Dschungelfalle

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Dschungelfalle


Sackgasse.
Im Gleichschritt mit seiner verlorenen Glaubwürdigkeit, sank auch die Lebenserwartung des Gefangenen auf ein bedrohlich bescheidenes Niveau.
„Elende Made, lässt uns drei Stunden durch den gottverdammten Urwald trampeln …“
„Lasst ihn ausbluten, Captain!“, erklang es aus den hinteren Reihen.
Zu gerne wäre Redship dem Wunsch seiner Mannschaft nachgekommen. Unglücklicherweise war der Einzige, der zumindest behauptete, das Versteck des Goldschatzes zu kennen, dieser dürre Sklave.
„Geduld meine Männer, tot taugt er bestenfalls als Fischfutter. Allerdings passiert es schnell, dass mir der Säbel ausrutscht und er sich mit den ansässigen Tieren um seine Fingerkuppen streiten kann.“
Den unverschämt tiefen Abgrund vor Augen, stellte sich Redship die Frage, ob ihm sein Reichtum durch Absicht oder die pure Vergesslichkeit seines unfreiwilligen Führers verwehrt wird.
„Nicht töten mich, ich weiss wo Glitzer! Viel Glitzer!“, verteidigte sich Monkey - so nannte ihn die Mannschaft –, bevor zuvor erwähntes Missgeschick eingetroffen wäre.
„Ich sehe kein Gold, nur eine grosse Schlucht. Und deiner Unversehrtheit zu Liebe, weisst du wie wir sie überqueren können.
„Nehmen doch Liane und schwingen?“
„Haha, witzig …“, Redship zog seinen Säbel aus der Scheide und verpasste Monkey einen Schlag mit dem stumpfen Ende des Griffs. Danach halfen ihm freundlicherweise zwei der Crewmitglieder auf die Beine, worauf er einen zweiten Hieb kassierte und abermals auf dem Dschungelboden aufschlug. Diese Prozedur wiederholten die Seemänner solange, bis Monkey, der sich vor Schmerzen krümmte, um Gnade flehte.
„Hören auf. Schlag tun weh. Ich sage. Ich sage. 300 Schritt links, dann Brücke. Brücke führt zu Höhle, in Höhle ist glänzende Teile. Ich schwören bei Götzenbild Halio Abims“
„Dein Hakibaba ist mir egal. Meine Geduld hält nicht ewig, denk dran.“
Ihr baldiges Vermögen vor Augen setzten sich die Männer in Bewegung, obschon ihre Moral und das Vertrauen in Redship langsam bröckelten. Nichtsdestotrotz lief es sich am kahlen Rand der Schlucht um einiges leichter als inmitten der wuchernden Flora. Nur vereinzelt erdreisteten sich Mitglieder der einheimischen Fauna den Weg der Piraten zu kreuzen.
„Guck, sag deinen Brüdern hallo!“
Monkey blickte kurz nach hinten, würdigte den primitiven Aussagen ansonsten keiner Reaktion und ging zu Boden blickend weiter.
„Verdammte Stechfliegen, wieso stechen die alles, nur den Mohr nicht?“
Mehrere gleichwertig geistreiche Kommentare später, fanden sich die Schatzsucher vor einer hölzernen Brücke wieder.
„Diese aneinander gereihten Zahnstocher nennst du Brücke?“
Die Brücke hinterliess einen gelinde gesagt fragilen Eindruck. Die morschen Holzplanken erweckten den Anschein, sich bei der kleinsten Belasten als Eingang ins Jenseits zu erweisen.
„Captain, ich zweifle an diesem Weg!“
„Aye, was bringt Reichtum einem Toten?“
„Die wohl hundertste Sackgasse heute …“
Redship wusste, dass er die revoltierenden Kräfte innerhalb seiner Mannschaft beruhigen oder zumindest einschüchtern musste. Seinem Wesen entsprechend entschied er sich für zweitere Methode. Einen gezielten Hieb später, musste der gesuchte Schatz nur noch durch sechs geteilt werden.
„Und jetzt Ruhe, ihr Hunde!“
Er schubste Monkey auf die Brücke und belehrte ihn, keine Dummheiten anzustellen.
Die Brücke schwang in alle Richtungen, knirschte unter jedem Schritt und als einige der Planken in die Tiefe stürzten, sah man Monkey seine Angst ins Gesicht geschrieben.
„Geht das nicht schneller. Im Rennen seid ihr doch sonst so talentiert.
Ein letzter grosser Satz bedeutete das Ende von Monkeys Spiessrutenlauf. Erleichtert wieder festen Boden unter den Füssen zu haben, drehte er sich um und sah, wie ein Freibeuter nach dem anderen die gleiche Prozedur hinter sich brachte.
„Höhle gleich hinter Busch. Ich gehen jetzt?“
Innerlich längst den Entschluss gefasst, Monkey nicht lebendig von dieser Insel zu lassen, antwortete Redship ihm: „Du gehst nirgends hin. Zuerst vergewissern wir uns, dass du dich nicht schon wieder geirrt hast.“
„Ihr töten mich, wenn Gold euer.“
„Wie intelligent du doch geworden bist.“
Lautes Lachen ging durch Redships Reihen.
„Dann hoffen ich, alte Mann hält Versprechen.“
Das Gelächter verstummte. Redship packte seinen Gefangenen am Kragen, knallte im seine offene Faust ins Gesicht und fragte: „Was für ein Versprechen, welcher alte Mann?“
Nun grinste Monkey.
„Was soll das dämliche Grinsen?“
„Mann sprechen mich an, vor ein Jahr. Sagte, geh mit Redship, gewinn Vertrauen.
„Captain, was meint der Moor damit?“
„Keine Ahnung.“
Redship zog seine Pistole, hielt sie Monkey an die Schläfe und fragte erneut nach dem alten Mann.
„Hennikson er hiess, versprechen mir Sicherheit plus Belohnung.“
„Admiral Lord Hennikson?“
Die Verwunderung der Piraten wich blankem Entsetzen.
Eines der Crewmitglieder vergewisserte sich nochmals: „Du meinst Hennikson, den Schlächter Port Nygels?“
Monkey blieb stumm.
„Im Namen der Royal Navy, ihr steht unter Arrest, Redship.“
Nach dem Ursprung des Rufes suchend, blickten die Seemänner plötzlich in zahlreiche, auf sie gerichtete Musketenläufe. Ein ganzer Zug englischer Grenadiere war Monkeys Fährte gefolgt. Perplex und instinktiv zogen die Überraschten Säbel und Pistolen, worauf Monkey, der sich inzwischen aus Redships Griff gelöst und sich hinter einem Felsen verkrochen hatte, nur noch ein breites Mündungsfeuer im Dschungel aufblitzen sah. Mit etlichen Schusswunden in den Leiben stürzten die zahlenmässig Unterlegenen um ihren Captain in den Abgrund, wo sie ihr nasses Grab fanden.
Monkey blieb noch kurz stehen, bis er einen rot uniformierten Soldaten erspähte und verschwand im Licht verschluckenden Dickicht des Urwaldes.
„Dummer Mohr, lässt sich nicht einmal die Belohnung auszahlen.“, sprach einer der Soldaten zu seinem Offizier.
„Hat mich sowieso verwundert, wie er Redship in diese Pampa locken konnte …“
 



 
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