Dunkelfell und Wolkenrot

Camaun

Mitglied
DUNKELFELL UND WOLKENROT

Es war einmal...
Vor langer langer Zeit, in einem weit entfernten und verzauberten Land.
Wunderschön war es dort.
Das ganze Jahr über Frühling, sprießende Blumen und murmelnde Bäche. Es gab keine Menschen in diesem Land und das war einer der vielleicht besten Gründe warum alle Bewohner dieses Ortes so glücklich miteinander lebten.
Spatzen tobten am Tag über die Felder und trieben ihre Späße mit den Füchsen und Hunden, nachts stimmten hunderte von Nachtigallen ihre herzerweichenden Gesänge an, zu denen selbst die Eulen gemütlich brummend auf ihren Ästen hin und her wiegten.
Jeder morgen war ein großes Fest, wenn die Sonne ihre ersten scheuen Sonnenstrahlen zögernd und behutsam über die Hügel schickte, so daß sich die Biber am Fluß verträumt die Augen rieben und erst einmal ausgiebig gähnten.
Jeder abend ward in ein leuchtendes Feuerrot getaucht, wenn es Zeit für den Mond war die Wache für die Nacht zu übernehmen und die Wälder und Gräser und Felder in seinen silbrigen Schimmer tauchte, auf das ihnen nie etwas böses geschehen könne.
Nun trug es sich zu, daß in einer seltenen Nacht des Jahres ein kleiner und besonderer Hase geboren wurde.
Die Sonne war noch nicht ganz in ihrer Bettstatt verschwunden, als der Mond schon seinen Dienst antrat und mit einem Mal alle beide am Firmament zu sehen waren.
Die Eltern des jungen Hasen sahen hinauf zum Himmel und riefen, sieh, sieh den Mond, sieh die Sonne!
Was mag das zu bedeuten haben?
Als sie ihren Sohn betrachteten, fielen sie sich darauf hin gegenseitig um den Hals und tauften ihn Dunkelfell, denn sein Fell ward fast schwarz, jedoch trug es durch den Schein des Mondes einen silbrigen Schimmer, welcher sich mit dem Abendrot der letzten Sonnenstrahlen vermischte.
Und so wuchs der junge Hase unter seinesgleichen in einer wundervollen Familie auf.
Es vergingen einige Jahre und er wuchs zu einem ansehnlichen ausgewachsenen Hasen heran, dem es im Laufe seines Lebens nicht schwerfiel eine wundervolle Gefährtin zu finden, mit der er seine glücklichen Tage verbringen konnte.
Eines Tages jedoch, er war weit entfernt von zuhause unterwegs gewesen, lernte er eine weitere schöne Hasendame kennen, mit der er sich prächtig verstand.
Jedesmal wenn Dunkelfell sie besuchen kam, redeten sie bis spät in die Nacht miteinander über die seltsamsten Dinge. Sie lachten viel miteinander und gingen zusammen spazieren.
Hoppelten um die Wette durch den Wald und suchten gemeinsam nach essbarem in den Tiefen des Unterholzes.
Doch jedesmal wenn Dunkelfell wieder nach hause kam, gab er seiner Gefährtin einen Kuss und freute sich wieder bei ihr zu sein, so daß er sich sogleich wieder an ihre Seite kuschelte und ihr wunderschöne Dinge in ihr Ohr flüsterte.
Nun trug es sich an einem schicksalshaften abend zu, daß eine kleine Kaninchendame geboren wurde.
Es regnete an diesem Tag, doch ihre Eltern wussten, daß das keine Regentropfen waren, sondern Tränen, denn der Himmel weinte, weil er bemerkt hatte, daß ihm ein Engel fehlte.
Sie waren so gerührt von diesem Geschenk und blickten hinauf in den Himmel.
Das Feuer der Dämmerung hatte die Wolken am Himmel in ein wundervoll zu schauendes Rot getaucht, so daß sie ihre Tochter nach diesem Abend benannten.
Wolkenrot soll sie heißen, sprachen ihre Eltern, denn ihr Fell hatte die gleiche Farbe wie die sterbenden Sonnenstrahlen, die sich auf dem Weg nach hause zum ausruhen in die tiefen Regenwolken gesetzt hatten.
Nun verging wieder einige Zeit und Wolkenrot wuchs einer wunderschönen Kaninchendame heran, die allen Kaninchenmännern den Kopf verdrehen konnte, wenn sie auch nur die Andeutung eines Blickes in deren Richtung machte.
In der Mitte dieses Jahres fand dann ein großes Fest statt, an dem sich alle Hasen und Kaninchen aus der Umgebung zum Tanz trafen.
Dunkelfell und seine Gefährtin waren natürlich ebenfalls dabei.
Als sie dort ankamen trennten sie sich, so daß jeder seinen eigenen Bekannten und Verwandten, die sie lange nicht mehr gesehen hatte, guten Tag sagen konnten.
Als Wolkenrot nun voller Freude über das Festgelänge gehoppelt war, erspähte sie Dunkelfell.
Ihr kleines Herz schlug plötzlich heftig in ihrer Brust und sie merkte, daß sie unbedingt zu ihm gehen musste um ihn anzusprechen.
Dunkelfell war natürlich sehr erfreut über die Unterhaltung, konnte er doch so den Besuch von einigen weniger gemochten Verwandten zumindest einmal etwas aufschieben.
Die beiden verstanden sich auf Anhieb ebenfalls sehr gut miteinander und alberten den ganzen Tag herum. Dunkelfell machte Witze und Wolkenrot lachte über sie, Wolkenrot stupste Dunkelfell an und ließ sich von ihm über das weiche Gras jagen.
So kam es, daß die beiden die Zeit völlig vergaßen und erst als es dunkel wurde, daran dachten wieder zu den anderen zurück zu gehen.
Dunkelfells Gefährtin war über sein Verschwinden nicht besonders erfreut gewesen und wurde deswegen traurig, doch er verstand gar nicht, weshalb.
In den nächsten Wochen veränderte sich Dunkelfell, denn plötzlich wusste er nicht mehr, wohin er gehen sollte.
Sein kleines Herz zog ihn in drei Richtungen gleichzeitig und abends, nachdem es dunkel geworden war, saß er oft alleine auf einem hohen Hügel und blickte in die Sterne.
Er wusste nicht, wie alles um ihn herum weitergehen sollte.
Seine Gefährtin hier... das Fernweh zu seiner entfernten Bekannten und die kleine süße Kaninchendame vom Tanz.
Die letzten Wochen hatte er versucht überall zur gleichen Zeit zu sein und mit allen eine schöne Zeit zu verleben, doch allmählich wurde aus dem ganzen Spiel und Spaß realistischer Ernst...
Alle drei wollten Dunkelfell für sich alleine haben und er konnte und wollte sich nicht entscheiden.
Doch dann stellte ihn eines Tages seine Gefährtin zur Rede, weil sie es nicht mehr aushalten konnte ihren Geliebten nur noch so selten zu sehen, da er immer so viel unterwegs war.
Dunkelfells Herz wollte ihr nicht weh tun, doch er quälte sich durch die Entscheidung und sprach, ich kann nicht mehr bei dir bleiben. Mein Herz ist zerissen und ich weiß nicht, was ich tun soll.
Leb wohl, meine Gefährtin. Ich möchte dir für die wundervolle Zeit mit dir danken.
Daraufhin weinte sie und Dunkelfell fühlte sich elend.
Mit traurigem Blick verließ er ihr gemeinsames Heim und wanderte hinaus in die Welt, immernoch ohne zu wissen, wie er sich weiter entscheiden sollte.
Alleine horchte er in sich hinein, doch zwischen seiner Freundinn in der Ferne und dem süßen Kaninchenmädchen mochte es nicht wählen.
Wenn Wolkenrot in seiner Nähe war, befand es sich in einem Zustand seeliger Ruhe und Dunkelfell sagte sich, ich bin ein Hase, sie ist ein Kaninchen. Und so besuchte er hin und wieder seine Hasendame in der Ferne.
Es war immer ein beschwerlicher Weg, weit zu hoppeln und nicht ganz ohne Gefahren, doch Dunkelfell nahm das alles in Kauf.
Als er eines Abend wiederkam von einer seiner Reisen, stellte ihn seine Kaninchenfreundinn zu Rede und wollte endlich wissen, wie sich Dunkelfell entscheiden würde. Sie sah ihn mit ihren großen traurigen Augen an und plötzlich wurde Dunkelfell gewahr, daß sich diese Kaninchendame in ihn verliebt hatte.
So zog er sich zurück und versuchte sich über seine eigenen Gefühle klar zu werden.
Ich bin ein Hase, sie ist ein Kaninchen, sagte er sich.
Doch ich habe sie sehr gern.
Und so sprach er, es wäre in Ordnung und Wolkenrot mochte nicht glauben, was sie da hörte. So glücklich war sie, daß sie ihrem Hasenmann um den Hals fiel und ganz fest drückte.
Dunkelfells Herz war jedoch noch immer zerissen.
Die Liebe in der Ferne machte ihm schwer zu schaffen, doch er sagte sich immer wieder, daß es viel zu gefährlich sei, immer wieder diesen weiten und beschwerlichen Weg zu gehen.
Tagelang unterwegs zu sein, nur um seine dortige Freundinn für ein paar Stunden sehen zu können.
Denn er hatte hier viel zu tun, musste seiner Familie helfen, Futter suchen und viel dergleichen mehr.
Als Dunkelfell und Wolkenrot nun eine Weile zusammen lebten, geschah es eines Abends, daß Dunkelfell so von Sehnsucht geschüttelt wurde, daß er Wolkenrot sagte, er könne nicht mehr bei ihr bleiben und müsse fortgehen.
Sie sah ihr beider Glück mit einem mal in tausend Scherben zerbrechen und weinte so laut, daß Dunkelfells Herz vor lauter Traurigkeit bersten mochte.
Mit hängenden Löffeln zog er davon und hoppelte den weiten Weg in die Ferne um seine dortige Freundinn zu sehen.
Doch schon nach wenigen Tagen war er zurück und hatte eingesehen, daß das nicht gutgehen konnte. Er war besser alleine drann.
Wolkenrot weinte ihm lange nach, doch er sprach immer, ich bin ein Hase, du ein Kaninchen...
Leben wir eine schöne Zeit miteinander... aber ich kann mir nicht vorstellen, daß wir jemals Gefährten werden können.
Wolkenrot schniefte traurig und nickte. Sie hatte keine andere Wahl, als zu akzeptieren.
Und Dunkelfell wusste selbst nicht, warum er so sprach. Wieso konnte er sich nicht vorstellen Wolkenrot als Gefährtin zu haben?
Er wusste es nicht... sein kleines Herz war jedesmal wenn sie bei ihm war von dieser seeligen Ruhe erfüllt, die alle Gedanken in seinem Kopf ausschaltete, so daß die Zeit für ihn so schön war, daß er einfach wunschlos glücklich war. Mehr wollte er gar nicht.
Mit Wolkenrot über die Felder tollen, zusammen die Nachbarn bestehlen und abends aneinandergekuschelt beim Sonnenuntergang einschlafen.
Und so wanderten sie immer zu zweit miteinander umher, ohne jedoch wirklich Gefährten zu sein.
Wolkenrot trug immer einen bitteren Schmerz in ihrer Brust umher, doch mit der Zeit ließ dieser zumindest ein wenig nach.
Eines weiteren schicksalshaften Tages jedoch...
Dunkelfell hatte Wolkenrot auf ein großes Tanzfest mitgenommen.
Beide hatten an diesem Abend viel Spaß, machten ihre Späße mit den Gästen, redeten, tanzten und tranken.
Als der Abend dann zur Neige ging, sah Dunkelfell wie Wolkenrot sich mit einem anderen Kaninchenjungen unterhielt.
Die beiden schienen sich anscheinend ziemlich gut zu verstehen, denn Wolkenrot lachte viel und hoppelte freudig um ihren neuen Bekannten herum.
Dunkelfell lächelte im ersten Moment und wandte sich wieder zu seinen eigenen Bekannten um.
Später jedoch, als immer mehr Besucher den Heimweg antraten, hoppelte er gerade um einen Baum herum und erblickte Wolkenrot mit ihren neuen Bekannten.
Sie tuschelten, gaben sich kleine Küßchen und blickten beide in den klaren Sternenhimmel hinauf.
Dunkelfell legte sich flach auf den Boden und sah den beiden zu.
Sein Herz fühlte sich in diesem Moment ziemlich seltsam an, und da er anfangs nicht wusste weshalb, blieb er vorerst weiter liegen und ließ seinen Blick auf Wolkenrot ruhen.
Schleichend füllte sich sein Herz mit Einsamkeit.
Ich bin ein Hase, sie ein Kaninchen, sagte er sich, doch es half nichts mehr.
Plötzlich verstand Dunkelfell, wie sehr er Wolkenrot mochte.
Die ganze Nacht tat er kein Auge zu und beobachtete die beiden, wie sie sich miteinander vergnügten, Witze rissen, sich aneinander kuschelten und kleine vorsichtige Küsschen austauschen.
Als er das alles sah, brach ihm das schier das Herz.
Mit einem Mal wußte er, daß er Wolkenrot doch geliebt hatte.
Nur hatte er es erst bemerkt, als er sie plötzlich in den Pfoten eines anderen sah.
Seine kleinen Krallen bohrten sich verzweifelt in den weichen Erdboden auf dem er lag und seine Löffel hingen schlaff von seinem Kopf.
Jedesmal wenn Wolkenrot und ihr neuer Kaninchenfreund einander berührten, spürte Dunkelfell einen Stich in seinem Herzen, der so weh tat, daß er am liebsten sofort geweint hätte.
Doch dann würden ihn die beiden womöglich bemerken und so biß er die Zähne zusammen und richtete seinen Blick weiter starr geradeaus auf das neue Liebespärchen.
In seinem Inneren keimte ein plötzliches Feuer auf, welches er in dieser Form noch so gut wie nie erlebt hatte. Warum hatte er nicht früher erkannt?, fragte er sich.
Warum tat ihm das plötzlich so weh?
Er hatte doch selbst gesagt, daß er sich nicht vorstellen konnte sie als Gefährtin zu haben.
Ich bin ein Hase, sie ein Kaninchen.
Und doch spürte er das Feuer in sich brennen, daß alle Zweifel beseite räumte und ihn mit der nackten Wahrheit allein ließ.
Verzweifelt presste er dann seine Augen aufeinander und wartete bis der neue morgen anbrach.
Als Wolkenrot und Dunkelfell den Rückweg antraten und schon einige Meter unterwegs waren, hielt er sie plötzlich zurück.
Mit hängenden Löffeln erzählte er ihr, wie er fühlte und Wolkenrot begann zu weinen.
Nach einiger Zeit setzten die beiden ihren Heimweg schweigend fort, denn keiner von beiden war noch in der Lage etwas zu sagen.
Als sie an einer Wegkreuzung ankamen, an denen beide in verschiedene Richtungen nach hause hoppeln mussten, sahen sie sich in Augen.
Wolkenrot sprach, ich liebe dich immernoch, Dunkelfell, aber ich kann dich nicht mehr lieben. Als du mich verlassen hast...
Und Dunkelfell wußte selbst, daß er zuviel zerstört hatte... und doch wünschte er sich in diesem Moment nichts sehnlicher, als seine kleine Kaninchendame zurück zu haben.
...mein Herz ist so leer. Ich weiß nicht, ob ich dich wieder lieben kann, obwohl ich dich liebe...
Und Dunkelfell verfluchte sich selbst, doch er konnte nichts anderes tun als zu nicken.
...ich brauche Zeit...
Als sich ihm die Tränen in die Augen trieben hatte er große Mühe sie zurück zu halten. Doch abermals nickte er nur mit hängenden Löffeln.
Schweigend betrachteten sich die beiden und waren hin und hergerissen zwischen dem was geschehen war und dem was sie fühlten.
Wolkenrot war so unsicher und Dunkelfell so traurig.
Irgendwann jedoch verabschiedeten sie sich und zogen ihrer Wege.
Und Dunkelfell saß jeden Abend vor seinem kleinen Bau und blickte in den Himmel.
Jedesmal wenn er die dunkelroten Wolken am Himmel sah, dachte er an Wolkenrot und eine kleine Träne rann aus seinen Augen.
Ich bin ein Hase... sie ein Kaninchen...
 

majissa

Mitglied
hallo camaun,

schade, daß niemand einen kommentar zu dieser geschichte geschrieben hat. also mache ich es, auch wenn es sehr spät geschieht.

die geschichte hätte mir ohne den märchenhaften charakter besser gefallen, denn ich wurde die ganze zeit während des lesens das gefühl nicht los, daß es sich im grunde um die tragische liebesgeschichte zweier menschen handelt.

trotzdem hast du eine märchenwelt erschaffen, in die man eintauchen und das geschehen genießen konnte. einige stellen jedoch verlangen nach einer erklärung:

z. B. was hat es mit den "tränen" des himmels auf sich, weil ein engel fehlt? der leser versteht das nicht.

mir scheint eine geballte ladung märchenhaften potentials in dir zu schlummern, dem du selbst aber in der umsetzung hilflos gegenüber zu stehen scheinst. ein zuviel kann oft hinderlich sein.

liebe grüße
majissa
 

Deminien

Mitglied
Hi,


eine wirlich schöne Analogie, die mir beinahe entgagen wäre.

majissa schrieb:
"tränen" des himmels auf sich, weil ein engel fehlt?

Jap, weil der Engel nun auf der Erde wandelt "weint" der Himmel (der egoistische;). Ich habs verstanden, wobei mit speziell dieser Satz bzw. die Grundidee recht bekannt vorkommt.

Natürlich handelt es sich um eine tragische Liebesgeschichte. Allerdings nicht zwischen zwei Menschen. Er kann sich nicht entscheiden bzw. Sein Herz kennt viele Orte. Zu trennen vermag er sich, aber als Sie sich trennt "glaubt" er erst die Liebe seines Lebens verloren zu haben. Dabei ist es nur so, daß er zum ersten mal den Laufpass bekommen hat und sich nun mit dem unfreiwilligen Verlust abfinden muß.


So ist das, nciht wahrgenommene Gelegenheiten betrtauert man länger, als Gelegenheiten, die sich als Enttäuschung herausstellten...


Deminien
 



 
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