Drei bei Gerlinde im Wald (Sestine)

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HerbertH

Mitglied
Im Tale schwankt ganz leise eine Eiche,
vom Sturm geschüttelt knirschen morsch die Zweige,
vom Blitz geschlagen dunkelschwarz die Rinde.
Ein Kakadu besetzt kackfrech das Loch
im Stamm, das Spechtens hartes lautes Trommeln
dort hinterließ, befreit vom dicken Wurm.

Den Laubbaum beißt derweil der nächste Wurm,
von vielen Bissen stirbt sogar die Eiche.
Zum Kakadu! Die Dommeln lockt das Trommeln,
wie auch den Mann mit Geige, durch die Zweige,
der, weil er von Gerlinde träumt, ins Loch
gleich fällt und sich den Kopf stößt an der Rinde.

Was ritzt denn da der junge Koch die Rinde,
ins Holz? Schenkt der Gerlinde einen Wurm?
Ei, gleich gehört der Kerl dafür ins Loch!
Dafür reicht leider nicht das Loch der Eiche,
die hüllt sich schamvoll in die eignen Zweige
und lauscht betroffen auf des Spechtens Trommeln.

Des Koches Chef lauscht auch aufs laute Trommeln,
er schrieb Gerlinde Checks -- doch nichts auf Rinde! --
und teilt mit Lust Gerlindens feinste -- Zweige
und schaut, genießt und riecht -- an ihr. Als Wurm
betrachtet er sich nicht, gleicht einer Eiche
er lieber doch, die Form passt zu dem Loch!

Gerlinde bläst schon auf dem letzten Loch
der Flöte, denkt an ihre Hochzeitstrommeln,
Musik, und Möbel ganz aus Teak und Eiche.
Versonnen kaut sie Brot und knabbert Rinde:
Zum Angeln fetter Fische dient der Wurm,
am Haken hängt er, nicht am Zweige!

Man fragt sich, wer zerbrach Gerlindes Zweige?
Stieß einen sie aus Pech ins Kerkerloch?
Ist sie schon schwanger mit nem kleinen Wurm,
spielt in Gedanken schon mit Rasseln, Trommeln,
und Windeln ganz in Schwarz? An dieser Baumesrinde
verlor sie ganz ihr Herz: Das schmerzt die Eiche.

Jetzt stürzt die Eiche, krachend läßt sie Zweige.
Wer schnell die Rinde ritzt, trifft der das Loch?
Drum schlag die Trommeln, lieber Specht, dem Wurm.
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Mir gefällt, wie Du aus der vorgegebenen Form eine Geschichte geschmiedet hast. Dadurch wird die Sestine nicht kangweilig.

Gut gefällt mir ein Detail: der alte Genitiv "des Spechtens".
 

HerbertH

Mitglied
Lieber Bernd,

danke für die positive Rückmeldung. Ich hab die gleiche Anfangsstrophe wie bei der Sestinenvariation genommen und wollte "die gleiche Geschichte" wie dort abbilden. Aufgrund der strengeren Anforderungen der identischen Endwörter ist das hier nicht so einfach gewesen und auch nicht zu 100% gelungen. Dennoch hat sich auch hier eine Geschichte ergeben. :)

Der Genitiv ist zwar eine vom Aussterben bedrohte Art, aber man muss ja nicht alles mitmachen und die alte Form gefällt mir sowieso und passt auch zu der Sestinenform.

Liebe Grüße

Herbert
 

HerbertH

Mitglied
Im Tale schwankt ganz leise eine Eiche,
vom Sturm geschüttelt knirschen morsch die Zweige,
vom Blitz geschlagen dunkelschwarz die Rinde.
Ein Kakadu besetzt kackfrech das Loch
im Stamm, das Spechtens hartes lautes Trommeln
dort hinterließ, befreit vom dicken Wurm.

Den Laubbaum beißt derweil der nächste Wurm,
von vielen Bissen stirbt sogar die Eiche.
Zum Kakadu! Die Dommeln lockt das Trommeln,
wie auch den Mann mit Geige, durch die Zweige,
der, weil er von Gerlinde träumt, ins Loch
gleich fällt und sich den Kopf stößt an der Rinde.

Was ritzt denn da der junge Koch die Rinde,
ins Holz? Schenkt er Gerlinde einen Wurm?
Ei, gleich gehört der Kerl dafür ins Loch!
Dafür reicht leider nicht das Loch der Eiche,
die hüllt sich schamvoll in die eignen Zweige
und lauscht betroffen auf des Spechtens Trommeln.

Des Koches Chef lauscht auch aufs laute Trommeln,
er schrieb Gerlinde Checks -- doch nichts auf Rinde! --
und teilt mit Lust Gerlindens feinste -- Zweige
und schaut, genießt und riecht -- an ihr. Als Wurm
betrachtet er sich nicht, gleicht einer Eiche
er lieber doch, die Form passt zu dem Loch!

Gerlinde bläst schon auf dem letzten Loch
der Flöte, denkt an ihre Hochzeitstrommeln,
Musik, und Möbel ganz aus Teak und Eiche.
Versonnen kaut sie Brot und knabbert Rinde:
Zum Angeln fetter Fische dient der Wurm,
am Haken hängt er, nicht am Zweige!

Man fragt sich, wer zerbrach Gerlindes Zweige?
Stieß einen sie aus Pech ins Kerkerloch?
Ist sie schon schwanger mit nem kleinen Wurm,
spielt in Gedanken schon mit Rasseln, Trommeln,
und Windeln ganz in Schwarz? An dieser Baumesrinde
verlor sie ganz ihr Herz: Das schmerzt die Eiche.

Jetzt stürzt die Eiche, krachend läßt sie Zweige.
Wer schnell die Rinde ritzt, trifft der das Loch?
Drum schlag die Trommeln, lieber Specht, dem Wurm.
 

HerbertH

Mitglied
Drei bei Gerlinde im Wald

Im Tale schwankt ganz leise eine Eiche,
vom Sturm geschüttelt knirschen morsch die Zweige,
vom Blitz geschlagen dunkelschwarz die Rinde.
Ein Kakadu besetzt kackfrech das Loch
im Stamm, das Spechtens hartes lautes Trommeln
dort hinterließ, befreit vom dicken Wurm.

Den Laubbaum beißt derweil der nächste Wurm,
von vielen Bissen stirbt sogar die Eiche.
Zum Kakadu! Die Dommeln lockt das Trommeln,
wie auch den Mann mit Geige, durch die Zweige,
der, weil er von Gerlinde träumt, ins Loch
gleich fällt und sich den Kopf stößt an der Rinde.

Was ritzt denn da der junge Koch die Rinde,
ins Holz? Schenkt er Gerlinde einen Wurm?
Ei, gleich gehört der Kerl dafür ins Loch!
Dafür reicht leider nicht das Loch der Eiche,
die hüllt sich schamvoll in die eignen Zweige
und lauscht betroffen auf des Spechtens Trommeln.

Des Koches Chef lauscht auch aufs laute Trommeln,
er schrieb Gerlinde Checks -- doch nichts auf Rinde! --
und teilt mit Lust Gerlindens feinste -- Zweige
und schaut, genießt und riecht -- an ihr. Als Wurm
betrachtet er sich nicht, gleicht einer Eiche
er lieber doch, die Form passt zu dem Loch!

Gerlinde bläst schon auf dem letzten Loch
der Flöte, denkt an ihre Hochzeitstrommeln,
Musik, und Möbel ganz aus Teak und Eiche.
Versonnen kaut sie Brot und knabbert Rinde:
Zum Angeln fetter Fische dient der Wurm,
am Haken hängt er, nicht am Zweige!

Man fragt sich, wer zerbrach Gerlindes Zweige?
Stieß einen sie aus Pech ins Kerkerloch?
Ist sie schon schwanger mit nem kleinen Wurm,
spielt in Gedanken schon mit Rasseln, Trommeln,
und Windeln ganz in Schwarz? An dieser Baumesrinde
verlor sie ganz ihr Herz: Das schmerzt die Eiche.

Jetzt stürzt die Eiche, krachend läßt sie Zweige.
Wer schnell die Rinde ritzt, trifft der das Loch?
Drum schlag die Trommeln, lieber Specht, dem Wurm.
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ich habe übrigens bei Grümmer "Spielformen der Poesie" nochmal nachgelesen. Auch andere Autoren haben manchmal in neuerer Zeit Sestinen in Reinform geschrieben. Deshalb ist der Zusammenhang zwischen Deinen beiden Gedichten besonders bemerkenswert.
 
Lieber Herbert,

ich weiß, du hast dich abgemeldet. Trotzdem möchte ich dir heute schon schreiben, dass mir deine Sestine ganz prima gefällt. Peinlich für mich: jetzt weiß ich, wieso ich auf den Buntspecht kam letztens in meinem Haiku :(. So ist es, wenn man zu viel liest. :)

Liebe Grüße,
Karin
 

HerbertH

Mitglied
Lieber Bernd,

irgendwie reizt es also, die Sestine durch Reime zu variieren. :) Ich werde diese Form sicherlich ab jetzt häufiger verwenden.

lG

Herbert
 

HerbertH

Mitglied
Liebe Karin,

vielen Dank für die positive Rückmeldung. Erst wenn man sich einmal an diese Form gewagt hat wie Du und ich, lernt man sie schätzen.

lG

Herbert

rückgemeldet
 



 
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