Eckbank

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Ralf Langer

Mitglied
Eckbank

Zwölf Quadratmeter Raum:
Ein Etagenbett, ein Esstisch, und diese Eckbank.
Das Metronom meiner Kindheit.
Erst schaufelte sich mein Vater nach der Arbeit an ihr, mit schlaftrunkenen Augen, das aufgewärmte Mittagessen hinein, tätschelte mir dabei beiläufig auf den Kopf, fragte nach der Schule, las die Bild, und legte dann seinen Kopf, auf seinen gekreuzten Armen zur Ruhe.
Irgendwie schaffte er es immer sich im Schlaf hinzulegen.
Der gekrümmte Oberkörper folgte der Biegung der Eckbank und die ausgestreckten Füße baumelten am anderen Ende herunter.
Holzklotschen fielen zu Boden, und zerschlissene Arbeitersocken gaben den Blick frei auf unruhig träumende Zehen. Dann schnarchen.
Mutter legte den Zeigefinger auf ihre geschlossenen Lippen.
Fünf Tage die Woche. Achtzehn Jahre lang.
Eckbank:
Zu ihren Füßen habe ich schweigen gelernt.
 
hallo lieber Ralf

du hast drei Worte in deinem Text (bewusst?), die unglaublich wichtig für mich als Leser sind:
In der Nachkriegszeit (später und auch heute noch) gab es genügend Väter, die 14, 16, oder noch mehr Stunden am Tag arbeiten mussten, um ihre vielköpfigen Familien durchzufüttern. Erschöpfung war die Folge, und ich achte diese Männer.
Aber mit diesen drei Worten hast du klargelegt, dass nicht am Hungertuch genagt wurde.

zum Text:
gaben den Blick frei auf unruhig träumende Zehen.
dieses Adjektiv hat in deinem niederschmetternden Text nichts verloren.

liebe grüße
gernot
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
nee.

die unruhig träumenden zehen sind beinahe das beste vom text. wenn einer den ganzen tag geschuftet hat und sich dann so unbequem schlafen legt, dem zucken die zehen im schlaf. sie dürfen ausruhen des schuhwerks ledig und sind doch noch immer unterwegs! und das als träumen zu bezeichnen, finde ich genial.
lg
 
hallo liebe flammarion,

es geht mir nicht um das träumen der zehen, sondern um den gesamteindruck des textes. in so kurzen texten der bitternis haben solche adjektive einfach nichts verloren, träumen erinnert an etwas schönes, daher mein einwand.

liebe grüße
gernot
 
B

bluefin

Gast
ich kann in diesem text nichts bitteres erkennen, sondern das wirklich schön beschriebene abbild einer miefigen 50er-jahre-durchschnitss-arbeiterfamilie, in der alles, aber auch wirklich alles, am richtigen platz ist. ein lob für die träumenden zehen (das metronom ist ein bisserl zu dick, das passt nicht ins milljöh), und ein bisschen tadel für das grauenhafte:
Erst schaufelte sich mein Vater nach der Arbeit an ihr, mit schlaftrunkenen Augen, das aufgewärmte Mittagessen hinein,
das solltest du anders lösen, lieber @ralf. du vermiedest alle falschen bezüge und schadetest dem stückerl nicht, wenn du z. b. sagtest:
"auf ihr schaufelte mein vater erst(,) schlaftrunken(,) das aufgewärmte mittagessen in sich hinein"...
liebe grüße aus münchen

bluefin
 

Ralf Langer

Mitglied
Hallo ihr alle,

habt dank für die kommentare:

Mit den schlafenden Zehen bin ich sehr zufrieden.
Denke das Bild ist stimmig.

Ja " Schaufeln" ich dachte an einen Mann der mit der Schüppe
arbeitet, und da hatte ich die Schaufel sozusagen vor mir.
Aber der Satz ist ein bisschen verschachtelt.
Gehe noch mal mit mir in Klausur.

Den Einschub nach der Arbeit dachte ich wäre nötig um einen
Hinweis zu geben auf die vorherige Tätigkeit zu geben...

lg
ralf
 

Ralf Langer

Mitglied
Eckbank

Zwölf Quadratmeter Raum:
Ein Etagenbett, ein Esstisch, und diese Eckbank.
Das Metronom meiner Kindheit.
Auf ihr schaufelte sich mein Vater nach der Arbeit, schlaftrunken, das aufgewärmte Mittagessen hinein, tätschelte mir dabei beiläufig auf den Kopf, fragte nach der Schule, las die Bild, und legte dann seinen Kopf, auf seinen gekreuzten Armen zur Ruhe.
Irgendwie schaffte er es immer sich im Schlaf hinzulegen.
Der gekrümmte Oberkörper folgte der Biegung der Eckbank und die ausgestreckten Füße baumelten am anderen Ende herunter.
Holzklotschen fielen zu Boden, und zerschlissene Arbeitersocken gaben den Blick frei auf unruhig träumende Zehen. Dann Schnarchen.
Mutter legte den Zeigefinger auf ihre geschlossenen Lippen.
Fünf Tage die Woche. Achtzehn Jahre lang.
Eckbank:
Zu ihren Füßen habe ich schweigen gelernt.
 
B

bluefin

Gast
das mit "nach der arbeit" stört nicht, wenn du's wieder einfügst, ist aber überflüssig - das aufgewärmtsein des mittagessens reicht völlig.

liebe grüße aus münchen

bluefin
 
B

bluefin

Gast
jetzt ist nur noch ein würmchen drin: in der zeit, in der's solches (von "bild" zwar schon verseuchtes, aber immerhin glotzenfreies) milljöh hatte, war der samstag ein arbeitstag.

tipp: aus der modernen fünnef noch geschwind einen historisch korrekten sechser machen. dann gingen auch die "arbeitssocken" besser durch.

noch ein paar stilistische anmerkungen:
Zwölf Quadratmeter Raum:
Ein Etagenbett, ein Esstisch[blue](,)[/blue] und diese Eckbank[blue](.)[doppelpunkt][/blue][blue](Das)[/blue] Metronom meiner Kindheit.
Auf ihr schaufelte sich mein Vater nach der Arbeit, schlaftrunken, das aufgewärmte Mittagessen hinein, tätschelte mir [blue](dabei)[/blue] beiläufig [blue](auf)[/blue] den Kopf, fragte nach der Schule, las die Bild [blue]besser in der "Bild"(,) [/blue]und legte dann seinen Kopf[blue](,)[/blue] auf seinen besser: [blue]den[/blue] gekreuzten Armen zur Ruhe.
Irgendwie schaffte er es immer sich im Schlaf hinzulegen.
Der gekrümmte Oberkörper folgte der Biegung der Eckbank und die ausgestreckten Füße baumelten am [blue](anderen)[/blue] Ende herunter.
Holzklotschen [blue]slang; pantoffeln?[/blue] fielen zu Boden, [blue](und)[/blue] zerschlissene Arbeitersocken gaben den Blick frei auf unruhig träumende Zehen. Dann Schnarchen.
Mutter legte den Zeigefinger auf ihre geschlossenen Lippen.
Fünf [blue]s. o.[/blue] Tage die Woche. Achtzehn Jahre lang.
Eckbank:
Zu ihren Füßen habe ich schweigen gelernt.

liebe grüße aus münchen

bluefin
 

Ralf Langer

Mitglied
Eckbank

Zwölf Quadratmeter Raum:
Ein Etagenbett, ein Esstisch, und diese Eckbank:
Metronom meiner Kindheit.
Auf ihr schaufelte sich mein Vater nach der Arbeit, schlaftrunken, das aufgewärmte Mittagessen hinein, tätschelte mir dabei beiläufig auf den Kopf, fragte nach der Schule, las die Bild, und legte dann seinen Kopf auf den gekreuzten Armen zur Ruhe.
Irgendwie schaffte er es immer sich im Schlaf hinzulegen.
Der gekrümmte Oberkörper folgte der Biegung der Eckbank und die ausgestreckten Füße baumelten am Ende herunter.
Holzklotschen fielen zu Boden, und zerschlissene Arbeitersocken gaben den Blick frei auf unruhig träumende Zehen. Dann Schnarchen.
Mutter legte den Zeigefinger auf ihre geschlossenen Lippen.
Sechs Tage die Woche. Achtzehn Jahre lang.
Eckbank:
Zu ihren Füßen habe ich schweigen gelernt.
 

Ralf Langer

Mitglied
Bi bluefin,
danke für deine zweite aufarbeitung des textes.
habe ein paar vorschläge übernommen.
apropos pantoffeln versus holzklotschen

mein pa hatte diese dinger aus holz,
eine flaches hölzernes gestell mit gummisohle und einen
einfachen lederriemen als zehenhalter.
ähnlich den heutigen jesuslatschen.

klack, klack auf dem linoleumboden
lg
ralf
 
B

bluefin

Gast
das wort "klotschen" hab ich noch nie gehört. welchem dialekt gehört es denn an bzw. woher leitet es sich ab? von "clogs?"

...*bubbles*...

bluefin

p. s.: scheiße, jetzt sind in der ersten zeile zwei doppelpunkte hintereinander. das geht gar nicht. tipp: aus dem ersten einen punkt machen.
 

Ralf Langer

Mitglied
SEHE ICH AUCH GERADE
::::::
mit den klotschen bin ich mir selbst nicht sicher
bei uns im ruhrdelta wurden die so geschimpft

apropos da wude tatsächlich mal ein wal gesichtet
im disburger hafen.
is schon ne zeit her.
verschwommen?
oder eher neugier!
LG
RALF
 

Ralf Langer

Mitglied
Eckbank

Zwölf Quadratmeter Raum.
Ein Etagenbett, ein Esstisch, und diese Eckbank:
Metronom meiner Kindheit.
Auf ihr schaufelte sich mein Vater nach der Arbeit, schlaftrunken, das aufgewärmte Mittagessen hinein, tätschelte mir dabei beiläufig auf den Kopf, fragte nach der Schule, las die Bild, und legte dann seinen Kopf auf den gekreuzten Armen zur Ruhe.
Irgendwie schaffte er es immer sich im Schlaf hinzulegen.
Der gekrümmte Oberkörper folgte der Biegung der Eckbank und die ausgestreckten Füße baumelten am Ende herunter.
Holzklotschen fielen zu Boden, und zerschlissene Arbeitersocken gaben den Blick frei auf unruhig träumende Zehen. Dann Schnarchen.
Mutter legte den Zeigefinger auf ihre geschlossenen Lippen.
Sechs Tage die Woche. Achtzehn Jahre lang.
Eckbank:
Zu ihren Füßen habe ich schweigen gelernt.
 
B

bluefin

Gast
das war 1966 - ein beluga im rhein. damals gab's ein gesangsduo namens "christopher und michael"; das stück hieß "im rhein, da schwimmt ein weißer wal". den refrain kann ich noch mitsummen; den übrigen text weiß ich nicht mehr, aber es war wohl damals schon ein walschützer-song.

wie jüngst hinter "bruno" waren auch damals volk, politik und ein zoodirektor hinter dem vieh her. dr. gewalt (was für ein name!) vom duisburger tierpark war aber genauso erfolglos wie ebengerade "blasrohr-wiesner" in münchen. doch während bruno am spitzing sein garstig leben aushauchen musste, entkam der wal damals; vermutlich fand er einen schlupf in die nordsee.

liebe grüße aus münchen

bluefin
 



 
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