Du meine Mutter

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Marilu

Mitglied
Du meine Mutter
gabst mir soviel Wärme,
das ich beinahe erfroren wäre...

Du meine Mutter
gabst mir soviel Trost,
das mir regelmäßig übel wurde...

Du meine Mutter
gabst mir soviel Selbstbewußtsein,
das ich mich heute noch hasse...

Du meine Mutter
gabst mir immer wieder das Gefühl,
ohne mich nicht leben zu können,
so das ich mir ab und an
immer noch wünsche
einfach nicht mehr da zu sein...

Du meine Mutter
hast mich soviel wissen lassen,
das ich mir heute noch wünsche
ich wäre damals taub und blind gewesen...

Du meine Mutter
hast mein Leben lange kontrolliert,
wodurch ich immer noch viel zu oft
auf Dich zurückgreife...

Du meine Mutter
hast mich fast zu dem gemacht
was Du immer sein wolltest...

Du meine Mutter
liebst mich sicherlich...
aber ich...
ich hasse Dich...

Verzeih mir!
 

Sensiro

Mitglied
Nun, ich denke, es ist leicht, eigene Charakterschwächen auf die Erziehung abzuwälzen. Aber sie ist auch nur einer mehren Faktoren, die die Persönlichkeit ausmachen.
Außerdem, warum verzeihst Du nicht ihr, denn keine Mutter handelt in böser Absicht, wenn sie ihr Kind mit ihrer Liebe erdrückt.
 

Marilu

Mitglied
Charakterschwäche...?

Ich sehe es nicht als Charakterschwäche. Vielleicht magst Du dazu ja mal das Gedicht "Monster" auf meiner Homepage lesen...
 

Otmar

Mitglied
Hallo Marilu!
...hassen und
...verzeihen in einem Gedicht (Gedankengang)
ist eine Überlegung wert, einen anderen Weg zu suchen...

Liebe Grüße Otmar
 
U

Ursula

Gast
Ich bin selbst Mutter. Meine Kinder sind zwar noch klein, aber Dein Gedicht hat mich sehr berührt.
Solange noch Hass da ist, muss vielleicht nicht alles vorbei sein. Hass ist ja auch ein Gefühl und Gefühle können sich wandeln. Wenn's erst mal um Gleichgültigkeit geht, sieht's wesentlich anders aus.
 

TheRealCure

Mitglied
ich habe auch eine mutter!

ich habe auch eine mutter und bin selbst vater!

das schliesst nicht aus, dass ich die gefühle von marilu absolut nachvollziehen kann! die gründe dafür gehören allerdings weniger hier hin! klar, ist da irgendwann was falsch gelaufen. logisch, dass das scheisse ist für die mutter! natürlich/vielleicht können sich gefühle ändern! das ist aber nicht das thema hier! es geht um das kind und was aus diesem kind geworden ist! schaut euch um, wieviele neurosen, psychosen, ... schon im mutterleib verursacht und dann in der baby-, kinder- und jugendzeit massiv verstärkt werden. dass daraus ein tiefer, abgründiger hass entsteht ist eine logische konsequenz! meine hochachtung gehört marilu, das hier auszusprechen!
 

Marilu

Mitglied
Lieber J.,

ich danke Dir für Deine Antwort. Wie Du schon geschrieben hast, gehören die Gründe für meinen Hass nicht hierher.
Du weißt das ich selbst Mutter bin und ich hoffe, das es zwischen meinem Sohn und mir niemals soweit kommen wird. Das ich dieses Gedicht hier veröffentlicht habe, hat für mich folgenden Grund gehabt: Ich wollte eben sehen, wieviele denken dabei eigentlich an das Kind...Du hast genau Das ausgesprochen, und das obwohl Du Vater bist und eine Mutter hast...sind wir nicht immer alle erschüttert, wenn Kinder in Psychiatrien landen, weil sie trotz ihres zarten Alters schon massive Verhaltensstörungen aufweisen...oder schlimmer noch Selbstmord begehen...wieviele haben dann die Hilferufe dieser Kinder als pubertäre Aggressivität abgetan?
Viele sind immernoch vom Mythos der "immer guten Mutter" geblendet...damit will ich nicht sagen das es keine guten Mütter mehr gibt...manchmal kann eine Mutter es ihrer Meinung nach auch gut meinen und trotzdem schwerwiegende Fehler begehen. Manchmal sollte man eben zweimal hinsehen...
 
Hallo Marilu,
wie oft wünsche ich mir, daß ich meine Mutter dafür hassen könnte, was sie aus mir gemacht hat. Du hast vollkommen recht, das viele Kinder aus solchen Gründen in den Suizid
getrieben werden oder in Psychatrien enden.Der Grund hierfür wird nur meist zu gern vertuscht. Ich denke du bist auf dem richtigen Weg, indem du mit ihr "abgerechnet" hast, wenn man diese Mechanismen erstmal erkannt hat, werden viele der eigenen "Fehler" ausgemerzt und man kann endlich beginnen ein eigenes Leben ohne Hemmschwelle im Kopf zu beginnen.
 

Andrea

Mitglied
Was darf eine Mutter eigentlich, und was nicht? Wenn sie sich nicht um ihre Kinder kümmert, ist sie eine Rabenmutter. Wenn sie sich um ihre Kinder kümmert, dann wird sie gehaßt, weil sie ihre Kinder verzogen hat.
Das Gedicht schreit meiner Meinung nach heraus, daß die Dichterin ihre eigenen Schwächen satt hat. Jetzt gibt es zwei Möglichkeiten: etwas dagegen tun oder die ursachen suchen. in unserer psychologischen Welt, in der wir so gerne jemanden für alles die Schuld geben wollen, wird die zweite Möglichkeit gewählt. Und wer ist mal wieder die Schuldige? Mama. Bravo. Drei Daumen hoch.

Wie heißt es so schön in der Werbung: Meine Mami hat mich lieb. Und da schließe ich mich gerne an.
 

TheRealCure

Mitglied
eigene defizite?

andrea, deinem kommentar muss ich entschieden entgegen schreiben! es geht nicht darum, einer mutter schuld zuzuweisen. natürlich muss sich eine mutter um ihr kind kümmern und daraus folgt nicht grundsätzlich der vorwurf, sie hätte es verzogen! es gibt aber nunmal unterschiede darin, wie man/frau sich kümmert! ist es nicht häufig so, dass eine mutter schwierigkeiten damit hat, ihr kind irgenwann nicht mehr als kind sondern als eigenständigen menschen zu sehen? war es nicht die entscheidung der mutter, dieses kind in die welt zu setzen? wird nicht häufig lebenslange dankbarkeit verlangt? wenn es auch heisst "ihr kind", impliziert das noch lange nicht einen lebenslangen besitzanspruch! in marilus gedicht geht es einzig und allein um das kind und wie es sich fühlt! es ist ihr bestimmt nicht leicht gefallen, dieses gedicht zu schreiben und es dann auch noch in die leselupe zu stellen! ich hatte vielleicht schon erwähnt: fast alle neurosen und psychosen, psychosomatische erkrankungen, ... lassen sich auf die kindheit und insbesondere auf das verhältnis zwischen kind und mutter bzw. vater zurückführen. ziel einer jeden beziehung und erziehung sollte es sein, das kind zu einem eigenständigen, unabhängigen menschen zu erziehen. leider werden die kinder zu oft dazu missbraucht, die eigenen defizite auszugleichen!
 
U

Ursula

Gast
TheRealCure erstaunt micht mit seiner Antwort. Erstens, wenn wir die Dinge schon aus der Sicht des KINDES ansehen wollen, sollte vielleicht auch einmal daran gedacht werden, dass die Mutter ihrerseits auch eine Mutter hat und somit auch ein Kind ist. Vielleicht hat sie selbst auch unter einer Mutter gelitten, die ihr entweder das genaue Gegenteil an der Erziehung zukommen liess, die sie selbst weitergegeben hat, oder eben die gleiche.
Zweitens, wenn das Kind als eigenständiges Wesen angesehen werden soll (da gebe ich dir übrigens vollumfällig recht, wir besitzen die Kinder keinesfalls, cf. z.B. Khalil Gibran, der Prophet), verstehe ich nicht, weshalb Du Dich nun schützend vor Marilu stellst. In ihrem Gedicht erklärt sie ja ganz offensichtlich, dass sie aus einem gewissen Kreis ausbrechen will. Lassen wir sie doch ausbrechen!
Nun wirst Du mir vielleicht sagen, dass ich gar nichts verstanden hätte. Vielleicht hast Du damit sogar recht, schliesslich ist alles in gewisser Weise relativ.
 

TheRealCure

Mitglied
was war zuerst da?

ein guter einwand! was bzw. wer war eigentlich zuerst da? die mutter, die ja selbst kind ist, oder das kind, das durchaus ja auch eine mutter sein kann? mutterliebe hin und mutterliebe her! es gibt viele mütter, die ihre kinder nicht verstehen, weil sie sich nicht die zeit dazu nehmen oder weil sie es ganz einfach nicht wollen! warum haben wir eigentlich kinder? die ursprünglichen gründe "erhaltung der art" und "altersversorgung" spielen bei uns ja keine rolle mehr! sind kinder nun entweder prestigeobjekte oder auf mangelnde verhütung zurückzuführen? lass es mich in einen witz fassen:

Frage: Welche grammatikalische Form ist: "Du hättest niemals geboren werden sollen?"
Antwort: Präservativ defekt!

ps: es kann durchaus sein, dass ICH nichts kapiert habe! das macht aber nichts, denn es hat meine gedanken in bewegung gebracht und das war es dann allemal wert!
 
Ich verfolge die Reaktionen zu Marilus Gedicht nun schon länger und ich denke sie wollte ihre subjektiven Gefühle ihrer Mutter gegenüber ausdrücken. Natürlich sind solche Gedichte für viele unverständlich, einfach weil sie nie in einer derartigen Situation waren.Ich kann mich vielleicht teilweise hineinversetzen, auch wenn ich wünschte es wäre anders. Ich leugne auch nicht, daß hoffentlich die meisten Mutter-Kind-Beziehungen positiv sind, nur darf man aus diesen Erfahrungen nicht schließen, daß es nicht auch anders sein kann! Ich denke wir alle sollten lernen, daß man nicht von sich auf andere schließen sollte und Menschen mit negativen Erfahrungen dieser Art eher Verständnis und Hilfe anbieten sollte, anstatt sie deswegen unbewußt geradezu anzugreifen.
 
U

Ursula

Gast
unbewusster Angriff

Falls sich jemand von meinen Antworten angegriffen fühlt, finde ich dies schade. Ich bin einfach der Meinung, dass es etwas einfach ist, die Sache nur aus einer Sicht zu sehen.

PS: auch ich schaffte den Ausstieg aus einer kranken Mutter-Tochter-Beziehung nur mit der Hilfe einer äusserst einfühlsamen Psychologin. Ich weiss somit sehr wohl, worum es sich hier handelt.
 

Marilu

Mitglied
Zusammenfassend...

Als ich dieses Gedicht hier in der Leselupe veröffentlicht habe, war mir klar, das da auch heftige Kritik kommen wird. Ich freue mich eigentlich darüber, wie angagiert hier diskutiert wird. Anscheinend habe ich da doch den ein oder anderen Nerv getroffen. Ich glaube, zu einer Mutter-Tochter-Beziehung gehört auch Auseinandersetzung. Wenn es sein muß, eben auch sehr direkt. Dies habe ich in meiner Therapie auch getan...und mittlerweile können wir wieder miteinander sprechen. Ich bin der Meinung, nur weil es die eigene Mutter oder der Vater ist, ist man nicht gezwungen seine Eltern zu lieben. Es fällt verdammt schwer zur eigenen Mutter zu sagen: "Ich hasse Dich". Aber für mich gehörte es zu einem Entwicklungsprozess. Nachdem sie es zugelassen hat(ob unbewusst oder bewusst), das ihre Freunde mich missbraucht haben, sehe ich es als mein gutes Recht, ihr damit zum Ausdruck zu bringen, wie sehr sie mich verletzt hat...wie schwerwiegend sind dahingehend 3 Worte? Das mir dies, trotz allem was passiert ist, nicht leichtfiel besagen die 2 Worte am Schluß...
 
'Mutterliebe'

Liebe Sanne,

woher willst du wissen, dass deine Kinder dich niemals hassen?
Du kannst es hoffen, viel für sie tun, aber wissen kannst du das nicht.

Meine Mutter kann sich das sicher auch nicht denken und trotzdem ist es sehr oft so, einfach weil sie mich nie verstehen konnte oder wollte.
Sie hat mich oft gefragt warum ich so anders bin als meine Brüder, es mir oft vorgeworfen, nur Verständnis will sie keines aufbringen, so ist sie auch eine der wenigen Personen, die nicht weiss, dass ich schreibe um meine Depressionen erträglich zu machen; ich könnte es ihr nie sagen, sie würd's sowieso nicht glauben, weil wir doch alle so herrlich normal zu sein haben.

Nicht übel nehmen, ist kein ASngriff, nur meine Meinung!

Liebe Grüsse
Christina
 

Lola

Mitglied
Ehrlich

Hallo Marilu,
Ich finde das Gedicht sehr ehrlich und gelungen.
Das Verhältnis zwischen Mutter und Kind gehört sicher zu den ursprünglichsten menschlichen Beziehungen überhaupt, ist deshalb immer prägend, oft konflikthaft und hochinteressant.
Der große Haß scheint mir dabei die dunkle Seite einer großen Liebe zu sein, zumindest Ausdruck eines tiefen Gefühles, das sich in der Kindheit formt und das Leben begleitet.
Im Zusammenhang mit solch primären, in die Seele "gebrannten" Gefühlswelten scheinen mir übrigens Kategorien wie "verzeihen" und ähnliches ein wenig schlicht (sorry). Es scheint, als sind da 100 Jahre Psychologie an manchen vorbei gegangen.
Liebe Grüße
Lola
 
S

Sansibar

Gast
Mutter

Guten Morgen Marilu,
die meisten menschen setzen voraus, das Mütter ihre "Brut"
zwangsläufig lieben. Dies scheint mit eher Mythos. viele waschsen in diese Rolle hinein, aber es gibt welche,(so auch meine) die können es einfach nicht. Die Gründe seien dahingestellt, denn es geht um dich und was du empfinden mußest und unter dem doch noch heute und vermutlich noch lange leiden wirst. Verzeihen in deiner Situation wäre für mich undenkbar.
Ich schrieb übrigens das Gedicht: Mutter,
Ich sucht in Sternennächten deine Liebe und suchte Briefe die du niemals schriebst..... vielleicht kramst du es malhervor: Poesie der Liebe, Nov.
Lieben Gruß von
Sansibar
 



 
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