Du bist nicht allein

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Anna Osowski

Mitglied
Vielleicht hat Gott
Adam nicht aus Lehm gemacht,
sondern aus Ton.

...


Prolog

Wenn Du morgens aufwachst, der Traum noch
verfangen in Deiner Seele, der Schlafsand noch in den
Augenwinkeln, das Haar zerzaust...
Dann lieg ich neben Dir und lächle Dich an.

Wenn Du Deinen Tee schlürfst, langsam in den Tag
hineinkriechst, manchmal auch springst, Dir die Augen
reibst und tief Luft holst...
Dann steh ich hinter Dir und küsse Deinen Nacken.

Wenn Du Dich an den Tisch setzt mit frischen
Brötchen und einer Zeitung und noch immer der Traum
in Dir nachwirkt....
Dann bin ich ein Teil von Deinem Traum.


Assoziationen

Heute der Himmel so blau, dass es fast schon kitschig
war und der Sonnenuntergang, schön wie ein Poster.
Für Minuten saß ich und starrte aus dem Fenster.
Zu schön. Nein, gerade schön genug. Genau richtig.

Bald glitt ich hinein in diese Gedanken, in eine Trance,
die mich auf die Wolken trug. Wolken, die meine
Phantasie an den Himmel gemalt hatte, ganz spontan.
Dann zog es mich immer weiter hinauf, bis das
Himmelblau mich ganz verschlungen hatte und ich gar
nicht mehr wusste wo ich aufhöre und der Himmel
beginnt...

Und dann kam dieser Ton. Ein einfacher Ton. Keine
Melodie, kein Rhythmus, einfach ein Ton. Ich ließ ihn
nur klingen. Kein Grund, die Ohren zuzuhalten. Kein
Grund, ungläubig den Kopf zu schütteln. Er war einfach
da, der Ton. Zuerst hörte ich ihn nur in meinen Ohren.
Schnell merkte ich, wie er mich mehr und mehr
ausfüllte, wie er überall spürbar wurde. Wie kann ich
einen Ton anders wahrnehmen als mit den Ohren?
Und fragte ich mich plötzlich: Wie konnte ich
den jemals überhören?

Eine eigenartige Ruhe kehrte in mir ein. Schon brummte
eine warnende Stimme: Mal ihn nicht an die Wand!
Aber ach: noch immer mit diesem Ton im Ohr, lassen
sich doch phantastische Kompositionen an die Wand
malen. Die Palette reicht kaum aus. Der Pinsel liegt in
meiner Hand. Und ich fühle erstaunt die Gewissheit,
dass ich diesen Ton immer hören werde.
Ich habe die Wahl: Vor Ehrfurcht stumm für 100 Jahre
lauschend sitzen? Oder mir von dem Ton ein Lächeln
auf die Lippen zaubern lassen und ihm gestatten,
einen weiteren Ausdruck zu finden?


Epilog

Wenn Du in der Sonne liegst und ein Buch liest und
manchmal Deine Stirn in Runzeln legst, und einen
Schluck eiskaltes Wasser trinkst, ...
Dann küsse ich den Tropfen Wasser aus Deinem
Mundwinkel.

Wenn Du an Dir selbst zweifelst und Dein Tun in Frage
stellst...
Dann fächel ich Dir ein wenig Luft zu, denn etwas
anderes vermag ich dann nicht zu tun.

Wenn Du Dich abends müde ins Bett legst und die
Bettdecke bis ans Kinn ziehst und in die Sterne
blickst...
Dann bin ich Dein Stern.
 

joyce

Mitglied
Hallo Anna,

zum versinken schön.
Wie Liebe einen erfüllen kann und man selbst zur Stimmgabel wird.

Für mich ist die Einteilung in Prolog/Assoz/Epilog nicht nötig und eher etwas befremdend.
Doch das ist wohl eine Frage des Geschmacks.

Gruss
Joyce
 

joyce

Mitglied
Nachtrag

ach und der Titel, Anna, mir ist er zu lang ;-)
er lässt etwas anderes erwarten....
J
oyce
 

Anna Osowski

Mitglied
Lieber Joyce.
Da sagst Du was...
Mit dem Titel habe ich auch immer wieder gerungen. Mir scheint, es gibt keinen wirklich passenden Titel dafür. "Der Ton" war noch eine gedachte Alternative, das wäre zumindest kürzer. ;o)

Was die Dreiteilung betrifft, so war es mir daran gelegen, die gedanklich in zwei unterschiedlichen Gefilden gelagerten Stränge deutlich voneinander zu trennen. So wie in einer Zeichnung manchmal nur gedachte Linien die Komposition einteilen und manchmal klare sichtbare Striche Felder ein- oder auch zuteilen. Du hast natürlich Recht, notwendig ist es nicht. Ohne fehlt mir was. Irgendwie.

Lieben Gruß
Anna
 



 
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