursprünglich vielleicht von Ginsberg gemeint war. Moloch ist in diesem Zusammenhang (und auch in meinem anderen Gedicht) eher eine dunkle Seite von mir selbst.

Engel auf der anderen Seite sind für mich sowohl männlich als auch weiblich, sie stehen einfach für Zärtlichkeit und Liebe, vollkommen losgelöst von Geschlechtern, Religiösen Bedeutungen oder sonstigem. Ein Mensch, der mir Zärtlichkeit und Liebe schenkt, ist ein Engel für mich.

Grüße

Alex
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
aber warum nennst Du sie "Engel" und "Moloch"? Kannst Du sie dann nicht gleich "Feen" und "Arschloch" nennen?
Metaphern sollten kleiner, unbedeutender sein als das, wofür sie stehen. Sonst bläht man das auf, was man damit bebildern will.
Engel sind Wesen, denen zu begegnen Todesangst auslöst, schrecklich anzusehen, niemals lieblich (außer im Weihnachtskitsch, aber sogar der Verkündungsengel jagt den Hirten einen gewaltigen Schrecken ein).
Moloch ist ein Gott, in dessen Opferfeuer Babies geworfen wurden, eine Gestalt, deren Trümmer einige tausend Jahre älter ist als Dein Schatten.
Und Ginsberg war sich der Gewalt dieser Archetypen bewußt.
 



 
Oben Unten